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Losverfahrens bei der Reaktivierung der Wehrpflicht – verfassungskonform?

Arbeitsrecht – Erbrecht - Kommunalrecht

Losverfahrens bei der Reaktivierung der Wehrpflicht – verfassungskonform?

Ausgangspunkt und rechtlicher Rahmen

Art. 12a GG bildet die Grundlage für eine gesetzliche Wehrpflicht:

„Männer können vom vollendeten achtzehnten Lebensjahr an zum Dienst in den Streitkräften […] verpflichtet werden.“

Damit ist die Wehrpflicht verfassungsrechtlich ausdrücklich zulässig, nicht aber zwingend vorgeschrieben. Sie bedarf einer einfachgesetzlichen Ausgestaltung (Wehrpflichtgesetz, Wehrrechtsänderungsgesetz u. a.), deren Inhalt den Anforderungen des Grundgesetzes genügen muss.

1) Begriff und Ziel

Ein Losverfahren ist ein gesetzlich geregelter, randomisierter Auswahlmechanismus, der – wenn Freiwillige nicht reichen – festlegt, wer zur Musterung bzw. zum Dienst herangezogen wird. Zweck ist eine gleichheitsgerechte, nicht-disziplinäre Auswahl unter einer großen Zahl grundsätzlich geeigneter Personen, ohne sozial selektive Kriterien. Politisch diskutiert wird es, um die Bundeswehr planbar zu verstärken, falls ein rein freiwilliges Modell die Sollzahlen nicht erreicht. 

2) Politische Lage in Deutschland (heute)

  • Kein geltendes Losrecht: Die allgemeine Wehrpflicht ist seit 2011 ausgesetzt, nicht abgeschafft (Art. 12a GG; WPflG gilt weiter). Ein neues Gesetz wird verhandelt; ein Losverfahren wäre erst nach Parlamentsbeschluss anwendbar. 

  • Verhandlungen Union/SPD: Heute kursierten Berichte über eine politische Grundsatzeinigung zugunsten eines Losverfahrens, zugleich gab es Abbrüche/Unklarheiten (abgesagte PK, innerkoalitionelle Vorbehalte). Ergebnis: keine finale Einigung; Details sind offen

  • Positionsspektrum: Teile der Union und CSU befürworten das Losverfahren (Gleichheitsargument), Teile der Koalition (insb. SPD-Fraktion) und Opposition (z. B. Grüne) kritisieren es (Willkür-/Bürokratieeinwand). 

3) So wäre das Losverfahren gedacht (Skizze der diskutierten Modelle)

Die in den Medien und im BMVg-Konzept beschriebenen Linien lassen sich wie folgt zusammenfassen – rechtsunverbindlich, da kein Gesetzestext vorliegt:

  1. Erfassung der Jahrgänge: Alle 18-Jährigen (insb. Männer) werden angeschrieben; ein Fragebogen dient als Vorauswahl (Motivation, Qualifikation, Gesundheitsselbstauskunft). Frauen nicht verpflichtend, aber freiwillig möglich. 

  2. Priorität Freiwillige: Wer sich meldet und tauglich ist, wird bevorzugt einberufen. (Bundesministerium der Verteidigung)

  3. Losstufen bei Unterdeckung (Diskussionsstand):
    a) Los zur Musterung (wenn zu viele grundsätzlich in Frage kommen);
    b) Los zur Einberufung (wenn nach Musterung und Freiwilligen nicht genügend Taugliche verfügbar sind).
    Schwellenwerte (Zielzahlen, Zeitpunkt, Jahrgangsbreite) müssten gesetzlich fixiert und ggf. durch Bundestagsbeschluss aktiviert werden. 

4) Verfassungs- und Rechtsfragen (Kernpunkte)

  • Ermächtigungsgrundlage: Ein Los darf nur auf klarer gesetzlicher Grundlage erfolgen (Bestimmtheitsgrundsatz). Regelungsbedarf u. a.: Los-Stufe (Musterung/Einberufung), Jahrgangskreis, Härtefallkriterien, Zurückstellungsgründe, Dokumentationspflichten.

  • Gleichheit / Zufall: Ein zumutbar austariertes Los kann mit Art. 3 GG vereinbar sein, wenn es transparent, diskriminierungsfrei und verhältnismäßig gestaltet ist (kein „Blind-Los“ über gesundheitlich Untaugliche; gerechte Losmengen je Kohorte). Befürworter argumentieren mit Chancengleichheit; Kritiker mit Willkür- und Bürokratie-Risiken

  • Verhältnismäßigkeit: Staffelung „Freiwillige → Los“ senkt Eingriffsintensität. Erforderlich: zielgenaue Bedarfszahlen, eng begrenzte Aktivierung, Rechtsbehelfe (Widerspruch/Klage) und Härtefälle (Ausbildung, Pflege, medizinische Gründe).

  • Datenschutz / Verfahren: Fragebogen, Musterung und Los erfordern transparente Datenverarbeitung, manipulationssichere Ziehung (Audit-Trail), und gerichtsfeste Bekanntgabe.

  • Wehrdienstausgestaltung: Auch im Losmodell wären Ersatzdienste bzw. dienstpostenbezogene Zuweisungen (nicht zwingend „Waffe“) zu regeln; Dauer und Inhalte müssen rechtssicher festgelegt sein. (BMVg-„Neuer Wehrdienst“ als politisches Konzept, noch nicht Gesetz.) (Bundesministerium der Verteidigung)

5) Internationale Referenzen (aktuelles Vergleichsbild)

  • Dänemark: Klassisches Losmodell („lodtrækning“) – bislang für Männer; Ausbau auf Frauen beschlossen; Dienstzeitverlängerung. Dänemark dient der deutschen Debatte explizit als Vorbild

  • Litauen: Reaktivierte Wehrpflicht mit jährlicher, teils randomisierter Auswahl aus dem Register; Los ähnliche Mechanik. (Kontext für „selektive“ Einziehung.)

  • Norwegen/Schweden: Allgemeine Dienstpflicht, aber bedarfsorientierte Selektion; keine reine Lotterie, doch nur ein Teil eines Jahrgangs wird tatsächlich einberufen (Eignung/Motivation).

6) Personalziel und ökonomische Einordnung

  • Personalbedarf: Medien berichten von einem zusätzlichen Bedarf in der Größenordnung ≈ 80.000 Soldaten zur Zielgröße ≈ 260.000 (NATO-Fähigkeitsprofil). Ein Losmodell wäre ein Risikopuffer gegen Unterdeckung des Freiwilligenpfads. 

  • Effizienzabwägung: Losverfahren reduziert Auswahlkosten (keine Voll-Musterung aller), verlangt aber präzises Bedarfs- und Controlling-Regime (Zielzahlen, Kohorten-Mix, Abbruchkriterien), um Fehlsteuerungen (zu viel/zu wenig) und hohe Nachsteuerkosten zu vermeiden.

Zwischenergebnis

  • Heute gibt es kein geltendes Losverfahren in Deutschland.

  • Politisch wird ein Stufenmodell verhandelt: Freiwillige zuerst, Los nur bei Unterdeckung – nach parlamentarischer Aktivierung.

  • Ob und wie das Los am Ende gesetzlich ausgestaltet wird (Schwellen, Härten, Rechtsschutz), ist offen; die heutige Nachrichtenlage ist widersprüchlich (teils Einigungsmeldungen, teils abgesagte PK, innerkoalitioneller Streit). 

 


Grundrechtseingriff

Ein Losverfahren betrifft mehrere Grundrechte:

  1. Art. 12 Abs. 1 GG (Berufsfreiheit)
    → Eingriff durch staatliche Zwangsverpflichtung zu einem Dienst außerhalb eigener Berufswahl.

  2. Art. 2 Abs. 1 GG (Allgemeine Handlungsfreiheit)
    → Beschränkung der freien Lebensgestaltung.

  3. Art. 3 Abs. 1 GG (Gleichheitssatz)
    → Problematisch, wenn einzelne Bürger durch Zufall zur Dienstpflicht gezogen werden, während andere vollständig verschont bleiben.

  4. Art. 12a GG selbst ist eine Sonderregelung, die Eingriffe in Art. 2 und 12 zulässt, sofern die gesetzlichen Voraussetzungen eingehalten sind.

Ein Losverfahren wäre also nur dann verfassungsgemäß, wenn es sich innerhalb der Schranken des Art. 12a GG bewegt und zugleich mit Art. 3 GG vereinbar ist.


Prüfung der Vereinbarkeit mit Art. 12a GG

1. Formelle Anforderungen

Ein Losverfahren bedarf einer klaren gesetzlichen Grundlage – also eines Gesetzes oder einer auf Gesetz beruhenden Verordnung mit parlamentarischer Ermächtigung.
Ein bloßer ministerieller Erlass oder eine Verwaltungspraxis wäre verfassungswidrig (Bestimmtheitsgrundsatz, Art. 20 Abs. 3 GG).

2. Materielle Anforderungen

Art. 12a GG verlangt eine allgemeine Pflicht – keine willkürliche oder gruppenbezogene Einziehung.
„Allgemein“ bedeutet:

  • grundsätzlich alle Angehörigen eines bestimmten Jahrgangs sind gleichermaßen dienstpflichtig;

  • Unterschiede müssen durch sachliche Gründe (z. B. körperliche Untauglichkeit, familiäre Gründe, sicherheitspolitische Bedarfszahlen) gerechtfertigt sein.

Ein Losverfahren wäre daher nur zulässig, wenn es Teil eines allgemein geltenden Wehrpflichtsystems ist, das:

  • alle gleichermaßen erfasst,

  • aber aus Bedarfsgründen nur einen Teil tatsächlich einzieht,

  • und das Auswahlverfahren transparent, objektiv und diskriminierungsfrei ausgestaltet.


Vereinbarkeit mit Art. 3 Abs. 1 GG (Gleichheitssatz)

1. Ungleichbehandlung

Ein Losverfahren führt notwendigerweise dazu, dass ein Teil eines gleichartigen Personenkreises (z. B. Männer eines Jahrgangs) eingezogen wird, ein anderer Teil jedoch nicht.

Damit liegt eine Ungleichbehandlung innerhalb derselben Gruppe vor.

2. Rechtfertigung

Diese Ungleichbehandlung wäre nur dann mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar, wenn sie auf einem sachlichen Grund beruht und verhältnismäßig ist.

a) Sachlicher Grund

Der Staat kann sich auf den Grundsatz der Funktionsgerechtigkeit und Zumutbarkeit berufen:
Da der militärische Bedarf nicht alle Jahrgänge vollständig erfordert, muss eine Auswahl erfolgen.
Ein zufallsbasiertes Losverfahren kann dann der einzig faire Weg sein, um Gleichheit im Zugang zur Dienstpflicht zu wahren, weil:

  • keine leistungs-, herkunfts- oder einkommensbezogenen Kriterien einfließen;

  • der Zufall jede sachwidrige Diskriminierung ausschließt;

  • Verwaltungskosten und subjektive Auswahlentscheidungen minimiert werden.

Daher könnte das Losverfahren gerade Ausdruck der Gleichbehandlung sein.

b) Grenzen des Sachgrundes

Das Losverfahren darf jedoch nicht blind angewandt werden.
Verfassungsrechtlich erforderlich wären:

  • transparente Regeln,

  • dokumentierte Ziehung (öffentliche oder notariell überwachte Verfahren),

  • Möglichkeit des Rechtsschutzes gegen Verfahrensfehler (Art. 19 Abs. 4 GG).

Fehlt eine solche rechtliche Struktur, würde das Verfahren gegen das Willkürverbot verstoßen.


Verhältnismäßigkeitsprüfung

  1. Legitimer Zweck:
    Sicherstellung der Landesverteidigung (Art. 87a GG) – legitim.

  2. Geeignetheit:
    Das Los gewährleistet, dass die benötigte Anzahl an Wehrpflichtigen ohne diskriminierende Kriterien ausgewählt wird – geeignet.

  3. Erforderlichkeit:
    Kein milderes, ebenso effizientes Auswahlmittel erkennbar, wenn Freiwillige nicht ausreichen.
    Eine Eignungsprüfung allein wäre selektiv und damit eher ungleich.

  4. Angemessenheit:
    Die Belastung des Einzelnen (Dienstpflicht) steht im Verhältnis zum Gewicht des verfolgten Staatszwecks, wenn:

    • die Einziehung kurzzeitig und sozial abgefedert erfolgt,

    • Härtefallregelungen bestehen,

    • und die Einberufung gleichmäßig über Jahrgänge verteilt ist.

Ergebnis: verhältnismäßig, sofern die Ausgestaltung diese Kriterien erfüllt.


Weitere Grundrechtsbezüge

1. Art. 33 Abs. 2 GG (Zugang zu öffentlichen Ämtern)

Kein Problem: Es handelt sich um eine Pflicht, nicht um einen Beruf im Beamtenverhältnis.

2. Art. 4 GG (Gewissensfreiheit)

Die Möglichkeit, den Dienst aus Gewissensgründen zu verweigern (§ 1 KDVG), muss fortbestehen.
Ein Losverfahren wäre nur zulässig, wenn das Recht auf Kriegsdienstverweigerung uneingeschränkt gewahrt bleibt.

3. Art. 1 Abs. 1 GG (Menschenwürde)

Kein Verstoß, solange die Dienstpflicht einen legitimen Staatszweck verfolgt, in rechtsstaatlichen Formen erfolgt und die Betroffenen nicht als „Objekte staatlicher Verfügbarkeit“ behandelt werden.
Ein willkürliches oder intransparentes Los ohne Begründung würde jedoch Art. 1 GG tangieren.


Ergebnis

Ein Losverfahren bei der Einberufung zum Wehrdienst kann verfassungsgemäß sein, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:

  1. Gesetzliche Grundlage mit Parlamentsbeschluss (§ 20 Abs. 3 GG, Art. 12a GG).

  2. Allgemeine Erfassung aller Jahrgänge, keine willkürliche Vorauswahl.

  3. Transparente, überprüfbare Durchführung (öffentliches Los, Protokollierung, Kontrollinstanz).

  4. Härtefall- und Befreiungsregelungen.

  5. Rechtsbehelfsmöglichkeiten (Art. 19 Abs. 4 GG).

  6. Respektierung der Gewissensfreiheit (KDVG).

Fehlen diese Voraussetzungen, wäre das Losverfahren verfassungswidrig, weil es gegen Art. 3 Abs. 1 GG (Gleichheit) und Art. 20 Abs. 3 GG (Rechtsstaatsprinzip) verstieße.

Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (u. a. BVerfGE 12, 45; 38, 154; 48, 127) erkennt an:

  • dass der Gesetzgeber den Kreis der tatsächlich Einzuziehenden begrenzen darf,

  • solange die Auswahl „nach allgemein gültigen, willkürfreien Kriterien“ erfolgt.

Ein Losverfahren erfüllt diesen Maßstab grundsätzlich, weil es die Ungleichheit durch Zufall neutralisiert.

Allerdings würde das BVerfG verlangen:

„Die Einziehung darf nicht durch intransparente Verwaltungsentscheidungen ersetzt werden; sie muss auf nachvollziehbaren, überprüfbaren Verfahren beruhen.“

 


KIagepotenzial in Deutschland

1. Rechtsweggarantie (Art. 19 Abs. 4 GG)

Jede Einberufung ist ein Verwaltungsakt.
Gegen diesen steht nach Art. 19 Abs. 4 GG der Rechtsweg offen.
Jeder Wehrpflichtige könnte also:

  • Widerspruch gegen den Einberufungsbescheid einlegen (§ 68 VwGO),

  • nach dessen Zurückweisung Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 VwGO) erheben,

  • ggf. einstweiligen Rechtsschutz (§ 80 Abs. 5 VwGO) beantragen, um den Dienstantritt zu verhindern.

Bereits diese Rechtslage würde bei einer Vielzahl Betroffener zwangsläufig zu tausenden Einzelverfahren führen – insbesondere im ersten Jahr der Einführung.


2. Angriffspunkte aus Sicht der Kläger

Einberufene könnten u. a. geltend machen:

Angriffspunkt Juristische Begründung
Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG (Gleichheit) Das Los sei willkürlich, unklar oder intransparent gezogen worden; der Kreis der Losberechtigten sei ungleich behandelt worden.
Fehlende gesetzliche Grundlage Falls die Ausführungsverordnung nicht präzise regelt, wann und wie gelost wird (Bestimmtheitsgrundsatz, Art. 20 Abs. 3 GG).
Verfahrensfehler Unzureichende Protokollierung, technische Fehler bei der Ziehung, ungleiche Chancenverteilung zwischen Jahrgängen.
Härtefälle / Unzumutbarkeit Familiäre, gesundheitliche oder berufliche Gründe; fehlende Härtefallregelung wäre verfassungswidrig.
Verstoß gegen Art. 4 GG (Gewissensfreiheit) Keine rechtzeitige Möglichkeit der Kriegsdienstverweigerung.

Damit läge ein erhebliches prozessuales Konfliktpotenzial vor – ähnlich wie in den 1950er/1960er Jahren nach Einführung der Wehrpflicht, aber potenziell noch größer, weil:

  • der Staat seit 2011 keine Dienstpflicht mehr durchsetzt,

  • die gesellschaftliche Akzeptanz von Zwangsdiensten gesunken ist,

  • die Betroffenen hochinformiert und rechtsschutzbewusst sind.


3. Erwartbare gerichtliche Linie

Das Bundesverwaltungsgericht und ggf. das Bundesverfassungsgericht würden das Verfahren wohl nicht pauschal verwerfen, aber:

  • sehr strenge Maßstäbe an Transparenz und Gleichbehandlung anlegen;

  • eine öffentliche und überprüfbare Losziehung verlangen (vgl. BVerfGE 12, 45; 48, 127);

  • fehlende Härtefall- oder Nachweismöglichkeiten als Verstoß gegen Art. 3 GG werten.

Folglich wäre die Zahl der erfolgreichen Klagen anfangs hoch, bis die Praxis verfeinert und gerichtsfest wird.


Lage und Erfahrungen in Dänemark

1. Rechtslage

In Dänemark besteht seit Jahrzehnten eine gesetzlich verankerte Wehrpflicht (Lov om værnepligt), zuletzt modernisiert 2024/2025.
Das Losverfahren („lodtrækning“) wird jährlich angewandt, um zu bestimmen, welche tauglichen Männer und künftig auch Frauen eingezogen werden.

  • Rechtsgrundlage: §§ 1–4 dänisches Wehrpflichtgesetz (Værnepligtsloven).

  • Durchführung: öffentlich, unter notarieller Aufsicht, per Zufallsgenerator;

  • alle Wehrpflichtigen werden vorab registriert und gesundheitlich vorgeprüft.

  • Frauen bislang freiwillig; ab 2026 schrittweise Gleichstellung.


2. Rechtsschutz und Klagen

In Dänemark sind gerichtliche Klagen gegen die Losziehung äußerst selten, was an der spezifischen Rechts- und Kulturstruktur liegt:

Aspekt Dänemark Deutschland (hypothetisch)
Rechtsschutzsystem Kein förmlicher Verwaltungsrechtsweg; Beschwerden an Verteidigungsministerium, Ombudsmannsystem; weniger gerichtliche Kontrolle. Vollständiger verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG).
Gesellschaftliche Akzeptanz Wehrpflicht wird als „Bürgerpflicht“ angesehen; Dienstzeit relativ kurz (4–12 Monate). Wehrpflicht gesellschaftlich weitgehend abgelehnt; Zwangsdienst politisch sensibel.
Transparenz Losziehung öffentlich, standardisiert, algorithmisch nachvollziehbar. Noch nicht geregelt; jede Intransparenz würde sofort gerichtlich angegriffen.
Verfassungsgerichtliche Kontrolle Keine Verfassungsgerichtsbarkeit im deutschen Sinne. Starke verfassungsgerichtliche Kontrolle, Möglichkeit der Verfassungsbeschwerde.

Fazit: In Dänemark funktioniert das Losverfahren, weil:

  • der rechtliche Rahmen einfach und unangefochten ist,

  • die Bevölkerung den Dienst als solidarisch akzeptiert,

  • und keine ausgeprägte Individualrechtsschutzkultur besteht.


Schlussfolgerung für Deutschland

  1. Klageflut realistisch wahrscheinlich:
    Jede Losziehung würde – insbesondere im ersten Jahr – eine Vielzahl von Anfechtungen auslösen, teils taktisch motiviert, teils aus grundrechtlichem Protest.

  2. Gerichtliche Anforderungen hoch:
    Das Verfahren müsste technisch, organisatorisch und rechtlich unanfechtbar dokumentiert werden (z. B. notarielle Aufsicht, automatisierte Ziehung mit auditfähigem Code).

  3. Gesellschaftlich-politischer Kontext entscheidend:
    Ohne breiten Konsens und klare Kommunikationsstrategie wäre das Losverfahren politisch kaum durchsetzbar, auch wenn es verfassungsrechtlich möglich wäre.

  4. Vergleich Dänemark:
    Dort geringe Klagezahlen aufgrund kultureller Akzeptanz und anderer Rechtswege.
    In Deutschland hingegen würde der Verwaltungsrechtsweg als Ventil für politischen Protest dienen.


Ein Losverfahren wäre in Deutschland nur dann realistisch funktionsfähig, wenn

  1. die gesetzliche Grundlage äußerst präzise,

  2. das Verfahren vollkommen transparent,

  3. und die Rechtsschutzverfahren standardisiert und beschleunigt wären.

 

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