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Erbrecht

Ohne Namen keine Pfändung: LG Lübeck stoppt Vollstreckung zugunsten der „Erbengemeinschaft“

LG Lübeck, Beschluss vom 13.08.2025 – 7 T 329/25

Sachverhalt:

Der ursprüngliche Kläger gewann vor dem LG Hamburg, verstarb jedoch während des Berufungsverfahrens, in das seine beiden Erben als Kläger zu 2) und 3) eintraten. Das Hanseatische OLG bestätigte die Verurteilung der Beklagten, ordnete aber im Tenor die Leistung „an die ungeteilte Erbengemeinschaft nach dem verstorbenen Kläger zu 1)“ an. Die Erben beantragten daraufhin beim AG Ahrensburg einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss mit Zahlung auf ein Nachlasskonto. Das AG wies den Antrag zurück, weil aus Titel, Rubrum und Klausel nicht erkennbar sei, wer die Erbengemeinschaft bilde. Gegen diese Entscheidung legten die Erben sofortige Beschwerde ein und verwiesen u. a. auf § 2039 BGB und eine transmortale Vollmacht.


Entscheidung:

Das LG Lübeck wies die sofortige Beschwerde zurück, weil der Vollstreckungstitel nicht hinreichend bestimmt sei. Ein Titel sei nur vollstreckbar, wenn aus ihm selbst klar hervorgehe, an welchen Rechtsträger zu leisten ist. Die bloße Bezeichnung „ungeteilte Erbengemeinschaft nach …“ genüge nicht, da die Erbengemeinschaft nicht rechtsfähig ist und Gläubiger daher alle namentlich bestimmten Miterben als Gesamthand sind (§§ 432, 2039 BGB). Zwar darf ein Miterbe nach § 2039 BGB Forderungen im Wege gesetzlicher Prozessstandschaft geltend machen, die Bestimmtheit des Tenors – einschließlich der Benennung sämtlicher Miterben – bleibt jedoch erforderlich; daran ändert auch die transmortale Vollmacht nichts. Weder eine isolierte Pfändung noch eine Hinterlegung komme ohne hinreichend bestimmten Titel in Betracht; wegen der grundsätzlichen Bedeutung ließ das Gericht die Rechtsbeschwerde zu.

Arbeitsrecht

LAG Köln kippt 70.000-Euro-Klausel: Rückzahlung von Ausbildungskosten unzulässig

LAG Köln, Urteil vom 19.08.2025 – 7 SLa 648/24

Sachverhalt:
Ein Feuerwehranwärter absolvierte bei der Rechtsvorgängerin der Klägerin eine 18-monatige Ausbildung, die mit ca. 88.500 Euro veranschlagt war. Im Vertrag war geregelt, dass der Arbeitnehmer die Ausbildungskosten und während der Ausbildung gezahlte Vergütung zurückzahlen müsse, falls er das Arbeitsverhältnis innerhalb von drei Jahren selbst kündige. Nach erfolgreichem Abschluss kündigte der Arbeitnehmer wenige Monate später ordentlich, nachdem es zuvor zu verspäteten Gehaltszahlungen gekommen war. Die Klägerin verlangte daraufhin Rückzahlung von über 69.000 Euro, zusammengesetzt aus Ausbildungs- und Vergütungskosten. Das Arbeitsgericht Siegburg wies die Klage ab, wogegen die Klägerin Berufung zum LAG Köln einlegte.

 

Entscheidung:
Das LAG Köln bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz und erklärte die Rückzahlungsklauseln für unwirksam. Die Bestimmungen seien Allgemeine Geschäftsbedingungen und benachteiligten den Arbeitnehmer unangemessen im Sinne von § 307 BGB. Insbesondere dürften Rückzahlungspflichten nicht auch dann greifen, wenn der Arbeitnehmer unverschuldet, etwa durch dauerhafte Erkrankung, das Arbeitsverhältnis beenden müsse. Zudem handle es sich bei der während der Ausbildung gezahlten Vergütung nicht um „Freistellungsvergütung“, sondern um Entgelt für erbrachte Arbeitsleistung, sodass eine Rückforderung unzulässig sei. Eine Rückzahlungspflicht von bis zu 70.000 Euro sei ruinös und verstoße gegen Treu und Glauben; die Revision wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.

Beamtenrecht

16 Jahre krank – und doch Untersuchungspflicht: OVG NRW stärkt Dienstherren

 OVG Münster, Beschluss vom 12.08.2025 – 6 B 724/25

Sachverhalt:

Eine Beamtin war seit 2009 durchgehend dienstunfähig erkrankt und hatte seitdem keinen Dienst mehr geleistet. Im April 2025 ordnete ihr Dienstherr erstmals eine amtsärztliche Untersuchung an, auch mit neurologisch-psychiatrischem Schwerpunkt. Die Beamtin wehrte sich dagegen im einstweiligen Rechtsschutzverfahren und beantragte, von der Pflicht zur Untersuchung vorläufig freigestellt zu werden. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf lehnte den Antrag ab. Gegen diese Entscheidung legte die Beamtin Beschwerde zum OVG Nordrhein-Westfalen ein.

Entscheidung:

Das OVG wies die Beschwerde zurück und bestätigte die Untersuchungsanordnung. Der Hinweis auf die langjährige Erkrankung sei ein hinreichend bestimmter Anlass, auch nach 16 Jahren Untätigkeit des Dienstherrn. Eine zeitliche Grenze für die Befugnis zur Anordnung bestehe nicht, da Fürsorgepflicht und öffentliches Interesse an dienstfähigen Beamten fortbestehen. Auch die Anordnung einer psychiatrischen Untersuchung sei verhältnismäßig, da entsprechende ärztliche Befunde vorlagen. Die Beschwerdebegründung genüge zudem nicht den formalen Anforderungen, sodass die ablehnende Entscheidung des VG bestehen blieb.

Kommunalrecht

Bürgermeister suspendiert – Rathaus bleibt für ihn als Bürger geöffnet

VG Karlsruhe, Beschluss vom 29.08.2025 – 9 K 4318/25

Sachverhalt:
Der Bürgermeister der Gemeinde M. sah sich nach einem bereits abgeschlossenen Disziplinarverfahren mit neuen Vorwürfen konfrontiert, darunter Verstöße gegen die gemeindliche Kompetenzordnung, unzulässige Auftragsvergaben sowie mutmaßliche Bestechlichkeit und Untreue. Auf Veranlassung der Staatsanwaltschaft wurde im März 2025 eine Durchsuchung seiner Amts- und Privaträume durchgeführt. Das Landratsamt reagierte mit einer sofortigen Verfügung: Dem Bürgermeister wurde die Führung der Dienstgeschäfte untersagt, zudem erhielt er ein Haus- und Betretungsverbot für alle gemeindlichen Einrichtungen. Auch musste er Schlüssel und dienstliche Geräte abgeben. Gegen diese Maßnahmen legte der Bürgermeister Widerspruch ein und beantragte einstweiligen Rechtsschutz.

Entscheidung:
Das Verwaltungsgericht Karlsruhe bestätigte das Verbot der Dienstgeschäfte und die Herausgabeanordnung, da zwingende dienstliche Gründe vorlagen und die Gefahr weiterer Pflichtverletzungen bestand. Die Vielzahl und Schwere der Vorwürfe rechtfertigten es, den Bürgermeister sofort von seinen Aufgaben zu entbinden, um den Dienstbetrieb und das Vertrauen der Bevölkerung zu schützen. Die fehlende vorherige Anhörung war ausnahmsweise entbehrlich, da andernfalls eine Verdunkelungsgefahr bestanden hätte. Hingegen wurde das allgemeine Betretungsverbot teilweise aufgehoben: Der Bürgermeister darf als Bürger die öffentlich zugänglichen Räume des Rathauses betreten, um private Angelegenheiten zu erledigen. Im Übrigen blieb die Verfügung bestehen, sodass der Bürgermeister vorerst von seinem Amt suspendiert bleibt.

News diese Woche:

Zusätz­liche Unter­richts­stunde für Lehrer ist rechts­widrig

Das Bundesverwaltungsgericht hat die sogenannte Vorgriffsstundenregelung in Sachsen-Anhalt für rechtswidrig erklärt. Seit 2023 mussten Lehrkräfte dort wöchentlich eine zusätzliche Unterrichtsstunde leisten, um den Unterrichtsausfall wegen Lehrermangels abzufedern. Nach Ansicht des Gerichts überschritt die entsprechende Verordnung die Ermächtigungsgrundlage des Landesbeamtengesetzes, insbesondere wegen der vorgesehenen finanziellen Abgeltung. Zwei Lehrer, die zuvor in den Instanzen unterlegen waren, bekamen damit letztlich Recht. Die GEW begrüßte die Entscheidung und schlug ein freiwilliges Arbeitszeitkonto als Alternative vor, während das Bildungsministerium die schriftliche Urteilsbegründung abwarten und mögliche Konsequenzen prüfen will.

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