Überblick über Mileis Wirtschaftspolitik
In der gestrigen Wahl in Argentinien sicherte sich Javier Milei mit seiner Partei einen deutlichen Sieg: Die Wählerinnen und Wähler gaben ihm und seinem Reformkurs eine starke Vertrauensvoten, wodurch sein wirtschaftspolitisches Programm erheblich gestärkt wurde. (Reuters) Dieser Ausgang gilt als Mandat für eine Beschleunigung der marktwirtschaftlichen Neuausrichtung, welche Milei bereits seit seinem Amtsantritt verfolgt. In diesem Beitrag wird ein Überblick über die zentralen Elemente seiner Wirtschaftspolitik gegeben – von fiskalischer Konsolidierung über Deregulierung bis zur Außen- und Währungspolitik – sowie deren aktuelle Wirkung und mögliche ökonomische Risiken analysiert.
1. Staatsausgaben und Haushaltskonsolidierung
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Mileis Regierung setzte auf eine drastische Reduktion der Staatsausgaben: Beispielsweise wurde der Nicht-Zinsaufwand des Staates um rund 30 % gegenüber dem Vorjahr gesenkt.
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Erstmals seit über einem Jahrzehnt erzielte Argentinien einen Primär- und Finanzüberschuss.
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Ziel: Ausgleich des Haushaltsdefizits, welches zuvor als eine der Hauptursachen für Hyperinflation und Überschuldung einzelner Staatsunternehmen galt.
2. Inflation, Geldpolitik und Wechselkurs
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Ein zentrales Ziel war die Eindämmung der Inflation, lange ein Markenzeichen der argentinischen Wirtschaft. Unter Milei begann eine merkliche Verlangsamung des Preisauftriebs.
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Die Zentralbank und das Währungsregime wurden neu ausgerichtet: Druck auf die Geldmenge sowie De-Facto-Reduzierung der Rolle des nationalen Peso.
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Parallel wurde der Wechselkurs liberalisiert, Beschränkungen bei Devisen und Kapitalflucht wurden gelockert.
3. Deregulierung und Liberalisierung
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Deregulierung steht im Zentrum: Milei bezeichnete den Staat als überdimensioniert („desprecio infinito por el Estado“) und initiierte massive Strukturreformen.
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Beispiele: Abschaffung oder Lockerung von Einfuhrlizenzen und protektionistischen Maßnahmen („Buy Argentina“), Abbau von Handels- und Investitionshemmnissen.
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Der Arbeits- und Immobilienmarkt sowie staatliche Unternehmen wurden Zielpunkte von Reformen, mit dem Ziel, private Initiativen freizusetzen.
4. Steuer-, Sozial- und Arbeitsmarktpolitik
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Ein zentrales Versprechen: Keine Steuererhöhungen, stattdessen Abbau staatlicher Leistungen und Subventionen, bei gleichzeitiger Öffnung für Marktkräfte.
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Sozial- und Bildungsprogramme wurden gekürzt oder eingestellt – dies führte kurzfristig zu deutlichen Belastungen für breite Bevölkerungssegmente.
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Arbeitsmarkt- und Rentenreformen sind im Ansatz vorgesehen, konkret noch in Umsetzung begriffen: Ziel ist stärkere Flexibilität und geringere staatliche Bindungen.
5. Außen- und Finanzpolitik
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Die außenwirtschaftliche Ausrichtung Argentiniens wurde neu justiert: Stärkere Annäherung an International Monetary Fund (IMF) und die USA, Abbau von Kapitalkontrollen sowie internationale Kredit- und Währungskooperationen.
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Argentinien sicherte sich bedeutende finanzielle Unterstützung (z. B. Währungsswap mit den USA) und nutzte dies als Rückhalt für seine Reformagenda.
Bewertung und Ausblick
Wirkung
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Die Maßnahmen zeigen erste Wirkung: Inflation konnte merklich reduziert werden, Haushaltsdefizite gingen signifikant zurück.
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Investorenseite reagierte positiv: Anleihekurse stiegen, Aktienmärkte zogen an, der Peso gewann an Stärke.
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Konsolidierung schafft potenziellen Spielraum für Wachstum und Investitionen.
Risiken und Herausforderungen
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Die kurzfristigen sozialen Kosten sind hoch: Einbruch der Beschäftigung im verarbeitenden Gewerbe, Zunahme von Armut und Einkommensverlust bei sozial schwächeren Gruppen.
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Strukturelle Reformen wie Ersatz des Pesos durch den US-Dollar wurden bislang nicht vollzogen: Die damit verbundenen Risiken von Deindustrialisierung und äußeren Abhängigkeiten bleiben.
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Das politische Mandat ist gestärkt – doch die Umsetzung hängt von parlamentarischer Mehrheiten, starken Institutionen und internationalem Umfeld ab.
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Externe Schocks (z. B. Rohstoffpreise, globaler Zinsanstieg) sowie die Frage einer nachhaltigen Reindustrialisation sind ungelöste Aufgaben.
Strategisches Interesse
Aus wirtschafts- und rechtsökonomischer Sicht lässt sich festhalten: Mileis Politik markiert einen radikalen Wandel vom klassisch staatsnahen, regulierten Wirtschaftsmodell Argentiniens hin zu einem – zumindest programmatisch – marktorientierten Modell mit starker Gewichtung auf Privatinitiative, Wettbewerbsfähigkeit und internationale Integration. Gleichwohl bleibt die Frage offen, inwieweit dieses Modell mittelfristig Wachstum, Beschäftigung und soziale Stabilität gleichermaßen liefern kann
Wahlergebnis vom 26.10.2025
Javier Mileis Partei La Libertad Avanza (LLA) hat die gestrigen argentinischen Midterm-Wahlen klar gewonnen (national rund 40–41 % der Stimmen) und in der Schlüsselprovinz Buenos Aires vorne gelegen. Märkte reagierten mit Kurs- und Peso-Sprung; die Aussicht auf reformfreundlichere Mehrheiten steigt. (Reuters)
Zentrale Kennzahlen (Stand Oktober 2025)
| Themenfeld | Aktueller Stand / Ziel | |
|---|---|---|
| Inflation | 2,1 % m/m im Sept. 2025; 31,8 % y/y | |
| Fiskalsaldo 2024 | erster Gesamtüberschuss ~0,3 % BIP, Primärsaldo ~1,8 % BIP | |
| Fiskalpfad 2025 | bis Aug. kumuliert Primärsaldo ~1,3 % BIP, Gesamtsaldo ~0,4 % BIP | |
| Monatliche Salden 2025 | anhaltende Serie monatlicher Überschüsse (z. B. Sept.) | |
| Armut | 31,6 % im 1. Hj. 2025 (Rückgang ggü. Spitze 2024) | |
| Außenhandel | Rekord-Handelsüberschuss ~19 Mrd. US-$ (2024) | |
| Ausblick 2026-Budget | Ziel Gesamtüberschuss 1,5 % BIP (Finanzsaldo 0,3 % BIP) |
Politik-Instrumente und Reformarchitektur
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Haushalts- und Ausgabenpolitik: harter Austeritätskurs, Ausgabenreduktion, Überschuss-Ziel für 2026; Ankündigung einer „Fiscal-Stability-Rule“ zur Einhaltung der Balance.
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Deregulierung/Privatisierung: Ley Bases (27.742) als Rahmengesetz für Deregulierung, Privatisierungen, Investitionsförderung; flankiert durch Notverordnungen (DNU 70/23). Teile arbeitsrechtlicher DNU-Regeln sind gerichtlich suspendiert; Reformpakete werden sukzessive gesetzlich nachgezogen.
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Währungs-/Kapitalverkehr: starke Bremsung der Geldmengenexpansion; graduelles Lösen von Kapital- und Devisenkontrollen; Inflationsrückgang auf niedrige einstellige Monatswerte.
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IMF/externes Backing: neues IMF-Programm auf den Weg gebracht; zusätzlich US-/Markt-Unterstützungspakete (~20–40 Mrd. US-$) diskutiert/berichtet, die Liquidität und Reformfenster stützen.
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Institutionelle Checks & Balances: Kongressmehrheiten bleiben verhandelbar; jüngst Bestrebungen im Abgeordnetenhaus, DNU-Macht zu begrenzen.
Juristische Implikationen
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Haushaltsrecht/Schuldenregel: Der angekündigte Fiscal-Stability-Mechanismus bindet Budgetvollzug an Zielsaldo (rechtspolitisch: Exekutivpflicht zur unterjährigen Anpassung).
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Delegationsnormen: Ley Bases enthält zeitlich-sachlich begrenzte Delegationen; verfassungsrechtliche Kontrolle bleibt möglich. Gerichtliche Eilverfahren zeigen, dass DNU-Teile (insb. Arbeitsrecht) suspendierbar sind.
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Völker-/Finanzrecht: IMF-Programm setzt Konditionalitäten (Defizit, Reserven, Kontrollen) – Vertrags-/Durchführungsrecht wirkt intern fort (Haushalts- und Devisenrecht, SOE-Reformen).
Denkbare 24-Monats-Prognose
Basisszenario (Wkt. >50 %)
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Inflation sinkt weiter in den niedrigen zweistelligen y/y-Bereich bis Ende 2026; Monatsraten um 1–2,5 %. Fiskalüberschüsse bleiben moderat positiv; graduelle Lockerung der Kapitalrestriktionen. BIP-Wachstum 2025/26 positiv (IMF-Pfad), getragen von Exporten/Energie. Politische Verhandlungen bleiben notwendig.
Aufwärtsszenario
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Stabile Mehrheiten nach dem Midterm-Erfolg, Investitions-Schub (Vaca Muerta, Agrarexporte). Peso-Stabilisierung, Rückgang Risikoaufschläge. Rechtssicherheit durch kodifizierte Reformen (anstelle DNU).
Abwärtsszenario
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Externe Schocks (Rohstoffe, US-Zinsen), soziale Spannungen, gerichtliche Rollback-Risiken (Arbeits-/Sozialrecht), langsamer Abbau der Kontrollen → Wachstumsdelle, erneute Preisschübe.
Schlüsselrisiken: Rechtliche Anfechtungen von DNU/Delegationen, Provinz-/Gouverneurskonflikte, Refinanzierung (IMF-Compliance), Armutsdynamik trotz sinkender Inflation.
Fazit
Mileis Kurs – fiskalische Konsolidierung + Deregulierung + externe Anker – hat Inflation und Defizit deutlich gedrückt und die Markterwartungen nach dem Wahlsieg vom 26.10.2025 gestärkt. Der Erfolg bleibt rechts- und politikökonomisch konditional: nachhaltige Wirkung erfordert gesetzliche Verstetigung der Reformen, sozial verträgliche Flankierung und ein stabiles internationales Umfeld.
