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KI und Recht: Enttäuschende Podiumsdiskussion in Kiel

KI und Recht: Enttäuschende Podiumsdiskussion in Kiel

SH Fahne

Zusammenfassung:

Die Rechtsanwaltskammer Schleswig-Holstein wollte KI im Rechtswesen erkunden, doch die Debatte verhaftete bei der elektronischen Aktenführung. Eine hochkarätig besetzte Podiumsdiskussion im Maritim Hotel Kiel vermochte es nicht, das Versprechen einzulösen, die Auswirkungen von Künstlicher Intelligenz auf Gerichtsprozesse zu beleuchten. Stattdessen kreisten die Gespräche um die Digitalisierung und die damit einhergehenden organisatorischen Herausforderungen, ohne die spezifischen Beiträge und Grenzen der KI zu adressieren. Die Diskussion verlor sich in Nebenthemen und erreichte nicht ihr Ziel, ein tiefgreifendes Verständnis für die Anwendungsmöglichkeiten und Implikationen von KI in der Justiz zu schaffen. Für tiefergehende Einblicke in die KI-Regulierung sei auf die Ressourcen des Europäischen Parlaments verwiesen.

 

Der Anspruch war hoch, als man zu einer Podiumsdiskussion mit dem Thema „ Welchen Einfluß kann die Künstliche Intelligenz auf Gerichtsverfahren haben?“ in das Maritim Hotel zu Kiel einlud.

Ministerialdirektor Klaus Meyer-Cabri aus dem Bundesjustizministerium war angereist, Isabell Biallaß – Amtsrichterin und KI-Think-Thank Leiterin in NRW, Dr. Nadine Lilienthal als KI-Podcasterin und Partnerin von legalleap.law und Tianyu Yuan als CEO von CODEFY.

Es waren Zuhörer aus der Richterschaft gekommen und viele Anwälte, bei den meisten dürfte Enttäuschung zurückgeblieben sein – auch wenn sich der Moderator Burkhard Plemper viel Mühe gab.

Von Anfang an war unklar, worüber man eigentlich diskutierte. Der Vertreter des BJM redete von der Überlastung der Gerichte, die man von Papiermassen befreien müsse durch Systematisierung und Ordnung – das hat wenig mit KI zu tun. Die Amtsrichterin erläuterte ihren richterlichen Ethos und damit die Grenzen für den Einsatz von KI nach ihrem Verfassungsverständnis und beschrieb ihre Arbeitsabläufe mit Datenvorsortierung und Textbausteinen bei Flugrechtsfällen. Dr. Lilienthal machte zurecht den Einwand, man rede bisher eigentlich nicht über KI sondern nur über Organisation mittels Datenbanken, ohne selbst das Thema aufgreifen zu können. Und der CEO von CODEFY erklärte die Bedeutung der elektronischen Akte im Gericht und das dies weiterentwickelt werden müsse.

Nach dieser ersten Runde war man also beim Thema Digitalisierung von Papier angelangt, vermischte manche Aussagen noch mit Chatbots und hatte das eigentliche Thema des Abends noch nicht berührt.

Die Konzentration auf eine generelle Entlastung von Gerichten im Gespräch führte dann zu einer Einbeziehung des Publikums mit der Frage, ob man lange Schriftsätze bei Gericht einreichen würde um das Gericht argumentativ zu „erschlagen“. Die Befragung des Publikums endete, als man sich einigt wurde, daß im Zivilprozeß aus den verschiedensten rechtlichen Gründen umfassend vorgetragen werden müsse und Richter zu selten Hinweise zur Konzentration der Argumentation geben würden. Mit KI hat auch dies nichts zu tun.

Erste Hinweise aus dem Publikum erfolgten, man möge doch über das eigentliche Thema des Abends reden.

Und wieder ging es um Datenbanken, als der Vertreter des BJM erklärte, man habe zum Trainieren der KI zu wenig verfügbare Urteile in den Datenbanken. Eine Stimme aus dem Publikum verwies auf die Beschränktheit von Urteilsdatenbanken, weil juristische Literatur allein aus urheberrechtlichen Gründen nicht verarbeitet werden könne. Daraufhin wollte man wissen, ob Beck-Online und Juris ihre Datenbanken zur Verfügung stellen würden.

Ein OLG-Richter forderte die Kennzeichnung von KI-generierten Texten ohne zu wissen, daß die EU mit der KI-Verordnung vom März 2024 bereits Transparenzanforderung verbindlich beschlossen hatte.

Als der Moderator vom Podium wissen wolle – nach 70 Minuten KI-ferner Diskussion – in welchen Rechtsgebieten die Anwendung von KI denkbar wäre und pauschal Strafrecht und Sozialrecht wegen ihrer Auswirkungen auf das Leben von Menschen genannt wurden, war es Zeit die Veranstaltung zu verlassen.

Das Recht hat immer Auswirkungen auf das Leben von Menschen, den es dient zur Ordnung des gesellschaftlichen Zusammenlebens. Unabhängig von dem Punkt, daß von der KI – die es so nicht gibt – in Vermischung mit Chatbots und Datenbanken gesprochen wurde, hat die Podiumsdiskussion das Thema des Abends nicht berührt.

Die Rechtsanwaltskammer hat sich bemüht und ist bei der Organisation der elektronischen Akte trotzdem stehen geblieben. Dies lag nicht zuletzt an der Besetzung des Podiums, daß mit Ausnahme von Frau Isabelle Biallaß thematisch neben der KI zu stehen schien.

Wer tatsächlich mehr wissen will, sei auf die Seite des Europäischen Parlaments verwiesen, auf der sich die Pressemitteilung zum AI-Act befindet und einen Überblick über den Rahmen gibt, in dem KI zulässig eingesetzt werden soll.

https://www.europarl.europa.eu/news/de/press-room/20240308IPR19015/gesetz-uber-kunstliche-intelligenz-parlament-verabschiedet-wegweisende-regeln

Auch die Ausarbeitungen des Wissenschaftlichen Dienstes des Europäischen Parlamentes sind empfehlenswert.

https://epthinktank.eu/tag/artificial-intelligence/

 

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