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Wenn Vertrauen missbraucht wird – Geldwäsche, Banken und ihre Pflicht zum Schutz älterer Menschen

Arbeitsrecht – Erbrecht - Kommunalrecht

Wenn Vertrauen missbraucht wird – Geldwäsche, Banken und ihre Pflicht zum Schutz älterer Menschen

Alter Mann

Ein Fall aus der Praxis:

Ein Fall wie der von Irmgard G. zeigt, wie gefährlich Lücken in der Banken-Compliance für hilflose Senioren sein können.

In einer deutschen Stadt ereignete sich ein Fall, der beispielhaft für eine stille Gefahr steht, der ältere Menschen ausgesetzt sein können – besonders, wenn sie alleine leben und auf das Wohlwollen ihrer Umgebung angewiesen sind.

Die betroffene Frau, hier „Irmgard G.“ genannt, war zum Zeitpunkt des Geschehens über 80 Jahre alt und gesundheitlich bereits erheblich eingeschränkt. Ihr Nachbar – nennen wir ihn „Herr H.“ – bot sich wiederholt als Hilfeleister nach dem Tod ihres Mannes an, etwa beim Tragen von Einkäufen oder bei kleinen Erledigungen. Zwischen den beiden entwickelte sich ein Vertrauensverhältnis, das Irmgard G. teuer zu stehen kommen sollte.

Der Verkauf einer Wohnung – unter Marktwert und bar

Ohne dass die Familie oder sonstige Vertraute davon wussten, wurde die Eigentumswohnung von Irmgard G. an Herrn H. übertragen. Der Verkaufspreis lag nach Auswertung von Vergleichswerten und Gutachten deutlich unter dem ortsüblichen Verkehrswert – nahezu 2/3 darunter. Pikant ist dabei weniger nur der Preis, sondern die Zahlungsart: Der gesamte Kaufpreis wurde in bar auf ein Konto von Irmgard G. eingezahlt – angeblich durch Herrn H.

Zwei Tage später wurde fast derselbe Betrag wieder in bar von einem Bankschalter abgehoben – 45.000 Euro, angeblich durch Irmgard G. persönlich, mit einer Unterschrift, an die sie sich selbst nicht erinnern kann. Die Bankenunterlagen enthalten allerdings keine plausible Identitätsprüfung. 

Verdacht auf Geldwäsche – und dennoch keine Meldung?

Im Licht der §§ 43 ff. GwG (Geldwäschegesetz) sind Banken verpflichtet, bei ungewöhnlichen Geldbewegungen – insbesondere bei großen Bartransaktionen – eine Verdachtsmeldung abzugeben. Dies gilt unabhängig davon, ob der Verdacht später strafrechtlich bestätigt wird oder nicht. Die Schwelle ist bewusst niedrig angesetzt, um Geldwäsche effektiv bekämpfen zu können. In diesem Fall jedoch scheint die Compliance-Stelle der Bank nicht reagiert zu haben – trotz des hochauffälligen Vorgangs: Einzahlung eines hohen Betrags durch Dritte, unmittelbare Barabhebung durch einen wirtschaftlich Begünstigten, dessen Identität zweifelhaft ist.

Verpflichtungen der Bank im Umgang mit vulnerablen Personen

Banken sind nicht nur dem Geldwäschegesetz verpflichtet, sondern auch zur Wahrung der Geschäftsverbindung unter den Maßgaben von Treu und Glauben (§ 242 BGB). Dies gilt in besonderer Weise gegenüber älteren, möglicherweise geschäftsunfähigen Kunden. Interne Prüfmechanismen und Plausibilitätskontrollen sollen verhindern, dass Dritte sich auf Kosten älterer Kunden bereichern.

In Fällen wie dem von Irmgard G. stellt sich daher die Frage:

  • Wurde die Barabhebung ordnungsgemäß dokumentiert?

  • Hat ein Bankmitarbeiter geprüft, ob die unterschreibende Person tatsächlich Irmgard G. war?

  • Wurde erkannt, dass ein Zusammenhang zwischen der Einzahlung durch den Nachbarn und der Abhebung durch die Kundin bestehen könnte?

  • Warum wurde kein Geldwäscheverdacht gemeldet?

Strafrechtliche Relevanz und Verantwortungslücken

Sollte sich der Verdacht bestätigen, dass der Nachbar durch Täuschung, Manipulation oder sogar Urkundenfälschung das Vermögen von Irmgard G. abgegriffen hat, wäre dies nicht nur zivilrechtlich rückabzuwickeln, sondern auch strafrechtlich zu verfolgen. Der Tatbestand des Betruges (§ 263 StGB), der Urkundenfälschung (§ 267 StGB) und sogar der Geldwäsche (§ 261 StGB) könnten vorliegen.

Doch auch die Rolle der Bank müsste in diesem Fall beleuchtet werden – zivilrechtlich wegen möglicher Pflichtverletzungen, aufsichtsrechtlich im Hinblick auf Meldepflichten nach dem GwG.

Fazit: Schutz älterer Menschen ist Compliancepflicht – kein Gnadenakt

Der Fall von Irmgard G. ist kein Einzelfall. Viel zu oft bleiben solche Vorgänge unerkannt – auch weil Banken es an der gebotenen Sensibilität fehlen lassen. Die Aufsichtspraxis der BaFin muss hier schärfer werden. 


Was die Bank im Fall von Frau G. hätte tun müssen – bei Barabhebungen durch einen Nachbarn?

Der Fall von Frau G., einer älteren und gesundheitlich eingeschränkten Frau, offenbart gravierende Defizite im Umgang von Banken und Notaren mit der besonderen Schutzbedürftigkeit älterer Menschen. Über Monate hinweg wurden auf ihr Konto ungewöhnlich hohe Bargeldbeträge abgehoben – regelmäßig und teils täglich in Höhe von 1.000 Euro. Erkennbar wurde dieses Geld nicht von ihr selbst, sondern von ihrem Nachbarn Herrn H. verfügt – gestützt auf eine Generalvollmacht, deren Tragweite ihr offenbar nicht bewusst war.


1. Generalvollmacht – aber keine Generalfreigabe

Zwar existierte eine notarielle Generalvollmacht, mit der Herr H. auch gegenüber der Bank handeln durfte. Doch eine wirksame Vollmacht rechtfertigt nicht jede Nutzung.

a) Keine Kenntnis der rechtlichen Tragweite

Frau G. war nachweislich in ihrer kognitiven Leistungsfähigkeit eingeschränkt. Eine Generalvollmacht setzt jedoch voraus, dass der Vollmachtgeber:

  • die Reichweite der Vollmacht versteht,

  • die Vertrauenswürdigkeit des Bevollmächtigten ausreichend einschätzen kann,

  • in der Lage ist, die Folgen für sein Vermögen zu überblicken.

Der Notar, der die Generalvollmacht beurkundete, hätte erkennen müssen, dass Frau G. diese Voraussetzungen nicht erfüllte oder zumindest Zweifel daran bestanden – insbesondere bei:

  • fortgeschrittenem Alter,

  • alleinlebender Lebenssituation,

  • ungeklärtem Näheverhältnis zum Bevollmächtigten.

Notarielle Sorgfaltspflicht verletzt?

Der Notar ist nach § 17 BeurkG verpflichtet, den Willen und das Verständnis des Vollmachtgebers zu erforschen. Bei erkennbarer Schutzbedürftigkeit hätte er:

  • die Beurkundung ablehnen oder vertagen müssen,

  • eine fachärztliche Abklärung anregen,

  • auf die Möglichkeit einer kontrollierten Vorsorgevollmacht hinweisen müssen.

Mögliche Folge: Amtspflichtverletzung mit Schadenersatzanspruch aus § 19 BNotO.


2. Barabhebungen durch den Bevollmächtigten – Prüfpflicht der Bank

Die Bank kann sich nicht blind auf die Vollmacht verlassen. Zwar gestattet § 164 BGB das Handeln durch Vertreter, doch bei folgenden Konstellationen greifen besondere Prüfpflichten der Bank:

a) Erkennbare Zweckentfremdung

  • Regelmäßige Barabhebungen in Höhe von 1.000 Euro täglich,

  • auf einem Konto einer hochbetagten Frau ohne bisherige vergleichbare Kontobewegungen,

  • keine ersichtliche Verwendung für den eigenen Lebensunterhalt,

  • Abhebungen durch einen nicht verwandten Dritten.

➡ Die Bank hätte Alarm schlagen müssen: Gemäß § 25h Abs. 2 KWG und § 10 GwG gilt bei Nutzung von Vollmachten keine Prüfungserleichterung, wenn der Vollmachtnehmer gegen das wohlverstandene Interesse des Kontoinhabers handelt.

b) Meldung nach Geldwäschegesetz

Die Bank hätte:

  • ein Risikoprofil für Frau G. führen müssen (ältere Person, ungewöhnliche Bewegungen),

  • eine Verdachtsmeldung gemäß § 43 GwG an die FIU abgeben müssen.

➡ Unterlassene Meldungen begründen nicht nur aufsichtsrechtliche Konsequenzen, sondern auch eine mögliche zivilrechtliche Haftung der Bank für Beihilfe zur Vermögensverschiebung.


3. Die besondere Schutzbedürftigkeit älterer Menschen – rechtliche Anforderungen an Banken

Banken treffen bei betagten, alleinstehenden Kunden verstärkte Schutzpflichten (§ 241 Abs. 2 BGB), insbesondere wenn:

  • ein Wechsel im Verhalten erkennbar ist,

  • ein Bevollmächtigter in auffälliger Weise tätig wird,

  • Barverfügungen ohne erkennbare wirtschaftliche Plausibilität erfolgen.

➡ Die Bank hätte bei Frau G. aktiv nachfragen, aufklären und die Rechtmäßigkeit der Verfügungen prüfen müssen.


Rechtliche Gesamtbewertung und Haftungsfolgen

Beteiligter Pflichtverletzung Mögliche Rechtsfolge
Bank Keine Prüfung der Verwendung der Generalvollmacht, keine Meldung nach GwG, keine Aufklärungspflicht erfüllt Schadensersatz nach § 280 BGB i.V.m. Girovertrag, Rückabwicklung nach § 675u BGB, aufsichtsrechtliche Anzeige
Herr H. Missbrauch der Vollmacht, evtl. strafbar wegen Untreue (§ 266 StGB) oder Betrug (§ 263 StGB) Strafanzeige, Rückzahlungspflicht, Vermögensabschöpfung
Notar Keine Prüfung des Geschäftswillens oder der kognitiven Verfassung bei Beurkundung Amtspflichtverletzung, mögliche Staatshaftung (§ 19 BNotO), Disziplinarverfahren

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