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Ein Deal – Maßnahme im Kontext staatspolitischer, internationaler und wirtschaftlicher Beziehungen?

Arbeitsrecht – Erbrecht - Kommunalrecht

Ein Deal – Maßnahme im Kontext staatspolitischer, internationaler und wirtschaftlicher Beziehungen?

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Was ist ein Deal?

Ein Deal ist ein informeller, oft pragmatisch motivierter Begriff für eine einvernehmliche Vereinbarung zwischen zwei oder mehreren Akteuren, die auf einem Austausch von Leistungen, Zugeständnissen oder politischen Positionen beruht. Im Unterschied zu einem formellen Vertrag ist ein Deal häufig:

  • nicht rechtsförmig kodifiziert,

  • nicht zwingend rechtlich bindend, sondern politisch oder wirtschaftlich motiviert,

  • auf unmittelbaren Interessenausgleich ausgerichtet,

  • diskret, bilateral oder exklusiv ausgestaltet, mit geringer Transparenz gegenüber Dritten.


Typen von „Deals“ (unsystematisch, aber praxisnah):

Bereich Beispiel Charakter
Wirtschaft Unternehmensübernahme gegen Auflagen Vertragsdeal mit zivilrechtlicher Bindung
Außenpolitik Nuklearabkommen Iran (JCPOA) völkerrechtliches Abkommen mit politischem Deal-Charakter
Kriegsbeendigung Waffenstillstand mit Gebietsverzicht Politischer Deal, oft ohne rechtliche Absicherung
Innenpolitik Koalitionsvertrag Politischer Deal ohne rechtsverbindliche Wirkung
Diplomatie Austausch von Gefangenen Informeller Deal ohne Vertragsform

Kernelemente eines Deals

  1. Zweckbezogenheit – Ein konkreter politischer, wirtschaftlicher oder strategischer Nutzen wird angestrebt.

  2. Gegenseitigkeit – Leistung und Gegenleistung stehen im Zentrum, oft in Form von Zugeständnissen.

  3. Pragmatismus über Prinzipien – Formelle Normen (z. B. Völkerrecht, Verfassungsrecht) können ignoriert oder relativiert werden.

  4. Temporäre Stabilität – Ziel ist häufig kurzfristige Entspannung oder Eskalationsvermeidung, nicht notwendigerweise dauerhafte Lösung.

  5. Akteurszentriertheit – Der Deal ist oft personengebunden und nicht institutionell legitimiert (z. B. „Trump-Deal“, „Merkel-Erdogan-Deal“).


Abgrenzung zu:

  • Vertrag: rechtlich kodifiziert, bindend, durchsetzbar.

  • Absichtserklärung (MoU): meist nicht bindend, deklaratorisch.

  • Kompromiss: formeller Ausgleich innerhalb normierter Verfahren (z. B. Parlament, UN).

  • Konsens: oft ohne Gegenleistung; zielt auf Übereinstimmung, nicht Austausch.


Juristische Relevanz

Ein Deal kann rechtlich relevant sein, wenn er in eine völkerrechtliche oder zivilrechtliche Form gegossen wird. In der internationalen Politik bleibt ein Deal ohne Verrechtlichung hingegen:

  • unsicher in der Durchsetzbarkeit,

  • politisch angreifbar,

  • anfällig für Bruch bei Machtwechsel.

 


„Deal“ im Lichte politischer Theorie

1. Thomas Hobbes – Der Deal als Pakt im Naturzustand

  • Hobbes beschreibt in Leviathan (1651) einen Naturzustand des Menschen als kriegerisch („bellum omnium contra omnes“).

  • Frieden entsteht nur durch einen rationalen Pakt: Verzicht auf eigene Gewaltanwendung gegen Sicherheit durch einen übergeordneten Souverän.

  • → Der Deal ist hier ein Zivilisationsakt, ein Akt rationaler Selbsterhaltung: Frieden durch Angst vor Gegengewalt.

  • Charakter: prä-vertraglich, machtorientiert, minimal-rechtsförmig.

„Covenants, without the sword, are but words.“ (Hobbes)

2. Immanuel Kant – Der Deal als moralisch defizitäre Übereinkunft

  • In Zum ewigen Frieden (1795) lehnt Kant jede machtpolitische Transaktion, die auf Kosten moralischer Prinzipien (Gerechtigkeit, Freiheit, Autonomie) geht, als unzulässig ab.

  • Staaten sollen sich wie moralische Personen verhalten und dem Völkerrecht unterstehen, nicht bloß temporären Zweckbündnissen.

  • Ein Deal, der Rechte Dritter verletzt oder nicht auf allgemeine Gesetzgebung (ius publicum europaeum) abzielt, ist bei Kant illegitim.

„Der Friedenszustand ist kein Naturzustand, sondern muss gestiftet werden.“
Deal ≠ Frieden, sondern Friedensvertrag = Ergebnis rechtsgeleiteter Vernunft.

3. Carl Schmitt – Der Deal als Ausdruck konkreter Machtverhältnisse

  • Für Schmitt (Der Nomos der Erde, 1950) ist das Völkerrecht nicht universal, sondern Ausdruck einer konkreten „Raumordnung“.

  • Ein Deal ist Ausdruck des realpolitischen Kräfteverhältnisses – wer Macht hat, kann gestalten.

  • Die Frage der Legitimität tritt zurück zugunsten der Frage der Ordnungsmacht (Katechon-Konzept).

  • Recht als Folge des Sieges – nicht des moralischen Diskurses.

„Der Souverän ist, wer über den Ausnahmezustand entscheidet.“


Völkerrechtlicher Kontext: Vom Machtdeal zum Rechtsvertrag

1. Realismus vs. Idealismus

Paradigma Grundannahme Bewertung von Deals
Realismus Staaten handeln rational zur Maximierung ihrer Macht Deals als pragmatische Instrumente zur Interessendurchsetzung
Idealismus Staaten sind Akteure moralischer und rechtlicher Normen Deals problematisch, wenn sie Prinzipien wie Gewaltverbot, Menschenrechte untergraben

→ Die UN-Charta (1945) kodifiziert erstmals eine regelbasierte Ordnung (Gewaltverbot, Gleichheit, friedliche Streitbeilegung) – Deals, die hiervon abweichen, sind rechtlich illegitim (z. B. Anerkennung einer Annexion).

2. Moderne Kritik: Legalismus und Machtasymmetrie

  • Postkoloniale und kritische Theorien (z. B. TWAIL, Martti Koskenniemi) verweisen darauf, dass auch „rechtsförmige Deals“ häufig asymmetrisch, hegemonial und westlich kodiert sind.

  • Der Deal als scheinbar neutraler Interessenausgleich ist oft ein Instrument neokolonialer Einflussnahme (z. B. militärische Basen, Handelsverträge).

Aus Sicht Kants und moderner normativer Völkerrechtslehre ist der Deal kein legitimer Friedensersatz, sondern ein taktischer Waffenstillstand, der nur durch rechtliche Kodifizierung und multilaterale Legitimation zur tragfähigen Ordnung werden kann.


 

Was ist ein Deal für Donald Trump?

In Zeiten globaler Krisen – sei es im Ukrainekrieg, in der NATO, im Umgang mit China oder in Nahost – fällt regelmäßig ein Begriff, der wie ein Allheilmittel präsentiert wird: der „Deal“. Insbesondere Donald Trump verwendet dieses Wort wie kaum ein anderer Staatsführer unserer Zeit – markant, medial wirksam und scheinbar pragmatisch. Doch was meint Trump wirklich, wenn er von einem great deal spricht?

In seinem Buch „The Art of the Deal“ (1987) schreibt Trump:

„My style of deal-making is quite simple and straightforward. I aim very high, and then I just keep pushing and pushing and pushing to get what I’m after.“

Für Trump ist ein Deal kein fairer Ausgleich, sondern ein strategisches Machtspiel. Es geht nicht um Prinzipien wie Gerechtigkeit, Völkerrecht oder die Autonomie Dritter, sondern um Verhandlungsvorteile, öffentliche Wirkung und persönlichen Erfolg.

„You deliver a product and get something big in return. That’s winning. That’s a deal.“

Er misst den Erfolg eines Deals nicht an dessen Stabilität, sondern am Gewinn für sich selbst. Ein Deal, bei dem beide Seiten gleich profitieren, ist in Trumps Logik ein vergebener Vorteil.


Trumps Deals in der Praxis: Transaktion statt Ordnung

Trump hat seine Deal-Philosophie auf die internationale Politik übertragen – mit Folgen.

a) Nordkorea-Gipfel 2018

Trump inszenierte ein historisches Treffen mit Kim Jong-un als diplomatischen Durchbruch. Es gab kein verifizierbares Abkommen, keine Abrüstung, keine multilaterale Einbindung.

„We fell in love,“ sagte Trump über Kim – ein Satz, der sinnbildlich für das personalisierte, rechtlich entkernte Deal-Verständnis steht.

b) NATO, Ukraine, Sicherheitspolitik

Trump betrachtete Sicherheitsgarantien wie einen Geschäftsvorgang: Wer zahlt, wird geschützt.

„If they don’t pay, why should we protect them?“
Dieses Denken verkennt die Natur kollektiver Verteidigung als Prinzip und degradiert sie zur käuflichen Ware.


Ein Bruch mit rechtsstaatlichem und völkerrechtlichem Denken

Trump steht mit seinem Deal-Verständnis im direkten Widerspruch zu allen tragenden Säulen der modernen internationalen Ordnung:

Prinzip Völkerrechtliche Ordnung Trumps Deal
Gewaltverbot UN-Charta Art. 2 Abs. 4 Kein Thema
Vertragstreue Pacta sunt servanda Verhandelbar
Souveränität Gleichheit aller Staaten Wer zahlt, bestimmt
Menschenrechte Universale Geltung Verzichtbar bei Nutzen

Das zeigt sich auch in seiner Einstellung zu Regelwerken:

„The beauty of me is that I’m very rich.“
– Trump in einem Interview, das seine Haltung zur internationalen Verantwortung unterstreicht.


Warum Trumps Deal nicht zur Lösung des Ukrainekriegs taugt

Ein möglicher „Trump-Deal“ zum Ukrainekrieg könnte wie folgt aussehen:

  • Russland darf Teile der Ukraine behalten,

  • Die Ukraine verzichtet auf NATO-Beitritt,

  • Im Gegenzug gibt es Waffenruhe und wirtschaftliche Öffnung.

Dies wäre völkerrechtswidrig, da es eine Annexion legitimiert, die Souveränität der Ukraine ignoriert und die UN-Charta aushöhlt. Zudem würde es ein fatales Signal senden: Wer militärisch stark genug ist, kann sich Gebiete „erhandeln“.


Der Trump-Deal ist eine Transaktion

Ein Deal ist in Trumps Welt keine Regelbindung, sondern ein Gewinner-Verlierer-Spiel.

Die internationale Ordnung hingegen beruht auf multilateraler Legitimation, rechtlicher Gleichheit und langfristiger Verlässlichkeit. Trumps Deal-Mentalität mag in der Immobilienwelt funktioniert haben – im geopolitischen Raum ist sie instabil und prinzipienfeindlich.


Literatur & Quellen:

  • Trump, Donald J., The Art of the Deal, 1987.

  • UN-Charta, insbesondere Art. 2 (Gewaltverbot, Souveränität)

  • Kant, Immanuel: Zum ewigen Frieden, 1795

  • Koskenniemi, Martti: The Gentle Civilizer of Nations, 2002

  • Internationale Reaktionen auf „Deal of the Century“, 2020

  • NATO-Charta, Art. 5: Kollektive Verteidigung

 

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