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Erfolgreiche Verfassungsbeschwerde gegen die Auslieferung nach Ungarn

Erfolgreiche Verfassungsbeschwerde gegen die Auslieferung nach Ungarn

Bundesverfassungsgericht

Der Beschluß des Bundesverfassungsgerichts (2 BvR 1103/24) befasst sich mit der Verfassungsbeschwerde einer Person gegen ihre Überstellung an die ungarischen Justizbehörden im Rahmen eines Europäischen Haftbefehls.

Zum Beschluß vom 24.1.2025 – 2 BvR 1103/24

Wesentliche Inhalte des Beschlusses:

  1. Verletzung von Art. 4 der EU-Grundrechtecharta (Verbot unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung)
    Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) stellt fest, dass der Beschluss des Kammergerichts vom 27. Juni 2024 die beschwerdeführende Person in ihrem Grundrecht aus Art. 4 GRCh verletzt, da ihre Überstellung nach Ungarn für zulässig erklärt wurde, ohne dass ausreichende Sicherheiten hinsichtlich der menschenwürdigen Haftbedingungen in Ungarn vorlagen.

  2. Sachverhalt zur Auslieferung:

    • Die ungarischen Behörden werfen der beschwerdeführenden Person vor, seit 2017 Mitglied einer kriminellen Vereinigung zu sein, die rechtsextreme Sympathisanten angegriffen haben soll.
    • Am 11. Dezember 2023 wurde die Person in Berlin aufgrund eines Europäischen Haftbefehls festgenommen.
    • Vor dem Kammergericht wurde vorgetragen, dass die Haftbedingungen in Ungarn unmenschlich seien, insbesondere im Hinblick auf Gewaltanwendung durch das Haftpersonal, schlechte hygienische Verhältnisse, Überbelegung und die Diskriminierung von LGBTIQ+-Personen.
    • Das Kammergericht hielt diese Bedenken für nicht durchgreifend, da Ungarn internationale Menschenrechtsstandards anerkenne und allgemeine Zusicherungen abgegeben habe.
  3. Kritik des Bundesverfassungsgerichts an der Entscheidung des Kammergerichts:

    • Unzureichende Prüfung der Haftbedingungen: Das Kammergericht hat nicht ausreichend aufgeklärt, ob die beschwerdeführende Person einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wäre.
    • Fehlende einzelfallbezogene Zusicherung durch Ungarn: Die bloße Wiedergabe der allgemeinen Rechtslage in Ungarn reicht nicht aus, um menschenwürdige Haftbedingungen sicherzustellen.
    • Besonderer Schutzbedarf als non-binäre Person: Die Entscheidung des Kammergerichts berücksichtigt nicht hinreichend die spezifischen Risiken, die sich aus der Geschlechtsidentität der Person ergeben.
  4. Rechtsfolgen des Beschlusses:

    • Das Land Berlin wird verpflichtet, die notwendigen Auslagen der beschwerdeführenden Person zu erstatten.
    • Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit wird auf 15.000 Euro festgesetzt.
    • Die Auslieferung nach Ungarn darf nicht vollzogen werden.

Bedeutung des Beschlusses:

Das BVerfG stärkt den Schutz von Grundrechten im Rahmen des Europäischen Haftbefehls. Es stellt klar, dass nationale Gerichte bei der Prüfung von Auslieferungen eine tiefgehende, einzelfallbezogene Prüfung der Haftbedingungen im ersuchenden Staat vornehmen müssen. Die Entscheidung betont zudem den Schutz vulnerabler Gruppen, insbesondere von LGBTIQ+-Personen, vor diskriminierenden Haftbedingungen.

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