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Digitalisierung des Vollzugs von Immobilienverträgen – gerichtlichen Genehmigungen von notariellen Rechtsgeschäften – steuerlichen Anzeigen der Notare

Arbeitsrecht – Erbrecht - Kommunalrecht

Digitalisierung des Vollzugs von Immobilienverträgen – gerichtlichen Genehmigungen von notariellen Rechtsgeschäften – steuerlichen Anzeigen der Notare

Halbleiter

Der Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Digitalisierung des Vollzugs von Immobilienverträgen, gerichtlicher Genehmigungen notarieller Rechtsgeschäfte und steuerlicher Anzeigen der Notare (RegE eNoVA, Oktober 2025) soll einen zentralen Schritt zur umfassenden Modernisierung des notariellen und immobilienbezogenen Rechtsverkehrs in Deutschland markieren.

Regierungsentwurf

1. Juristische Einordnung

a) Regelungsgegenstand

Das Gesetz ändert zahlreiche Einzelgesetze – insbesondere das BauGB, das Beurkundungsgesetz, die Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung (ERVV), die GBO, das FamFG, das GrEStG, das ErbStG, das GwG sowie das Grundstücksverkehrsgesetz. Ziel ist die durchgängige elektronische Kommunikation zwischen Notaren, Behörden, Gerichten und Finanzverwaltungen.

Kernvorschriften sind die neu eingefügten §§ 213a, 213b BauGB, die die elektronische Übermittlung notarieller Mitteilungen, Genehmigungsanträge und Urkunden an Gemeinden, Gutachterausschüsse und Genehmigungsbehörden regeln. Landesregierungen erhalten weitreichende Verordnungsermächtigungen zur Bestimmung der verpflichtenden Einführungszeitpunkte (spätestens 1. Januar 2027).

Ergänzend schafft § 20b BeurkG eine Hinweispflicht der Notare gegenüber den Parteien auf Mitteilungspflichten an die Gutachterausschüsse; § 22a GrEStG und § 34 ErbStG verpflichten die Notare zu elektronischen Anzeigen über ELSTER bzw. nach § 93c AO.

b) Rechtssystematische Bedeutung

Das Gesetz implementiert einen spezialgesetzlichen eGovernment-Standard außerhalb des OZG. Es überführt die notarielle Papierkommunikation in den strukturierten elektronischen Rechtsverkehr nach § 130a ZPO ff. und erweitert die ERVV um neue Kapitel für den „Elektronischen Notar-Verwaltungs-Austausch“.

Zudem führt es zur Verzahnung von Baurecht, Steuerrecht und Geldwäscherecht: Die nach § 22a GrEStG übermittelten Datensätze dürfen von den Landesfinanzbehörden an die FIU (§ 31 GwG n.F.) weitergegeben werden, um Immobilien-Transaktionen geldwäscherechtlich auszuwerten.

c) Verfassungsrechtliche Aspekte

Kompetenzrechtlich stützt sich der Entwurf auf Art. 74 Abs. 1 Nr. 1, 11, 18 GG (Recht der Notare, bürgerliches Recht, öffentliche Fürsorge). Datenschutzrechtlich relevant ist die umfangreiche Datenverarbeitung von Grundstücks-, Personen- und Vertragsinformationen. Maßgeblich ist daher die Vereinbarkeit mit Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG und der DSGVO; der Entwurf verweist auf barrierefreie und sichere Übermittlungsverfahren (§ 87a AO, EGVP-/ELSTER-Struktur).

2. Ökonomische Analyse

a) Bürokratiekosten und Erfüllungsaufwand

Nach der Entwurfsbegründung sinkt der jährliche Erfüllungsaufwand:

  • für Bürger um ca. 5 Mio. €,

  • für die Wirtschaft um ca. 1,5 Mio. €,

  • für Länder und Kommunen netto um rund 10,7 Mio. € jährlich.
    Dem steht ein einmaliger Investitionsaufwand von 179,7 Mio. € für IT-Schnittstellen gegenüber (davon 162,9 Mio. € bei den Ländern).

Die Nettoentlastung resultiert aus Wegfall postalischer Übersendungen, Vermeidung mehrfacher Datenerhebungen und verkürzten Durchlaufzeiten, insbesondere bei der Eintragung ins Grundbuch.

b) Makroökonomische Effekte

Der Vollzugsprozess verkürzt sich erheblich, wodurch laut Regierungsbegründung Finanzierungskosten (Bereitstellungszinsen) um rund 35 Mio. € jährlich sinken. Die Verbesserung der Datenqualität in der Kaufpreissammlung erhöht zugleich die Transparenz der Immobilienmärkte und stärkt die Bewertungssystematik der Gutachterausschüsse sowie der Immobilienpreisindizes des Statistischen Bundesamts.

c) Sekundäreffekte

  • Steuerverwaltung: Automatisierte Übermittlung von GrESt- und ErbSt-Anzeigen ermöglicht eine schnellere Steuerfestsetzung und verbessert die Geldwäscheprävention.

  • Justiz und Verwaltung: Entlastung durch Standardisierung von Genehmigungsverfahren (§ 1850 BGB u.a.).

  • Digitaler Strukturwandel: Das Gesetz schafft Investitionsanreize in sichere Kommunikationsinfrastrukturen (z.B. beBPo, beN, XJustiz-XML-Formate).

3. Kritische Würdigung

Der Entwurf ist ein konsequenter Schritt zur Digitalisierung der notariellen Verwaltungsprozesse. Kritisch bleibt jedoch:

  • die föderal differenzierte Umsetzung bis 2027 – mögliche Rechtsunsicherheiten durch heterogene Landesverordnungen;

  • erhebliche Anfangskosten für kleinere Kommunen und Notariate;

  • datenschutzrechtliche Risiken bei der Bündelung immobilienbezogener Datensätze;

  • unklare Schnittstellenkompatibilität zwischen EGVP und ELSTER.

Positiv hervorzuheben ist, dass Verstöße gegen die elektronische Formpflicht bis 2027 die Rechtswirksamkeit der Anträge und Genehmigungen ausdrücklich nicht berühren (§ 213a Abs. 5 BauGB-E).

4. Bewertung

Juristisch fügt sich der Entwurf kohärent in das Konzept des elektronischen Rechtsverkehrs und stärkt die Rolle des Notars als zentraler Mittler zwischen Privatrecht und öffentlicher Verwaltung. Ökonomisch ist die Maßnahme trotz hoher Einmalkosten langfristig effizient, da sie Transaktionszeiten verkürzt, Markttransparenz erhöht und Bürokratiekosten senkt.

 

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