Wer stattet Altkanzler aus? – Zuständigkeit bei Streit über Büro für Bundeskanzler a.D. liegt beim Bundesverfassungsgericht

Pressemitteilung des BVwG vom 10.4.2025
Mit Urteil vom 10. April 2025 (Az. BVerwG 2 C 16.24) hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entschieden, dass Streitigkeiten über die Zurverfügungstellung eines Büros für einen ehemaligen Bundeskanzler nicht in die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichtsbarkeit fallen. Es handle sich vielmehr um eine verfassungsrechtliche Streitigkeit zwischen Verfassungsorganen, für die allein das Bundesverfassungsgericht zuständig sei.
Hintergrund des Verfahrens
Der Kläger war in den Jahren 1998 bis 2005 Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland. In der Folgezeit – von 2006 bis 2021 – stellte der Bund ihm auf Basis haushaltsrechtlicher Beschlüsse ein Büro mit personeller Ausstattung zur Verfügung. Dies entsprach einer gelebten Staatspraxis, wie sie sich seit den 1970er-Jahren etabliert hatte, einschließlich einer Leitungsstelle der Besoldungsgruppe B 6.
Im Mai 2022 beschloss der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages auf Antrag der Fraktionen der sog. Ampelkoalition (SPD, Grüne, FDP), das Büro des Klägers ruhen zu lassen. Begründet wurde dies damit, dass der Kläger keine fortwirkenden Verpflichtungen aus seinem früheren Amt mehr wahrnehme. Der Bundestag folgte dieser Empfehlung bei der Verabschiedung der Haushaltspläne 2022 bis 2024. Seither erhielt der Kläger keine personelle Unterstützung mehr aus Bundesmitteln.
Der Kläger wandte sich daraufhin an die Verwaltungsgerichte und begehrte die Wiederherstellung der bisherigen Büroausstattung. Er stützte seine Klage im Wesentlichen auf Gewohnheitsrecht sowie den Gleichbehandlungsgrundsatz.
Prozessverlauf und rechtliche Bewertung
Sowohl das Verwaltungsgericht als auch das Oberverwaltungsgericht wiesen die Klage als unbegründet ab. Sie verneinten einen Anspruch auf Büroausstattung und sahen keinen Eingriff in verfassungsrechtliche Rechtspositionen, weil der Kläger kein Tätigwerden des Haushaltsgesetzgebers verlange.
Das Bundesverwaltungsgericht hob diese Argumentation nun ausdrücklich auf: Zwar verletze das Berufungsurteil revisibles Recht, weil es materiell über einen verfassungsrechtlichen Anspruch entschieden habe, obwohl die Verwaltungsgerichtsbarkeit hierfür nicht zuständig sei. Dennoch sei die Revision zurückzuweisen, da das Ergebnis – die Abweisung der Klage – im Ergebnis richtig sei. Maßgeblich sei allein, dass es sich um eine Streitigkeit mit verfassungsrechtlichem Charakter handele.
Der Streit betreffe nach Auffassung des BVerwG ausschließlich die Frage, ob ein ehemaliger Bundeskanzler fortwirkende Aufgaben habe und in welchem Umfang ihm hierzu staatliche Ressourcen zustehen. Dies seien Fragen, die ausschließlich das Bundesverfassungsgericht zu entscheiden habe – im Rahmen einer Organstreitigkeit gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG.
Einordnung und Bewertung
Die Entscheidung markiert eine klare verfassungsrechtliche Grenzziehung: Die Frage, ob einem Bundeskanzler a.D. staatliche Ressourcen aus seiner früheren Amtsstellung zustehen, betrifft das Gefüge der obersten Bundesorgane und ist nicht dem Verwaltungsrechtsweg zugänglich. Dies hat weitreichende Konsequenzen für die zukünftige Handhabung vergleichbarer Fälle – nicht nur für Kanzler, sondern auch für andere ehemalige Verfassungsorgane.
Die Entscheidung lässt offen, ob und in welchem Umfang ein solcher Anspruch im Organstreitverfahren tatsächlich bestehen könnte. Sie verweist jedoch eindeutig darauf, dass solche Auseinandersetzungen nicht durch Fachgerichte, sondern durch das Bundesverfassungsgericht entschieden werden müssen.
Der Fall ist ein Paradebeispiel für die Bedeutung verfassungsrechtlicher Kompetenzverteilungen und die Rolle des Bundesverfassungsgerichts als Hüter der Verfassungsordnung zwischen den obersten Staatsorganen.
Bleiben trotzdem die Fragen: Ist auch ein Bundeskanzler a. D. für den Rest seines Lebens als Verfassungsorgan zu behandeln oder gibt es Grenzen? Benötigt ein Bundeskanzler a.D. tätsächlich jenseits einer Übergangszeit ein staatlich finanzierte Büro mit Mitarbeitern und was ist die Gegenleistung für die Gesellschaft zur Rechtfertigung?