Neue Strafvorschriften zur Terrorismusbekämpfung

Umsetzung der EU-Richtlinie 2017/541
Warum ist das Gesetz notwendig?
Die terroristische Bedrohungslage hat sich in den vergangenen Jahren erheblich gewandelt. Neben transnational agierenden Netzwerken wie Al-Qaida oder dem sog. „Islamischen Staat“ treten zunehmend Einzeltäter auf, die sich über das Internet radikalisieren und Anschläge mit Alltagsgegenständen wie Messern oder Fahrzeugen begehen. Auch sog. „Foreign Terrorist Fighters“ – Personen, die in Krisengebiete ausreisen oder von dort zurückkehren – stellen eine anhaltende Gefahr dar.
Die Europäische Union hat deshalb mit der Richtlinie (EU) 2017/541 einen neuen Rahmen für die Terrorismusbekämpfung geschaffen. Deutschland war verpflichtet, diese Vorgaben bis 2018 umzusetzen. Da die EU-Kommission Defizite bei der deutschen Umsetzung gerügt hat (insbesondere fehlende Versuchsstrafbarkeit), legt das Bundesjustizministerium nun einen neuen Gesetzentwurf vor. Er soll die Strafverfolgung anpassen, Schutzlücken schließen und den Anforderungen der UN-Agenda 2030 (Nachhaltigkeitsziel 16: „Friedliche und inklusive Gesellschaften fördern“) entsprechen.
Zentrale Änderungen im Strafgesetzbuch
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§ 89a StGB – Vorbereitung einer terroristischen Straftat
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Der Begriff der „schweren staatsgefährdenden Gewalttat“ wird durch „terroristische Straftat“ ersetzt.
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Der Straftatenkatalog wird erweitert (u.a. schwere Körperverletzungen, Straftaten nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz, WaffG, Strahlungs- und Umweltstraftaten).
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Neu eingeführt wird die Strafbarkeit der Einreise in das Bundesgebiet mit terroristischer Absicht (§ 89a Abs. 2 StGB).
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Versuchsstrafbarkeit: Auch der Versuch bestimmter Vorbereitungshandlungen (§ 89a Abs. 2a) sowie die versuchte Anstiftung (§ 89a Abs. 2b) werden erfasst.
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Gefährliche Werkzeuge (z. B. Messer, Fahrzeuge) werden ausdrücklich in die Norm aufgenommen.
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Androhung terroristischer Straftaten wird in einem eigenen Abs. 8 strafbar gemacht.
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§ 89b StGB – Aufnahme von Beziehungen
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Terminologische Anpassung: Bezug nicht mehr auf „schwere staatsgefährdende Gewalttaten“, sondern auf „terroristische Straftaten“.
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§ 89c StGB – Terrorismusfinanzierung
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Die Finanzierung sämtlicher terroristischer Handlungen nach Art. 11 der Richtlinie wird unter Strafe gestellt, auch wenn noch keine konkrete Haupttat vorliegt.
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Einführung einer eigenständigen Strafbarkeit für die Finanzierung von Vorbereitungshandlungen.
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Versuchsstrafbarkeit auch bei Finanzierungsdelikten (§ 89c Abs. 8 StGB).
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§ 91 StGB – Anleitung zu terroristischen Straftaten
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Strafbarkeit für die Verbreitung und den Erwerb von Inhalten, die als Anleitung zu terroristischen Straftaten geeignet sind.
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Erweiterung auf den Versuch und Einführung einer Strafmilderung bei geringer Schuld.
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§ 99 StGB – Geheimdienstliche Agententätigkeit
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Der Strafrahmen wird verschärft: Freiheitsstrafe von 6 Monaten bis zu 10 Jahren.
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Einführung eines minder schweren Falles (bis zu 5 Jahre oder Geldstrafe).
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§ 129a StGB – Terroristische Vereinigungen
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Erweiterung des Straftatenkatalogs um gefährliche Körperverletzung (§ 224 StGB) und Waffendelikte.
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Einführung einer Versuchsstrafbarkeit auch für die Unterstützung einer terroristischen Vereinigung.
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Auswirkungen auf Grundrechte
Das Gesetz schränkt – im Einklang mit der Verfassung – mehrere Grundrechte ein:
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Art. 10 GG (Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis),
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Art. 13 GG (Unverletzlichkeit der Wohnung),
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Art. 11 GG (Freizügigkeit).
Damit wird dem sicherheitsrechtlichen Grundsatz „Sicherheit vor Freiheitseingriffen“ Rechnung getragen, zugleich aber die Verhältnismäßigkeit betont.
Finanzielle und organisatorische Folgen
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Erwartet wird ein Anstieg von ca. 5 % der Ermittlungsverfahren im Bereich Terrorismus.
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Mehrkosten für den Generalbundesanwalt: rund 300.000 Euro jährlich ab 2027.
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Länder: zusätzlicher Erfüllungsaufwand von ca. 67.000 Euro pro Jahr (Strafvollzugskosten).
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Für Bürger und Wirtschaft entsteht kein Erfüllungsaufwand.
Mit dem Gesetzentwurf wird das deutsche Strafrecht an die europarechtlichen Vorgaben angepasst. Insbesondere die Einführung neuer Versuchsstrafbarkeiten, die Ausweitung auf Alltagsgegenstände als Tatmittel und die Verschärfung der Agententätigkeit nach § 99 StGB schließen Strafbarkeitslücken und stärken die präventive Komponente des Terrorismusstrafrechts.
Damit wird das Strafrecht im Spannungsfeld von Freiheit und Sicherheit erneut fortentwickelt – im Bewusstsein der deutschen Terrorismusgeschichte (RAF, 9/11, IS) und mit Blick auf neue hybride Bedrohungen durch Cyberspionage und Einzeltäteranschlägen.