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Änderungen im Betreuungsrecht

Änderungen im Betreuungsrecht

Die Selbstbestimmung betreuter Menschen soll durch das seit 1.1.2023 geltende Recht gestärkt werden.

Aus der Presseerklärung des BMJ:

  • Erforderlichkeitsgrundsatz: Im neuen Betreuungsrecht ist klar geregelt, dass ein Betreuer nur bestellt wird, wenn dies erforderlich ist (§ 1814 Absatz 3 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)). Das ist dann nicht der Fall, wenn andere Hilfen verfügbar und ausreichend sind. Dazu zählen  auch tatsächliche Unterstützungsleistungen durch Familienangehörige, Bekannte oder soziale Dienste. Ist eine rechtsgeschäftliche Vertretung der betroffenen Person erforderlich, so bedarf es regelmäßig dann keiner Betreuung, wenn die Person einer Vertrauensperson eine Vorsorgevollmacht erteilt hat.
  • Erweiterte Unterstützung: Die Betreuungsbehörden erhalten mit dem neuen Instrument der erweiterten Unterstützung den gesetzlichen Auftrag, betroffene Menschen in geeigneten Fällen so zu unterstützen, dass hierdurch eine rechtliche Betreuung entbehrlich wird (§ 8 Absatz 2 und § 11 Absatz 3 des neuen Betreuungsorganisationsgesetzes (BtOG)).
  • Pflicht zur Wunschbefolgung: Im neuen Betreuungsrecht ist klar geregelt, dass der Betreuer die Angelegenheiten der betreuten Person so zu besorgen hat, dass diese im Rahmen ihrer Möglichkeiten ihr Leben nach ihren Wünschen gestalten kann. Von seiner Vertretungsmacht darf der Betreuer nur Gebrauch machen, soweit dies erforderlich ist. Der Betreuer muss sich durch regelmäßige persönliche Kontakte und Besprechung anstehender Entscheidungen ein Bild davon machen, welche Wünsche die betreute Person hat und was sie nicht will. Den festgestellten Wünschen der betreuten Person hat der Betreuer in den gesetzlich festgelegten Grenzen zu entsprechen und sie bei deren Umsetzung rechtlich zu unterstützen (§ 1821 BGB).
  • Auswahl des Betreuers: Bei der Auswahl des zu bestellenden Betreuers hat das Betreuungsgericht grundsätzlich die Wünsche der zu betreuenden Person zu berücksichtigen (§ 1816 Absatz 2 BGB).
  • Schutz des Wohnraums: Ein von der betreuten Person selbst genutzter Wohnraum darf durch den Betreuer grundsätzlich nur dann aufgegeben werden, wenn dies dem Willen der betreuten Person entspricht (§ 1833 BGB). Der Betreuer hat die Absicht, selbst genutzten Wohnraum der betreuten Person aufzugeben, dem Betreuungsgericht unter Angabe der Gründe und der Sichtweise der betreuten Person unverzüglich anzuzeigen. In bestimmten Fällen ist eine gerichtliche Genehmigung erforderlich. Dies verbessert Möglichkeiten der gerichtlichen Kontrolle.
  • Gerichtliche Aufsicht: Das neue Betreuungsrecht macht die Wünsche betreuter Menschen zum zentralen Maßstab für die Aufsicht und Kontrolle durch die Betreuungsgerichte. Bei Anhaltspunkten dafür, dass der Betreuer den Wünschen der betreuten Person nicht oder nicht in geeigneter Weise nachkommt, besteht grundsätzlich die Pflicht der zuständigen Rechtspflegerin oder des zuständigen Rechtspflegers, die betreute Person persönlich anzuhören (§§ 1862 in Verbindung mit 1821 BGB).
  • Berichtspflicht des Betreuers: Damit das Betreuungsgericht seine Kontrollaufgaben besser wahrnehmen kann, wurden die Anforderungen an die vom Betreuer bei Gericht einzureichenden Berichte klarer formuliert (§ 1863 BGB).

Die entscheidende Norm aus dem BGB lautet:

§ 1814 BGB Voraussetzungen

(1) Kann ein Volljähriger seine Angelegenheiten ganz oder teilweise rechtlich nicht besorgen und beruht dies auf einer Krankheit oder Behinderung, so bestellt das Betreuungsgericht für ihn einen rechtlichen Betreuer (Betreuer).
(2) Gegen den freien Willen des Volljährigen darf ein Betreuer nicht bestellt werden.
(3) Ein Betreuer darf nur bestellt werden, wenn dies erforderlich ist. Die Bestellung eines Betreuers ist insbesondere nicht erforderlich, soweit die Angelegenheiten des Volljährigen
1.
durch einen Bevollmächtigten, der nicht zu den in § 1816 Absatz 6 bezeichneten Personen gehört, gleichermaßen besorgt werden können ( d.h. eine Person, die zu einem Träger von Einrichtungen oder Diensten, der in der Versorgung des Volljährigen tätig ist, in einem Abhängigkeitsverhältnis oder in einer anderen engen Beziehung steht, darf nicht zum Betreuer bestellt werden. Dies gilt nicht, wenn im Einzelfall die konkrete Gefahr einer Interessenkollision nicht besteht)
oder
2.
durch andere Hilfen, bei denen kein gesetzlicher Vertreter bestellt wird, erledigt werden können, insbesondere durch solche Unterstützung, die auf sozialen Rechten oder anderen Vorschriften beruht.
(4) Die Bestellung eines Betreuers erfolgt auf Antrag des Volljährigen oder von Amts wegen. Soweit der Volljährige seine Angelegenheiten lediglich aufgrund einer körperlichen Krankheit oder Behinderung nicht besorgen kann, darf ein Betreuer nur auf Antrag des Volljährigen bestellt werden, es sei denn, dass dieser seinen Willen nicht kundtun kann.
(5) Ein Betreuer kann auch für einen Minderjährigen, der das 17. Lebensjahr vollendet hat, bestellt werden, wenn anzunehmen ist, dass die Bestellung eines Betreuers bei Eintritt der Volljährigkeit erforderlich sein wird. Die Bestellung des Betreuers wird erst mit dem Eintritt der Volljährigkeit wirksam.

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