Überblick über Recht – Wirtschaft – Politik
Themenübersicht
Erbrecht
Nießbrauch als Gegenleistung – OLG Nürnberg erweitert Maßstab bei gemischten Schenkungen
OLG Nürnberg, Urteil vom 12.09.2025 – 1 U 2003/24 Erb
Sachverhalt:
Zwei Brüder stritten nach dem Tod ihres Vaters um die Rückübertragung eines Grundstücks, das dieser kurz vor seinem Tod an den einen Sohn übertragen hatte. Der 91-jährige Erblasser hatte dem Sohn das Grundstück im Wege einer gemischten Schenkung überlassen – teils entgeltlich gegen Nießbrauch, Pflege und Leibrente, teils unentgeltlich im Wege vorweggenommener Erbfolge. Der andere Sohn als Erbe verlangte die Herausgabe des Grundstücks nach § 2287 BGB mit der Begründung, die Gegenleistungen seien nur zum Schein vereinbart worden. Das Landgericht sah eine gemischte Schenkung und sprach eine Herausgabe Zug um Zug gegen Zahlung von rund 56.000 € zu. Beide Parteien legten Berufung ein, insbesondere strittig war, ob nur tatsächlich erbrachte oder auch vertraglich geschuldete Gegenleistungen zu berücksichtigen sind.
Entscheidung:
Das OLG Nürnberg bestätigte die gemischte Schenkung und entschied, dass beim Herausgabeanspruch nach § 2287 BGB nicht nur tatsächlich erbrachte, sondern alle vertraglich vereinbarten Gegenleistungen zu berücksichtigen sind. Maßgeblich sei eine ex-ante-Gesamtabwägung aus Sicht der Vertragsschließenden, nicht die tatsächliche Erfüllung nach dem Tod des Erblassers. Auch der kapitalisierte Wert eines vorbehaltenen Nießbrauchs könne als Gegenleistung zählen, wenn die Parteien ihn ausdrücklich als solche vereinbart haben. Der Kläger muss das Grundstück daher nur Zug um Zug gegen Zahlung von 9.897,73 € herausverlangen, da die übrigen Gegenleistungen durch Aufrechnung erloschen sind. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung dieser Frage ließ das OLG die Revision zum BGH zu.
Arbeitsrecht
Elternzeit stoppt Urlaubsverfall – LAG Hamm stärkt Anspruch auf tariflichen Mehrurlaub
LAG Hamm, Urteil vom 11.09.2025 – 13 Sla 316/25
Sachverhalt:
Eine Verkäuferin befand sich nach Mutterschutz und Elternzeit über drei Jahre lang außer Dienst und verlangte nach ihrer Rückkehr noch 13 Tage tariflichen Mehrurlaub aus den Jahren 2021 und 2022. Ihr Arbeitgeber berief sich auf den Manteltarifvertrag des Einzelhandels, wonach tariflicher Zusatzurlaub spätestens bis zum 30. April des Folgejahres verfällt. Die Arbeitnehmerin argumentierte dagegen, dass Mutterschutz- und Elternzeitregelungen den Verfall hemmen. Das Arbeitsgericht Dortmund gab ihr Recht und stellte fest, dass der Urlaub erst Ende 2025 verfällt. Der Arbeitgeber legte Berufung ein und bestritt, dass die Schutzgesetze auch für übergesetzlichen Urlaub gelten.
Entscheidung:
Das LAG Hamm bestätigte die Entscheidung und entschied, dass § 24 S. 2 MuSchG und § 17 Abs. 2 BEEG auch für tariflichen Mehrurlaub gelten. Diese Vorschriften bilden spezielle Regelungen, die den Lauf der tariflichen oder gesetzlichen Verfallsfristen während Mutterschutz und Elternzeit unterbrechen. Maßgeblich ist, dass der Urlaub nach der Elternzeit im laufenden oder im nächsten Urlaubsjahr gewährt werden kann – unabhängig von tariflichen Einschränkungen. Das Gericht stellte klar, dass das Jahr 2025 als neues Urlaubsjahr gilt und ein Verfall frühestens zum 31. Dezember 2025 eintreten kann. Damit wurde die Berufung des Arbeitgebers vollständig zurückgewiesen.
Beamtenrecht
Bewerbung beim BND gescheitert – Unwahre Bescheinigung zerstört Vertrauen in charakterliche Eignung
BVerwG, Beschluss vom 4.09.2025 – 2 VR 13.25
Sachverhalt:
Ein Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes (BND) bewarb sich auf eine interne Verbeamtungsrunde für den höheren Dienst. Zuvor hatte er von einem früheren Arbeitgeber eine Bescheinigung vorgelegt, die unzutreffend darstellte, dass für seine frühere Tätigkeit zwingend ein Hochschulabschluss auf Magister- oder Masterniveau erforderlich gewesen sei. Der BND sah darin den Versuch, eine höherwertige Berufserfahrung vorzutäuschen, und erteilte eine Abmahnung. Aufgrund dieses Vorfalls lehnte der BND die Bewerbung des Mitarbeiters zur Verbeamtung mit Verweis auf Zweifel an seiner charakterlichen Eignung ab. Der Antragsteller beantragte einstweiligen Rechtsschutz gegen die Nichtberücksichtigung bei der Verbeamtung.
Entscheidung:
Das Bundesverwaltungsgericht wies den Antrag ab und bestätigte die Entscheidung des BND. Der Dienstherr habe seinen Beurteilungsspielraum nicht überschritten, als er wegen der Vorlage einer unrichtigen Bescheinigung Zweifel an der charakterlichen Eignung des Bewerbers hegte. Die Bescheinigung war nachweislich auf Intervention des Antragstellers verfälscht worden, um höhere Qualifikationsanforderungen vorzutäuschen. Solches Verhalten werfe berechtigte Zweifel an Aufrichtigkeit und Redlichkeit auf, die für die Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben unerlässlich sind. Zwar könne ein Fehlverhalten im Laufe der Zeit an Bedeutung verlieren, doch im maßgeblichen Zeitpunkt war die charakterliche Ungeeignetheit anzunehmen.
Kommunalrecht
Wenn Beton in den Kanal fließt – Gemeinde darf Schadensersatz verlangen
OVG Schleswig, Beschluss vom 23.09.2025 – 6 La 138/24
Sachverhalt:
Ein Grundstückseigentümer in Neumünster ließ auf seinem Grundstück ein neues Wohnhaus errichten. Während der Bauarbeiten gelangte Beton in die öffentliche Schmutzwasserkanalisation und verstopfte diese auf rund 90 % ihres Querschnitts. Die Stadt ließ den Schaden für 8.960 € beseitigen und forderte den Betrag vom Grundstückseigentümer zurück. Dieser weigerte sich zu zahlen und argumentierte, zum Zeitpunkt des Schadens habe noch kein Benutzungsverhältnis zur Kanalisation bestanden. Das Verwaltungsgericht gab der Stadt Recht, wogegen der Eigentümer erfolglos Berufung einlegte.
Entscheidung:
Das Oberverwaltungsgericht bestätigte, dass bereits durch die Bereitstellung und den Anschluss an die öffentliche Abwasseranlage ein öffentlich-rechtliches Benutzungsverhältnis zwischen Gemeinde und Grundstückseigentümer entsteht. Dieses Verhältnis ist satzungsrechtlich ausgestaltet und wird als vertragsähnlich bezeichnet. Verletzungen der daraus resultierenden Pflichten – wie das Einleiten von Beton in den Kanal – können Schadensersatzansprüche nach den Grundsätzen des § 280 Abs. 1 BGB analog begründen. Die privatrechtlichen Vorschriften über Vertragsschlüsse sind nicht auf dieses hoheitlich geprägte Verhältnis übertragbar. Da der Beklagte zum Zeitpunkt des Schadens bereits in das Benutzungsverhältnis einbezogen war, haftet er für den entstandenen Schaden.
News diese Woche:
Gericht: Abschiebung von Flüchtlingen nach Griechenland ist nicht unmenschlich
Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, dass Abschiebungen von alleinstehenden, arbeitsfähigen und gesunden Männern mit internationalem Schutzstatus nach Griechenland derzeit nicht gegen die EU-Grundrechtecharta verstoßen. Nach Auffassung des Gerichts drohen diesen Personen dort keine unmenschlichen oder erniedrigenden Lebensbedingungen. Grundlage der Entscheidung ist das sogenannte Prinzip von „Brot, Bett und Seife“ – also die Annahme, dass Griechenland die elementarsten Bedürfnisse wie Unterkunft, Ernährung und Hygiene sicherstellt. Konkret ging es um einen syrischen Schutzberechtigten, dessen erneuter Asylantrag in Deutschland als unzulässig abgelehnt und dessen Abschiebung angeordnet wurde. Das Gericht bestätigte damit seine bisherige Rechtsprechung und stellte klar, dass Griechenland nach den Dublin-Regeln weiterhin für die betroffenen Asylbewerber zuständig ist.
