Monitoringbericht “Energiewende. Effizient. Machen.” (BMWi/BMWK, 2025)

Die Energiewende stellt Deutschland vor die doppelte Herausforderung, den steigenden Strombedarf einer elektrifizierten Wirtschaft zu decken und zugleich ein hohes Maß an Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Der Monitoringbericht „Energiewende. Effizient. Machen.“ (2025) bildet hierfür die Grundlage, weist aber zugleich auf zentrale Unsicherheiten in Bezug auf Nachfrageentwicklung, Erzeugungskapazitäten und Netzstabilität hin.
Die vorliegende Analyse überprüft die zugrunde gelegten Annahmen kritisch und erweitert die Betrachtung um alternative Technologien wie Geothermie, natürlichen („weißen“) Wasserstoff und Kernenergie. Ziel ist es, deren mögliche Beiträge zum Erhalt des Industriestandorts Deutschland, zur Entwicklung neuer Schlüsseltechnologien (insbesondere im Bereich KI und IT), zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit sowie zum gesamtwirtschaftlichen Wachstum zu bewerte
Analyse
Erwarteter Strombedarf bis 2030 und 2045
Der Monitoringbericht projiziert einen deutlich steigenden Strombedarf in Deutschland im Zuge der Energiewende. In allen untersuchten Szenarien steigt der gesamte Bruttostromverbrauch langfristig an[1]. Für das Jahr 2030 wird eine Spannbreite von etwa 600 bis 700 TWh Bruttostrombedarf ausgewiesen[2]. Diese Bandbreite wird sowohl von Trendszenarien (explorativ) als erreichbar angesehen als auch von mehreren zielorientierten Klimaszenarien (normativ) als mit den Klimazielen vereinbar eingeschätzt[2]. Zum Vergleich: Im Jahr 2022 lag der Bruttostromverbrauch Deutschlands bei rund 550 TWh, sodass die Prognosen bis 2030 einen Anstieg von etwa 10–25 % implizieren. Bis 2045 setzt sich der Anstieg fort – je nach Szenario werden Werte von grob 750 bis über 1000 TWh diskutiert[1][3], was die stark zunehmende Elektrifizierung des Energiesystems widerspiegelt.
Treiber des steigenden Strombedarfs: Die zentrale Ursache liegt in der Elektrifizierung vormals fossiler Energieanwendungen, was zur Erhöhung der Endenergienachfrage nach Strom führt. „Nahezu alle untersuchten Studien betrachten die Elektrifizierung des Endenergieverbrauchs in den Sektoren Gebäude und Verkehr als wesentliche Dekarbonisierungsoption.“[4]. Das heißt, der Umstieg auf Elektromobilität (E-Pkw, E-Lkw, Bahnelektrifizierung) und elektrische Wärmepumpen im Gebäudebereich treibt den Strombedarf in die Höhe. Beispielsweise wird das politische Ziel von 15 Mio. E-Pkw bis 2030 voraussichtlich verfehlt – die Szenarien erwarten eher 6–13 Mio. Fahrzeuge[5] – doch selbst diese Menge bedeutet zusätzlichen Stromverbrauch von grob 10–20 TWh allein für Elektroautos (ausgehend von ca. 2.000 kWh/Jahr pro E-Pkw). Auch im Wärmesektor ersetzt der Strombedarf für Wärmepumpen verstärkt fossile Heizenergie, was bereits heute den Stromverbrauch der Gebäude trotz Effizienzgewinnen erhöht[6].
Ein weiterer großer Posten ist die Wasserstofferzeugung via Elektrolyse. Die Herstellung von grünem Wasserstoff in Deutschland würde immense Strommengen erfordern. Der Bericht zeigt, dass die Annahmen zur Wasserstoffproduktion einen erheblichen Einfluss auf den Strombedarf haben: „Abhängig von der Importquote kann sich die Nutzung von Wasserstoff über die Elektrolyse mittelbar stark auf den Strombedarf auswirken.“[7]. Szenarien mit hoher inländischer H₂-Produktion projizieren deutlich höheren Strombedarf als solche, die einen Großteil des Wasserstoffs importieren – hier klafft eine große Unsicherheit. Konkrete Zahlen: Allein die derzeit geplanten Elektrolyse-Projekte könnten bis 2030 rund 40 TWh Strom benötigen[8]. Das liegt innerhalb der Bandbreite aktueller Szenarien, verdeutlicht aber, dass bei forcierter heimischer Wasserstoffproduktion der Stromverbrauch schnell an die obere Grenze des Korridors wachsen kann. Umgekehrt würden hohe Wasserstoff-Importe den inländischen Strombedarf entlasten; diese Abwägung zwischen heimischer Erzeugung und Import ist letztlich eine politische Strategieentscheidung[9].
Industrie und wirtschaftliche Entwicklung: Im Gegensatz zu einigen vereinfachten Vorstellungen gehen die Klimaschutz-Szenarien nicht von einer Schrumpfung der deutschen Industrie oder sinkenden Lebensstandards aus[10]. Vielmehr wird unterstellt, dass die industrielle Wertschöpfung erhalten bleibt bzw. transformiert wird. Allerdings zeigen die Modellvergleiche: „Studien, die von einem vollständigen Erhalt der gegenwärtigen Industriestruktur ausgehen, errechnen im Durchschnitt einen höheren Strombedarf.“[11]. Mit anderen Worten – wenn Deutschland seine industrielle Basis (z.B. Stahl, Chemie, Grundstoffindustrien) voll hält und gleichzeitig dekarbonisiert, steigt der Stromverbrauch stärker an (etwa durch elektrifizierte Prozesse, Wasserstoffeinsatz in der Industrie, neue Produktionsstätten wie Elektrolyseure, Batterie- und Halbleiterfabriken). Einige Klimaschutz-Szenarien rechnen implizit mit Strukturwandel in der Industrie (etwa hin zu weniger energieintensiver Produktion oder mehr Effizienz), was den Stromverbrauch dämpfen würde. Die Bandbreite spiegelt daher unterschiedliche Annahmen zur Zukunft der Industrie und zur Energieeffizienz wider. Wichtig ist: Alle klimazielkonformen Pfade setzen erhebliche Effizienzsteigerungen voraus – die Gesamtenergieproduktivität muss stark steigen, um Wirtschaftsleistung und Wohlstand ohne Deindustrialisierung bei gleichzeitig sinkendem Primärenergieverbrauch zu ermöglichen[10][12]. Ein zentraler Beitrag dazu ist die elektrische Antriebstechnik (z.B. E-Motor vs. Verbrenner) und Prozesswärme, die pro Nutzenergieeinheit weniger Primärenergie erfordert[12]. Der Bericht betont jedoch, dass eine Steigerung des Stromverbrauchs für sich genommen kein Selbstzweck ist, sondern nur in Verbindung mit der Verdrängung fossiler Energieträger und Gesamteffizienzgewinnen im Energiesystem sinnvoll ist[13].
Unsicherheiten und Szenarienspannweiten: Die Bandbreite von 600–700 TWh 2030 zeigt, dass der zukünftige Strombedarf mit Unsicherheiten behaftet ist. Der Bericht nennt explizit zwei Bereiche mit besonders großer Unsicherheit in kurz- und langfristiger Sicht: Fernwärme und Rechenzentren[14]. Insbesondere der Stromverbrauch von Rechenzentren (Data Centers) könnte stark wachsen durch Digitalisierung, KI und Cloud-Services. Aktuell wird der Verbrauch der Rechenzentren in Deutschland auf ~20 TWh (2024) geschätzt[15]. Der Netzentwicklungsplan 2037/45 rechnet hier offenbar sehr offensiv: Im Szenariorahmen liegt der angenommene Verbrauch für Rechenzentren bis 2037 etwa 50 TWh höher als in vergleichbaren anderen Szenarien[16]. Ähnliches gilt für den Bereich Elektrolyse, wo der NEP ebenfalls rund 50 TWh mehr einplant als der „robuste Korridor“ der restlichen Szenarien[16]. Diese Diskrepanzen deuten darauf hin, dass offizielle Planungen gewisse neue Nachfragesektoren (H₂ und digitale Infrastruktur) besonders ambitioniert berücksichtigen – möglicherweise um auf Nummer sicher zu gehen, dass Netz- und Erzeugungsausbau auch bei starker Nachfrage ausreichen. Gleichzeitig zeigen Trend-Szenarien, die nicht streng an Klimavorgaben gebunden sind, eher niedrigere und moderat steigende Strombedarfe – allerdings würde in diesen Fällen voraussichtlich das Klimaziel verfehlt[17][18]. Die Diskrepanz zwischen trendbasierten und zielkonformen Szenarien ist also ein Signal: Ohne zusätzliche Maßnahmen würde der Verbrauch weniger stark wachsen, aber die Klimaneutralität wäre dann außer Reichweite[19]. Umgekehrt erfordert das Erreichen der Klimaziele bewusst politisches Gegensteuern (etwa Förderungen, Regularien), was dann zu höherem Stromverbrauch führt, der jedoch gewollt ist, weil er mit Emissionsminderungen einhergeht.
Bewertung der Annahmen: Insgesamt erscheinen die im Bericht zugrunde gelegten Annahmen zum Stromverbrauch nachvollziehbar, aber ambitioniert. Sie sind konsistent mit der politischen Zielsetzung, Industrie und Wohlstand in Deutschland zu erhalten[10], während alle Sektoren dekarbonisiert werden. Dies bedingt zwangsläufig einen höheren Strombedarf, der innerhalb der angegebenen Bandbreiten plausibel ist. Wichtig ist dabei, dass viele normative Szenarien technisch-optimiert rechnen und ökonomische oder soziale Hemmnisse ausblenden[20][21]. Der Bericht kritisiert selbst, dass viele Klimaschutzszenarien die Zahlungsbereitschaft und -fähigkeit der Nachfrageseite unzureichend berücksichtigen[21]. Das heißt: Es wird zwar ein hoher Stromkonsum für neue Anwendungen unterstellt, aber nicht immer geklärt, ob Verbraucher und Industrie diesen auch finanzieren können bzw. wollen. Dieses Spannungsfeld zwischen wünschenswertem Wandel und praktischer Umsetzbarkeit bleibt bestehen. Hier ist Plausibilität kritisch zu prüfen: Die Annahme, dass massenhafte E-Autos, Wärmepumpen, Elektrolyseure und Datenzentren tatsächlich bis 2030+ realisiert werden, hängt von Investitionen, Fachkräften, Rohstoffen und Akzeptanz ab. Erste Anzeichen zeigen teils langsameres Wachstum als erhofft (z.B. zuletzt Abschwächung beim PV-Zubau im Segment kleiner Dachanlagen[22], oder die Tatsache, dass das 15-Mio.-E-Auto-Ziel kaum erreicht wird[23]). Dennoch scheinen die unteren und oberen Randwerte (600 bzw. 700 TWh für 2030) robuste Grenzen zu bieten: Unter ~600 TWh dürfte der Verbrauch kaum bleiben, wenn Klimaschutz ernsthaft verfolgt wird, und über ~700 TWh nur dann steigen, wenn unerwartet viel industrielle Eigenproduktion von Wasserstoff oder eine Boom-Welle in neuen digital-industriellen Sektoren eintritt. Bis 2045 hängt die Nachfrage stark davon ab, wie effizient der Umgang mit Energie gelingt (Stichwort Suffizienz in einigen Szenarien) und wieviel grüner Wasserstoff importiert statt domestisch erzeugt wird[24][25]. Szenarien mit mehr Verhaltensänderungen, Flächensparen und ÖPNV-Nutzung liegen am unteren Ende des Verbrauchskorridors, während solche mit hohem inländischem Wasserstoffeinsatz am oberen Ende liegen[26][24]. Diese Annahmen sind in sich konsistent, doch ihre Realitätsnähe muss politisch und wirtschaftlich fortlaufend überprüft werden. Beispielsweise würde ein unerwartet schneller Hochlauf energieintensiver Schlüsseltechnologien (etwa neue Gigafactories für Batterien, Chipfabriken oder ein Durchbruch der Wasserstoff-Anwendungen in der Chemie) den Strombedarf eher an die obere Grenze treiben. Umgekehrt könnte eine länger anhaltende industrielle Stagnation oder Abwanderung (etwa infolge hoher Energiepreise, s.u.) den Bedarf dämpfen – was zwar den Ausbauzielen der Erneuerbaren den Druck nimmt, aber die industrielle Basis gefährden würde.
Unterm Strich ist der erwartete Anstieg des Stromverbrauchs plausibel, da er durch die Elektrifizierung als zentrales Effizienz- und Dekarbonisierungsinstrument getrieben wird. Die Annahmen sind konsistent mit der Aussage, dass Klimaneutralität ohne Deindustrialisierung erreicht werden soll[10]. Allerdings erfordert dies in der Realität enorme Anstrengungen in Technologieeinführung, Investitionen und Infrastruktur, um die prognostizierten Nachfragesteigerungen auch bedienen zu können. Hier knüpft das zweite Kernthema an: die Versorgungssicherheit bei wachsendem Strombedarf.
Versorgungssicherheit des Stromsystems
Die Versorgungssicherheit des Stromsystems – also die zuverlässige Deckung der Nachfrage zu jeder Zeit – ist im Bericht in drei Dimensionen betrachtet: die marktseitige Versorgungssicherheit (Ausgleich von Angebot und Nachfrage im Strommarkt durch ausreichende Erzeugungs- und Flexibilitätskapazitäten), die netzseitige Versorgungssicherheit (Transportfähigkeit des Netzes vom Erzeuger zum Verbraucher) sowie die Systemstabilität (Fähigkeit, Störungen auszugleichen, Frequenz und Spannung stabil zu halten)[27][28]. Der aktuelle Status wird von der Bundesnetzagentur als hoch eingeschätzt (Ausfallzeiten im Bereich 12–15 Minuten/Jahr)[29], doch der Fokus liegt auf der zukünftigen Entwicklung unter den Bedingungen der Energiewende.
Marktseite: Ausreichende Kapazitäten und Flexibilität
Der Bericht stellt klar, dass die marktseitige Versorgungssicherheit in Zukunft mit Unsicherheiten behaftet ist und von mehreren Faktoren maßgeblich abhängt: „von der Entwicklung der Nachfrage, der steuerbaren Erzeugungskapazitäten und von Flexibilitäten sowie deren systemischer Interdependenz“[30]. Konkret: Je höher der Strombedarf (siehe oben), desto mehr gesicherte Leistung wird benötigt, um auch Spitzenlastzeiten und längere Dunkelflauten abzudecken. Gleichzeitig können Nachfrageseitige Flexibilität und Speichersysteme den Bedarf an konventioneller Kraftwerksleistung mindern, indem Lasten verschoben oder zwischengespeichert werden. Eine zentrale Erkenntnis des Berichts ist jedoch, dass ein Ausbau gesicherter Leistung (für die Spitzenlast) sowie mehr Flexibilität in jedem Fall erforderlich bleiben – unabhängig davon, ob der Verbrauch am oberen oder unteren Ende der Projektionen liegt[31]. Selbst in Szenarien mit moderaterem Nachfragewachstum müssen neue, steuerbare Kraftwerke und andere Backup-Optionen bereitstehen, um das hohe angestrebte Versorgungsniveau zu halten[31]. Diese Forderung ist plausibel, denn bis 2030/2035 gehen viele konventionelle Anlagen vom Netz (Kernenergie 2023 vollständig beendet, Kohlekraft je nach politischer Entscheidung bis spätestens 2038, ggf. bereits ~2030 weitgehend reduziert). Dadurch fallen Kapazitäten für die gesicherte Leistung weg, während die Volatilerzeugung (Wind, PV) stark zunimmt. Zwar hilft die europäische Vernetzung mit Stromaustausch, aber alle Nachbarn vollziehen ähnliche Transformationen, so dass in Stresslagen kein unbegrenztes Importpotenzial garantiert werden kann.
Aktuelle Analysen – wie das European Resource Adequacy Assessment (ERAA 2024) von ENTSO-E und das Versorgungssicherheitsmonitoring (VSM) 2025 der Bundesnetzagentur – zeigen laut Bericht noch keine akute Lücke bis 2030, jedoch steigenden Handlungsbedarf bis 2035[32]. Insbesondere nach dem vollständigen Kohleausstieg (politisch angestrebt für 2030, rechtlich spätestens 2038) würde die Deckungsreserve schrumpfen, wenn nicht rechtzeitig Ersatz in Form neuer Gaskraftwerke, Speicherkapazitäten oder anderer Flexibilitätsoptionen geschaffen wird. Der Bericht betont, dass die benötigten Investitionen Vorlaufzeit haben (Planung, Genehmigung, Bau dauern Jahre) und daher frühzeitig angestoßen werden müssen, damit bis Mitte der 2030er ausreichend Reservekraftwerke verfügbar sind[33][34].
Eine kritische Annahme in den bestehenden Studien ist, dass der Markt von sich aus rechtzeitig genügend neue Kraftwerke hinstellt – vor allem Gaskraftwerke (mit Option auf Wasserstoffbetrieb in Zukunft). Sowohl im ERAA als auch im BNetzA-Monitoring wird ein signifikanter markgetriebener Zubau von Gaskraftwerken unterstellt, um die Versorgung 2030+ zu sichern. Der Bericht äußert hier Zweifel an der Plausibilität: „Der signifikante marktgetriebene Zubau von Gaskraftwerken im ERAA und im VSM scheint ohne sonstige Anreize angesichts politischer und regulatorischer Unsicherheiten fraglich.“[35]. Tatsächlich ist die Investitionsbereitschaft derzeit gering, da Gas als fossiler Brennstoff langfristig aus Klimaschutzgründen zurückgedrängt werden soll und viele Unsicherheiten bestehen (CO₂-Preisentwicklung, künftige Betriebsstunden, Rentabilität, Regulierung). Es besteht also das Risiko einer Kapazitätslücke, wenn der Markt versagt. Um dem vorzubeugen, diskutiert der Bericht als Option die Einführung eines Kapazitätsmechanismus[36][37]. Ein Kapazitätsmechanismus würde Betreibern von Reservekraftwerken oder Speicheranlagen eine Vergütung dafür bieten, dass sie gesicherte Leistung bereitstellen – quasi eine Versicherung, dass ausreichende Reserve im System ist, selbst wenn der Energie-only-Markt diese nicht von alleine hervorbringt. In Theorie sollten zwar hohe Börsenpreise in Knappheit Zeiten diese Investitionen anreizen, doch Unsicherheiten über Brennstoffkosten oder zukünftige politische Eingriffe können die effiziente Koordination im Markt erschweren, sodass zusätzliche Anreize nötig werden[38][39]. Die politische Diskussion hierzu läuft bereits: 2023/24 haben mehrere Stimmen (etwa aus der Wissenschaft, von Energieversorgern und aus dem Wirtschaftsministerium) die Notwendigkeit eines Kapazitätsmarktes betont. Der Bericht unterstützt dies implizit, indem er ERAA und VSM als methodisch geeignet bezeichnet und als „notwendige Voraussetzung für die Einführung eines Kapazitätsmechanismus“ hervorhebt[40][41]. Es wird also darauf hinauslaufen, dass spätestens ab Mitte der 2020er konkrete Mechanismen installiert werden, um Investitionen in steuerbare Erzeugungskapazitäten (wie hocheffiziente Gaskraftwerke, ggf. großskalige Speicher) anzustoßen.
Neben neuen Kraftwerken spielt die Flexibilisierung eine entscheidende Rolle für die Versorgungssicherheit. Demand-Side-Management, Lastverschiebung, Batteriespeicher und Sektorkopplung (z.B. Power-to-Heat oder Vehicle-to-Grid) können Lastspitzen kappen und Überschüsse zwischenspeichern. Der Bericht sieht Flexibilität als Schlüsselrolle und verweist darauf, dass deren Nutzung bereits in der Planung berücksichtigt werden muss, um Netz- und Erzeugungsausbau zu optimieren[42][43]. Gelingt es, Verbrauch und Erzeugung zeitlich besser aufeinander abzustimmen, sinkt der Bedarf an Überkapazitäten. Zudem wirkt Flexibilität preisdämpfend, da in Zeiten knapper Kapazität Einspeisung hochgefahren bzw. Verbrauch reduziert werden kann, und umgekehrt Überschüsse aufgezehrt werden[44]. Die Annahme im Bericht ist, dass mit der voranschreitenden Digitalisierung (Smart Meter, intelligente Steuerung) hier erhebliche Effizienzpotenziale gehoben werden können – eine These, die plausibel ist, aber davon abhängt, dass entsprechende Regulatorik und Technik (z.B. dynamische Tarife, Steuerboxen gemäß §14a EnWG) flächendeckend kommen. Immerhin schreitet der Smart-Meter-Rollout inzwischen schneller voran (neues Gesetz GNDEW 2023) und bis 2025 sollen die Zwischenziele erreicht werden[45][46].
Realismus und Tragfähigkeit: Die Annahmen zur marktseitigen Versorgungssicherheit sind nur unter bestimmten Bedingungen realistisch. Positiv zu vermerken ist, dass der Bericht die Herausforderungen offen anspricht: Ohne zusätzliche Instrumente könnte die Versorgungssicherheit ab 2030 ernsthaft unter Druck geraten. Die vorgeschlagene Einführung eines Kapazitätsmechanismus und die Nutzung von Wasserstoffinfrastruktur (siehe unten) zeigen, dass man die rein marktbasierten Annahmen hinterfragt. In der Praxis wird es entscheidend sein, ob die Politik früh genug die richtigen Weichen stellt. Aktuell (Stand 2025) deutet vieles darauf hin, dass ein Kapazitätsmarkt tatsächlich eingeführt wird – das Bundeswirtschaftsministerium evaluiert entsprechende Modelle. Diese Notwendigkeit ist wissenschaftlich und empirisch untermauert durch die genannten Analysen (ERAA, VSM) und wurde auch vom Bundesnetzagentur-Chef betont. Es ist also plausibel, dass zur Sicherstellung der Versorgung neue marktunabhängige Anreize geschaffen werden müssen. Sollte dies ausbleiben oder verzögert passieren, wären die Annahmen zu glatt: Dann bestünde das Risiko, dass bis Ende der 2020er nicht genug Ersatz für wegfallende Kohle-/Atomkapazitäten am Netz ist. Für den Übergang hat Deutschland zwar Kapazitätsreserven etabliert (Netzreserve, Kapazitätsreserve), doch diese sind befristet und teils im Ausland kontrahiert[47].
Ein weiteres implizites Risiko ist die Importabhängigkeit in kritischen Situationen. Der Bericht erwähnt, dass in aktuellen Netzreserveszenarien ein Teil der Reserveleistung stets im Ausland angemietet werden muss[47]. Dies ist derzeit praktikabel (bspw. aus Österreich oder Frankreich werden Reservekraftwerke vertraglich gesichert), birgt aber ein Risiko, falls Nachbarländer zeitgleich Engpässe haben. Die Annahme im Bericht ist, dass europäische Koordination und der Verbundnetz-Effekt unterm Strich positiv zur Sicherheit beitragen – was grundsätzlich stimmt, aber nicht zu 100% planbar ist. Hier wird auf regulatorischer Ebene mit EU-weiten Adequacy-Analysen und einem möglichen europäischen Kapazitätsmechanismus reagiert. Insgesamt sind die angenommenen Maßnahmen (Kapazitätsmarkt, Flexibilisierung, internationale Kooperation) tragfähige Säulen, sofern sie zügig umgesetzt werden. Ihre Wirksamkeit hängt dann von der Ausgestaltung ab (z.B. muss ein Kapazitätsmarkt technologieoffen und wettbewerblich sein, damit nicht nur Gaskraftwerke, sondern auch Speicher, Lastmanagement und neue Optionen zum Zuge kommen). Es ist auch wahrscheinlich, dass die Nachfrage stärker gesteuert werden muss, als bislang üblich – z.B. Industriekunden, die gegen Vergütung Abschaltleistung bereitstellen, oder E-Autos, die intelligent laden. Diese Verhaltensänderungen sind in den Szenarien teilweise idealisiert unterstellt und müssen sich in der Realität erst erweisen.
Zusammengefasst sind die Annahmen zur marktseitigen Versorgungssicherheit nur dann plausibel, wenn die identifizierten Herausforderungen aktiv angegangen werden. Der Bericht liefert konsistente Vorschläge dafür (siehe Fazit), doch ob diese ausreichen, wird letztlich die Praxis zeigen. Angesichts des Zieldreiecks mit Klimaneutralität und Bezahlbarkeit ist jedenfalls klar, dass ein hohes Versorgungsniveau nur mit zusätzlichen Investitionen erreichbar bleibt – was wiederum Kosten verursacht[48]. Dies ist ein Zielkonflikt: Maximale Versorgungssicherheit kann die Stromkosten erhöhen[48], was jedoch wirtschaftlich vertretbar sein muss (siehe Wettbewerbsfähigkeit unten). Die Balance zwischen vertretbaren Kosten und notwendiger Reserve wird politisch zu justieren sein. Der Bericht liefert hier wichtige Transparenz, indem er die Lücken aufzeigt (z.B. Fehlen von Marktinvestitionen ohne Anreize).
Netzseite und Systemstabilität
Die netzseitige Versorgungssicherheit – also die Fähigkeit, den Strom vom Erzeuger zum Verbraucher zu transportieren – steht vor anderen Herausforderungen. Hauptansatz zur Sicherstellung ist der Ausbau und die Optimierung der Netzinfrastruktur (Übertragungs- und Verteilnetze) sowie effiziente Betriebsführung (z.B. Redispatch). Der Bericht hebt hervor, dass langfristig der Netzausbau und engere Netzsteuerung maßgeblich sind, während kurzfristig Redispatch und Netzreserve zum Einsatz kommen[49][50].
Aktuell wurden im Übertragungsnetz zwar etliche Verzögerungen verzeichnet, aber die Prognose ist nun positiver: Der aktuell erwartete Netzausbau bis 2030 zeigt deutliche Fortschritte und soll die erforderlichen Transportkapazitäten für den EE-Ausbau schaffen[51]. Einige Risiken bleiben (z.B. Verzögerungen bei Offshore-Anbindungen, die das 30-GW-Offshore-Ziel bis 2030 auf 2032 verschieben[52]), doch insgesamt sind Planung und Genehmigung im Begriff, effizienter zu werden (Stichwort: Umsetzung der EU-Notfallverordnung/RED III mit schnelleren Verfahren[53]). Ein Problem sind allerdings angespannte Lieferketten und gestiegene Kosten – die Netzbetreiber rechnen mit 440 Mrd. € Investitionsbedarf bis 2045 statt ursprünglich 320 Mrd. €[54], was Finanzierung und Terminpläne belasten kann.
Für die Verteilnetze ergibt sich durch die dezentrale Energiewende (PV-Anlagen, Wärmepumpen, E-Auto-Ladestellen) ein massiver Ausbaubedarf. Der Bericht nennt über 235 Mrd. € bis 2045, was eine Verdoppelung der bisherigen Jahresinvestitionen bedeutet[55]. Auch hier könnten weitere Erhöhungen nötig werden, da derzeit z.B. 20–25% der Niederspannungs- und Mittelspannungsnetzebene noch gar nicht in den Ausbauplänen berücksichtigt sind[56]. Gleichzeitig verweisen Studien auf Effizienz- und Einsparpotenziale von im Schnitt ~30% beim Verteilnetzausbau durch intelligente Lösungen[57] (etwa Spitzenkappung, flexibel steuerbare Verbraucher nach §14a EnWG, netzdienliche Speicher etc.). Dies deckt sich mit dem Leitprinzip „Netzoptimierung vor Verstärkung vor Ausbau“, das auch der Bericht aufführt[58].
Insgesamt sind die Annahmen zum Netzausbau konsistent: Es wird ein erheblicher Ausbau angenommen, aber auch erwartet, dass durch Digitaltechnik, Flexibilitäten und Netzoptimierung man den Aufwand reduzieren kann. Die Plausibilität hängt hier davon ab, dass genug Fachkräfte, Material und Akzeptanz für tausende Kilometer neue Leitungen vorhanden sind. Die zuletzt beschleunigten Genehmigungen machen vorsichtig optimistisch, doch ob wirklich bis 2030 alle kritischen Trassen (SüdLink, SüdOstLink etc.) fertig werden, bleibt abzuwarten. Der Bericht selbst weist auf mögliche „Fadenriss“-Risiken hin, falls die Novelle des Bundesbedarfsplangesetzes verzögert käme[59] – was die nächste Bundesregierung unbedingt vermeiden muss, um Kontinuität zu gewährleisten.
Systemstabilität: Hierunter fällt die Aufrechterhaltung von Frequenz- und Spannungsstabilität, Schwarzstartfähigkeit, Momentanreserve etc., vor allem in einem zukünftigen System mit sehr hohem Anteil leistungselektronisch einspeisender Anlagen (Wind, PV). Der Bericht verweist auf die „Roadmap Systemstabilität“, einen umfassenden Prozess mit breitem Akteurskreis, der Maßnahmen definiert, um auch in Stunden mit 100% Erneuerbaren einen sicheren Systembetrieb zu ermöglichen[60]. Dazu gehören der Aufbau von netzbildenden Stromrichtern, neue Regelreservekonzepte (Ersatz der rotierenden Massen in konventionellen Kraftwerken durch virtuelle Trägheit in Batterien oder Umrichtern) und die Bereitstellung von Blindleistung an den richtigen Stellen. Ein aktueller Systemstabilitätsbericht der Übertragungsnetzbetreiber identifiziert Handlungsbedarf insbesondere bei Momentanreserve, Blindleistung und netzbildenden Umrichtern[61]. Sprich: Es müssen ausreichend Anlagen vorhanden sein, die im Fehlerfall sofort Strom einspeisen können (Massen-Trägheitsersatz) und Spannung stützen. Der Bericht vermerkt, dass die meisten Prozesse auf Kurs sind, aber unklar bleibt, wie sich etwaige Verzögerungen auswirken könnten[62]. Hier ist die Annahme, dass Technik und Regelwerk rechtzeitig bereitstehen. Die Branche entwickelt bereits großbatterie-basierte Systeme, und erste netzbildende Wechselrichter (z.B. in einigen Windparks) werden erprobt. Die Herausforderung ist beherrschbar, erfordert aber konsequente Umsetzung. Bis 2025 wurden z.B. noch einige Gaskraftwerke in Netzsicherheitsbereitschaft gehalten, um Rotationsenergie bereitzustellen – diese müssen bis 2030 durch neue Lösungen ersetzt werden.
Resilienz und Krisenvorsorge (Dimension 4, die im Gutachten aus Sicherheitsgründen nicht vertieft wurde) bleibt zu erwähnen: Hier geht es um seltene Extremfälle (Blackout, Naturkatastrophen). Der Bericht verzichtet auf Details, weist aber darauf hin, dass diese Säule natürlich ebenfalls relevant ist[63]. Im öffentlichen Diskurs sind dies z.B. Fragen nach Notstromkonzepten, Inselnetzfähigkeit und Katastrophenschutz bei großflächigem Stromausfall. In den Annahmen wird wohl implizit davon ausgegangen, dass solche Eventualvorsorgen (z.B. Netzersatzanlagen, Inselbetrieb von Kraftwerken, Zivilschutz) von den zuständigen Stellen getroffen werden – diese liegen aber außerhalb der klassischen Energiemarktbetrachtung.
Gesamtbewertung Versorgungssicherheit: Der Bericht vermittelt das Bild, dass die Versorgungssicherheit aktuell gewährleistet ist und bei Umsetzung aller vorgesehenen Maßnahmen auch künftig hoch gehalten werden kann. Allerdings ist dies mit deutlich mehr Aufwand und neuen Instrumenten verbunden als in der Vergangenheit. Die Konsistenz der Annahmen ist gegeben: Man erkennt, dass ohne Kapazitätsmechanismen, beschleunigten Netzausbau, Speicherausbau und innovative Technologien die Versorgungssicherheit leiden würde. Genau diese Hebel werden als erforderlich benannt[64][37]. Fraglich ist die Plausibilität im Sinne der rechtzeitigen Umsetzung: Jede Verzögerung – sei es beim Bau eines Gaskraftwerks, beim Genehmigen einer Stromtrasse oder beim Installieren von Netzbooster-Batterien – kann die Reserve schrumpfen lassen. Der Bericht deutet solche Risiken an (Verzögerungen könnten Stabilität gefährden[62]) und plädiert für vorausschauende Planung.
In der Praxis werden 2025/26 einige Entscheidungen fallen müssen (z.B. Ausschreibungen für neue Gasturbinen als Kapazitätsreserve, strengere Verpflichtungen für Betreiber von EE-Anlagen zur Bereitstellung von Systemdienstleistungen etc.). Die Annahmen zur Versorgungssicherheit sind insofern tragfähig, als sie ein hohes Problembewusstsein zeigen und Lösungsoptionen integrieren. Ob diese ausreichen, hängt davon ab, ob etwa ein Kapazitätsmarkt wirklich genug Investitionen auslöst, wie schnell Wasserstoff-Kraftwerke marktreif sind und ob die Bevölkerung den nötigen Infrastrukturausbau mitträgt.
Der Bericht schlägt ergänzend eine clevere Nutzung der Wasserstoffinfrastruktur für die Versorgungssicherheit vor. Wasserstoffspeicher – etwa umgenutzte Erdgasspeicher – könnten „langfristige Schwankungen der EE-Erzeugung ausgleichen, Dunkelflauten absichern und Brennstoff für steuerbare Kraftwerke liefern“, was die Versorgungssicherheit stärkt[65][64]. Die Idee: Überschüssiger Strom im Sommer wird in Form von Wasserstoff gespeichert (Power-to-Gas) und im Winter oder bei Flaute in Gaskraftwerken rückverstromt. Damit würde die saisonale Lücke geschlossen. Der Bericht sieht darin eine wichtige Option, da dadurch auch die Netzbelastung reduziert und die Resilienz erhöht werden kann[66][64]. Diese Annahme ist plausibel – technisch ist die Umwidmung von Gasspeichern zu H₂-Speichern bereits geplant (sogenanntes „Wasserstoff-Kernnetz“ mit Speicherverbund). Noch sind allerdings Wirkungsgrade und Kosten eine Herausforderung: Wasserstoff als Stromspeicher verursacht hohe Verluste und Kosten. Doch perspektivisch (Richtung 2040) dürfte es unumgänglich sein, Überschussstrom in chemische Energie zu überführen. Die Annahme im Bericht ist, dass diese Technologie rechtzeitig hochskaliert wird. Kurzfristig (bis 2030) spielen H₂-Speicher für die Stromversorgung noch eine kleine Rolle, da das H₂-System erst im Aufbau ist und eher für Industrieanwendungen gedacht ist. Mittelfristig jedoch stimmt die Richtung: Die Integration von Strom- und Gassektor erhöht die Versorgungssicherheit und Flexibilität des Gesamtsystems beträchtlich.
Zwischenfazit: Die im Bericht genannten Maßnahmen zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit (Kapazitätsmechanismus, Netzausbau, Flexibilisierung, H₂-Speicher etc.) adressieren die erkannten Herausforderungen direkt. Sie sind notwendig und fachlich fundiert. Ob sie ausreichen, wird davon abhängen, ob unvorhergesehene Entwicklungen auftreten – z.B. deutlich höherer Stromverbrauch als angenommen oder eine Verzögerung im EE-Ausbau, die dann mehr Gaskraftwerke erfordern würde. In solchen Fällen müssten zusätzliche Schritte erwogen werden (siehe Fazit). Grundsätzlich bietet das heutige Stromsystem dank Puffer (Reserven, Nachbarn, Lastmanagement) ein hohes Sicherheitsniveau, und die Annahme ist, dieses Niveau in die Zukunft zu übertragen. Das ist ambitioniert, aber nicht unmöglich. Allerdings muss man klar sehen: Ohne aktive politische Steuerung (im Gegensatz zur Vergangenheit, wo der Energiemarktüberschüsse hatte) geht es nicht. Der Bericht trägt dem Rechnung, indem er die Notwendigkeit politischer Weichenstellungen hervorhebt. Aus wissenschaftlicher Sicht decken sich diese Empfehlungen mit gängigen Studien zur Resource Adequacy: Fast alle kommen zum Schluss, dass hochgradig erneuerbare Stromsysteme zusätzliche Kapazitätssicherungs-Mechanismen brauchen, um jederzeit Versorgungssicherheit zu gewährleisten[40][67].
Im Ergebnis sind die Annahmen zur Versorgungssicherheit realistisch, wenn flankierende Maßnahmen ergriffen werden. Ohne diese würden sie zu optimistisch ausfallen. Dass der Bericht dies deutlich macht, ist positiv zu bewerten. Im nächsten Schritt stellt sich die Frage, ob noch weitere Technologien oder Optionen eingebunden werden könnten, die im Bericht nur am Rande oder gar nicht diskutiert wurden, um entweder den Strombedarf zu beeinflussen oder die Versorgung zu stärken.
Potenzial weiterer Technologien und Optionen
In diesem Abschnitt betrachten wir ergänzend einige Technologien, die im Monitoringbericht wenig oder gar nicht behandelt wurden, und prüfen deren mögliches Potenzial für Strombedarf und Versorgungssicherheit: Geothermie, „weißer“ Wasserstoff (natürlich vorkommender Wasserstoff) sowie die Kernenergie. Obwohl diese Optionen teils außerhalb des derzeitigen politischen Mainstreams liegen (insbesondere Kernenergie), ist eine ganzheitliche Analyse sinnvoll, um kein relevantes Lösungsoptionen vorschnell auszuschließen – zumal wissenschaftliche Diskurse oft eine breite „Technologieoffenheit“ empfehlen.
Geothermie
Geothermie – also die Nutzung von Erdwärme – wird im Bericht nur am Rande erwähnt, vor allem im Zusammenhang mit Wärmenetzen. Ihr Beitrag zur Stromerzeugung ist derzeit in Deutschland sehr gering. Laut der EEG-Mittelfristprognose 2023 hatte die Geothermie 2023 eine installierte elektrische Leistung von nur ca. 50 MW, mit einer Jahresstromerzeugung von 192 GWh (0,192 TWh)[68][69]. Bis 2029 könnte die Leistung auf rund 70 MW steigen und die Stromproduktion auf etwa 270 GWh anwachsen[68] – also kaum 0,3 TWh im Jahr 2030. Diese Zahlen verdeutlichen: Kurz- und mittelfristig spielt Geothermie im Stromsektor nur eine marginale Rolle. Entsprechend ist es nachvollziehbar, dass sie im Bericht nicht als Schlüsselfaktor für die Versorgungssicherheit betrachtet wird.
Allerdings besitzt Geothermie als grundlastfähige, wetterunabhängige erneuerbare Energie langfristig durchaus Reiz. In Deutschland sind vor allem der Oberrheingraben, das Molassebecken in Bayern und einige vulkanische Gebiete für hydrothermale Geothermie geeignet. Bisherige Projekte (z.B. in Insheim, Unterhaching, München) zeigen, dass tiefe Geothermie vorrangig für Wärmeversorgung (Fernwärme) attraktiv ist – die Stromproduktion fällt oft gering aus, weil die Temperaturniveaus vergleichsweise niedrig sind. Technisch wäre in Zukunft Enhanced Geothermal Systems (EGS) denkbar, die durch künstliche Rissbildung tiefes heißes Gestein erschließen. Sollte diese Technik reifen, könnte in vielen Regionen (nicht nur geologisch privilegierten) Erdwärme genutzt werden. Studien beziffern das theoretische Potenzial tiefer Geothermie für Deutschland auf zweistellige Terawattstunden-Bereiche jährlich, jedoch ist das ökonomisch erschließbare Potenzial viel geringer und stark vom Bohrrisiko abhängig.
Für die Versorgungssicherheit könnte Geothermie in zweierlei Hinsicht beitragen: Zum einen als dauerhaft verfügbare Stromquelle (was die Abhängigkeit von Sonne/Wind verringert), zum anderen indem sie wärmesektorale Elektrizitätsbedarfe reduziert – z.B. durch geothermale Fernwärme, wodurch weniger elektrische Wärmepumpen laufen müssten. Im Bericht wird Geothermie als ergänzende Option zur Elektrifizierung im Wärmesektor erwähnt[70], gerade in Städten mit geeigneter Geologie. Dies kann indirekt Strom einsparen. Insgesamt ist das Potenzial der Geothermie in Deutschland begrenzt aber nicht zu vernachlässigen. Politisch erfährt sie inzwischen mehr Förderung (etwa durch KfW-Programme zur Bohrkostenabsicherung). Bis 2030 wird ihr Anteil am Strom jedoch <1% bleiben; bis 2045 könnte er moderat wachsen, aber nach aktuellem Stand kein Gamechanger sein. Gleichwohl sollte Geothermie im Instrumentenmix berücksichtigt werden, da sie grundlastige erneuerbare Energie liefert – und in Zeiten winterlicher Dunkelflauten könnte jede MWh Geothermie-Strom helfen.
Fazit zur Geothermie: Die im Bericht implizite geringe Gewichtung der Geothermie erscheint angesichts der heutigen Realitäten konsistent. Zugleich wäre es strategisch sinnvoll, die Entwicklung im Blick zu behalten. Falls neue Technologien oder erfolgreiche Projekte die Machbarkeit verbessern, könnte Geothermie auf längere Sicht einen stabilisierenden Beitrag leisten, der im Monitoring künftig stärker berücksichtigt werden sollte. Aktuell sind jedoch Ausbauhindernisse (hohe Investitionskosten, Fündigkeitsrisiko, Erdbebengefahren) so, dass Geothermie keine kurzfristige Entlastung für den steigenden Strombedarf oder die Versorgungssicherheit bieten wird.
„Weißer“ Wasserstoff (natürliche Wasserstoffvorkommen)
Als „weißer Wasserstoff“ wird Wasserstoff bezeichnet, der natürlich in der Erdkruste gebildet und in nutzbarer Konzentration in geologischen Lagerstätten vorkommt. Dieses Konzept ist relativ neu in der Energiedebatte. Der Bericht erwähnt es nicht, bislang spielen natürliche H₂-Vorkommen in keinem Energie- oder Klimaszenario eine Rolle, da ihre Erkundung und wirtschaftliche Nutzung erst am Anfang stehen. Dennoch sorgen aktuelle Studien für Aufmerksamkeit: Geologen haben Anzeichen für große natürliche Wasserstoffvorkommen weltweit gefunden. Eine 2025 veröffentlichte Modellierungsstudie des US Geological Survey schätzt das globale technisch mögliche Potenzial sogar auf etwa 5,6 Millionen Megatonnen H₂[71]. Würde man nur einen kleinen Bruchteil davon fördern können, entspräche der Energieinhalt immer noch dem aller bekannten Erdgasreserven der Welt[71]. Mit anderen Worten: In der Theorie liegt in der Erdkruste unglaublich viel Wasserstoff gebunden – genug, um die Welt über Jahrhunderte zu versorgen[72]. Dieser Wasserstoff entsteht durch Prozesse wie Serpentinisierung (Reaktion von Wasser mit eisenhaltigem Gestein im Erdmantel) oder Radiolyse von Wasser in tieferen Gesteinsschichten[73].
Bereits bekannte Vorkommen sind rar, aber es gibt eindrucksvolle Beispiele: In Mali wird seit einigen Jahren ein natürliches Wasserstoff-Vorkommen angezapft, um ein Dorf mit Strom zu versorgen[74]. In Europa wurden kleinere Vorkommen in Frankreich (Lothringen) entdeckt[75], ebenso gibt es Hinweise in Albanien und Australien[75]. Die geologischen Bedingungen könnten insbesondere in Gebirgsregionen günstig sein, wie eine Studie des GFZ Potsdam nahelegt – Gebirge wie die Pyrenäen oder Alpen mit exhumiertem Mantelgestein könnten „Hotspots“ der natürlichen H₂-Bildung sein[76][77]. Tatsächlich laufen Explorationsprogramme, z.B. in den französischen und spanischen Pyrenäen, um dort eventuelle förderbare Wasserstoffansammlungen zu lokalisieren[77].
Für Deutschland ist die Frage: Gibt es hier erschließbare weiße Wasserstoffvorkommen? Deutschland hat Teile der Alpen (Bayern) und alte Riftsysteme (Oberrheingraben, Norddeutsches Becken). Bisher wurden keine oberflächennahen H₂-Austritte bekannt, aber Forscher halten es nicht für ausgeschlossen, dass im tiefen Untergrund – etwa in Verbindung mit Salzstöcken oder uranhaltigen Gesteinen – Wasserstoff vorhanden ist[78][79]. Konkrete Exploration steht jedoch noch ganz am Anfang. Sollte weißer Wasserstoff in bedeutenden Mengen verfügbar sein, wäre das ein absoluter Paradigmenwechsel: Man könnte Wasserstoff fördern wie Erdgas, ohne jeden Stromaufwand und ohne CO₂-Emissionen. Das würde den Strombedarf drastisch reduzieren, weil die aufwändige Elektrolyse wegfiele, und zugleich die Versorgungssicherheit erhöhen, da ein neuer einheimischer Energieträger zur Verfügung stünde.
Für die nächsten 10–20 Jahre dürfte weißer Wasserstoff in Deutschland keinen Beitrag leisten, da erst grundlegende geologische Untersuchungen laufen müssen (etwa Analyse alter Bohrkerne auf H₂-Spuren, geophysikalische Modelle). Sollte Europa tatsächlich lohnende Lager entdecken – was optimistische Stimmen nicht ausschließen – käme das eher Richtung 2035+ in Frage. Denkbar wäre, dass z.B. in Osteuropa oder Nordafrika natürliche H₂-Quellen erschlossen und per Pipeline transportiert werden könnten.
Da der Bericht den weißen Wasserstoff nicht erwähnt, kann man festhalten: Es wäre ratsam, bei künftigen Strategieüberlegungen zumindest Beobachtungskapazitäten vorzuhalten. Sollte sich herausstellen, dass z.B. im europäischen Alpenraum förderbarer Wasserstoff existiert, müsste die deutsche Energiepolitik darauf reagieren (etwa durch bilaterale Projekte).
Kurzfristig ist weißer Wasserstoff kein Ersatz für die geplanten grünen Wasserstoffstrategien. Langfristig jedoch könnte er – im Erfolgsfall – ein „Überraschungsjoker“ sein, der die Energiewende erleichtert. Das Potenzial, so es sich realisiert, wäre enorm: Selbst wenn nur ein kleiner Teil der global modellierten Ressourcen nutzbar wäre, enthielte dieser mehr Energie als alle Erdgasreserven der Welt[71]. Diese Zahl verdeutlicht, dass hier möglicherweise eine Gamechanger-Technologie schlummert. Gleichzeitig besteht das Risiko, falsche Hoffnungen zu wecken – aktuell muss man weißen Wasserstoff als spannende Forschungsfrage, aber noch nicht als belastbare Säule der Energieversorgung einstufen. Für die Versorgungssicherheit bis 2030/35 spielt er keine Rolle.
Kernenergie (Atomenergie)
Die Kernenergie hat in Deutschland bekanntlich einen politischen Sonderweg genommen: Am 15. April 2023 wurden die letzten drei Atomkraftwerke (Isar 2, Emsland, Neckarwestheim 2) planmäßig abgeschaltet[81]. Damit ist die kommerzielle Kernenergienutzung hierzulande beendet. Im Monitoringbericht taucht Atomenergie folgerichtig praktisch nicht auf – sie ist weder Teil der Szenarien noch als Maßnahme vorgesehen. Die Autoren mussten sich an den aktuellen energiepolitischen Rahmen halten, der Kernkraft ausschließt. Dennoch stellt sich die Frage, ob eine Rolle der Kernenergie – sei es durch Laufzeitverlängerungen, Reaktivierung oder neue Reaktortechnologien – die Annahmen zu Strombedarf und Versorgungssicherheit beeinflussen würde, und ob das im Sinne der Tragfähigkeit der Energiewende nötig wäre.
Zunächst: Die direkte Auswirkung auf den Strombedarf hätte Kernenergie kaum, denn sie ist eine Angebotsseite-Technologie. Indirekt könnte sie den Strombedarf etwas reduzieren, wenn dadurch weniger Wasserstoff im Ausland produziert werden müsste (Stichwort: „rosafarbener“ Wasserstoff, also mittels Kernenergie erzeugt). Relevanter ist aber ihr Einfluss auf die Versorgungssicherheit und die Zielerreichung. Kernkraftwerke liefern grundlastfähigen, CO₂-armen Strom und könnten damit die Lücke füllen, die durch den Kohleausstieg und schwankende Erneuerbare entsteht. In vielen Klimaschutz-Szenarien anderer Länder bleibt Kernenergie eine wichtige Säule. Beispielsweise plant Frankreich, zusätzlich zu seinem EE-Ausbau, den Neubau von mindestens sechs EPR-Reaktoren, um Versorgungssicherheit und Klimaziele parallel zu erreichen. Ähnlich setzen osteuropäische Staaten, Großbritannien, ja sogar die Niederlande wieder auf neue Kernkraft. Aus globaler wissenschaftlicher Sicht (IPCC etc.) wird Kernenergie als klimafreundliche Firm-Power-Option* gesehen. In Deutschland jedoch stehen dem Sicherheitsbedenken, ungelöste Endlagerfragen und die politische Grundsatzentscheidung entgegen.
In Bezug auf die Plausibilität der Annahmen im Bericht heißt das: Man hat hier ein Szenario ohne Kernkraft durchkalkuliert. Die obigen Analysen zeigen, dass dies technisch möglich ist (über hohe Erneuerbaren-Anteile, Gaskraftwerke, Speicher, Demand Response usw.), aber anspruchsvoll. Würde man Kernenergie wieder zulassen, könnte dies die Anforderungen etwas entschärfen – z.B. wären dann weniger neue Gaskraftwerke nötig und die Versorgungssicherheit würde sich erhöhen, da Kernkraft unabhängig vom Wetter Strom liefert. Allerdings kommt der Faktor Zeit ins Spiel: Neue Kernkraftwerke bräuchten viele Jahre Vorlauf (konventionelle Reaktoren ~15 Jahre bis Inbetriebnahme, kleine modulare Reaktoren – SMR – frühestens ab frühem 2030er Jahre verfügbar, dann auch erst in kleiner Stückzahl). Für die akuten Ziele 2030 bringt Kernenergie somit keine kurzfristige Entlastung. Selbst wenn man 2025 beschlösse, neue Reaktoren zu bauen, würden diese wohl kaum vor 2035 Strom liefern. Allenfalls die Idee einer Laufzeitverlängerung der 2023 abgeschalteten Meiler hätte kurzzeitig helfen können – diese Option wurde aber verworfen und mittlerweile ist der Rückbau teils im Gange. Ein Antrag der Opposition, ein „Moratorium für den Rückbau abgeschalteter Kernkraftwerke“ zu verhängen und diese ggf. wieder in Betrieb nehmen zu können, wurde im Dezember 2024 im Bundestag diskutiert, aber mehrheitlich zurückgewiesen bzw. an Ausschüsse überwiesen[82][83]. Ebenso erging es Forderungen nach einem „Neuanfang mit Kernenergie“ und dem Beitritt Deutschlands zur europäischen „Nuklearallianz“ pro Kernkraft[82] – bislang blieb die deutsche Linie unverändert skeptisch gegenüber Atomenergie.
Für die Wettbewerbsfähigkeit und die langfristigen Klimaziele gibt es allerdings eine Debatte, ob der Verzicht auf Kernkraft problematisch ist. Befürworter (auch einige Ökonomen und Ingenieure) argumentieren, dass dadurch die Strompreise unnötig hoch bleiben und man sich zu stark auf Gas als Übergangstechnologie stützt. Gegner entgegnen, dass neue Kernkraftwerke teuer und langsam sind und somit keine sinnvolle Klimaschutzmaßnahme bis 2045 darstellen, ganz abgesehen vom Entsorgungsproblem. In Hamburg etwa stellte der Klimabeirat 2024 fest: „Atomenergie ist keine Lösung für die Klimapolitik“, mit Verweis auf hohe Kosten und Unflexibilität[84]. Dem stehen internationale Studien gegenüber, die Kernenergie in diversen Ländern als kosteneffektiv betrachten, sofern politisch akzeptiert.
Was bedeutet das für die Konsistenz der Energiewende-Strategie? Der Bericht „Energiewende. Effizient. Machen.“ kommt ohne Kernkraft aus, aber nur mit erhöhtem Aufwand in anderen Bereichen. Sollte einer dieser Bereiche straucheln (z.B. wenn der EE-Ausbau die 80%-Quote bis 2030 deutlich verfehlt oder wenn sich herausstellt, dass extrem viel Wasserstoffstrom gebraucht wird), dann wäre Kernenergie die naheliegende Reserveoption – allerdings politisch derzeit blockiert. Die Tragfähigkeit der Annahmen hängt somit auch an der politischen Stabilität dieser Entscheidung. Sollte es in Zukunft zu einer Neubewertung kommen (etwa durch eine andere Regierung oder veränderte öffentliche Meinung), könnten SMRs oder fortschrittliche Reaktoren ab den 2030ern ins Spiel kommen. Das würde die Versorgungssicherheit erhöhen und Emissionen senken, jedoch neue Herausforderungen (Regulierung, Investorenfindung, Standortsuche) mit sich bringen.
Aus jetziger Sicht ist die Nichtberücksichtigung der Kernenergie im Bericht folgerichtig, da die politische Beschlusslage eindeutig ist. Die Energiewende wird somit als „ohne Atomkraft machbar“ geplant, was technisch mit erhöhtem Flexibilitäts- und Speicherbedarf unterlegt ist. Sollten sich aber die Rahmenbedingungen ändern – z.B. durch eine Verschärfung der Klimaziele oder gravierende Probleme bei der Versorgungssicherheit – wäre Kernenergie als zusätzliche Option zu diskutieren. Die meisten Nachbarländer halten sie als Option offen, was in gewisser Weise auch Deutschland zugutekommen kann: Über den europäischen Strommarkt können wir ja zu Zeiten Strom aus ausländischen Kernkraftwerken importieren (Frankreich, Schweiz, Tschechien speisen Kernstrom ein). Dieser indirekte Nutzen besteht bereits. Direkter Wiedereinstieg würde politisch einen enormen Kurswechsel bedeuten, der frühestens nach der Bundestagswahl 2025 denkbar wäre, sofern eine entsprechend eingestellte Mehrheit zustande käme. Aktuell gibt es dafür keine Anzeichen in der Mehrheitsmeinung – aber die Energiekrise 2022/23 hat das Meinungsspektrum etwas geöffnet (die Laufzeitverlängerung bis April 2023 war ja ein Tabubruch, wenn auch ein befristeter).
Fazit zur Kernenergie: Für die kurzfristigen Ziele der Energiewende bis 2030 ist Kernenergie faktisch vom Tisch und auch nicht nötig, wenn alle anderen Maßnahmen greifen. Für die langfristige Versorgungssicherheit und Klimaneutralität bis 2045 wäre sie technisch eine hilfreiche Stütze, aber politisch unerwünscht. Die Annahmen im Bericht sind konsistent damit und daher aus politischer Perspektive plausibel. Aus rein wissenschaftlich-technischer Perspektive könnte man monieren, dass eine Option ausgeblendet wird, die zumindest als Back-up-Plan hilfreich sein könnte. Sollten z.B. 2030 die Emissionen noch hoch sein und zugleich Strom knapp, würde die Diskussion sicher neu aufflammen. Bis dahin jedoch ist die Strategie klar auf 100% erneuerbare + Speicher/Flexibilität gesetzt. Diese Strategie ist anspruchsvoller, aber – laut vielen Studien – prinzipiell möglich und angesichts der deutschen Rahmenbedingungen (gesellschaftliche Akzeptanz, Kosten, Risiken) der gewählte Pfad.
Die drei diskutierten Technologien lassen sich abschließend in ihrer Bedeutung vergleichen:
Technologie |
Im Bericht berücksichtigt? |
Beitrag bis 2030 (Strom) |
Langfristiges Potenzial und Rolle |
Geothermie |
Kaum (nur Randnotiz im Wärmesektor) |
~0,3 TWh/a bis 2030[69] (sehr gering) |
Könnte bis 2045 in geeigneten Regionen ausgebaut werden (primär Wärme, Strom allenfalls einige TWh). Wetterunabhängig, grundlastfähig, aber begrenztes Potenzial und hohe Kosten. |
„Weißer“ Wasserstoff (natürliche H₂-Vorkommen) |
Nein (kein Thema im Bericht) |
0 TWh (noch keine Nutzung) |
Theoretisch gigantisch (globale Ressourcen > Erdgas)[71], aber in Dtl. bisher kein nachgewiesenes förderbares Vorkommen. Frühestens langfristig relevant, falls Explorationsfunde gelingen. Könnte dann Strom für Elektrolyse ersetzen und Versorgungssicherheit steigern. |
Kernenergie |
Nein (ausgeschlossen durch Ausstiegsbeschluss) |
0 TWh (nach Abschaltung 2023) |
Technisch hoher Beitrag möglich (CO₂-freie Grundlast). In Dtl. politisch nicht gewollt; Neubau würde >10 Jahre dauern. Könnte langfristig Versorgungssicherheit stützen, ist aber außerhalb aktueller Planungen. |
Diese Gegenüberstellung zeigt, dass keine dieser Technologien kurzfristig die im Bericht vorgesehenen Maßnahmen ersetzen kann, sie allenfalls ergänzen. Geothermie leistet einen kleinen Beitrag, der auch im Bericht schon implizit enthalten ist (wenn auch quantitativ unbedeutend). Weißer Wasserstoff ist ein unbekannter Faktor – interessant, aber für die nächsten Jahre irrelevant. Kernenergie war bis 2023 eine Stütze (rund 5–6 % der Stromerzeugung kamen 2022 noch aus Kernkraftwerken), entfällt nun aber vollständig und wurde in den Annahmen entsprechend auf 0 gesetzt.
Implikationen für Industrie, neue Technologien und Wettbewerbsfähigkeit
Abschließend soll bewertet werden, wie realistisch die Annahmen des Berichts im Lichte der Ziele Erhalt der industriellen Basis, Entwicklung neuer Technologien (insb. KI/IT), Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit und Beitrag zum Wirtschaftswachstum sind. Diese Aspekte sind eng mit Strombedarf und -versorgung verknüpft: Energie ist der Lebensnerv der modernen Industrie und Digitalwirtschaft.
Industrielle Basis: Der Bericht geht – wie erwähnt – davon aus, dass die Klimaziele ohne De-Industrialisierung erreicht werden sollen[10]. Dies impliziert, dass energieintensive Schlüsselindustrien (Stahl, Chemie, Zement, Grundstoffsektor) im Land gehalten und transformiert werden (z.B. grüner Stahl durch Elektroöfen + Wasserstoff). Die Realisierung dieser Annahme hängt wesentlich von wettbewerbsfähigen Strompreisen und verlässlicher Versorgung ab. Deutschlands Industrie leidet aktuell unter sehr hohen Stromkosten im internationalen Vergleich. 2024 zahlten hiesige Industriekunden (20–70 GWh/a Verbrauch) etwa 150 € pro MWh, während in den USA der Preis bei ~67 €/MWh lag und in Spanien bei ~100 €[85]. „In kaum einem anderen Land zahlen Unternehmen so viel für Strom wie in Deutschland. Die im internationalen Vergleich hohen Kosten gefährden ihre Wettbewerbsfähigkeit.“[86] konstatiert das Institut der deutschen Wirtschaft. Die Bundesregierung hat darauf reagiert und im August 2025 die Erlaubnis der EU erhalten, einen subventionierten Industriestrompreis einzuführen[87][85]. Geplant ist, energieintensiven Betrieben bis 2030 einen Preis von rund 5–6 ct/kWh für einen Teil ihres Verbrauchs zu garantieren[88]. Kurzfristig entlastet das die Unternehmen deutlich (insgesamt ~4 Mrd. € Einsparung über 3 Jahre für die Industrie)[89][90]. Allerdings ist dies eine Übergangshilfe; langfristig – so betont selbst die Industrie – muss die Stromerzeugung in Deutschland effizienter und kostengünstiger werden, damit ohne Dauersubvention konkurrenzfähige Preise möglich sind[91][92]. Hier kommen die Annahmen des Berichts ins Spiel: Wenn es gelingt, sehr viel günstigen erneuerbaren Strom bereitzustellen und gleichzeitig Flexibilität/Netze so zu optimieren, dass unnötige Kosten vermieden werden, könnten die Stromkosten perspektivisch sinken. Tatsächlich sind Wind- und Solarenergie heute die günstigsten Erzeugungsformen – das drückt den Großhandelsstrompreis an vielen Stunden. Allerdings treiben die aktuellen hohen Investitionskosten (für Netze, Backup-Kraftwerke, Speicher) sowie Abgaben die Endpreise.
Die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie hängt also daran, dass die Energiewende insgesamt kosteneffizient umgesetzt wird. Der Bericht weist mehrfach auf Kosteneffizienzpotenziale hin (z.B. netzdienliche Steuerung, Verzicht auf unnötig teure Technologien)[93][94]. Sollten diese nicht gehoben werden, besteht das Risiko, dass Strom dauerhaft teuer bleibt. In dem Fall würden energieintensive Unternehmen womöglich ihre Produktion drosseln oder ins Ausland verlagern – was einer schleichenden Deindustrialisierung gleichkäme, entgegen der Annahme. Erste Anzeichen dafür gab es 2022/23, als die energieintensive Produktion (Ammoniak, Aluminium) in Deutschland drastisch sank wegen explodierender Energiepreise. Ein Teil hat sich erholt, ein Teil aber nicht. Der industrielle Stromverbrauch war 2024 ca. 16% niedriger als 2015[95], was teils auf Effizienz, teils aber auf Produktionsrückgang und Strukturwandel zurückzuführen ist[96].
Erhalt der Industrie ist also realistisch nur bei ausreichender Energieversorgung zu konkurrenzfähigen Preisen. Die Annahmen des Berichts – hohe Versorgungssicherheit und massiver EE-Ausbau – sind notwendige Voraussetzungen dafür. Ob sie hinreichen, ist eng mit politischen Flankierungen verknüpft, wie dem erwähnten Industriestrompreis oder Investitionshilfen für grüne Transformation (z.B. Carbon Contracts for Difference für grüne Stahlwerke). Es ist zu erwarten, dass nur die Kombination aus günstigem Strom und direkter Transformationsförderung die industrielle Basis sichert. Der Bericht behandelt direkte Industriesubventionen zwar nicht, legt aber mit der Analyse des Stromsystems den Grundstein dafür, solche Entscheidungen zu treffen. Sollte absehbar sein, dass der Strom bis 2030 nicht billig genug wird, müssten weitere Kompensationen erfolgen – was wiederum in den Szenarien nicht explizit abgebildet ist (dort wird häufig idealisiert von einer zahlungsbereiten Nachfrageseite ausgegangen[21]).
Neue Technologien (KI, IT): Die Digitalisierung und KI-Entwicklung ist ein Wachstumstreiber, der engen Bezug zur Stromversorgung hat. Große Rechenzentren und High-Performance-Computing benötigen enorme Strommengen (siehe oben, erwarteter Anstieg auf 50+ TWh bis 2037)[97]. Für internationale Tech-Konzerne ist die Verfügbarkeit von preiswertem Grünstrom ein wichtiger Standortfaktor. Deutschland hat hier Konkurrenz z.B. durch skandinavische Länder mit billiger Wasserkraft oder die USA (Bundesstaaten mit sehr niedrigen Strompreisen). Damit Deutschland als IT-Standort attraktiv bleibt, müssen die Annahmen des Berichts – insb. hoher EE-Anteil und Versorgungssicherheit – Realität werden. Die Stromnachfrage im IT-Sektor kann durchaus flexibel gestaltet werden (Rechenzentren können Lasten zeitlich verschieben oder notfalls Dieselgeneratoren einsetzen), aber langfristig wollen Betreiber natürlich 24/7 grünen Strom aus dem Netz. Eine Gefahr besteht darin, dass bei Stromknappheit Lastabwürfe zuerst bei solchen „nicht kritischen“ Verbrauchern erfolgen könnten – das würde aber die Investitionsbereitschaft in KI-Infrastruktur dämpfen. Der Bericht erkennt die Unsicherheit und Bandbreite hier an[14], gibt aber wenig konkrete Handlungsempfehlungen außer dem generellen Ausbau. Möglicherweise wäre es sinnvoll, gezielt HPC-Rechenzentren in Nähe von Überschuss-EE-Regionen anzusiedeln (etwa im Norden mit viel Wind) – solche Kopplungen von Industrieansiedlung und Energieangebot könnten sowohl den Stromverbrauch decken als auch Netzengpässe mindern.
Für KI-Entwicklung und generell Digitalisierung ist auch die Qualität der Stromversorgung relevant: Häufige oder lange Stromausfälle wären fatal für Rechenzentren und digitale Dienste. Hier punktet Deutschland bisher mit einer sehr stabilen Versorgung. Die Annahme, dass dies so bleibt, ist für den Tech-Sektor essenziell. Jede Maßnahme zur Stabilität (Netzstützung, schnelle Störungsbehebung, Inselnetzkonzepte) zahlt indirekt auf den Digitalstandort ein. Der Bericht nennt zwar nicht explizit KI, aber seine Empfehlungen (z.B. Systemstabilitäts-Roadmap[60]) stellen sicher, dass auch in Extremsituationen die Lichter nicht ausgehen – ein wichtiger Punkt für datenzentrierte Branchen.
Wirtschaftswachstum: Eine zuverlässige und ausreichende Energieversorgung ist Grundvoraussetzung für Wachstum. Der Bericht geht implizit von moderatem weiterem Wachstum aus, bei steigender Energieproduktivität. Sollte der Strom zum Engpass werden (quantitativ oder preislich), würde das Wachstum gehemmt. Umgekehrt kann eine gut gemanagte Energiewende Wachstumspotenziale freisetzen: Der Aufbau der EE-Anlagen, Netze, Speicher und neuen Technologien schafft Arbeitsplätze und Investitionen. Zudem kann günstiger grüner Strom neue Industrien anziehen (z.B. „Power-to-X“-Produktionsanlagen, grüne Chemie).
Die Annahmen im Bericht, insbesondere dass bis 2030 80% Erneuerbare am Stromverbrauch erreicht werden und genug Flexibilität vorhanden ist, sind auch unter dem Aspekt Wachstum zu sehen: Gelingt dies, hätte Deutschland einen der grünsten Strommixe weltweit und könnte im globalen Wettbewerb um klimafreundliche Produkte (Stahl, Chemie, Autos) punkten. Verfehlt man es, drohen Nachteile. Die Szenarien unterstellen, dass es gelingt ohne Wohlstandsverlust – das ist ambitioniert, aber wenn alle Stellschrauben richtig gestellt werden, plausibel. Allerdings: Der Weg dorthin erfordert hohe Investitionen (Strompreisstützen, Netzausbaukosten etc.), die kurz- bis mittelfristig die Wirtschaft belasten können. Nur wenn diese Investitionen langfristig zu niedrigeren Energiekosten führen, zahlen sie sich als Wachstumstreiber aus. Hier ist die Kostenfrage zentral. Der Bericht kalkuliert Kosteneffizienz ein, weist aber auch auf methodische Grenzen hin (Systemkosten oft unvollständig in Szenarien betrachtet)[98][99]. Das heißt, die tatsächliche wirtschaftliche Belastung könnte höher sein als in optimierten Modellen – was dann Wachstum temporär dämpfen könnte (z.B. durch höhere Strompreise bis sich die Investitionen amortisieren).
Aktuell versucht die Politik, diesen Spagat zu meistern, indem sie mit Subventionen Zeit kauft (z.B. Industriestrompreis) und parallel den Ausbau vorantreibt. Das entspricht im Grunde dem, was der Bericht implizit fordert: kurzfristig Maßnahmen zur Sicherung der Industrie (auch wenn das im Bericht nicht direkt steht, wird es politisch als notwendig erkannt), und langfristig die Energieversorgung transformieren, sodass sich die Preise normalisieren. Die IW-Analyse etwa mahnt: Der Industriestrompreis ist hilfreich, aber drei Jahre sind kurz – langfristig muss die Politik für nachhaltig niedrigere Kosten sorgen durch effizienten Ausbau der Erzeugung, Netze und regelbaren Kraftwerke[100][91]. Genau diese langfristigen Hebel sind Thema des Berichts.
Zusammengefasst lässt sich sagen: Die Annahmen des Berichts sind im Grundsatz realistisch und tragfähig hinsichtlich Industrie, Technologie und Wachstum – aber nur unter der Bedingung, dass die Energiewende energiewirtschaftlich ein Erfolg wird. Falls z.B. die Versorgungssicherheit doch leidet (Blackouts oder Lastabwürfe) oder die Strompreise hoch bleiben, wären die Ziele gefährdet: Unternehmen würden abwandern, energieintensive Produktion würde gedrosselt (was zwar den Stromverbrauch senkt, aber eben durch Schrumpfung, was man vermeiden wollte) und neue Zukunftsbranchen würden lieber anderswo investieren. Die bisherigen Weichenstellungen (große EE-Projekte, H₂-Infrastrukturplanung, Strompreisstützen) zeigen jedoch, dass man diese Risiken erkannt hat. Wichtig ist, auch zusätzliche Optionen nicht grundsätzlich auszuschließen, falls sich abzeichnet, dass die bisherigen Maßnahmen nicht ausreichen.
Fazit
Der Monitoringbericht „Energiewende. Effizient. Machen.“ analysiert den künftigen Strombedarf und die Versorgungssicherheit und kommt zu dem Schluss, dass die Energiewende – trotz steigendem Stromverbrauch – mit hoher Versorgungssicherheit machbar ist, sofern die richtigen Maßnahmen ergriffen werden. Die zugrunde liegenden Annahmen sind weitgehend konsistent mit den Klimazielen und dem Anspruch, Wirtschaft und Wohlstand zu erhalten. Allerdings sind sie nur dann plausibel, wenn die identifizierten Maßnahmen vollständig und rechtzeitig umgesetzt werden. Der Bericht selbst weist darauf hin, dass in einigen Bereichen erheblicher Handlungsbedarf besteht (z.B. beim Zubau gesicherter Leistung bis 2035[32] oder der Netzintegration von Flexibilitäten[42]).
Reichen die genannten Maßnahmen aus? Nach derzeitigem Kenntnisstand: Ja, sie sind notwendig – aber die ausreichende Wirksamkeit wird knapp. Der Bericht deckt die klassischen Stellhebel ab (EE-Ausbau, Netzausbau, Speicher/Flex, ggf. Kapazitätsmarkt). Diese dürften im Zusammenspiel tatsächlich genügen, um die Lichter an- und die Emissionen runterzuhalten.
Was der Bericht nicht explizit vorschlägt, was aber aus obiger Analyse hervorgeht, sind zusätzliche „Sicherheitsnetze“:
- Zeitpuffer und Redundanzen einplanen: Da viele Projekte zeitkritisch sind, sollte die Planung konservativ genug sein, um Verzögerungen oder Ausfälle auffangen zu können. Beispielsweise könnte man erwägen, bestimmte Kohlekraftwerke in Sicherheitsbereitschaft etwas länger vorzuhalten (sofern klimaverträglich kompensiert) oder zusätzliche Reservekraftwerkskapazitäten auszuschreiben, um Unwägbarkeiten zu überbrücken. Ebenso sollten Notfallszenarien (kalte Dunkelflaute plus Ausfall von Importen) regelmäßig simuliert und die Ergebnisse veröffentlicht werden, um transparent zu sehen, ob die Sicherheitspuffer ausreichen.
- Technologieoffenheit bewahren: Auch wenn politisch Kernenergie und andere kontroverse Optionen aktuell ausgeschlossen sind, sollte die Forschung an zukünftigen Möglichkeiten weitergehen. Das betrifft etwa Kernfusion, aber realistischer für 2040 auch Small Modular Reactors (SMR) oder neue Anwendungsfelder für Geothermie. Ebenso sollte die Option CO₂-Abscheidung und -Speicherung (CCS) für unvermeidliche fossile Reststromerzeugung in Betracht gezogen werden, falls z.B. Gaskraftwerke 2040 noch benötigt werden. Der Bericht hat hier einen engen Fokus; eine robuste Strategie würde jedoch auch Alternativpfade untersuchen (z.B. ein Szenario „Was wenn H₂-Importe ausbleiben – brauchen wir dann doch 100% heimische Erzeugung?“ und könnte das ohne Kernenergie gehen?).
- Europäische Kooperation intensivieren: Die Versorgungssicherheit kann effizienter gewährleistet werden, wenn EU-weit geplant wird. Ein gemeinsamer Kapazitätsmechanismus oder bilaterale Abkommen (z.B. deutscher Offshore-Strom gegen österreichische Pumpspeicher-Kapazität) könnten Win-win-Situationen schaffen. Der Bericht erwähnt europäische Prozesse (ENTSO-E, ERAA)[40], aber konkrete Maßnahmen liegen noch bei den Nationalstaaten. Hier besteht Potenzial, Synergien zu heben (z.B. Beteiligung an skandinavischen Wasserkraftreserven oder an französischem Neubau von EPR-Reaktoren im Austausch für Stromlieferverträge, falls politisch opportun).
- Industrie- und sozialpolitische Flankierung: Um die industrielle Basis wirklich zu halten, reichen günstige Stromkosten allein evtl. nicht – es braucht Planungssicherheit. Langfristige Stromlieferverträge, staatliche Absicherungen (wie jetzt beim Industriestrompreis geplant) und Transformationspartnerschaften (z.B. staatliche Beteiligung an H₂-Infrastruktur, Abnahmegarantien) werden nötig sein. Das liegt zwar außerhalb des engen Energiethemas, beeinflusst aber, ob die im Bericht angenommenen Verbrauchsmengen (die ja auf aktive Industrie schließen lassen) tatsächlich abgerufen werden oder ob die Industrie mangels Perspektive eher schrumpft. Diesbezüglich erscheint es sinnvoll, Energie- und Industriepolitik verzahnt zu denken – der Bericht könnte in weiteren Ausgaben stärker auf diese Kopplung eingehen.
- Überwachung und Flexibilisierung der Strategie: Ein Monitoringbericht wie dieser sollte regelmäßig (jährlich oder zweijährlich) prüfen, ob die Realität den Annahmen folgt. Beispielsweise: Liegt der Stromverbrauch 2025ff tatsächlich in der prognostizierten Spanne? Kommen die nötigen Gaskraftwerke in Bau? Wenn Abweichungen sichtbar werden (z.B. viel höherer Stromverbrauch durch Boom der Wärmepumpen), muss die Strategie flexibel angepasst werden. Dieses Adaptive Management ist wichtig, um notfalls Gegenmaßnahmen zu ergreifen – sei es durch beschleunigten Zubau, Nachsteuern bei Effizienz oder im Extremfall dem Hervorholen bislang ausgeschlossener Optionen (z.B. im Jahr 2030+ doch nochmal Kernkraft zu debattieren, falls alle Stricke reißen sollten). Der Bericht liefert die Grundlage für diese Überwachung, indem er robuste Korridore definiert – an deren Rändern sollte man alarmiert sein (z.B. wenn der Verbrauch Richtung 700 TWh 2030 geht, ohne dass entsprechend mehr Erzeugung gesichert ist, müsste gehandelt werden).
Politische Relevanz: Die analysierten Themen Stromnachfrage und Versorgungssicherheit stehen im Zentrum der energiepolitischen Debatten – gerade mit Blick auf die kommende Legislaturperiode (2025–2029). Die aktuelle Regierung hat mit Gesetzesänderungen (Osterpaket, Energiesicherungsgesetz, NEP-Planung) einiges angestoßen, jedoch werden die eigentlichen Herausforderungen erst jetzt sichtbar, da die Umsetzung beginnt. Der Bericht zeigt, dass die Ziele erreichbar sind, aber keiner Illusion erliegt: Es gibt viele interdependente Faktoren und Stellschrauben. Priorität sollten wissenschaftlich belastbare Schritte haben, wie:
- Kapazitätsmechanismus einführen (um Investitionssicherheit für neue flexible Kraftwerke zu geben)[36][37],
- Wasserstoffhochlauf koordinieren (inkl. Speicherung und Importstrategien, um Stromnachfrage und Versorgungssicherheit optimal auszubalancieren)[65][64],
- Netzausbau beschleunigen und optimieren (auch innovative Ansätze wie Hochtemperaturleiter, Spannungssteuerung, supraleitende Kabel pilotieren),
- Digitalisierung/Flexibilisierung forcieren (Smart Meter Rollout strikt verfolgen, variable Tarife ermöglichen, Regulatorik für Laststeuerung weiterentwickeln).
Quellen: Monitoringbericht “Energiewende. Effizient. Machen.” (BMWi/BMWK, 2025) und ergänzende Angaben aus Presse und Studien.[101][102][103][10][35][64][85]
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