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BGH zu Rückzahlung von Bankentgelten

BGH zu Rückzahlung von Bankentgelten

Grüne Wirtschaft durch Marktwirtschaft

Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 19. November 2024 (XI ZR 139/23)

Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs, zuständig für Bank- und Kapitalmarktrecht, hat am 19. November 2024 entschieden, dass eine Bank die aufgrund einer unwirksamen Zustimmungsfiktionsklausel erhobenen Entgelte zurückzuzahlen hat.

Sachverhalt

Der Kläger forderte die Rückzahlung von Kontoführungsentgelten und Gebühren für eine Girokarte, die eine Sparkasse auf Grundlage einer unwirksamen Klausel ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) erhoben hatte. Diese Klausel sah vor, dass Änderungen der Vertragsbedingungen und Entgelte als akzeptiert gelten, sofern der Kunde ihnen nicht innerhalb einer bestimmten Frist widerspricht. Konkret wurden ab dem 1. Januar 2018 für das Girokonto des Klägers monatlich 3,50 € und jährlich 6 € für die SparkassenCard erhoben, ohne dass der Kläger diesen Änderungen ausdrücklich zugestimmt hatte. Die Entgelte wurden bis 2021 abgebucht, bevor der Kläger im Juli 2021 widersprach und die Rückzahlung von insgesamt 192 € sowie die Feststellung zukünftiger Schadensersatzansprüche verlangte.

Bisheriger Prozessverlauf

Sowohl das Amtsgericht Ingolstadt als auch das Landgericht Ingolstadt wiesen die Klage ab. Der Kläger verfolgte sein Begehren im Revisionsverfahren vor dem Bundesgerichtshof weiter.

Entscheidung

Der Bundesgerichtshof hob das Urteil des Berufungsgerichts auf und gab der Klage statt. Er entschied, dass die Sparkasse die erhobenen Entgelte ohne Rechtsgrund vereinnahmt hat, da die Zustimmungsfiktionsklausel unwirksam ist. Der Kläger hat die Änderungen der Entgeltbedingungen weder ausdrücklich noch konkludent durch die weitere Nutzung des Girokontos akzeptiert.

Die fortgesetzte Nutzung eines Girokontos stellt keine Zustimmung zu geänderten Vertragsbedingungen dar, da ein Girokonto für die Teilnahme am unbaren Zahlungsverkehr von essentieller Bedeutung ist. Vielmehr folgt aus § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB ein Rückforderungsanspruch, da die Sparkasse die Entgelte ohne rechtlichen Grund vereinnahmt hat.

Rechtsgrundlagen und rechtliche Würdigung

  1. Unwirksamkeit der Zustimmungsfiktionsklausel
    Der XI. Senat bestätigte seine Rechtsprechung aus dem Urteil vom 27. April 2021 (XI ZR 26/20), wonach Zustimmungsfiktionsklauseln in Verbraucherverträgen unwirksam sind (§ 306 Abs. 2 BGB). Änderungen eines Vertragsinhalts bedürfen einer ausdrücklichen Willenserklärung des Kunden (§ 311 Abs. 1 BGB).

  2. Kein Verlust des Rückforderungsanspruchs durch Zeitablauf
    Die vom VIII. Zivilsenat entwickelte „Dreijahreslösung“ (BGH, Urteil vom 14. März 2012 – VIII ZR 113/11), wonach Preisanpassungen in Energielieferungsverträgen nach Ablauf von drei Jahren nicht mehr beanstandet werden können, ist auf Zustimmungsfiktionsklauseln im Bankrecht nicht übertragbar. Die durch die Unwirksamkeit der Klausel entstehende Vertragslücke ist nicht durch ergänzende Vertragsauslegung zu schließen, sondern gemäß § 306 Abs. 2 BGB durch dispositives Gesetzesrecht.

  3. Verjährung
    Die Rückforderung unterliegt der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren gemäß § 195 BGB, die hier gewahrt wurde.

  4. Kein Vertrauensschutz zugunsten der Sparkasse
    Die Sparkasse wird durch die Rückzahlungsverpflichtung nicht unzumutbar belastet, da sie sich auf die gesetzlichen Kündigungs- und Verjährungsregelungen stützen kann.

Ergebnis

Die Sparkasse wurde zur Rückzahlung der erhobenen Entgelte in Höhe von 192 € verurteilt. Zudem wurde festgestellt, dass sie verpflichtet ist, dem Kläger jeden weiteren zukünftigen Schaden zu ersetzen, der durch die Einziehung unberechtigter Entgelte entsteht. Die Entscheidung betont die Notwendigkeit, Vertragsänderungen ausdrücklich zu vereinbaren, und schränkt die Anwendung von Zustimmungsfiktionsklauseln im Bankverkehr weiter ein.

Relevanz der Entscheidung

Das Urteil stärkt den Verbraucherschutz und verdeutlicht die hohen Anforderungen an die Wirksamkeit von Vertragsklauseln, die einseitige Änderungen durch Unternehmen vorsehen. Es zeigt zudem die Grenzen der ergänzenden Vertragsauslegung und der Anwendung von Treu und Glauben im Zusammenhang mit unwirksamen Klauseln auf.

Pressemitteilung zum Urteil

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