Überblick über Recht – Wirtschaft – Politik

Themenübersicht
Erbrecht
„Unsere Kinder“ zählt – OLG sichert Stiefsohn Erbteil trotz späterem Testament
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 24.07.25 – I-3 Wx 116/25
Sachverhalt:
Nach dem Tod eines Familienvaters beantragten dessen zwei eheliche Söhne einen Erbschein, der sie als alleinige Erben auswies. Ein Stiefsohn meldete sich daraufhin und berief sich auf ein älteres gemeinschaftliches Testament der Eltern, in dem „unsere Kinder“ als Erben eingesetzt waren. Er argumentierte, dass er als im gemeinsamen Haushalt aufgewachsenes Kind dazu gehöre. Die beiden ehelichen Söhne verwiesen hingegen auf ein späteres Einzeltestament des Vaters, das sie allein als Erben bestimmte. Das Amtsgericht zog den Erbschein ein, und die Söhne legten Beschwerde beim Oberlandesgericht Düsseldorf ein.
Entscheidung:
Das OLG entschied, dass das gemeinschaftliche Testament aus dem Jahr 1997 bindend sei und die Formulierung „unsere Kinder“ auch den Stiefsohn umfasse. Es stellte fest, dass der Stiefsohn aufgrund seiner engen familiären Einbindung als gleichberechtigtes Kind anzusehen sei. Die Schlusserbenregelung sei wechselbezüglich zur gegenseitigen Erbeinsetzung und somit nach dem Tod der Mutter für den Vater bindend geworden. Das spätere Einzeltestament des Vaters von 2022 konnte daran nichts mehr ändern und war insoweit unwirksam. Die Beschwerde der ehelichen Söhne wurde zurückgewiesen; sie müssen die Kosten tragen und dem Stiefsohn seine Auslagen erstatten.
Arbeitsrecht
Inflationsklausel gekippt: Arbeitgeber darf Löhne nicht automatisch an Verbraucherpreisindex koppeln
ArbG Bonn – Urteil vom 9.07.25 – 5 Ca 2158/24
Sachverhalt:
Ein Arbeitnehmer klagte gegen seinen Arbeitgeber auf höhere Vergütung, weil die in einer Gesamtzusage vereinbarte jährliche Gehaltserhöhung an den Verbraucherpreisindex aus seiner Sicht nicht korrekt umgesetzt worden sei. Die Beklagte hatte die entsprechende Anpassungsklausel im Herbst 2023 einseitig widerrufen und argumentierte, sie könne frei über Gehaltsanpassungen entscheiden. Der Kläger berief sich auf die Gesamtzusage von 2021, die eine automatische Indexanpassung vorsah, und forderte Nachzahlungen für mehrere Monate. Zugleich beantragte die Beklagte im Wege der Widerklage die Feststellung, dass die Preisklausel unwirksam sei. Das Gericht sprach dem Kläger eine Teilnachzahlung zu, stellte aber auch die Unwirksamkeit der Inflationsklausel für die Zukunft fest.
Entscheidung:
Das Gericht entschied, dass dem Kläger ein individueller Anspruch auf eine indexbasierte Vergütung nur insoweit zusteht, als die vertraglichen Ausschlussfristen gewahrt wurden. Die Ausschlussklausel im Arbeitsvertrag wurde für wirksam befunden, sodass ein Teil der Ansprüche verfallen war. Der Anpassungsmechanismus aus der Gesamtzusage wurde für vergangene Zeiträume weiterhin berücksichtigt, da dessen Unwirksamkeit erst mit gerichtlicher Feststellung wirksam wird. Für die Zukunft erklärte das Gericht jedoch § 3 Abs. 3 der Gesamtzusage für nichtig, da die automatische Anpassung an den Verbraucherpreisindex gegen das Preisklauselgesetz verstoße. Ein solcher Mechanismus sei bei Arbeitsverträgen, die nicht dauerhaft gleichförmige Zahlungen wie z. B. Renten betreffen, unzulässig.
Beamtenrecht
Disziplinarurteil: Ruhegehaltskürzung wegen beharrlicher Therapie- und Untersuchungsverweigerung trotz Depression
VGH München, Urteil vom 23.07.2025 – 16a D 23.1544
Sachverhalt:
Ein seit 2015 dienstunfähiger Steuerinspektor im Ruhestand verweigerte über mehrere Jahre hinweg beharrlich die Teilnahme an angeordneten amtsärztlichen Untersuchungen sowie die Fortführung einer psychotherapeutischen Behandlung. Bereits zuvor war er disziplinarisch wegen Arbeitsverweigerung und Täuschung auffällig geworden. Trotz zahlreicher schriftlicher Weisungen reagierte der Beamte nicht, da er nach eigener Aussage dienstliche Post seit 2016 ungeöffnet ablegte. Ein psychiatrisches Gutachten stellte zwar eine depressive Erkrankung fest, bewertete die Beeinträchtigung jedoch nur als mittelgradig und das Verhalten des Beamten teilweise als willensabhängig. Das Verwaltungsgericht hatte ursprünglich das Ruhegehalt vollständig aberkannt; der Verwaltungsgerichtshof entschied nun auf eine Kürzung um 1/10 für fünf Jahre.
Entscheidung:
Das Gericht sah eine Dienstpflichtverletzung in der schuldhaften Nichtbefolgung konkreter, formell und materiell rechtmäßiger Weisungen zur Teilnahme an einer Untersuchung und zur Aufnahme einer Psychotherapie. Die depressive Erkrankung wurde zwar anerkannt, beeinträchtigte die Einsichtsfähigkeit des Beamten aber nicht in einem Maße, das sein Verhalten entschuldigen würde. Maßgeblich war zudem, dass die Erhaltung oder Wiederherstellung der Dienstfähigkeit für Beamte essenziell ist und Pflichtverletzungen in diesem Bereich schwer wiegen. Mildernd wirkte jedoch, dass eine spätere psychotherapeutische Behandlung mit hoher Wahrscheinlichkeit keine Wiederherstellung der Dienstfähigkeit mehr bewirkt hätte. Insgesamt wurde deshalb von der Höchstmaßnahme abgesehen und eine Ruhegehaltskürzung als disziplinarisch angemessen erachtet.
Schulrecht
Frist falsch berechnet: AStA-Vorsitz scheitert mit Klage wegen Tagesordnungspunkt im Hochschulsenat
OVG Münster, Beschluss vom 10.07.2025 – 15 A 3304/21
Sachverhalt:
Der Vorstand des Allgemeinen Studierendenausschusses (AStA) der Technischen Hochschule N., vertreten durch den ersten Vorsitzenden, klagte im Wege eines Organstreitverfahrens gegen das Präsidium der Hochschule. Hintergrund war die Ablehnung eines Antrags zur Aufnahme eines Tagesordnungspunkts in eine Senatssitzung, den der AStA als verfristet zurückgewiesen sah. Der Kläger vertrat die Auffassung, dass die Rückwärtsfrist bis zum Ende des letzten Tages laufe, während das Präsidium einen Fristablauf bereits um 0:00 Uhr desselben Tages annahm. Das Verwaltungsgericht hatte die Klage abgewiesen, der AStA beantragte erfolglos die Zulassung der Berufung. Die Gerichte stellten außerdem klar, dass der AStA-Vorstand trotz personeller Wechsel parteifähig bleibt.
Entscheidung:
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wurde abgelehnt, da keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils bestanden. Das Gericht stellte klar, dass die Rückwärtsfrist nach § 187 ff. BGB zu berechnen ist, womit der Antrag zur Tagesordnung spätestens am Vortag um 24:00 Uhr hätte gestellt werden müssen. Der verspätet eingereichte Antrag war damit zu Recht abgelehnt worden. Auch rechtliche oder tatsächliche Schwierigkeiten sowie eine grundsätzliche Bedeutung der Sache lagen nach Ansicht des Gerichts nicht vor. Der hilfsweise gestellte Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Senatsbeschlussfassung war ebenfalls unzulässig, da er sich gegen ein anderes Organ richtete und somit unzulässigerweise eine subjektive Klagenhäufung vorlag.
News diese Woche
Staatstrojaner nur bei schweren Straftaten zulässig
Das Bundesverfassungsgericht hat den Einsatz sogenannter Staatstrojaner durch Ermittlungsbehörden teilweise für verfassungswidrig erklärt. Insbesondere die Quellen-Telekommunikationsüberwachung (Quellen-TKÜ) sei bei einfachen Straftaten mit einer Höchststrafe von bis zu drei Jahren unzulässig und rückwirkend nichtig. Der verdeckte Zugriff auf Messenger-Nachrichten und Gerätedaten stelle einen besonders tiefgreifenden Eingriff in die Grundrechte dar und sei nur bei besonders schweren Straftaten zulässig. Die Kläger – darunter Digitalcourage – kritisierten, dass die dafür genutzten Sicherheitslücken auch von Kriminellen ausgenutzt werden könnten und der Staat damit seine Schutzpflicht verletze. Für präventive Zwecke wie Terrorabwehr bleibt der Einsatz der Software unter engen Voraussetzungen jedoch zulässig, wie das Gericht in einem parallelen Urteil zum NRW-Polizeigesetz bestätigte.