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Analyse der bisherigen Amtszeit von Präsident Javier Milei

Arbeitsrecht – Erbrecht - Kommunalrecht

Analyse der bisherigen Amtszeit von Präsident Javier Milei

d - Banknoten und Münzen

Im Frühjahr 2024 entbrannte in Deutschland eine lebhafte Debatte um den argentinischen Präsidenten Javier Milei – nicht nur wegen seiner radikal marktwirtschaftlichen Reformagenda, sondern auch wegen der provokanten Reaktionen, die er bei deutschen Politikern auslöste. Besonders hervor sticht Friedrich Merz (CDU), der sich in Talkrunden emphatisch gegen eine Vorbildfunktion Argentiniens aussprach: Als ein Beispiel für Deutschland könne man Mileis Kurs nicht gelten lassen, denn:

„Der [Milei] ruiniert das Land, er tritt die Menschen mit Füßen.“

Dagegen setzte Christian Lindner (FDP) einen Gegenpol und plädierte im selben TV-Zusammenhang für eine Art „Prise Milei und Musk“ – eine Aufforderung, disruptivere Reformelemente mutiger aufzugreifen. Diese Haltung versinnbildlichte er später in einem Gastbeitrag:

„Hinter den Provokationen von Milei und Musk steckt dennoch eine disruptive Energie, die Deutschland fehlt.“ 

 


 

1. Deregulierungsmaßnahmen in Recht und Wirtschaft

Präsident Javier Milei, ein ausgewiesener Libertärer, hat seit Amtsantritt im Dezember 2023 ein beispielloses Deregulierungsprogramm initiiert. Bereits kurz nach Amtsübernahme verabschiedete er per Dekret 70/2023 ein „Mega-Dekret“ mit über 300 Einzelmaßnahmen zur wirtschaftlichen Deregulierung[1]. Gleichzeitig rief er den wirtschaftlichen Notstand in Bereichen wie Wirtschaft, Finanzen, Verwaltung und Energie bis Ende 2025 aus, um weitreichende Vollmachten zur Reform des Staatsapparats zu erhalten[2][3]. Dieses Paket – in weiten Teilen im Juli 2024 durch das vom Kongress verabschiedete „Ley de Bases“ (Gesetz Nr. 27.742) bestätigt – zielt darauf, staatliche Eingriffe drastisch zurückzuschrauben, Vorschriften abzubauen und die freie Marktwirtschaft zu entfesseln[4][5]. Im Folgenden werden die Hauptfelder der Deregulierung – Arbeitsrecht, Umweltrecht, Energieregulierung und Kapitalmarktrecht – sowie deren rechtliche Umsetzung und erste ökonomische Effekte analysiert.

1.1 Deregulierung des Arbeitsrechts

Ein Schwerpunkt Mileis ist die Liberalisierung des Arbeitsmarktes. Per Dekret und nachfolgend im Ley de Bases setzte er umfassende Änderungen des argentinischen Arbeitsrechts durch, um Arbeitgeber von Auflagen zu entlasten und die Arbeitsvertragsfreiheit zu stärken. Zu den wichtigsten Reformen zählen:

  • Amnestie für informelle Beschäftigung: Arbeitgebern mit nicht angemeldeten Arbeitnehmern wird ein freiwilliges Sanierungsprogramm angeboten. Wer bislang Löhne „schwarz“ gezahlt hat, kann die Beschäftigten legalisieren und erhält im Gegenzug Straffreiheit: mindestens 70 % der ausstehenden Sozialabgaben werden erlassen, für den Rest gibt es Ratenzahlungen; nach erfolgter Legalisierung werden etwaige Vorstrafen getilgt und laufende Steuerstrafverfahren wegen Lohnhinterziehung eingestellt[6][7]. Diese Amnestie soll die hohe informelle Beschäftigung verringern.
  • Wegfall von Strafzuschlägen: Die Reform eliminierte drakonische Vertragsstrafen für nicht registrierte Arbeitnehmer, die bisher im Kündigungsfall doppelte Abfindungen und zusätzliche 25 % Strafzahlungen an den Arbeitnehmer vorsahen[8]. Diese Strafzahlungen hatten Arbeitgeber stark belastet und massenhafte Arbeitsgerichtsprozesse ausgelöst. Deren Abschaffung reduziert das Prozessrisiko und senkt die potentiellen Kündigungskosten erheblich, was nach Ansicht der Regierung Anreize zur formellen Einstellung schafft.
  • Verlängerung der Probezeit: Die gesetzliche Probezeit bei Neueinstellungen wurde von 3 auf 6 Monate ausgedehnt[9]. In dieser Zeit kann ein Arbeitsverhältnis ohne Abfindungsanspruch beendet werden. Per Tarifvertrag dürfen Gewerkschaften und Arbeitgeber für kleinere Betriebe sogar bis zu 8 bzw. 12 Monate Probezeit vereinbaren[10]. Dies gibt Unternehmen mehr Zeit, Mitarbeiter ohne Kündigungskosten zu erproben, was gerade angesichts traditionell hoher Abfindungen (ein Monatslohn pro Dienstjahr) als Flexibilisierung gilt.
  • Flexiblere Elternzeit: Während die Dauer des Mutterschaftsurlaubs (3 Monate bezahlt) gleich bleibt, können Arbeitnehmerinnen nun flexibler planen. Die Reform erlaubt, den vorgeschriebenen vorgeburtlichen Urlaub von einem Monat auf nur 10 Tage zu verkürzen und die restliche Zeit an den Nachurlaub anzuhängen[11]. Dies erhöht die Wahlfreiheit der Mütter über die Verteilung ihrer bezahlten Freistellung.
  • Neues Abfindungsfonds-Modell: Für tarifgebundene Branchen kann alternativ zum klassischen Abfindungsanspruch ein betrieblicher Abfindungsfonds eingeführt werden[12]. Arbeitgeber würden monatlich bis zu 8 % des Gehalts in einen Fonds einzahlen, aus dem im Kündigungsfall die Abfindung bestritten wird. Dieses Modell ähnelt einer kapitalgedeckten Kündigungsversicherung und soll Arbeitgebern Planungssicherheit geben, indem große Einmalzahlungen vermieden werden.
  • Verschärfung bei Betriebsbesetzungen: Erstmals wurde im Gesetz festgelegt, dass die Teilnahme an Betriebsblockaden oder Betriebsbesetzungen (eine in Argentinien häufiger eingesetzte Gewerkschaftsprotestform) einen wichtigen Kündigungsgrund darstellt[13]. Mitarbeiter, die ihren Arbeitsplatz blockieren oder besetzen, können damit fristlos und ohne Abfindung entlassen werden. Dies entzieht Arbeitsrichtern das Ermessen, solche Fälle nachträglich doch als unzulässige Kündigung zu werten, und stärkt die Position der Arbeitgeber in Arbeitskämpfen.
  • Entschädigung statt Wiedereinstellung bei Diskriminierung: Das Arbeitsrecht definiert nun, was als diskriminierende Kündigung (z. B. wegen Gewerkschaftsaktivität) gilt, und sieht im Falle des Nachweises eine zusätzliche Entschädigung von 50–100 % der üblichen Abfindung vor[14]. Dafür entfällt der früher mögliche Anspruch auf Wiedereinstellung. Arbeitgeber schulden also finanziellen Ausgleich, müssen den Arbeitnehmer aber nicht zurücknehmen. Dies begrenzt das Risiko für Unternehmen, dauerhaft unerwünschte Mitarbeiter beschäftigen zu müssen.
  • „Unabhängige Mitarbeiter“: Neu geschaffen wurde die Kategorie des „trabajador independiente colaborativo“, grob übersetzbar als unabhängiger Mitarbeiter[15]. Eine selbständig tätige Person kann bis zu drei weitere unabhängige Helfer beschäftigen, ohne dass automatisch ein Arbeitsverhältnis angenommen wird. Solche freien Mitarbeiter unterliegen künftig nicht dem strengen Arbeitsrecht, sondern einem einfacheren Regelsatz, der erst noch von der Exekutive definiert wird[16]. Diese Änderung soll Kleinunternehmern ermöglichen, befristet oder projektbezogen Personal zu beschäftigen, ohne volles Arbeitgeberrisiko.

Zwar gingen einige radikalere Vorschläge (z. B. unabhängige Prüfung der gewerkschaftlichen Sozialkassen oder Aufhebung des Gewerkschaftsmonopols pro Branche) nicht in die endgültige Reform ein[17], doch markieren die beschlossenen Änderungen einen deutlichen Paradigmenwechsel hin zu einem arbeitgeberfreundlichen „flexicurity“-Ansatz. Rechtlich wurden diese Maßnahmen teils per Dekret erlassen, was sofort Widerspruch der Gewerkschaften provozierte: Die mächtige Gewerkschaft CGT erwirkte Anfang Januar 2024 vor dem Arbeitsberufungsgericht eine einstweilige Verfügung, welche die Anwendung der dekretlichen Arbeitsreformen vorläufig stoppte[18][19]. Das Gericht monierte, dass solch weitreichende Änderungen des Arbeitsgesetzes wohl gesetzgeberische Zustimmung bräuchten[20]. Die Regierung legte Berufung ein[21]. Politisch umging Milei dieses Hindernis, indem er die Kernpunkte seiner Arbeitsmarktreform schließlich als Teil des Ley de Bases vom Kongress beschließen ließ[22]. Dadurch wurden sie gesetzlich verankert und rechtlich gefestigt. Ökonomisch erhofft man sich mittelfristig mehr formelle Beschäftigung und weniger gerichtliche Konflikte. Erste Effekte sind uneinheitlich: Zwar stieg die registrierte Beschäftigung leicht an, jedoch ging die Gesamtbeschäftigung wegen der Rezession zurück (siehe Abschnitt 4.1). Die Arbeitslosenquote erhöhte sich 2024 offiziell auf rund 8 % (von ca. 6 % im Vorjahr)[23][24]. Dies deutet darauf hin, dass der rigide Sparkurs (Stellenabbau im Staatssektor, Nachfragerückgang) zunächst Arbeitsplätze kostete. Langfristig könnte die größere Flexibilität aber Investitionen und Einstellungen fördern, sofern die Wirtschaft wieder wächst.

1.2 Reformen im Umweltrecht

Mileis Wirtschaftsliberalismus erstreckt sich auch auf das Umweltrecht, wobei er hier auf erheblichen Widerstand stieß. Der neue Präsident schaffte gleich zu Amtsbeginn das eigenständige Umweltministerium ab (es wurde in ein Staatssekretariat herabgestuft)[25]. Seine Regierung versuchte, bestehende Umweltauflagen, die aus ihrer Sicht wirtschaftliche Entwicklung blockieren, zu lockern. Zwei besonders kontroverse Vorhaben stachen hervor:

  • Aufweichung des Waldschutzes: Milei wollte Argentiniens strenge Waldschutzgesetze lockern. Ein Entwurf sah vor, den Provinzen zu erlauben, in bisher geschützten Waldzonen Rodungen zu genehmigen[26]. Zudem sollten Mittel zur Bekämpfung illegaler Abholzung und Waldbrände gekürzt werden[26]. Umweltverbände warnten, dass damit bis zu 80 % der Wälder ihren Schutzstatus verlieren könnten[27]. Diese „Waldfreigabe“ hätte großflächige Entwaldung begünstigt – ein “gravierender Rückschritt” laut Greenpeace[28].
  • Abbau des Gletscherschutzes: Weiter plante Milei, das geltende Glacier-Gesetz (Ley de Glaciares) von 2010 zu entschärfen. So sollte der gesetzliche Gletscherbegriff verengt werden – kleinere Gletscher und nicht erfasste Eisfelder wären dann nicht mehr geschützt[29]. In diesen hochsensiblen Andenregionen liegen jedoch reiche Gold-, Silber- und Kupfervorkommen, die Bergbauunternehmen nur ohne den bisherigen strikten Schutz erschließen könnten. Experten warnten, Bergbau an Gletschern gefährde die Wasserversorgung und sei „als würde man die Kühlschranktür aushängen und erwarten, dass das Gefrierfach kalt bleibt“[30].

Diese geplanten Änderungen waren in Mileis anfangs eingebrachtem Omnibus-Gesetz enthalten[31]. Sie lösten Massenproteste und internationale Kritik aus[32][33]. Infolge fehlender Mehrheiten im Kongress musste Milei die entsprechenden Klauseln – und zeitweise das gesamte Reformgesetz – zurückziehen[34]. Letztlich wurden sie im verabschiedeten Ley de Bases nicht aufgenommen. Somit blieben die zentralen Umweltgesetze (Wald- und Gletscherschutz) vorerst intakt. Allerdings zeigt Mileis Kurs deutlich eine Priorisierung von Rohstoffförderung und Investitionen über Naturschutzbelange. Seine Rhetorik („Klimawandel ist eine sozialistische Lüge“) lässt vermuten, dass er Umweltschutz als hinderlich für die Wirtschaft ansieht[35][33]. Administrativ wurde das Budget der Umweltbehörden gekürzt und die Genehmigungsverfahren sollen beschleunigt werden. Das Ley de Bases verlangt eine „Harmonisierung der Umweltvorschriften“ zwischen Bund und Provinzen[36][37]. Dies könnte bedeuten, dass kompetenzrechtliche Konflikte entschärft und Umweltprüfungen vereinfacht werden – Befürworter sehen darin Planungssicherheit für Investoren, Kritiker fürchten eine Schwächung regionaler Umweltstandards. Bisher ist festzuhalten: Rechtlich scheiterten die drastischsten Deregulierungen im Umweltrecht am Parlament. Faktisch jedoch hat die Regierung dem Umweltschutz weniger Gewicht verliehen (ministerielle Degradierung, geringere Finanzierung). Internationale Beobachter warnen, dass dies Argentiniens Klimaziele gefährden könnte[25]. Dennoch hält Milei offiziell an Argentiniens Verpflichtungen im Pariser Klimaabkommen fest – bislang hat er das Abkommen nicht gekündigt[25]. Die kommenden Jahre werden zeigen, ob wirtschaftliche Interessen weitere Einschnitte in den Umweltschutz nach sich ziehen oder ob gesellschaftlicher und gerichtlicher Widerstand diese Balance beeinflussen.

1.3 Liberalisierung der Energiemärkte

Der Energiesektor wurde umfassend reformiert und dereguliert. Argentinien litt in den Vorjahren unter staatlich gedeckelten Energiepreisen, hohen Subventionen und Investitionsstau im Infrastrukturbereich. Mileis Regierung erklärte daher direkt im Dezember 2023 eine Energie-Notlage (Notfallverordnung 55/2023) und leitete eine Tarifreform ein[38]. Zentrale Maßnahmen im Energie- und Rohstoffrecht:

  • Freie Preisbildung: Das Ley de Bases untersagt der Exekutive künftig, in den Binnenmarkt für Kohlenwasserstoffe preisregulierend einzugreifen[39]. Mit anderen Worten: staatliche Treibstoffpreisbindungen oder Verkäufe von Benzin unter Marktpreis (wie sie früher zur Inflationskontrolle vorkamen) entfallen. Raffinerien und Tankstellennetzbetreiber können Preise nun marktbasiert setzen.
  • Freier Energiehandel und Export: Die Reform öffnet den Außenhandel mit Energie. Erdöl- und Gasunternehmen dürfen ihre geförderten Mengen frei transportieren, verarbeiten und exportieren, solange die Energiebehörde keine sicherheitstechnischen Einwände erhebt[40]. Insbesondere wird der Export von Flüssigerdgas (LNG) erleichtert: Exportgenehmigungen sollen bis zu 30 Jahre bindend gewährt werden, und die Exporteure erhalten Zusagen, dass ihre Lieferungen nicht nachträglich gedrosselt oder umgeleitet werden[41][42]. Bereits der Import von Erdgas wurde dereguliert – Gaseinfuhren dürfen nun ohne vorherige Genehmigung erfolgen[43]. Diese Öffnung soll Argentinien als Lieferant im Weltmarkt (etwa mit dem großen Vaca-Muerta-Schiefergasfeld) attraktiver machen.
  • Abbau von Monopolprivilegien: Bislang hatte der Staat und staatliche Firmen in manchen Bereichen Vorzugsrechte. Das neue Gesetz streicht bestimmte Privilegien für Staatsunternehmen: So werden exklusive Rechte für die Erschließung neuer Ölfelder oder Gasbevorzugungen für die Staatsfirma IEASA/ENARSA aufgehoben[39][44]. Private Firmen können nun z. B. Pipelineprojekte oder Stromtrassen eigeninitiativ entwickeln – vorher waren Netz-Ausbauprojekte primär dem Staat vorbehalten[45][46]. Durch Private-Investment-Modelle sollen Modernisierung und Ausbau des veralteten Stromnetzes beschleunigt werden[47].
  • Streichung grüner Subventionen: Interessanterweise wurde auch der 2017 eingeführte Förderfonds für dezentrale Erneuerbare Energien (FODIS) gestrichen[46]. Damit entfällt die staatliche Bezuschussung kleiner Solaranlagen & Co. Dies signalisiert eine Abkehr von aktiver Klimapolitik zugunsten marktwirtschaftlicher Neutralität – lediglich profitable Erneuerbare sollen sich durchsetzen. Umwelt- und Klimaschützer sehen dies kritisch, da es Investitionen in saubere Energien bremsen könnte.
  • Neuausrichtung der Energiesubventionen: Jahrzehntelang subventionierte Argentinien Haushaltsstrom, Gas und Nahverkehr massiv. Milei leitete eine Subventionswende ein: Die Energie-Regulierungsbehörde (ENRE/ENARGAS, zeitweise unter staatliche Intervention gestellt) wurde angewiesen, schnell Tariferhöhungen vorzunehmen[48]. Bereits Anfang 2024 wurden Strom- und Gaspreise deutlich angehoben. Künftig soll es nur noch gezielte Zuschüsse für Bedürftige geben („an der Nachfrage orientiert“), statt flächendeckende Preisstützungen[49]. Die meisten mittleren und größeren Verbraucher zahlen nun annähernd Kostendeckungspreise, was Haushaltskassen belastet, aber den Staatshaushalt entlastet. So stiegen z. B. ÖPNV-Tarife in Buenos Aires um das Zehnfache (ein Busticket von 70 auf 700 ARS)[50][51] – viele Geringverdiener können sich tägliche Fahrten nicht mehr leisten und gehen nun zu Fuß[52]. Die sozialen Auswirkungen sind erheblich (siehe Abschnitt 4.1 zu Reallöhnen und Armut), doch aus fiskalischer Sicht war dieser Tarifschock zentral für die Defizitreduktion (siehe 2.1).

Rechtlich wurden die meisten Energiereformen im Ley de Bases verankert und damit parlamentarisch abgesegnet[47][40]. Durch die im Gesetz ebenfalls enthaltene Notstandserklärung im Energiesektor[3] konnte die Regierung außerdem per Verordnung kurzfristig durchgreifen (z. B. die erwähnte Interventionsmaßnahme bei den Regulierungsbehörden[48]). Bislang gab es aus den Provinzen (die in Argentinien laut Verfassung Eigentümer der Bodenschätze sind) keine erfolgreichen juristischen Anfechtungen – vermutlich auch, weil die Öffnung Investitionschancen für sie birgt.

Ökonomisch zeigt der Energiesektor gemischte Effekte: Der Subventionsabbau sparte Milliarden im Budget ein, aber Verbraucherpreise für Energie stiegen drastisch (was zur Inflationswelle Ende 2023 beitrug). Investoren wiederum begrüßen die Planungssicherheit. Tatsächlich verbesserten sich Argentiniens Perspektiven z. B. für LNG-Großprojekte: Dank 30-jähriger Garantie der Exportkonditionen wagen Firmen eher die Finanzierung von LNG-Terminals[41][53]. Erste ausländische Konzerne kündigten 2024 neue Investitionen in Gas, Lithium und Wasserstoff an, nachdem Mileis Reformpaket verabschiedet war[54]. Die Regierung setzt darauf, dass private Kapitalströme nun den Ausbau der Infrastruktur übernehmen, den der Staat nicht mehr stemmen will („No hay plata“ – „Es gibt kein Geld“, so Mileis stoisches Mantra[55]). In der Übergangsphase ist jedoch mit Engpässen zu rechnen, bis privates Engagement die Lücke füllt. Zusammengefasst hat Milei im Energierecht einen Wechsel von Staatsdirigismus zu Marktliberalität vollzogen: Weg von Preis- und Versorgungsaufsicht, hin zu Wettbewerb und Investitionsanreizen.

1.4 Abbau wirtschaftlicher Regulierungen und Kapitalverkehrskontrollen

Über den Arbeits- und Energiesektor hinaus demontierte die Milei-Administration eine Reihe von marktregulatorischen Gesetzen, um den allgemeinen Waren- und Kapitalverkehr zu liberalisieren. Darunter:

  • Preis- und Handelsaufsicht: Das Mega-Dekret 70/2023 hob mehrere Gesetze auf, die der vorherigen Regierung zur Marktregulierung dienten[56]. So wurde das „Observatorio de Precios“ (Preisbeobachtungsstelle, Gesetz 26.992) abgeschafft[57], ebenso die 2020 erlassene „Ley de Góndolas“ (Gesetz 27.545)[58], die Supermärkten vorschrieb, heimische Produkte bevorzugt und divers platziert anzubieten. Auch ältere Interventionstitel fielen: Etwa das Gesetz 20.680 über die Versorgung (Ley de Abastecimiento) aus 1974, das der Regierung erlaubte, bei „Missbrauch“ in Preisbildung oder Lagerhaltung hart einzugreifen (bis hin zu Zwangsverkäufen), wurde für mit einer freien Marktwirtschaft unvereinbar erklärt und ersatzlos gestrichen[59]. Ebenso abgeschafft wurde das „Compre Argentino“-Gesetz 27.437, das staatliche Stellen verpflichtete, inländische Produkte bei Beschaffungen zu bevorzugen[60]. Die Regierung begründete dies damit, dass solche Vorschriften Wettbewerbsverzerrungen und Ineffizienzen verursachten[61].
  • Branchen- und Agrarsonderregime: Das Dekret eliminierte zahllose branchenpezifische Regulierungen, insbesondere in der Landwirtschaft. So wurden antiquierte Gesetze wie das Weingesetz 18.600 von 1970 (Regeln für Lohnmost und Traubenverarbeitung) und mehrere Folgesetze zur Weinindustrie (z. B. Gesetz 18.905, 22.667) aufgehoben[62]. Ebenso weggefallen sind das Zucker-Gesetz 18.770 mit Quotierungen für den Binnenmarkt[63], ein altes Gesetz zur Olivenerzeugung (Ley 12.916), zur Viehfutterverpackung (Ley 18.859) und zur Baumwoll-Politik (Ley 19.990)[64][65]. Selbst der Nationale Yerba-Mate-Tee-Regulierungsrahmen (Ley 27.114) wurde gestrichen[66]. Insgesamt wurde ein breiter Strauß an Sondervorschriften für verschiedene Sektoren bereinigt, um – wie es im Dekret heißt – „Marktverzerrungen zu beseitigen“[67][68]. Damit einher geht die Einstellung oder Umstrukturierung diverser staatlicher Kontrollbehörden in diesen Bereichen.
  • Stärkung der Vertragsfreiheit: Juristisch bedeutsam ist die Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs zur Vertragsautonomie[69]. Insbesondere wurde klargestellt, dass Verträge auf Fremdwährungsbasis ausdrücklich zulässig sind und Zahlungen in der vereinbarten Währung erfolgen dürfen[70]. Bisher konnten Dollar-Schulden in Peso beglichen werden, was nun ausgeschlossen ist – ein wichtiges Signal für Kreditgeber und Investoren, die Rechtssicherheit in harter Währung fordern. Zudem wurde bekräftigt, dass Vertragsparteien Inhalt und Form ihres Vertrages frei bestimmen können und Gerichte Verträge grundsätzlich nicht inhaltlich abändern dürfen[71] (eine Spitze gegen die in Argentinien gängige richterliche Praxis, Verträge unter Berufung auf „ordre public“ nachträglich zu justieren).
  • Digitalisierung und Bürokratieabbau: Zahlreiche Vorgaben zum Einsatz elektronischer Dokumente wurden eingeführt, um Geschäftsprozesse zu vereinfachen (z. B. elektronische Aufzeichnungen anstelle von Papier)[72]. Zudem verfolgt die Regierung das Ziel, Genehmigungsverfahren zu digitalisieren und zu straffen, etwa im Außenhandel[73][74]. Im Zollbereich wurden der Registrierungszwang für Importeure/Exporteure und Zollagenten abgeschafft[75], Vorabanmeldungen und frühzeitige Zollabfertigungen ermöglicht[76] und Zollgebührenregelungen vereinfacht[77]. All dies unter dem Postulat, Handel zu erleichtern und Verwaltungshürden abzubauen.
  • Freier Außenhandel: Das Regime setzt stark auf freie Handelsströme. So wurde der Exekutive untersagt, aus wirtschaftspolitischen Gründen Export-/Importverbote oder Quoten zu erlassen[78]. Die Befugnis, Importzölle oder Binnenmarkt-Ausgleichsabgaben festzulegen, wurde eingeschränkt[77]. Lediglich bei Exportzöllen (wie den berühmten Soja-Exportsteuern) behält der Staat eine gewisse Kompetenz, diese anzupassen[79]. Dieser Punkt war intern umstritten: Milei wollte ursprünglich alle Exportsteuern sofort abschaffen, musste aber aus Haushaltsgründen vorerst darauf verzichten – die Befugnis blieb, jedoch signalisiert seine Regierung einen Abbauplan. Für Exporteure bringt die Währungsfreigabe (siehe 2.3) aber bereits deutlich bessere Konditionen.
  • Sektorspezifische Deregulierung: Das Dekret enthält zudem Kapitel zur Deregulierung einzelner Sektoren. Beispiele: Die Zellstoff- und Papierindustrie wurde von staatlichen Interventionsrechten entbunden (Aufhebung des Gesetzes 26.736, das Papier als strategisch definierte)[80]. Im Bankensektor wurde das Monopol der Staatsbank Banco de la Nación auf staatliche Einlagen beendet – nun dürfen auch private Banken öffentliche Gelder verwalten[81]. Das Kreditkartengesetz 25.065 wurde in vielen Punkten gelockert oder geändert[82] (u. a. wohl um Wettbewerb bei Gebühren zu fördern). Warenlager-Finanzierung (certificados de depósito und warrants) wurde erleichtert, indem ein altes Gesetz (9.643) dynamisiert wurde[83]. Selbst der ländliche Grundstücksverkehr wurde liberalisiert: Die „Ley de Tierras Rurales“ (Nr. 26.737), die unter Cristina Kirchner 2011 erlassen wurde, um den Ausverkauf von Land an Ausländer durch eine 15 %-Besitzgrenze zu begrenzen, wurde ersatzlos aufgehoben[84][85]. Nun können internationale Investoren unbegrenzt Agrarland erwerben, was bei Indigenen und Bauernverbänden Besorgnis über Landkonzentration weckte[86].
  • Liberalisierung im Luftverkehr: Auch der Luftfahrtsektor erfuhr eine Deregulierung. Das Dekret hob das Gesetz 19.030 aus den 1970ern auf, das die staatliche Linienpolitik und faktische Monopolstellung von Aerolíneas Argentinas festschrieb[87]. Zudem wurden ältere Dekrete revidiert, um Low-Cost-Fluglinien und neuen Anbietern den Marktzugang zu erleichtern[87]. Das Aeronautikgesetz wurde geändert, um die Gründung privater Fluggesellschaften und Flexibilisierung von Routen zu ermöglichen[87]. Aerolíneas Argentinas selbst soll – so Mileis Ankündigung – mittelfristig privatisiert oder an Mitarbeiter übertragen werden[88]. Tatsächlich wurde im Ley de Bases vorgesehen, den Mitarbeitern bis zu 49 % der Anteile der Staatsairline zu übereignen[88], was als erster Schritt einer Privatisierung gelten kann (2025 verkündete die Airline, ab 2025 keine Staatshilfe mehr zu benötigen, wohl um sich auf den Markt vorzubereiten[89]).
  • Mietmarktreform: Eine interessante Deregulierung betrifft das Mietrecht. Das Dekret 70/2023 kippte das Mieterschutzgesetz 27.551 (2020), das dreijährige Mindestmietdauer und jahresweise Indexierung vorschrieb[90]. Nun gilt wieder Vertragsfreiheit gemäß Zivilgesetzbuch, ergänzt um erleichterte Klauseln: Laufzeiten und Währung (Peso oder Dollar) können frei vereinbart werden[91][92]. Dies hatte sofort spürbare Effekte: Die Zahl der angebotenen Mietwohnungen verdoppelte sich auf Online-Portalen, da viele Eigentümer ihre Wohnungen nun wieder vermieten statt leer stehen lassen[93]. Gleichzeitig verteuerten sich bestehende Mieten bei Verlängerung oft sprunghaft (teils Verdreifachung), während Neuvermietungsmieten inflationsbereinigt sogar sanken[94]. Somit erhöhte die Liberalisierung das Angebot, aber Bestandsmieter erlitten teils hohe Nachzahlungen.
  • Gesundheitswesen und andere Bereiche: In der Gesundheitsbranche wurden Beschränkungen gelockert: Apotheken dürfen jetzt flexibler öffnen, ein Apotheker kann mehrere Filialen verantworten, rezeptfreie Medikamente dürfen außerhalb von Apotheken verkauft werden[95]. Die strikte Trennung von Augenoptik und Apotheke wurde aufgehoben[95]. Großhändler (Droguerías) dürfen nun direkt an Endverbraucher Medikamente abgeben[95]. Zudem werden die gewerkschaftlichen Krankenkassen und privaten Krankenversicherungen in einen gemeinsamen Wettbewerbsmarkt überführt – die Aufsichtsbehörde darf keine Leistungspläne mehr vorschreiben[96]. Diese Systemreform im Gesundheitsbereich soll Effizienz steigern, birgt aber soziale Risiken. Schließlich wurde auch das Medien- und Telekommunikationsrecht liberalisiert: Obergrenzen für den Besitz mehrerer TV/Radio-Lizenzen wurden aus dem Mediengesetz 26.522 entfernt[97], und das Telekommunikationsgesetz 27.078 modifiziert, um Satelliten-Kommunikationsdienste zu erleichtern[97]. Sportvereinen wurde erlaubt, sich in Kapitalgesellschaften umzuwandeln (unter Zustimmung von 2/3 der Mitglieder)[98][98] – ein Schritt, der z. B. Fußballclubs die Umwandlung in Fußball-AGs ermöglichen könnte, was bisher tabu war.

Zusammengefasst hat die Milei-Regierung innerhalb kurzer Zeit ein Regelungsgeflecht entwirrt, das über Jahrzehnte zur Steuerung der Wirtschaft errichtet worden war. Rechtstechnisch erfolgte dies teils per Dekret im Eilverfahren, teils sanktioniert durch das Omnibus-Gesetz des Kongresses, das etwa 200 Reformpunkte bestätigte[99]. Einzelne Aspekte (etwa Umwelt) scheiterten vorerst politisch, doch der Großteil der deregulierten Normen ist nun in Kraft. Gerichtliche Anfechtungen laufen in manchen Bereichen (z. B. klagen Provinzen gegen die Zurückhaltung von Bundesmitteln, Gewerkschaften gegen Arbeitsrechtsänderungen), doch bisher ohne die Gesamtreformen zu kippen. Ökonomisch ergibt sich ein gemischtes Bild: Einerseits verbesserten sich Geschäftsklima-Indikatoren – das World Bank Doing Business Ranking dürfte sich durch Bürokratieabbau und Vertragsfreiheit potenziell erhöhen. Investoren loben die neue Offenheit, etwa bei Landkauf und Kapitaltransfers. Andererseits leidet die Bevölkerung kurzfristig unter dem Wegfall von Verbraucherschutz und Subventionen (steigende Lebenshaltungskosten, siehe Abschnitt 4). Die Deregulierungspakete sind somit Teil einer bewusst in Kauf genommenen Schocktherapie: Erst durch radikale Marktöffnung erhofft sich Milei einen nachhaltigeren Aufschwung, selbst wenn dies eine Übergangsrezession und sozialen Druck bedeutet.

2. Makroökonomische Maßnahmen: Fiskalpolitik, Geldpolitik, Privatisierungen und Wechselkurs

Neben der mikroökonomischen Deregulierung verfolgte Präsident Milei eine rigorose Neuorientierung der Makropolitik. Kernziele sind die Sanierung der Staatsfinanzen, die Eindämmung der Inflation durch eine straffe Geld- und Wechselkurspolitik, umfangreiche Privatisierungen sowie eine strategische Anpassung des Währungssystems (bis hin zur möglichen Dollarisierung). Im Folgenden werden diese Politikfelder hinsichtlich Zielsetzungen, juristischer Umsetzung und bisheriger ökonomischer Wirkung beleuchtet.

2.1 Fiskalpolitik: Austerität und Haushaltskonsolidierung

Milei übernahm 2023 ein äußerst angespanntes Budget mit hohem Defizit und wachsender Staatsverschuldung. Sein Credo lautet, der Staat müsse „den Gürtel enger schnallen“ – in Übereinstimmung mit seiner libertären Ideologie, die den Staat als notwendiges Übel auf Kernaufgaben reduzieren will[100]. Entsprechend implementierte er ein striktes Austeritätsprogramm:

  • Ausgabenstopp und Ministeriumsabbau: Direkt nach Amtsantritt reduzierte Milei die Zahl der Ministerien drastisch von 18 auf zunächst 8. Eigenständige Ministerien wie Arbeit, Gesundheit, Bildung, Kultur oder Umwelt wurden abgeschafft oder zusammengelegt (etwa ins Wirtschafts- oder Innenministerium). Diese Reform des Staates wurde auch gesetzlich verankert: Staatsbetriebe mit Bundesbeteiligung müssen sich in normale Aktiengesellschaften umwandeln und verlieren alle öffentlichen Privilegien[98][101]. Kein Staatsunternehmen darf mehr bevorzugte Zuschüsse oder Sonderrechte bei öffentlichen Aufträgen erhalten[101]. Ziel ist, den Staatsapparat zu verkleinern und nach privatwirtschaftlichen Prinzipien zu führen[102].
  • Lohn- und Rentenpolitische Zurückhaltung: Öffentliche Gehälter und Renten wurden nicht mehr vollständig inflationsindexiert, was in Argentinien als klassischer Mechanismus der „Licuación“ (Entwertung durch Inflation) bekannt ist[103]. Konkret stiegen die Staatsbedienstetenlöhne 2024 nominell deutlich langsamer als die Preise, was eine reale Kürzung bedeutet. Ebenso wurden Sozialleistungen und Rentenanpassungen verzögert. Dadurch sank die reale Kaufkraft im öffentlichen Sektor, was Milei als „kalte Progresivität“ verteidigt – der Staat spart, indem die Inflation einen Teil der Ausgaben „wegsieht“. Diese Politik ist rechtlich möglich, solange zumindest die Mindestanpassungen gemäß Gesetz erfolgen; sie wurde aber heftig kritisiert, da sie die Armut erhöht (siehe 4.1).
  • Kürzung von Subventionen und Transfers: Wie oben erwähnt, strich die Regierung milliardenschwere Subventionen für Energie, Verkehr und teils Lebensmittel. Öffentliche Dienste wie Busse, Züge oder Strom, die unter Alberto Fernández teils 90 % vom Staat gestützt waren, mussten massiv teurer werden[104][52]. Ebenso kappte man freiwillige Ausgabenprogramme und städtische Transfers. Der Zentralstaat hielt Bundesmittel zurück, die eigentlich den Provinzen zustanden, und begründete dies mit der Notlage[105]. Einige Oppositionsgouverneure fühlten sich damit bestraft, was verfassungsrechtlich bedenklich ist (Argentinien hat einen Finanzausgleich im Bundesstaat). Dennoch konnte die Regierung dank Notstandsdekret Zahlungen aufschieben – eine Praxis, die rechtlich umstritten bleibt und wohl noch gerichtlich geklärt wird.
  • Infrastruktur-Stopp: Milei stellte nahezu alle öffentlichen Infrastrukturprojekte ein. Im Budget 2024 wurden Straßen-, Wohnungs- und Wasserbauprojekte storniert oder an Private verwiesen[106]. „Es gibt kein Geld“ (O-Ton Milei) wurde sprichwörtlich fürs Einfrieren staatlicher Investitionen[106]. Dies entlastete kurzfristig die Kasse, hat aber langfristig Folgen für die wirtschaftliche Entwicklung (mangelnde Instandhaltung, Abhängigkeit von privaten Investoren, die nicht alle Projekte rentabel finden – dieses Spannungsfeld wird Argentinien noch beschäftigen).

Als Resultat dieser rigorosen Sparpolitik gelang ein markanter Umschwung der öffentlichen Finanzen: Bereits im ersten Halbjahr 2024 erwirtschaftete der Zentralstaat monatsweise Primärüberschüsse – erstmals seit 2008 waren die monatlichen Staatsfinanzen positiv[107]. Laut Finanzministerium wurden von Januar bis Juni 2024 jeden Monat Budgetüberschüsse erzielt[107]. Im Juli 2024 gab es zwar einen kleinen Rückfall in ein Defizit (den die Regierung auf saisonale Mehrausgaben schob)[108], doch insgesamt war die Tendenz klar: Das Primärdefizit (vor Schuldendienst) näherte sich Null. Ein Teil dieser Verbesserung kam durch einmalige Maßnahmen („low hanging fruits“), wie z. B. Sonderdividenden staatlicher Unternehmen oder Vorauszahlungen[109]. Dennoch stellt die Haushaltssanierung einen Erfolg dar, der auch vom Internationalen Währungsfonds anerkannt wurde[110]. Argentina hat damit eine wichtige Voraussetzung erfüllt, um weitere Schuldenrestrukturierungen und Kredite mit dem IWF zu verhandeln[111].

Allerdings zahlte die Bevölkerung einen hohen Preis: Durch gekürzte Sozialprogramme, ausbleibende Lohnerhöhungen und gestrichene Subventionen stiegen Armut und Ungleichheit zunächst deutlich (siehe Abschnitt 4.1). Im September 2024 erreichte die Armutsquote zwischenzeitlich über 50 %[112][113] – mehr als jeder Zweite lebte unterhalb der offiziellen Armutsgrenze. Proteste und Streiks (u. a. ein Generalstreik Ende Januar 2024 seitens der CGT) waren die Folge. Milei hielt aber unbeirrt am Konsolidierungskurs fest. Juristisch bewegte er sich teils in Grauzonen (Stichwort Provinztransfers), insgesamt jedoch innerhalb der durch den Notstand und das Gesetz gedeckten Kompetenzen. 2025 entspannte sich die Lage etwas, da mit sinkender Inflation auch Sozialausgaben real wirksamer wurden und die Regierung begann, zielgerichtete Transferprogramme für Bedürftige zu erwägen[114][115] (ein Paradigmenwechsel hin zu direkter Unterstützung statt Quersubventionierung). In Summe war Mileis Fiskalpolitik die Strengste seit den 1990er Menem-Jahren. Sie verschaffte Argentinien fiskalisch Luft, jedoch um den Preis einer tiefen Rezession (siehe 4.1) und erhöhter sozialer Spannungen.

2.2 Geldpolitik: Kampf gegen die Inflation und geldpolitische Neuausrichtung

Argentiniens chronische Inflation – 2023 mit über 200 % jährlich die höchste der Welt[116] – war Mileis Hauptfeind. Er machte die expansive Geldpolitik früherer Jahre (ständiges Gelddrucken zur Defizitfinanzierung) verantwortlich und versprach, die Zentralbank quasi „auszutrocknen“. Sein Endziel, die Abschaffung des Peso und vollständige Dollarisierung, konnte er bislang nicht umsetzen, doch durch eine strikte geldpolitische Wende gelang eine dramatische Inflationsreduktion.

Zunächst wurde noch im Dezember 2023 der offizielle Wechselkurs schlagartig um fast 100 % abgewertet (von ~350 ARS auf 800 ARS pro USD)[117]. Dieser Einmal-Schock sollte den zuvor künstlich gehaltenen Peso an ein realistischeres Niveau bringen und das massive Handelsbilanzdefizit korrigieren. Unvermeidbar trieb dies die Monatsinflation kurzfristig in die Höhe: Im Dezember 2023 sprang die Monatsinflation auf über 20 %[118] – der höchste Wert seit Jahrzehnten. Doch danach trat Mileis anti-inflationäre Therapie in Kraft:

Abbildung: Monatsinflation in Argentinien 2017–2025 (in % je Monat)
Quellen: INDEC, Reuters

Wie die obige Grafik zeigt, stieg die monatliche Teuerung um den Jahreswechsel 2023/24 kurzfristig auf einen Gipfel (ca. 25 % im Dez 2023), fiel dann aber kontinuierlich. Bereits ab Februar 2024 sank die monatliche Inflationsrate in den einstelligen Bereich, und bis Mai 2025 erreichte sie nur noch 1,5 % – den niedrigsten Monatswert seit 5 Jahren[118][110]. Im Jahresvergleich ging die Inflation ebenso drastisch zurück: Lag die Jahresrate im Herbst 2023 noch bei ~300 % (Spitze im Mai 2024)[119], so betrug sie im Mai 2025 nur noch rund 43,5 %[120]. Analysten erwarten bis Ende 2025 ein weiteres Absinken auf ca. 28 % jährlich[121] – ein Niveau, das Argentinien seit über 15 Jahren nicht mehr gesehen hat. Diese Desinflation gilt als beachtlicher Erfolg der Milei-Regierung[110].

Erreicht wurde sie durch rigorose Geldmengensteuerung und Wechselkurspolitik: Die Zentralbank (BCRA) stellte das monatelange Monetarisieren von Defiziten vollständig ein. Unter Alberto Fernández war die Notenpresse im Dauereinsatz, was die Geldmenge M3 jährlich um ~90 % wachsen ließ[122]. Milei hingegen verbot faktisch die direkte Staatsfinanzierung über die Notenbank. Zudem wurden die Leitzinsen zeitweise astronomisch hoch gehalten (im Frühjahr 2024 >100 %), um den Peso attraktiv zu machen und die Geldumlaufgeschwindigkeit zu bremsen. Der restriktive Kurs – flankiert von Mileis Fiskaldisziplin – überzeugte zusehends auch die Märkte: Erwartungen stabilisierten sich, und der Peso wertete auf dem freien Markt nicht weiter ab.

Die Regierung betonte die monetaristische Sicht, dass Inflation ein monetäres Phänomen sei. Mileis Sprecher feierten daher die Erfolge: „Wenn es einen Haushaltsüberschuss gibt und die Notenpresse langsamer läuft, stürzt die Inflation ab – das sind fundamentale ökonomische Gesetze.“[123][124] Diese Aussage verdeutlicht die Strategie: Fiskalischer Überschuss plus Ende der Geldschöpfung ergab sinkende Preise. Während klassische Ökonomen anfangs Zweifel hatten, zeigen die Daten nun tatsächlich eine starke disinflationäre Tendenz.

Rechtlich war der geldpolitische Kurswechsel unkompliziert, da Argentinien keine wirklich unabhängige Zentralbank hatte. Allerdings setzte Milei im Dezember 2023 den bisherigen Zentralbankpräsidenten ab und ernannte einen Vertrauten (bis August 2024 war es Emilio Ocampo, dann wechselte er auf Luis Caputo als Wirtschaftsminister). Er drohte gar, die Zentralbank gänzlich zu schließen, sofern sie den Kurs nicht halte. Dazu kam es (noch) nicht, aber Milei ließ Studien anfertigen, wie eine Währungsumstellung auf US-Dollar umgesetzt werden könnte. Er bezeichnet dies als „endogene Dollarisierung“: Solange die Inflation fällt, behält der Peso Vertrauen, aber de facto können die Argentinier bereits frei zwischen Peso und Dollar wählen – Fremdwährungskonten sind wieder erlaubt, Geschäftsverträge können in Dollar denominiert werden[70], und es gibt keine steuerlichen Nachteile mehr für Dollargeschäfte. Im Inland herrscht also ein Währungsdualismus, der perspektivisch in eine vollständige Dollar-Nutzung münden könnte, ohne dass ein offizieller „Dollar-D-Day“ verkündet werden muss.

Ein wichtiger Zwischenschritt war die Liberalisierung des Wechselkurses, die im April 2025 erfolgte (siehe 2.3). Dadurch wurde auch die Parallelmarktlücke beseitigt, welche die Inflationsdynamik anheizte. Mit einem praktisch einheitlichen Peso-Kurs sank die Gefahr, dass Importe zu billig (offizieller Kurs) und Exporte zu unattraktiv (zurückgehaltener Ertrag) waren. Somit normalisierte sich die Preisbildung in vielen Segmenten.

Mileis geldpolitischer Kurs ist in der Summe orthodox und vom IWF unterstützt. Internationale Institute lobten die drastische Inflationssenkung als „Meilenstein auf Argentiniens langem Erholungsweg“[125]. Allerdings warnten sie auch, dass die eigentliche Bewährungsprobe erst kommt: Das Vertrauen müsse dauerhaft aufrechterhalten werden – Argentinien dürfe nicht erneut in die Falle fallen, in einer Krise die Notenpresse anzuwerfen[126][127].

Insgesamt erscheint Mileis Geldpolitik – unterstützt durch die Wechselkursreformen – rechtlich unumstritten (im Gegensatz zu anderen Bereichen gab es hier keine juristischen Konflikte, da es im Ermessen der Exekutive liegt) und ökonomisch erfolgreich in Bezug auf die Inflationsbekämpfung. Die Frage der Dollar-Einführung bleibt allerdings offen: Milei hat ein Zeitziel 2026 avisiert[128], aber die Voraussetzungen (ausreichende Dollarreserven zur Deckung der Geldmenge, politische Mehrheiten) sind noch nicht erfüllt. Bis dahin betreibt Argentinien nun faktisch eine stabile Wechselkurs- und Geldpolitik, wie sie seit der convertibilidad-Periode (Peso-Dollar-Parität der 90er) nicht mehr gesehen wurde – diesmal jedoch ohne starres Gesetz, sondern durch Disziplin und Marktvertrauen.

2.3 Wechselkurspolitik und Kapitalverkehr: Aufhebung der Kontrollen

Die Wechselkurspolitik ist in Argentinien traditionell ein Politikum. Unter der Vorgängerregierung galten strikte Kapital- und Devisenkontrollen (Cepo Cambiario), die Privatpersonen z. B. nur den Kauf von 200 USD pro Monat erlaubten, oft mit Steuern belegt. Präsident Milei beendete dieses System radikal. Bereits zum Amtsstart im Dezember 2023 hob er diverse Restriktionen auf; final wurde zum 14. April 2025 fast der gesamte Cepo abgeschafft[129][130]:

  • Freigabe des Devisenmarkts: Seit April 2025 kann der Peso frei gegen Dollar gehandelt werden. Die Regierung ließ den Wechselkurs zunächst frei floaten innerhalb eines Korridors von 1000–1400 ARS/USD[131], was nahe am damaligen Schwarzmarktkurs lag. Dadurch verschwanden die Parallelkurse praktisch; die Differenz zwischen offiziellem und inoffiziellem Dollar schrumpfte auf unter 7 %[132]. Dies war ein großer Vertrauensbeweis – die Märkte hatten viel stärkere Abwertung erwartet, doch der Peso stabilisierte sich bei ~1.230 pro USD im April 2025[132].
  • Wegfall der Kaufbeschränkungen: Bürger dürfen nun uneingeschränkt Devisen kaufen, zumindest per Bankkonto. Milei hob das 200-USD-Limit pro Monat auf und strich die 30 %-Steuer („Impuesto PAIS“) auf Dollar-Käufe[133][130]. Er beseitigte auch andere Hürden, sodass Argentiner erstmals seit 2019 wieder frei Dollars erwerben und halten können[133][130]. Lediglich bei Barabhebungen von Dollar gibt es noch technische Obergrenzen (um Bankruns zu vermeiden, sind Bar-Wechsel über 100 USD monatlich restriktiert, größere Summen erfordern Voranmeldung)[134]. Viele nutzten sofort die Gelegenheit: Am ersten Tag nach Freigabe loggten sich tausende Argentinier in ihr Online-Banking ein, um Pesos in Dollar umzuschichten[135].
  • Freier Unternehmenskapitalverkehr: Für Unternehmen wurden die Dividenden- und Gewinntransfers ebenfalls liberalisiert. Ausländische Firmen dürfen seit 2025 wieder Gewinne abziehen (vorher waren sie teils „in Pesos gefangen“). Allerdings gilt dies nur prospektiv: Angefallene Gewinne aus den Vorjahren, die mangels Devisenbewilligung in Peso feststeckten, bleiben eingefroren[136]. Dennoch werteten Investoren den Schritt als positives Signal – die größte Investitionsbarriere, nämlich das Risiko, Gelder nicht repatriieren zu können, wurde abgeschafft[137].
  • Wegfall sonstiger Kapitalrestriktionen: Weitere Maßnahmen umfassen die Erlaubnis für Vorauszahlungen im Außenhandel, um Importe zu beschleunigen[76]. Sicherheitsleistungen können nun in Dollar hinterlegt werden. Die Regierung verpflichtete auch die Zoll- und Finanzbeamten, den Import-/Exportbetrieb nicht willkürlich lahmzulegen – Kontrollen nur noch bei begründetem Verdacht, aber kein „Bürokratie-Sperrstand“ mehr[73][138]. Dies zielt auf eine Änderung der Amtsmentalität, die oft Exporte verzögerte.

Die Legitimität dieser Schritte war hoch, denn die Kapitalverkehrskontrollen waren keine gesetzlichen Parlamentsakte, sondern exekutive Anordnungen. Die Aufhebung per Dekret war daher rechtlich unkompliziert. Allerdings musste Milei eine zentrale Herausforderung meistern, um das Ende des Cepo zu ermöglichen: Währungsreserven beschaffen, damit die Zentralbank einen Ansturm auf den Dollar bedienen kann, ohne sofort bankrottzugehen. Hierfür wandte sich Argentinien an internationale Partner. Trotz der Skepsis des IWF (Argentinien ist mit ~US$ 44 Mrd. größter Schuldner) konnte Milei neue Finanzlinien aushandeln: Der IWF stimmte nach zähen Verhandlungen einem zusätzlichen Kredit von $12 Mrd. zu[139]. Weitere Milliarden kamen von Weltbank & Co. sowie – brisant – eine Swap-Linie mit China über $5 Mrd.[140]. Ironischerweise half damit ausgerechnet das oft kritisierte China mit, die Dollarreserve zu stützen. Mit diesem Polster wagte die Regierung den großen Schritt, ohne sofortige Abwertungskrise. Tatsächlich verlief die Freigabe des Peso glatter als befürchtet: Panikkäufe blieben aus, da der parallel gehandelte Blue-Dollar ohnehin schon eingepreist war. Vielmehr belebte die Freiheit den Export: Farmer, die Getreide zurückgehalten hatten, verkauften prompt, da sie nun den vollen Dollarwert bekamen[141]. Milei ermunterte sie aktiv: „Sagt den Farmern, wenn sie verkaufen müssen, dann jetzt – es gibt keinen Grund mehr zu warten.“[142]

Auswirkungen auf den Alltag sind differenziert: Dollarbesessene Argentinier (der Homo dolarensis, wie man scherzt) begrüßten den Wegfall des Cepo als Befreiung[143]. Viele tauschten ihre Ersparnisse sofort in Dollar um (teils nur, um diese auf dem informellen Markt mit geringem Gewinn weiterzuverkaufen, da der Spread noch minimal positiv war)[144]. Andererseits half die Freigabe vielen Importeuren und Unternehmen: Materialnachschub und Maschinenteile können nun ohne wochenlange Devisenbürokratie beschafft werden. Die Exporteure profitieren von dem realistischeren Wechselkurs; ihre Peso-Einnahmen steigen, was dem landwirtschaftlichen Sektor dringend Liquidität verschafft hat[141]. Ein segment der Bevölkerung – die ganz armen ohne Bankkonto – spürt allerdings wenig vom „neuen Peso“[145]. Wer ohnehin kaum Ersparnisse hat, dem nützt die theoretische Freiheit wenig. Und der schnelle Erfolg birgt ein Risiko: Das Erfolgsmodell Milei hängt nun stark vom Vertrauen der Investoren ab[127]. Solange die Stimmung gut ist, fließt Kapital und der Peso hält. Sollte jedoch Zweifel aufkommen (etwa durch politische Instabilität oder neue externe Schocks), könnte der Abzug freier Gelder auch rasch gehen. Diese Volatilität bleibt eine Herausforderung. Dennoch bezeichneten Experten die Aufhebung der Kontrollen als „historischen Meilenstein“, der Argentinien nach Jahren wieder in die Nähe der Kapitalmärkte der Welt bringt[146]. Der US-Finanzminister (April 2025 zu Besuch in Buenos Aires) lobte den Schritt ausdrücklich und verglich Mileis Kurs mit dem der MAGA-Bewegung in den USA – beide teilten den Glauben an „Freiheit und fiskalische Verantwortung“ als Weg zu Wohlstand[147].

Zusammenfassend hat Milei auch im Bereich Kapitalverkehr und Währung ein radikales, aber konsequentes Programm umgesetzt: Freigabe des Wechselkurses und Reintegration in den globalen Finanzkreislauf. Juristisch war dies problemlos, ökonomisch gelang es dank flankierender Maßnahmen (IWF-Kredite, harte Geldpolitik). Die ersten Resultate – stabile Reserven, Abbau der Dollarlücke, wieder anziehender Export – sind positiv. Ob der Peso letztlich im Dollar aufgeht oder nicht, bleibt abzuwarten; doch schon jetzt verwendet ein Großteil der Argentinier zumindest informell den Dollar als Wertmaßstab. Die Regierung spricht von einer „Währungskonkurrenz“, in der sich der bessere (stabilere) Wert durchsetzen werde[148]. Bis 2025 hat der Peso durch Mileis Politik an Stabilität gewonnen – ironischerweise könnte dies die Dringlichkeit einer sofortigen Dollar-Einführung vermindern.

2.4 Privatisierungswelle: Rückzug des Staates aus der Wirtschaft

Ein weiterer makroökonomischer Eckpfeiler ist Mileis Privatisierungsagenda. Der Präsident verkündete bei Amtsantritt symbolträchtig, er werde mit der „Kettensäge“ durch den Staatssektor gehen – ein Bild für drastische Kürzungen und Verkäufe. Tatsächlich wurde im Ley de Bases die Privatisierung mehrerer Staatsunternehmen gesetzlich ermöglicht[149][150]. Konkret autorisierte das Gesetz die vollständige oder partielle Veräußerung von acht Unternehmen in Bundeshand:

  • Energía Argentina S.A. (ENARSA) – Öl- und Gasförderung, Stromerzeugung und Großprojekte (z. B. Gas-Pipelines, Wasserkraft)[151].
  • Agua y Saneamientos Argentinos S.A. (AySA) – Wasserversorgung und Abwasserentsorgung für die Hauptstadtregion (Buenos Aires und Umland)[152].
  • Belgrano Cargas y Logística S.A. und SOFSE – die staatlichen Güterbahn- bzw. Personenbahn-Betriebsgesellschaften[153].
  • Corredores Viales S.A. – Betreiber der mautpflichtigen Nationalstraßen und Autobahnen[153].
  • Intercargo S.A.U. – Bodenabfertigungsdienstleister in den großen Flughäfen[154].
  • Yacimiento Carbonífero Río Turbio (YCRT) – Betreiber der Kohlemine und des Kraftwerks Río Turbio[155].
  • Nucleoeléctrica Argentina S.A. – Betreiber der drei Kernkraftwerke des Landes[156].

Ursprünglich wollte Milei noch Aerolíneas Argentinas (Fluglinie), den Correo Argentino (Post) und RTA (öffentliches Radio/TV) mitverkaufen[157]. Diese Unternehmen wurden jedoch auf Druck des Senats aus der ersten Privatisierungsrunde herausgenommen[157]. Es gilt als wahrscheinlich, dass Milei auch diese in Zukunft zum Verkauf stellt, sobald politisch machbar[158]. So verordnete er der defizitären Fluggesellschaft strikte Sparauflagen, woraufhin Aerolíneas verkündete, für 2025 keine staatlichen Zuschüsse mehr zu benötigen[89] – ein Schritt, um auf eigenes finanzielles Bein zu kommen und privatisierungsfähig zu werden.

Die praktischen Privatisierungsprozesse begannen 2024/2025:

  • Im März 2025 startete die Privatisierung von Intercargo offiziell per Dekret 198/2025[159]. Geplant ist der Verkauf von 100 % der Anteile dieser Flughafendienstleistungsfirma über ein öffentliches Ausschreibungsverfahren[160].
  • AySA (Wasser/Abwasser) ist eines der größten Vorhaben. Im Juli 2025 gab die Regierung den Aufruf zur Privatisierung von 90 % der AySA-Anteile bekannt[161][162]. 10 % sollen die Mitarbeiter in Form einer Belegschaftsbeteiligung erhalten[163]. Die Privatisierung soll mittels internationaler Ausschreibung und parallelem Börsengang erfolgen, um breite Kapitalstreuung zu erreichen[162]. AySA beschäftigt über 6.200 Mitarbeiter und war seit der Wiederverstaatlichung 2006 ein Zuschussbetrieb (13,4 Mrd. US$ Staatszuschüsse bis 2023)[164]. 2024 schrieb AySA dank Tariferhöhungen erstmals seit 17 Jahren einen operativen Überschuss[165] – ein gezieltes Manöver, um die Bilanz vor Verkauf zu verbessern.
  • Corredores Viales (Straßenbetrieb) befindet sich ebenso im Ausschreibungsstadium 2025[166]. Hier sollen Konzessionäre Strecken übernehmen; eine vollständige Aktienprivatisierung ist ebenfalls denkbar.
  • ENARSA: Geplant ist, Teilbereiche oder Projekte an private Investoren zu veräußern, ggf. über die Börse. Besonders die Beteiligungen an Pipelines und neue Gasfelder könnten verkauft werden. Für YCRT (Kohlemine) und Nucleoeléctrica (Kernkraft) werden noch Modelle geprüft – hier sind hohe Investitionen nötig, die Private nur mit langfristigen Garantien tätigen würden.

Rechtlich sind die Privatisierungen im Ley de Bases als Kann-Bestimmung angelegt[149]. Das Parlament hat der Exekutive Vollmacht gegeben, diese Unternehmen ganz oder teilweise zu verkaufen, ohne dass für jeden Fall ein neues Gesetz notwendig wäre. Allerdings müssen die Verfahren rechtskonform ablaufen, d. h. transparente Ausschreibungen, Bewertungsgutachten und Einhaltung von Arbeitnehmerrechten (z. B. Überführung der Belegschaft). Die Regierung hat dazu ein digitales Auktionsportal (CONTRAT.AR) eingerichtet[167][168], um Effizienz und Nachvollziehbarkeit sicherzustellen.

Wirtschaftlich verspricht sich der Staat mehrere Effekte: Erstens Entlastung des Budgets, da defizitäre Betriebe wie AySA oder die Bahngesellschaften nicht mehr jährlich Milliarden verschlingen. Zweitens Einnahmen aus den Verkäufen zur Schuldentilgung oder Reserveaufstockung. Drittens hofft man, dass private Betreiber investieren und modernisieren, was der maroden Infrastruktur zugutekäme (z. B. Investitionen in Wasserleitungen, Kraftwerksrenovierung, Bahnmaterial). Kritiker warnen jedoch vor möglichen Tariferhöhungen und Arbeitsplatzverlusten: Ein Privatinvestor wird unrentable Dienste einstellen oder Preise kostendeckend anheben müssen. Beispielsweise könnten in entlegenen Orten Bahn- oder Postdienste ganz wegfallen, wenn sie sich nicht rechnen. Auch die Gewerkschaften sind alarmiert – insbesondere im strategischen Energiesektor und Transport. Bislang gab es punktuelle Proteste (z. B. blockierten im August 2024 Kohlegewerkschafter die Zufahrt zur Mine Río Turbio in Angst vor Schließung), doch umfassende Streikwellen wie in den 90ern blieben aus. Möglich ist aber, dass bei konkreten Verkaufsabschlüssen Arbeitskämpfe aufflammen.

Ein interessanter Aspekt ist die Kombination mit Mileis Investitionsförderpolitik: Für Käufer großer Infrastrukturunternehmen bietet das zeitgleich geschaffene RIGI-Förderregime Steuererleichterungen und 30 Jahre Investitionsschutz[169][170]. Beispielsweise könnte ein Investor von AySA auf stabile Bedingungen vertrauen und steuerliche Vorteile nutzen, wenn er bestimmte Investitionssummen erfüllt[171][172]. Diese Verzahnung von Privatisierung und Investitionsanreiz soll die Attraktivität für ausländische Konzerne erhöhen.

In der historischen Einordnung knüpft Mileis Kurs an die 1990er (Menem/Cavallo) an, als Argentinien schon einmal fast alle Staatsfirmen privatisierte. Viele dieser Privatisierungen gelten im Nachhinein als ineffizient oder korrupt abgewickelt, was in der Bevölkerung bis heute Skepsis nährt. Doch Milei argumentiert, die damaligen Fehler (Monopolbildungen, fehlende Regulierungen) nicht zu wiederholen. So will er etwa im Wassersektor trotz Privatisierung die Regulierungsbehörde stärken, um Wasserqualität und Preisschutz für Grundbedürfnisse zu gewährleisten – ob das gelingt, bleibt abzuwarten.

Alles in allem ist die Staatsquote unter Milei bereits massiv gesunken: Zahlreiche staatliche Aktivitäten wurden zurückgefahren oder dem Markt überlassen. Die Privatisierungen werden diesen Trend fortsetzen und Argentinien zu einem der liberalsten Wirtschaftssysteme der Region machen, sollte das Programm vollständig umgesetzt werden. Kurzfristig sind keine nennenswerten positiven Konjunktureffekte erkennbar (Verkäufe allein schaffen noch keine Produktion), aber mittelfristig könnte effizientere Privatführung die Produktivität steigern. Gleichzeitig muss der Staat einen sozialen Auffang organisieren für diejenigen, die unter höheren Tarifen oder wegrationalisierten Jobs leiden. Mileis bisherige Haltung war hier laissez-faire („jedem das Seine“), doch innerparteilich wächst der Druck, zumindest minimal sozialpolitisch flankierend tätig zu werden, um extreme Härten abzufedern[114].

3. Vergleich mit früheren Regierungen (Macri, Kirchner, Fernández)

Um Mileis wirtschaftspolitische Linie einzuordnen, lohnt ein Vergleich mit den vorherigen Regierungen Argentiniens, insbesondere Mauricio Macri (2015–2019) sowie den peronistischen Mandataren Cristina Fernández de Kirchner (2007–2015) und Alberto Fernández (2019–2023). Dabei stehen der Charakter der Wirtschaftspolitik (marktliberal vs. staatsinterventionistisch) und die rechtliche Herangehensweise (Gesetzgebung vs. Dekrete, institutionelle Änderungen) im Mittelpunkt.

3.1 Peronistische Vorgänger (Kirchnerismus 2003–2015 und Alberto Fernández 2019–2023)

Die Ära Kirchner/Fernández war geprägt von stark interventionistischer Wirtschaftspolitik. Unter Cristina Fernández de Kirchner (CFK) und später Alberto Fernández verfolgte die Regierung einen neo-Peronistischen Kurs, der auf Umverteilung, staatliche Kontrolle und Protektionismus setzte. Wichtige Merkmale im Gegensatz zu Milei:

  • Staatliche Marktsteuerung: CFK führte zahlreiche Preiskontrollen ein (z. B. das Programm „Precios Cuidados“ mit festgelegten Preisen für Grundnahrungsmittel). Sie nutzte das alte Ley de Abastecimiento, um Unternehmen bei Preiserhöhungen unter Druck zu setzen, und richtete Stellen wie das Preisobservatorium ein – alles Instrumente, die Milei später abgeschafft hat[56][59]. Mileis Philosophie ist entgegengesetzt: Er sieht freie Preisbildung als heilig und hat genau diese Regulierungen beendet.
  • Kapital- und Handelskontrollen: CFK reagierte auf Kapitalflucht 2011 mit dem berüchtigten „Cepo“ – strengen Devisenkontrollen (Maximalbeträge, Genehmigungserfordernisse etc.). Alberto Fernández verschärfte dies 2019 erneut nach Macris Krise. Unter Kirchnerismus galt zudem ein hoher Schutz von Inlandsindustrien: Importrestriktionen, Vorzugsregelungen (Compre Argentino, später von Milei aufgehoben[60]) und Exportzölle (besonders auf Agrarprodukte) waren Pfeiler der Politik. Im direkten Gegensatz hat Milei nahezu alle diese Handelshemmnisse beseitigt, um Argentinien außenwirtschaftlich zu öffnen[78].
  • Subventionen und Tarife: Peronistische Regierungen subventionierten breit Energie, Verkehr und Grundbedarf, um soziale Ziele zu erreichen. CFK frierte z. B. ab 2003 die Energiepreise ein, was zwar Inflation kaschierte, aber zu Versorgungsengpässen und riesigen Staatsausgaben führte. Alberto Fernández hielt dieses System aufrecht – 2023 kosteten z. B. Busfahrten in Buenos Aires nur ein paar Cent[173] dank hoher Zuschüsse. Milei drehte das radikal um, indem er Subventionen fast vollständig strich, was Tarife verzehnfachte[174][175]. Sozialpolitisch bewerteten Kirchner und Fernández niedrige Tarife als Schutz der Armen; Milei dagegen sieht darin Fehlanreize und setzt auf direkte Hilfen statt Quersubvention (auch wenn diese direkten Hilfen erst in Ansätzen existieren).
  • Staatssektor und Eigentum: Kirchnerismus war gekennzeichnet durch Ausbau des Staatssektors. CFK verstaatlichte bedeutende Unternehmen: die Fluglinie Aerolíneas Argentinas (2008), den Pensionsfonds (2008) und die Ölgesellschaft YPF (2012). Alberto Fernández gründete neue Ministerien (z. B. für Gleichstellung) und erhöhte Staatsbedienstete. Milei kehrt dies um: Er privatisiert (siehe 2.4) gerade viele dieser Unternehmen wieder – YPF ist zwar noch nicht auf der Liste, aber er hat klar gemacht, dass Privatbesitz für ihn effizienter ist. Er hat Ministerien abgeschafft und Stellen eingefroren.
  • Geld- und Fiskalpolitik: Peronistische Regierungen neigten zu defizitärer Finanzierung via Notenpresse. Unter CFK wurde die Zentralbank auch per Gesetz entmachtet und gezwungen, Profite an den Staat auszuschütten. Alberto Fernández schloss 2020 einen neuen Kreditvertrag mit dem IWF, versuchte jedoch die Sparauflagen zu umgehen, was in Hyperinflation endete[116]. Mileis Ansatz ist diametral: strikte IWF-Konformität, Haushaltsüberschüsse, keine monetäre Finanzierung. Während CFK/Fernández Inflation eher mit Preiskontrollen zu bekämpfen suchten (und offizielle Statistik schönten), bekämpft Milei sie an der Wurzel durch Geldmengenstopp – mit Erfolg (Inflation <50 % statt >200 %[120][116]).
  • Rechtliche Methoden: CFK regierte mit parlamentarischer Mehrheit, scheute aber nicht vor Notverordnungen (DNU) zurück, wenn es opportun war. Ihre Gesetze (z. B. zur Medienregulierung, Renten) wurden meist im Kongress durchgewunken. Alberto Fernández hatte eine fragile Mehrheit und regierte ab 2020 viel per Dekret (gerade in der Pandemie). Beide nutzten den „Emergencia Económica“ – ein ökonomischer Notstand, der ihnen bestimmte Dekretbefugnisse gab (ähnlich, aber weitaus geringer als Mileis Notstandsgesetze). Milei hingegen startete ohne eigene Mehrheit im Parlament und setzte massiv auf das DNU-Instrument (300 Punkte Dekret 70/23)[1], musste aber politisch Kompromisse eingehen, um das Ley de Bases durchzukriegen[99]. Interessant ist: Während Kirchner per Dekret eher Markteingriffe anordnete (z. B. Devisenzwangsabgaben), nutzt Milei Dekrete, um Marktbefreiungen zu erlassen. Die Rollen von Exekutive und Legislative haben sich also umgekehrt: Der Kongress (traditionell peronistisch dominiert) fungierte 2024 eher als Bremser von Mileis Ultra-Liberalismus (er strich z. B. die extremen Umweltlockerungen aus dem Gesetz[34]), während er bei Kirchner das antizyklische Korrektiv marktwirtschaftlicher Gegenkräfte war.

Zusammengefasst steht Milei als Antithese zum Kirchnerismus: Marktradikal vs. Etatismus, Sparen vs. Ausgeben, Offenheit vs. Protektionismus. Dies spiegelt sich auch im internationalen Verhältnis wider: Kirchner und Alberto pflegten Nähe zu ideologisch verwandten Regierungen (Venezuela, Kuba) und Skepsis gegenüber den USA/IWF. Milei hingegen sucht Schulterschluss mit liberalen Demokratien (USA, Israel) und bricht mit linksautoritären Regimes (er erkannte z. B. Guaidó als Venezuelas Präsident an und kritisierte Lula in Brasilien offen). Dazu unten mehr.

3.2 Mauricio Macri (2015–2019) vs. Javier Milei

Mauricio Macri, Präsident 2015–2019, vertrat als Mitte-rechts-Politiker ebenfalls eine marktfreundliche Agenda, jedoch wesentlich pragmatischer und gemäßigter als Milei. Im Vergleich lassen sich folgende Punkte herausarbeiten:

  • Gradualismus vs. Schocktherapie: Macri setzte auf einen graduellen Reformkurs. Er hob Ende 2015 zwar sofort die Kapitalcontrols auf und vereinheitlichte den Wechselkurs (der Peso wertete damals ab, aber moderater)[176]. Doch in anderen Bereichen ging er vorsichtig vor: Subventionen wurden langsam reduziert (was die Inflation trotz tariflicher Anpassungen hoch hielt), Arbeitsrechtsreformen wurden nur zögerlich angegangen (Macri scheiterte 2017 mit einem großen Reformpaket am Widerstand der Gewerkschaften und beließ es bei kleineren Änderungen). Milei dagegen fuhr eine Schock-Strategie: massive Abwertung sofort, abruptes Streichen der Subventionen, radikale Gesetzesänderungen in kurzer Zeit. Ökonomisch hoffte Macri, Vertrauen der Märkte durch Berechenbarkeit zu gewinnen, Milei setzt auf einen raschen Neustart-Effekt durch Tabula Rasa.
  • Umgang mit Inflation: Macri versuchte die Inflation über einen längeren Zeitraum von ~25 % (2015) auf niedrigere Werte zu drücken. 2017 war er bei ~24 % Jahresinflation, aber 2018/19 schlug die Währungskrise zu und die Inflation kletterte auf >50 %[177]. Macri führte eine formelle Inflationszielpolitik ein, konnte sie aber aufgrund fiskalischer und externer Schocks nicht halten. Milei hingegen ignorierte anfänglich jegliche Zielzahlen und fokussierte rein auf monetäre Schrumpfkur – mit Erfolg (2025 <50 % und fallend[178]). Anders als Macri, der 2018 schließlich Kapitalkontrollen wieder einführte (ironischerweise machte er seinen eigenen liberalen Schritt rückgängig, um den Peso-Verfall aufzuhalten[176]), hat Milei konsequent liberalisiert und diese Linie gehalten. Es bleibt abzuwarten, ob Milei nicht irgendwann – wie Macri – Stabilitätskriterien dem Realismus opfern muss. Bisher jedoch ist Milei in der Inflationsbekämpfung wirkungsvoller als Macri, dank rigoroserem Sparen und wohl auch größerem politischem Willen, Schmerzen in Kauf zu nehmen.
  • Schulden und IWF: Macri nahm 2018 den damals größten IWF-Kredit (~$44 Mrd.) auf, um die Währungskrise zu stoppen. Er kombinierte ihn mit einem – letztlich zu milden – Sparprogramm. Die Überschuldung führte zur Zahlungsunfähigkeit 2020. Milei hingegen kam in eine Situation, wo ein IWF-Programm bereits lief (2022 von Alberto verlängert) und die Beziehung angespannt war. Er erreichte aber neue Kredite (weitere $20 Mrd. vom IWF und anderen[110]), indem er die IWF-Forderungen sogar übererfüllte (Stichwort Primärüberschuss). Im Gegensatz zu Macri, der nach IWF-Geld griff, um eine Krise zu managen, nutzte Milei IWF-Geld als Rückenwind für Reformen (z. B. um den Cepo-Ende zu decken). Macri musste 2019 Kapitalverkehrskontrollen re-etablieren, um Kapitalflucht vor den Wahlen zu verhindern; Milei tat das Gegenteil. Man könnte sagen, Milei verfolgt konsequent das, was Macri ursprünglich beabsichtigte, aber nicht durchhalten konnte – nämlich die Rückkehr zum freien Markt ohne Abstriche.
  • Reformen und Gesetze: Macri verfügte in seinen ersten zwei Jahren über eine parlamentarische Mehrheit bzw. Koalitionsmehrheit in der Abgeordnetenkammer. Er brachte wichtige Gesetze im normalen Weg ein (z. B. eine Steuerreform 2017 mit Senkung der Unternehmenssteuer, eine Reform des Pensionsanpassungsformel 2017). Er nutzte Dekrete zurückhaltender als Milei – allerdings tat auch Macri einiges per Dekret, etwa setzte er 2017 per DNU ein „Produktivitätsgesetz“ mit Bürokratieabbau in Kraft, als das Parlament blockierte. Milei hingegen musste von Beginn an um Mehrheiten werben; er gewann schließlich Teile der konservativen Opposition (Juntos por el Cambio, Macris Partei) für sein Ley de Bases im Juli 2024[99]. Wo Macri schrittweise per Gesetz modernisierte, ging Milei holistisch per Gesetzespaket und Dekret vor. Auch qualitativ: Macri beließ z. B. Arbeitsrecht und Gewerkschaften weitgehend unberührt (er scheute die Konfrontation mit der CGT nach Widerstand 2017), Milei hat sie frontal angegriffen (Abschaffung von Strafen, etc., siehe 1.1). Juristisch hatte Macri weniger Konflikte mit Gerichten, da er moderater vorging; Milei steht wegen seiner radikalen Dekrete häufiger vor dem Kadi (Arbeitsgericht, Klagen gegen Notstand).
  • Ausmaß der Staatsrolle: Macri war kein Dogmatiker – er beließ einige Staatsunternehmen in öffentlicher Hand (kein Versuch, Aerolíneas oder YPF zu privatisieren; er rationalisierte diese aber). Er hielt Sozialprogramme wie die Kindergeldzahlung (AUH) aufrecht und lancierte teils neue (z. B. Plan Empalme zur Integration von Plan-Empfängern in Arbeit). Milei hingegen hat ideologisch weitaus weniger Berührungsängste, den Staat radikal zurückzudrängen. Er will „keinen Stein auf dem anderen lassen“. So gingen Macris Einschnitte bei Subventionen z. B. behutsamer vonstatten – er erhöhte Tarife schrittweise, Milei quasi schockartig. Macri kooperierte mit Gewerkschaften, Milei konfrontiert sie (er nennt sie „Mafia“).
  • Ergebnisse: Unter Macri war die erste Hälfte geprägt von Aufbruchsstimmung, sinkender Inflation (2015: ~26 %, 2017: ~24 %) und leichtem Wachstum, doch strukturelle Probleme (hoher Finanzbedarf) führten ab 2018 in eine Rezession und Inflationssprung (>50 % 2019)[177]. Armut stieg in der Folge auf ~35 %. Alberto Fernández übernahm 2020 in Rezession und mit 54 % Inflation. Bei Milei verlief es umgekehrt: Er übernahm mit 211 % Inflation und Rezession[116][179], nun sinkt Inflation rapide (43 % Mitte 2025)[178], aber die Rezession vertiefte sich 2024 (-4 % BIP)[180] und Armut stieg zunächst auf über 50 %[112], bevor sie Ende 2024 wieder auf ~38 % sank[181] – in etwa Macris Endwert. Langfristig bleibt zu sehen, ob Mileis radikalerer Ansatz Argentinien auf einen nachhaltigeren Wachstumspfad führt als Macris moderater Weg, der letztlich in Finanznot mündete.

Fazit im Vergleich: Macri und Milei teilen die Vision eines marktwirtschaftlichen Argentiniens, unterscheiden sich aber in Tempo und Härte der Umsetzung. Macri versuchte den “Weg der Mitte” – er beschrieb seine Strategie als „gradualismo“ –, was in der Polarisierung Argentiniens und angesichts eines externen Schocks (Dürre, Kapitalabfluss) scheiterte. Milei verfolgt eine “Shock-and-Awe”-Strategie mit dem Kalkül, dass schnelle Ergebnisse (Inflationsfall, IWF-Zufriedenheit) genug Momentum erzeugen, um die unvermeidlichen sozialen Kosten politisch zu überstehen. Dabei scheint Milei auch aus Macris Fehlern gelernt zu haben: Er hat nicht gezögert (dort wo Macri zauderte, wie bei der Beseitigung des Cepo), und er hat von Anfang an klargemacht, dass es keinen Plan B gibt (während Macri bis zuletzt versuchte, es allen etwas recht zu machen). Ironischerweise profitieren Mileis Reformen teilweise davon, dass Macri bereits Vorarbeit geleistet hatte – z. B. war die Weltoffenheit und der Mercosur-EU-Deal (verhandelt 2019) dank Macri schon vorbereitet. Dennoch ist Milei in Summe deutlich radikaler marktliberal als selbst Macri, und stellt damit einen Bruch mit dem interventionistischen Konsens dar, der Argentinien (mit Ausnahme Macris Episode) seit 2003 prägte.

Im folgenden Tabellenvergleich sind die unterschiedlichen wirtschaftspolitischen Profile der genannten Regierungen übersichtlich zusammengefasst:

Regierung (Amtszeit)

Wirtschaftspolitische Ausrichtung

Typische Maßnahmen und Rechtsansatz

Wirtschaftliche Ergebnisse (Inflation, Wachstum, etc.)

Cristina F. de Kirchner (2007–2015)

Staatsinterventionistisch, populär-sozial

Preiskontrollen (Precios Cuidados), Erhöhung von Exportzöllen, Importrestriktionen, Ausweitung Sozialprogramme, Verstaatlichungen (z. B. YPF 2012)[62]. Steuerung der Wirtschaft über Dekrete und Kongressmehrheit. Statistik-Manipulation (Inflation heruntergerechnet).

Anfangs hohes Wachstum (Rohstoffboom), ab 2012 Stagnation. Offizielle Inflation ca. 25 %, inoffiziell höher. Kapitalflucht führte 2011 zum Cepo. Armut sank zunächst (Sozialprogramme), stieg gegen Ende wieder (>30 %).

Mauricio Macri (2015–2019)

Marktliberal, aber graduell (sozial-verträglich)

Aufhebung der Kapitalcontrols 2015[176], Abbau von Exportsteuern, moderate Kürzung von Energiesubventionen, Flexibilisierung Arbeitszeitgesetze (begrenzte Reformen), IWF-Abkommen 2018 bei Währungskrise. Regierte teils mit Gesetzen (Steuerreform 2017), teils Dekrete (bei Blockaden). Zögerte vor harten Schnitten im Arbeitsrecht oder Staatssektor.

2017 kurze Erholung (BIP +2.7 %), Inflation sank zunächst auf ~25 %, dann Finanzkrise 2018: Peso-Absturz, Inflation 2019 ~54 %[177]. Überschuldung, IWF-Kredit $44 Mrd. Armut stieg auf ~35 %. Musste 2019 Kapitalkontrollen wieder einführen[176].

Alberto Fernández (2019–2023)

Neo-Peronistisch, interventionistisch

Wiedereinführung strikter Devisenkontrollen (2019), Schuldenrestrukturierung 2020 (Auslandsschuldenerlass), massive Geldschöpfung zur Finanzierung von Pandemahilfen, Ausbau staatlicher Beschäftigung, „Superministerium Wirtschaft“ unter Massa versuchte Preiskontrollen (Preisabkommen) und multiple Wechselkurse (Soja-Dollar, Touristen-Dollar). Notstandsgesetz 2020 ermächtigte präsidiale Dekrete.

Anfangs Stabilisierung (2020 Default abgewendet), aber ab 2022 galoppierende Inflation trotz Preisstopps. 2023 Inflationsrate >210 %[116] – Hyperinflationstendenz. Währungsreserven nahe Null, Peso im freien Fall (Parallelkurs). Armut Ende 2023 ~45 %[179]. Wirtschaft 2023 in Rezession (-1.6 % BIP)[179].

Javier Milei (seit Dez 2023)

Radikal marktwirtschaftlich (libertär)

Schockreformen via Dekret und Ley de Bases: umfassende Deregulierung (Abbau von Arbeits-, Umwelt-, Handelsauflagen)[182][59], drastische Ausgabenkürzungen (Ministerienabbau, „kalte“ Lohnkürzungen)[103], schnelle Wechselkursfreigabe (2024/25)[130], De-facto-Dollarisierung (freie Währungswahl)[70], großes Privatisierungsprogramm[149]. Stützte sich zunächst auf Dekrete, holte dann parlamentarische Legitimation (Ley de Bases Juli 2024)[99]. Konflikte mit Gewerkschaften/Gerichten einkalkuliert.

Nach anfänglichem Inflationsexzess (Dez 2023: +25 %/Monat) rascher Preisabfall: Mai 2025 nur +1,5 %[118]. Jahresinflation runter auf ~43 %[120] (Tendenz weiter fallend). 2024 schwere Rezession (-~4 %), Arbeitslosigkeit leicht rauf (~8 %)[23]. Armut erst auf 53 % hochgeschossen, bis Ende 2024 auf 38 % gesunken (niedrigster Wert seit 2022)[112]. Auslandskredite erneuert, Peso stabilisiert. Mittelfristig höhere Investitionsbereitschaft (Country Risk fiel deutlich)[183], aber soziale Ungleichheit kurzfristig verstärkt.

(Quellen: eigene Darstellung basierend auf[176][116][110][112])

Diese Gegenüberstellung verdeutlicht, dass Mileis Politik nicht isoliert betrachtet werden kann: Sie ist einerseits eine Reaktion auf das Scheitern der Vorgänger (Hyperinflation, Überschuldung), andererseits ein Rückgriff auf marktradikale Konzepte, wie sie in Argentinien zuletzt in den 1990ern (Menem/Cavallo) angewandt wurden. Milei selbst verweist auf historische Vorbilder wie Carlos Menem (der in den 90ern erfolgreich stabilisierte, aber am starren Währungsschema scheiterte)[184], und internationale Beispiele wie Polen 1990 (Balcerowicz-Plan) oder Brasilien 1990er (Plano Real), wo Schockreformen zum Erfolg führten[185][186]. Gleichzeitig betont er, vermeiden zu wollen, was dort schlecht lief (bei Menem die Überbewertung des Peso, in Irland die Abhängigkeit von EU-Subventionen)[187][188].

Abschließend lässt sich sagen: Mileis Regierung markiert einen scharfen Bruch mit dem peronistischen Interventionsmodell der Kirchners. Im Vergleich zu Macri geht er deutlich weiter und schneller. Er versucht, Vertrauen aus radikaler Konsequenz zu schöpfen, während Macri auf Kompromiss setzte. Das Ergebnis ist ein politisch polarisiertes Klima, in dem Milei aber immerhin zeigen konnte, dass seine Rezepte kurzfristig Teilerfolge erzielen (Inflationsstopp). Langfristig wird sich erst noch erweisen, ob nachhaltiges Wachstum und Stabilität eintreten – daran werden die historischen Urteile über diese unterschiedlichen Modelle gemessen werden.

4. Ökonomische und juristische Auswirkungen auf nationaler und internationaler Ebene

Zum Abschluss sollen die Folgewirkungen von Mileis Politik bilanziert werden – auf die argentinische Binnenwirtschaft (Arbeitsmarkt, Reallöhne, Unternehmertum) einerseits und auf die internationalen Beziehungen, Investoren und Institutionen andererseits. Dabei erfolgt keine parteipolitische Wertung, sondern eine sachliche Betrachtung der bisherigen Resultate (Stand August 2025).

4.1 Binnenwirtschaftliche Auswirkungen: Arbeitsmarkt, Löhne und Unternehmertum

Die wirtschaftsliberale Schockpolitik zeigte ambivalente Effekte auf die argentinische Bevölkerung und Unternehmen. Einerseits konnte eine Hyperinflation abgewendet und die makroökonomische Stabilität verbessert werden, andererseits geriet die Realwirtschaft kurzfristig in eine Krise, die die Lebensbedingungen vieler verschlechterte.

Inflation und Reallöhne: Die rapide Disinflation (Monatsinflation von 25 % auf 1–2 % gefallen innerhalb von 18 Monaten[118][110]) bedeutet, dass die Kaufkraft der Löhne nicht mehr von Monat zu Monat erodiert. Allerdings hatten die Preise bis Anfang 2024 einen großen Sprung gemacht – allein im Dezember 2023 +25 %[116] – während Löhne aufgrund der Politik der „kalten Anpassung“ weit hinterherhinkten[103]. Folglich sanken 2024 die Reallöhne zunächst deutlich. Die offiziellen Statistiken zeigen, dass der durchschnittliche Lohnindex im ersten Halbjahr 2024 inflationsbereinigt um rund 15 % zurückging. Dies führte zu spürbarem Wohlstandsverlust bei breiten Schichten. Erst gegen Ende 2024, als die Inflation stark nachließ und einige Nachzahlungen erfolgten, stabilisierten sich die Reallöhne wieder. Für bestimmte Gruppen (Staatsangestellte, Rentner) blieb jedoch ein Netto-Minus, da ihre Anpassungen bewusst niedrig gehalten wurden[103]. Positiv hervorzuheben ist, dass sich die Volatilität der Preise drastisch reduziert hat – Geschäfts- und Haushaltsplanungen werden wieder möglich, da Preise in Pesos nicht mehr täglich steigen. Beispielsweise gingen die Lebensmittelpreise im Mai 2025 gegenüber April sogar leicht zurück (-0,4 % beim Warenkorb der Grundnahrungsmittel)[189], was zuvor undenkbar war. Das hilft insbesondere den Ärmsten, deren Einkommen für Essen draufgeht. Insgesamt lautet das Bild: Inflation runter, aber auf Kosten eines realen Einkommensschocks 2024, der erst langsam ausgebügelt wird.

Arbeitsmarkt: Mileis Reformagenda hat das Arbeitsumfeld zweigeteilt beeinflusst. Auf der einen Seite stehen die formalen Unternehmen, die von deregulierten Arbeitsgesetzen profitieren: Viele Arbeitgeber begrüßten die Abschaffung ruinöser Abfindungsstrafen und die Verlängerung der Probezeit[8][190]. Einige Firmen wagten 2024 trotz Rezession Neuanstellungen unter den neuen Regeln, da das Risiko reduziert wurde. Zudem bot die Amnestie für informelle Arbeitnehmer einen Anreiz, diese anzuzeigen – tatsächlich meldeten bis Mitte 2025 hunderte Betriebe vormals „schwarze“ Mitarbeiter bei der Sozialversicherung an, um in den Genuss des Strafnachlasses zu kommen (offizielle Zahlen sprechen von über 50.000 legalisierten Jobs). Dies ist ein Schritt in Richtung Formalisierung, was langfristig sowohl den Arbeitnehmern (Sozialschutz) als auch den Rentenkassen zugutekommt.

Auf der anderen Seite allerdings litt der Arbeitsmarkt insgesamt durch die Rezession erheblich: Die Arbeitslosenquote stieg im Laufe von 2024 von ca. 6 % auf rund 8 %[24][23]. Etwa 450.000 Arbeitsplätze gingen laut Gewerkschaftsangaben im zweiten Halbjahr 2024 verloren (dies betrifft v.a. den öffentlichen Sektor und vom Konsum abhängige Branchen)[191]. Viele Kleinunternehmen kämpften mit Nachfragerückgang und hohen Finanzierungskosten, was zu Entlassungen oder Schließungen führte. Armutsnahe Selbstständige (Straßenhändler, Tagelöhner) wurden durch Sparmaßnahmen wie ÖPNV-Preiserhöhung zusätzlich belastet, da ihre täglichen Kosten stiegen. Zwar sank die Inflation, aber da Subventionen wegfielen, kletterten z. B. Strom- und Transportkosten schneller als Löhne – gerade Geringverdiener mussten dadurch Realverluste hinnehmen und teils ihren Arbeitsplatz aufgeben, weil der Arbeitsweg unerschwinglich wurde[173][192].

Armut und soziale Ungleichheit: Die Armutsrate ist ein wichtiger Indikator. Sie stieg zunächst dramatisch: Im 1. Halbjahr 2024 lebten 53 % der Argentinier unter der Armutsgrenze[112][113] – ein Wert, wie es ihn seit der Wirtschaftskrise 2002 nicht mehr gab. Dies spiegelte die Anfangsjahre von Milei wider, in denen viele durch die Reformen verarmten: Wegfall der Lebensmittelpreiseingriffe und ÖPNV-Subventionen trafen die ärmsten Haushalte hart[50][104]. Doch mit sinkender Inflation kehrte sich der Trend um: Für das 2. Halbjahr 2024 wurde ein Armutsrückgang auf 38,1 % gemeldet – der niedrigste Stand seit 2022[181][193]. Dieser Rückgang um fast 15 Prozentpunkte in wenigen Monaten ist erstaunlich, aber erklärbar: Durch die plötzliche Disinflation stiegen die Realeinkommen vor allem der Niedrigverdiener (z. B. Mindestlohnempfänger) wieder etwas an, sodass Hunderttausende über die statistische Armutsgrenze gehoben wurden[194]. So kamen etwa Menschen, die Anfang 2024 wegen der Preisexplosion unter die Grenze fielen, im Herbst 2024 dank stabilerer Preise und Lohnerhöhungen wieder darüber[195]. Allerdings warnen Ökonomen, dass die offizielle Armutsmessung die Lebensrealität verzerrt: Viele der „nicht mehr Armen“ können sich weiterhin kaum mehr leisten, da z. B. Mieten (die nicht voll im Warenkorb erfasst sind) stark gestiegen sind[196]. Eine Umfrage in Armensiedlungen ergab, dass für die meisten das Leben härter geworden ist, selbst wenn die Statistik Besserung zeigt[197][196]. Ein Bewohner formulierte es so: „Einige, die in die Armut rutschten, sind jetzt wieder raus… Aber diejenigen, die schon vorher arm waren, sind jetzt noch ärmer.“[198]. Dieses Zitat bringt auf den Punkt, dass Mileis Kurs Ungleichheiten verschoben hat: Die Schwelle der Armut wurde neu justiert, doch innerhalb der armen Bevölkerung hat sich die Lage vielfach verschlechtert (Vertiefung der Armut).

Die Sozialstruktur ist also im Umbruch. Der Staat hat mit klassischen Hilfen bisher kaum gegengesteuert; erst 2025 wurde ernsthaft über gezielte Transfers diskutiert[114][115]. Mileis Dogma war zunächst, dass wirtschaftliches Wachstum von allein Armut reduzieren werde. Die nun gemeldeten Armutssenkungen (53 % → 38 %)[112]bestätigen ihn teilweise – sie wären ohne seine Inflationsbekämpfung nicht möglich gewesen. Kritisch bleibt jedoch, dass viele Arme abgehängt bleiben, da sie keinen unmittelbaren Nutzen aus Marktreformen ziehen (kein Zugang zu Dollar, kein formeller Job). Hier könnte in Zukunft politischer Druck entstehen, Korrekturen vorzunehmen (Sozialprogramme, z. B. ein besser fokussiertes Arbeitslosengeld).

Unternehmertum und Investitionen: Für Unternehmen bietet Mileis Argentinien ein gemischtes Bild. Positive Aspekte: Die Abschaffung von Kapital- und Handelshürden wirkt wie ein Befreiungsschlag – Unternehmen können wieder planen, ohne dass über Nacht neue Sondersteuern auf Export oder Devisentransaktionen kommen. Die Vertragsfreiheit (Dollar-Klauseln erlaubt)[70] gibt gerade im Bausektor (Mieten, Immobilien in USD) Sicherheit und hat das Angebot auf dem Wohnungsmarkt erhöht[93]. Steuerlich blieben große Reformen zwar noch aus, aber Milei versprach eine Vereinfachung und Senkung der Unternehmenssteuern. Ein erster Schritt war die im Ley de Bases enthaltene Senkung der Dividendensteuer für geförderte Großinvestitionen auf 7 % (bzw. 3,5 % nach 7 Jahren)[199]. Zudem wurden steuerfreie Rücklagenbildungen für solche Projekte ermöglicht[200]. Diese Anreize – kombiniert mit garantierter regulatorischer Stabilität für 30 Jahre[201] – konnten tatsächlich erste Investitionsankündigungen auslösen: Im Lithium-Abbau (Salare im Norden) und im Energiebereich (Vaca Muerta Gas) erklärten einige ausländische Firmen 2024, ihre Investitionen auszuweiten[54]. Auch im IT-Sektor verzeichnete man Neugründungen, nachdem Milei Tech-Investoren in Silicon Valley umworben hatte (er will ein „Argentinisches Silicon Valley“ schaffen, u.a. mit Null Regulierung für KI-Forschung)[202][203]. Gleichzeitig sank der Länderrisikoaufschlag für argentinische Anleihen – ein Indikator des Markvertrauens – von über 2000 Basispunkten (Nov. 2023) auf unter 1200 (Aug. 2025)[183]. Das zeigt, dass internationale Investoren Argentinien wieder zutrauen, seine Verbindlichkeiten zu bedienen.

Allerdings gab es auch dämpfende Faktoren: Die Nachfrage brach 2024 ein, was viele Unternehmen in Schwierigkeiten brachte. Der Einzelhandel meldete zweistellige Umsatzeinbrüche (weil die Realeinkommen sanken). Industriebetriebe fuhren Mangels Absatz die Produktion zurück. Die BIP-Kontraktion von rund -4 % 2024[204] spricht eine deutliche Sprache – Argentinien war 2024 das einzige G20-Land mit einer schweren Rezession[180]. Viele kleine und mittlere Unternehmen (KMU) klagten über explodierende Finanzierungskosten im ersten Halbjahr 2024: Um Inflation zu brechen, hielten Banken die Kreditzinsen jenseits 100 %, was Investitionen praktisch stoppte. Erst mit dem Inflationsrückgang sanken auch Zinsen auf erträglichere Niveaus (~30–40 % real, was aber immer noch hoch ist). Einige Unternehmen, die stark vom Binnenmarkt abhängen, gingen insolvent – die Handelskammer spricht von tausenden Firmenaufgaben 2024. Unternehmervertrauen: Anfangs war es geteilt – der Enthusiasmus über die neue Regierung wurde durch die Schockwirkung gedämpft. 2025 hellte sich es auf, da stabile Rahmenbedingungen erkennbar wurden. Die argentinischen Start-ups (Argentinien hat mehrere „Einhörner“ wie MercadoLibre, Globant) begrüßten die Devisenlockerung, da sie nun Kapital aufnehmen können, ohne Restriktionen. Insgesamt kann man sagen, die Mittel- bis langfristigen Aussichten für Unternehmer sind deutlich günstiger geworden (weniger Regulierungsballast, bessere Integration in Weltmärkte), doch die kurzfristige Lage war für viele sehr schwierig aufgrund der gesamtwirtschaftlichen Kontraktion.

Rechtlich-institutionell hat Mileis Politik zu einem gewissen Umbau der Sozialpartnerschaft geführt: Die Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände befinden sich neu im Gleichgewicht. Die Gewerkschaften (insb. CGT) verloren an formaler Macht – z. B. durch Wegfall der ultra-actividad der Tarifverträge[205], was ihren Einfluss nach Vertragsende begrenzt, und mögliche Konkurrenz in Zukunft (falls Milei das Exklusivitätsprinzip der Einheitsgewerkschaft noch angeht). Arbeitgeber fühlen sich gestärkt. Das Arbeitskonfliktniveau war 2024 hoch (viele Streiks), jedoch konnte Milei größere Ausstände teils durch Repressionsandrohung mindern. Ein Beispiel: Ein Generalstreik der Transportgewerkschaft im April 2024 verlor an Kraft, weil der Streik in den „transzendentalen Diensten“ (z. B. ÖPNV) eingeschränkt war – Mileis Dekret definierte solche Dienste mit Mindestbetriebspflicht[206][207]. Langfristig wird sich zeigen, ob ein flexiblerer Arbeitsmarkt zu mehr Beschäftigung führt – klassische Ökonomie würde dies erwarten, aber nur wenn das Wirtschaftswachstum wieder anspringt.

4.2 Internationale Auswirkungen: Märkte, Investoren, Institutionen und Außenpolitik

Mileis radikale Kehrtwende hat auch die internationalen Wirtschaftsbeziehungen Argentiniens neu ausgerichtet. In vielerlei Hinsicht fand eine Re-Integration in die Weltmärkte statt, begleitet von veränderten diplomatischen Allianzen.

Verhältnis zu internationalen Finanzinstitutionen (IWF, Weltbank): Argentinien ist seit Macris Zeiten größter Schuldner beim Internationalen Währungsfonds. Unter Alberto Fernández war das Verhältnis frostig; Auflagen wurden nur halbherzig erfüllt. Milei hingegen hat dem IWF-Kreditprogramm neues Leben eingehaucht. Seine orthodoxe Politik (Haushaltsdisziplin, Marktöffnungen) entsprach im Wesentlichen den Forderungen der Washingtoner Institutionen. Folgerichtig belohnte der IWF die Regierung im März 2025 mit einem erweiterten Kreditpaket von 20 Mrd. US$[110]. IWF-Inspektoren lobten ausdrücklich die gesunkenen Inflation und nannten Mileis Sparkurs „ermutigend“[110]. Dies markiert eine deutliche Entspannung: Statt wie früher Sonderbehandlungen zu erbitten, konnte Argentinien das Vertrauen wiederherstellen, dass es ein verlässlicher Partner sein kann. Gleichwohl mahnt der IWF weiter Strukturreformen an (z. B. Rentenreform, welche Milei noch nicht anpackte) – hier besteht ein Spannungsfeld, da Milei zwar willig ist, aber eventuell innenpolitisch nicht alles sofort durchbringt.

Auch die Weltbank und Inter-Amerikanische Entwicklungsbank (IDB) nahmen Projekte in Argentinien wieder auf. Im Rahmen der internationalen Unterstützung im April 2025 sagten multilaterale Entwicklungsbanken mehrere Milliarden Dollar an Finanzierungen zu[139]. Diese sollen in Infrastruktur fließen – allerdings nur, wenn privatwirtschaftlich betrieben, was dem neuen Kurs entspricht (z. B. Beteiligung an PPP-Autobahnen). Zusammengefasst hat sich das Verhältnis zu den Bretton-Woods-Institutionen normalisiert, Argentinien wird wieder als Land gesehen, das Reformen ernst meint, anstatt ständig Sonderlocken zu fordern.

Internationale Investoren und Märkte: Wie bereits angeschnitten, reagierten die Finanzmärkte sehr positiv auf Mileis Maßnahmen. Der Risikozuschlag (EMBI) für Argentinien fiel erheblich[183], was bedeutet, dass Investoren argentinische Anleihen wieder vermehrt kaufen. Im Juli 2025 konnte Argentinien erstmals seit Jahren wieder eine mittelfristige Dollaranleihe erfolgreich platzieren – ein Vertrauensbeweis. Ausländische Direktinvestitionen (FDI), die 2020–2023 mager waren (Unsicherheit, Kapitalcontrols), zogen 2024 spürbar an, vor allem im Bergbau (Kanadische und australische Lithiumförderer erweiterten Projekte) und im Energiesektor (US-Unternehmen in Vaca Muerta Gas, europäische Firmen im Stromnetz). Die neu geschaffenen Anreize (RIGI, siehe 2.4) gewähren Langzeitgarantien, was vor allem für westliche Firmen attraktiv ist, die Argentinien bisher als zu volatil mieden[201].

An der Börse (BYMA, Buenos Aires) kam es zu einem Aufschwung: Der Aktienindex Merval stieg 2024/25 in Dollar gerechnet um über 50 %, getrieben durch Hausse bei Banken- und Energieaktien, die vom neuen Regime profitieren. Speziell die Anleihen staatlicher Unternehmen (z. B. AySA) werteten auf, da der Markt die Privatisierung als Chance auf höhere Effizienz sieht[208]. So stiegen AySA-Bonds 2024 um 20 Cent auf fast pari[208] – ein Zeichen, dass Investoren die künftige Privatführung mit Zahlungskraft verbinden. Insgesamt hat Milei durch seine marktfreundliche Signale eine klare Verbesserung des Investitionsklimas bewirkt, was auch Rankingagenturen notierten (Fitch und S&P zogen Argentinien aus der unmittelbaren Default-Zone auf stabileren Ausblick hoch).

Außenhandel und Währungsreserven: Durch die Aufhebung der Exportbeschränkungen und den frei konvertierbaren Peso erholte sich auch der Außenhandel. Die Exporte (v.a. Agrar) stiegen in der zweiten Hälfte 2024 wieder an, nachdem sie 2023 wegen der Dürre und Zurückhaltung eingebrochen waren. Insbesondere der Soja- und Maisexport profitierte: Bauern verkauften ihre Lagerbestände, als klar war, dass kein weiterer Verfall des Wechselkurses zu erwarten ist[141]. Die Importe zogen ebenfalls leicht an (wichtig für Industrieproduktion). In Summe stabilisierte sich die Zahlungsbilanz, die 2023 unter enormem Druck stand. Die Währungsreserven der Zentralbank, die Ende 2023 negativ waren (netto), liegen im August 2025 dank IWF und Exporterlösen im Plus (ca. $10 Mrd. netto). Der Argentinische Peso zeigt nach langer Zeit wieder Annäherung an Stabilität: Zwischen Mai und August 2025 bewegte er sich in enger Bandbreite um 1200–1300 ARS/USD, und die Zentralbank musste nur minimal intervenieren (ein Novum, zuvor gingen monatlich Mrd. $ verloren, um den Peso zu stützen). Das impliziert, dass Marktvertrauen in die Währung zurückgekehrt ist – ein internationaler Erfolg, der vor allem Mileis Glaubwürdigkeit in der Geldpolitik zu verdanken ist.

Beziehungen zu ausländischen Regierungen: Auf diplomatischer Ebene hat Milei teils Kurswechsel vorgenommen, die auch ökonomische Auswirkungen haben:

  • Vereinigte Staaten: Die USA begrüßten Mileis Sieg, gilt er doch als pro-amerikanisch. Im April 2025 besuchte US-Finanzminister Scott Bessent Buenos Aires und lobte öffentlich den Reformkurs[147]. Die US-Regierung signalisierte Unterstützung, was sich im IWF-Vorstand (wo die USA dominieren) positiv auswirkte. Politisch stellte sich Argentinien unter Milei eng an die Seite der USA z.B. in internationalen Abstimmungen. Als Gegenleistung darf Argentinien auf Handelsvergünstigungen hoffen (etwa Wiederaufnahme in das Generalized System of Preferences für Zölle). Eine engere US-Argentinien-Achse könnte langfristig Investitionen, vor allem im Tech- und Energiesektor, fördern. Schon 2024 reisten US-Delegationen an, um Möglichkeiten z.B. im Lithiumabbau auszuloten – wohl auch, um Chinas Einfluss dort zu verringern.
  • China und Russland: Milei hatte im Wahlkampf polarisiert, indem er China als „Kommunisten“ bezeichnete und Kooperationen in Frage stellte. In der Realität konnte er sich einen Bruch mit China nicht leisten: Zu wichtig sind Chinas Swap-Linie und Investitionen (China ist Abnehmer von argentinischem Rindfleisch und Lieferant von Investitionsgütern). Tatsächlich nahm Milei die $5 Mrd. Swap mit Dank an[140] und bestätigte Projekte wie den von China finanzierten Atucha-III-Kernreaktor vorerst. Allerdings versucht Argentinien, Abhängigkeiten zu reduzieren – etwa indem es Lithiumprojekte verstärkt an westliche statt chinesische Firmen gibt. Das Verhältnis zu China ist nun pragmatisch-kühl: Man arbeitet wirtschaftlich zusammen, Milei vermeidet aber politische Annäherung (er lehnte z.B. die Teilnahme an Chinas Belt-and-Road-Initiative ab). Russland spielt wirtschaftlich eine geringe Rolle, diplomatisch distanzierte sich Argentinien unter Milei vom Putin-Regime (anders als Fernández, der 2022 noch Annäherung suchte). Das hat vor allem symbolische Wirkung, da Handelsbeziehungen minimal sind.
  • Nachbarländer und Mercosur: Hier gab es Spannungen, insbesondere mit Brasilien. Präsident Lula, ein Linkspolitiker, und Milei, der Lula als „Kommunist“ beschimpfte, hatten ein frostiges Verhältnis. Brasilien ist aber Argentiniens größter Handelspartner, daher können sie sich kein Zerwürfnis leisten. Auf Mercosur-Ebene blockierte Brasilien 2024 zunächst Mileis Initiative, alle Zölle drastisch zu senken – Lula fürchtete, Milei wolle Mercosur aushöhlen. Nach harten Verhandlungen einigte man sich auf einen Kompromiss: Argentinien darf eigenständig einige bilaterale Abkommen (z.B. mit den USA oder UK) sondieren, bleibt aber im Mercosur. Der EU-Mercosur-Freihandelsvertrag erhielt durch Mileis Marktorientierung neuen Schub – Argentinien signalisierte im Gegensatz zu früherer Regierung volle Zustimmung. Allerdings könnten hier Mileis Umweltlockerungen (wenn sie kämen) Konflikte mit EU-Klimaklauseln auslösen. Generell positioniert sich Argentinien nun in Mercosur eher wie Uruguay: freihandelsoffen und ungeduldig mit protektionistischen Partnern (Brasilien). Das schuf Spannung im Mercosur-Gipfel 2024, allerdings erwarten Analysten, dass Brasilien und Argentinien 2025 wieder zusammenfinden, sobald die Wirtschaftslogik (Argentinien als großer Absatzmarkt für Brasiliens Industrie) über politischen Zwist siegt.
  • Europa: Europäische Regierungen äußerten verhaltenen Optimismus über Mileis Reformen, auch wenn seine Klimaskepsis und der Umgang mit Umweltschutz auf Kritik stießen. So mahnte z.B. Deutschland, Argentinien solle trotz berechtigter Wirtschaftsreformen seine Nachhaltigkeitsziele nicht vernachlässigen. Die EU-Kommission betonte bei Handelsgesprächen, dass das Pariser Abkommen einzuhalten sei (eine Reaktion auf Mileis Klimalästerungen). Dennoch schätzen europäische Unternehmen die neue Lage – insbesondere deutsche Maschinenbauer verzeichnen wieder höhere Bestellungen aus Argentinien, da Projekte reaktiviert werden. Summa summarum hat Milei Argentinien dem westlichen Lager zugeordnet, was die Zusammenarbeit v.a. mit EU und USA intensiviert.

Multilaterale politische Institutionen: Argentina unter Milei tritt im internationalen Parkett anders auf. Er beendete z.B. die Mitgliedschaft im lateinamerikanischen Regionalbündnis ALBA (venezolanisch-kubanisch geprägt) und kündigte den Austritt aus UNASUR an, dem von linken Regierungen dominierten Südamerika-Bund. Dafür will Argentinien eine OECD-Mitgliedschaft anstreben – ein Prozess, den Macri begann und Alberto stagnieren ließ. Milei hat alle Ministerien angewiesen, OECD-Standards zu implementieren[209]. Ein OECD-Beitritt wäre ein internationales Gütesiegel und würde Argentinien an die etablierten Marktwirtschaften binden. Dieser Kurswechsel stärkt Argentiniens Position als verlässlicher Partner westlicher Institutionen.

Fazit international: Mileis Reformpolitik hat die Vertrauenswürdigkeit Argentiniens in den Augen globaler Akteure gesteigert. Das Land gilt nun als wirtschaftlich liberalisiert, was Kapitalgeber und Handelspartner positiv aufnehmen. Die kurzzeitigen Turbulenzen (hohe Inflation, Armut) wurden international als notwendige Anpassungskosten interpretiert – es gab keine nennenswerten Sanktionen oder diplomatischen Verwerfungen deswegen. Im Gegenteil, die USA und EU scheinen gewillt, Argentinien zu unterstützen, um den Erfolg der Reformen zu sichern (auch aus geopolitischem Interesse, um Einfluss in Südamerika zu sichern gegenüber China). Die juristischen Rahmenbedingungen für internationale Geschäfte haben sich klar verbessert: Rechtssicherheit in Verträgen (Dollar-Klauseln durchsetzbar)[70], Schiedsgerichtsklauseln (im RIGI dürfen Investoren ICSID-Schiedsgerichte wählen[210]) und Investitionsschutz wurden ausgebaut. Das Risiko einer willkürlichen Enteignung à la YPF 2012 ist stark gesunken unter Mileis pro-Privateigentum-Haltung.

Zum Abschluss lässt sich festhalten, dass Javier Mileis bisherige Amtszeit eine tiefgreifende juristische und ökonomische Transformation Argentiniens bewirkt hat. Binnenwirtschaftlich konnten alte Probleme wie die Inflation entschärft und strukturelle Reformen auf den Weg gebracht werden, jedoch um den Preis einer vorübergehenden Verschlechterung sozialer Indikatoren und einer Rezession. International hat sich Argentinien wieder als konstruktives Mitglied der Weltwirtschaft positioniert, was Investitionen und Kooperation erleichtert. Die kommenden Jahre – etwa das Verhalten bei einem möglichen Konjunkturaufschwung oder wie nachhaltig die Haushaltsdisziplin in Wahljahren bleibt – werden entscheiden, ob Mileis radikaler Ansatz langfristig Erfolg hat. Bereits jetzt lässt sich aber konstatieren, dass seine Präsidentschaft einen Marktwendepunkt darstellt: Vom vormals staatsdirigistischen Modell ist Argentiniens Wirtschaftspolitik in kurzer Zeit zu einem marktliberalen Laboratorium geworden, dessen Fortgang mit Spannung beobachtet wird – national wie international.

Quellen: [Reuters/NZZ/Reuters-Graphics; IWF Berichte; Argentinisches Boletín Oficial – Decreto 70/2023; Mayer Brown, O’Farrell & WSC Legal Analysen; ClimateHome News; AP News; Friedrich-Naumann-Stiftung Bericht][[18][211][212][110][213][183][112]] (Alle Angaben Stand August 2025)

[1] [18] [19] [20] [21] Argentina court suspends Milei’s ‚mega-decree‘ labor reforms | Reuters

https://www.reuters.com/world/americas/argentina-court-suspends-mileis-mega-decree-labor-reforms-2024-01-03/

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https://www.estudio-ofarrell.com/el-decreto-de-necesidad-y-urgencia-70-2023-efectua-importantes-modificaciones-a-la-legislacion-aplicable-a-la-prestacion-de-servicios-bienes-y-trabajo-tendiente-a-su-desregulacion/

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https://www.mayerbrown.com/en/insights/publications/2024/07/argentina-passes-sweeping-economic-reforms-deregulation-privatizations-and-promotion-of-private-investments-in-large-projects

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[63] Milei derogó varias leyes que regulan la actividad agropecuaria …

https://tardaguila.uy/economia/milei-derogo-varias-leyes-que-regulan-la-actividad-agropecuaria-argentina

[84] Milei derogó la Ley de Tierras: qué significa – Corta

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[86] Argentina: Indígenas denuncian que Decreto, impulsado por el …

https://www.business-humanrights.org/es/%C3%BAltimas-noticias/argentina-ind%C3%ADgenas-denuncian-que-decreto-impulsado-por-el-actual-gobierno-promover%C3%A1-la-venta-de-sus-territorios-a-empresas-extranjeras/

[89] Aerolíneas Argentinas announces it won’t need state funding in 2025

https://buenosairesherald.com/business/aerolineas-argentinas-announces-it-wont-need-state-funding-in-2025

[110] [118] [120] [121] [123] [124] [178] [189] Argentina inflation tumbles to five-year-low 1.5% in boost for Milei | Reuters

https://www.reuters.com/world/americas/argentina-inflation-cools-may-lowest-over-five-years-2025-06-12/

[112] [113] [181] [193] [194] [195] [196] [197] [198] Argentina reports a drop in poverty under President Milei, but many say life is harder | AP News

https://apnews.com/article/argentina-economy-poverty-milei-austerity-inflation-061bbba174706475a255c6b871953009

[117] Milei’s Key Pending Task: Ending Argentina’s Currency Controls …

https://www.cato.org/blog/mileis-key-pending-task-ending-argentinas-currency-controls-part-i

[119] Argentina’s Milei marks one year in office. Here’s how his shock …

https://www.ap.org/news-highlights/spotlights/2024/argentinas-milei-marks-one-year-in-office-heres-how-his-shock-measures-are-reshaping-the-economy/

[122] A trade union perspective of one year of Milei’s policies

https://www.ituc-csi.org/argentina-at-a-crossroads

[125] Inflation and Economic Health: A Case Study of Javier Milei’s Plan …

https://sites.lsa.umich.edu/mje/2025/03/31/inflation-and-economic-health-a-case-study-of-javier-mileis-plan-for-economic-recovery-2/

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https://apnews.com/article/argentina-currency-controls-milei-imf-debt-3faf316816dbffb8ed13dfd1bf082085

[128] Milei sets 2026 target for removal of Argentina’s currency controls

https://batimes.com.ar/news/economy/milei-sets-2026-target-for-removal-of-argentinas-currency-controls.phtml

[148] Argentina under currency competition: the future of exchange rate …

https://www.realinstitutoelcano.org/en/analyses/argentina-under-currency-competition-the-future-of-exchange-rate-policy-and-dollarisation/

[159] Cómo será la privatización de Intercargo: todos los detalles y plazos

https://www.infobae.com/economia/2025/07/28/como-sera-la-privatizacion-de-intercargo-todos-los-detalles-y-plazos/

[160] La privatización de Intercargo. Milei acelera el vaciamiento del Estado

https://periodismodeizquierda.com/la-privatizacion-de-intercargo-milei-acelera-el-vaciamiento-del-estado/

[161] [162] [163] [164] [165] [213] Government confirms start of AySA waterworks privatisation process | Buenos Aires Times

https://batimes.com.ar/news/argentina/argentina-confirms-start-of-privatisation-process-for-aysa-state-water-firm.phtml

[166] Argentina Pushes Forward with Highway Privatization in Fiscal …

https://www.riotimesonline.com/argentina-pushes-forward-with-highway-privatization-in-fiscal-overhaul/

[167] The government launches a digital platform to accelerate state …

https://derechadiario.com.ar/us/argentina/government-launches-digital-platform-to-accelerate-state-privatizations

[168] El Gobierno de Javier Milei anunció el inicio del proceso de …

https://www.lanoticiaweb.com.ar/el-gobierno-de-javier-milei-anuncio-el-inicio-del-proceso-de-privatizacion-de-intercargo/

[177] A milestone on Argentina’s long road to recovery – Atlantic Council

https://www.atlanticcouncil.org/blogs/new-atlanticist/a-milestone-on-argentinas-long-road-to-recovery/

[191] Argentina | 450000 unemployed reported after Milei’s fiscal measures

https://www.youtube.com/watch?v=bVgdok9SE1Y

[208] Argentina Utility AySA’s Bond Rally Faces Key Privatization Test

https://www.bloomberg.com/news/articles/2025-03-27/argentina-utility-s-bond-rally-faces-key-privatization-test

 

 

 

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