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Julia Ruhs moderiert(e) das neue ARD/NDR+BR-Reportageformat „Klar – Was Deutschland bewegt“???

Arbeitsrecht – Erbrecht - Kommunalrecht

Julia Ruhs moderiert(e) das neue ARD/NDR+BR-Reportageformat „Klar – Was Deutschland bewegt“???

ARD und ZDF

Der Fall um Julia Ruhs und das NDR-Format klar zeigt, wie sensibel der öffentlich-rechtliche Auftrag im Spannungsfeld von Meinungsvielfalt, interner Kritik und publizistischer Verantwortung ist. Während Anja Reschke die Moderatorin in einer NDR-Sendung als „ein bisschen rechtsextrem“ bezeichnete, blieb die Intendanz lange stumm und der Rundfunkrat reagierte nur verzögert. Zugleich griff Jan Böhmermann Ruhs im ZDF satirisch an. Dies wirft die Frage auf, ob der NDR seiner gesetzlichen Pflicht zu Objektivität, Unparteilichkeit und wirksamer Kontrolle gerecht wird – oder ob hier die Grenzen des öffentlich-rechtlichen Auftrags überschritten wurden.


Sachlage und nachprüfbare Aussagen

  1. Format „Klar“ und Kritik

    • Julia Ruhs moderiert das neue ARD/NDR+BR-Reportageformat „Klar – Was Deutschland bewegt“. Erste Folge (April 2025) thematisierte „Migration: Was falsch läuft“. (Focus)

    • Es gibt erhebliche Kritik an der Sendung, sowohl medial als auch intern beim Sender. Kritiker werfen dem Format z. B. vor, migrationskritische Narrative zu verbreiten und zu stark zu emotionalisieren. (euronews)

    • Es wurde eine interne Umfrage beim NDR durchgeführt; laut Berichten war das Zuschauerfeedback überwiegend positiv. (t-online)

  2. Vorwurf „rechtsextrem“ durch Anja Reschke und Rücknahme

    • Anja Reschke hat in ihrer Sendung Reschke Fernsehen das Format Klar bzw. Ruhs als „ein bisschen rechtsextrem“ bezeichnet. (DIE WELT)

    • Der NDR hat sich später dazu geäußert: Die Programmbereichsleitung bedauerte, dass dieser Eindruck entstanden sei, und erklärte, der Ausdruck „ein bisschen rechtsextrem“ sei in dem Zusammenhang satirisch gemeint gewesen. (Kress)

  3. Interne Reaktionen

    • Es existiert ein Offener Brief von rund 250 Mitarbeiter*innen des NDR, die sich von dem Format Klar distanziert haben. (DIE WELT)

    • Es gibt Hinweise auf internen Widerstand gegen die Redaktion und gegen Julia Ruhs in Teilen der Mitarbeiterschaft. (Süddeutsche.de)

  4. Rundfunkrat / Programmausschuss des NDR

    • Es gibt Berichte, dass der Programmausschuss des NDR-Rundfunkrats „scharfe Kritik“ an dem Format Klar und an Julia Ruhs geäußert habe.

    • Weiterer Nachweis: In einem epd-Artikel wird angegeben, dass der Rundfunkrat sich erst im September mit dem Format befassen wolle. Der Programmausschuss habe schon früher (z. B. am 6. Mai) beraten und unter anderem verlangt, dass die Programmdirektion dem Gremium einen Faktencheck wichtiger Aussagen der Sendung vorlegt. (epd medien)


Aussagen des Rundfunkrats – was ist gesichert?

  • Es ist gesichert, dass der Programmausschuss des NDR-Rundfunkrats sich mit Klar beschäftigt hat. (epd medien)

  • Es ist ebenfalls gesichert, dass in dieser Beratung Kritikpunkte benannt wurden, darunter mangelnde Ausgewogenheit, Überfrachtung mit Einzelthemen und eine zu starke Emotionalisierung. Zudem die Forderung nach einem Faktencheck zu bestimmten Aussagen der Sendung.

  • Was bisher nicht belegt ist:

    1. Eine formelle, abschließende Stellungnahme oder Entscheidung des gesamten Rundfunkrats, die verbindlich Maßnahmen anordnet oder bestätigt. Berichte sprechen davon, dass eine solche Entscheidung erst nach Abschluss der Pilotphase getroffen werden soll. (epd medien)

    2. Dass der Rundfunkrat oder Programm­ausschuss die Moderatorin Julia Ruhs offiziell „abgesetzt“ hätte oder ihr Einsatz zukünftig untersagt sei. Es gibt Medienberichte, wonach der NDR intern plane, sie bei NDR-produzierten Folgen nicht mehr vor die Kamera zu stellen, aber diese Berichte sind nicht eindeutig als Beschluss des Rundfunkrats dokumentiert. (Focus)

 


Prüfung der Vereinbarkeit des Umgangs des NDR mit Julia Ruhs mit dem öffentlich-rechtlichen Auftrag


I. Anforderung

Es ist zu prüfen, ob das Verhalten des NDR (Kritik und Distanzierung einzelner Mitarbeitender, Äußerungen von Anja Reschke, Schweigen der Intendanz sowie die verzögerte Behandlung durch den Rundfunkrat) mit dem öffentlich-rechtlichen Programmauftrag (§ 26 MStV i.V.m. § 5 NDR-StV) vereinbar ist.


II. Rechtlicher Rahmen

  1. Medienstaatsvertrag (MStV)

  • Art. 11 Abs. 2 MStV: Programme müssen „der Bildung, Information, Beratung und Unterhaltung dienen“ und „einen objektiven und umfassenden Überblick über das internationale, europäische, nationale und regionale Geschehen geben“.

  • Art. 11 Abs. 2 S. 3 MStV: „Die Vielfalt der Meinungen ist ausgewogen darzustellen.“

  1. NDR-Staatsvertrag

  • § 5 Abs. 1 NDR-StV: Der NDR hat in seinen Angeboten die „Grundsätze der Objektivität und Unparteilichkeit der Berichterstattung“ sowie die „Achtung der Menschenwürde“ zu beachten.

  • § 18 NDR-StV: Der Rundfunkrat überwacht die Einhaltung der Programmgrundsätze.

  1. BVerfG-Rechtsprechung

  • „Erstes Rundfunkurteil“ (BVerfGE 12, 205): Rundfunk hat eine Bestands- und Entwicklungsgarantie, muss aber Vielfalt und Objektivität sichern.

  • „ZDF-Urteil“ (BVerfGE 136, 9): Der Rundfunkrat ist als gesellschaftliches Kontrollorgan ausgestaltet, um Vielfalt sicherzustellen.

  • Abgrenzung Satire (z. B. BVerfG, Beschl. v. 10.01.2017 – 1 BvR 1036/14, „Böhmermann/Erdogan“): Satire ist weitergehend geschützt, aber journalistische Formate müssen an Sorgfaltspflichten gebunden bleiben.


III. Konkreter Bezug zu Verhalten

1. Verhalten der Mitarbeiter (Offener Brief)

  • Mitarbeitende haben das Recht auf freie Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 1 GG).

  • Problematisch wird dies, wenn der interne Druck dazu führt, dass programmrelevante Entscheidungen nicht mehr plural, sondern von Mehrheitsstimmungen beeinflusst werden.

  • Damit droht eine Verletzung des Grundsatzes der inneren Pluralität (§ 5 NDR-StV).

Ergebnis: Nur zulässig, solange keine faktische Ausschaltung einzelner Meinungen erfolgt. Hier liegt eine Grauzone vor.


2. Verhalten von Anja Reschke („ein bisschen rechtsextrem“)

  • Die Aussage erfolgte nicht in einem Satireformat, sondern in einem journalistischen Magazin.

  • Damit gelten die Anforderungen an Sachlichkeit und Objektivität (§ 5 Abs. 1 NDR-StV, Art. 11 Abs. 2 MStV).

  • Der Vorwurf „rechtsextrem“ ohne Tatsachengrundlage ist eine Ehrverletzung (§ 823 BGB i.V.m. Art. 1, 2 GG) und mit der Sorgfaltspflicht unvereinbar.

  • Die nachträgliche Distanzierung mindert den Eingriff, beseitigt ihn aber nicht vollständig.

Ergebnis: Nicht vereinbar mit dem öffentlich-rechtlichen Auftrag.


3. Schweigen der Intendanz

  • Die Intendanz trägt die Verantwortung für die Wahrung der Programmgrundsätze.

  • Ein längeres Schweigen gegenüber öffentlichen Vorwürfen gegen eine eigene Moderatorin kann als Verletzung der Fürsorgepflicht gegenüber Mitarbeitenden und als Unterlassen der Klarstellungspflicht gewertet werden.

  • Juristisch schwer zu sanktionieren, aber dem Auftrag zur Sicherung von Unabhängigkeit widersprechend.

Ergebnis: Zweifelhaft vereinbar mit dem öffentlich-rechtlichen Auftrag.


4. Verhalten des Rundfunkrats (Verzögerung)

  • Der Rundfunkrat hat die Pflicht zur wirksamen, zeitnahen Kontrolle (§ 18 NDR-StV).

  • Eine Behandlung erst Monate nach dem Vorfall gefährdet die Wirksamkeit dieser Kontrolle.

  • Allerdings ist das Gremium Laien- und Ehrenamtlich organisiert; Sitzungsintervalle sind nicht ungewöhnlich.

  • Dennoch: Bei gravierenden Vorwürfen gegen eine Moderatorin hätte eine außerordentliche Sitzung angesetzt werden können.

Ergebnis: Eingeschränkt vereinbar, da die Pflicht zur Vielfaltssicherung nicht effizient erfüllt wurde.


5. Vergleich: Jan Böhmermann im ZDF

  • Böhmermanns Angriffe auf Julia Ruhs erfolgten im Satirekontext (ZDF Magazin Royale).

  • Satire ist nach BVerfG weitgehend geschützt, solange erkennbar überzogen und polemisch.

  • Anders bei Reschke: Hier galt der strenge Maßstab der journalistischen Sorgfalt.

Ergebnis: Angriff durch Böhmermann formell zulässig (Satirefreiheit), aber problematisch für das Vertrauen in die Neutralität des ÖRR.


IV. Bewertung und Ergebnis

  • Nicht vereinbar: Die öffentliche Äußerung von Anja Reschke über Julia Ruhs als „ein bisschen rechtsextrem“.

  • Zweifelhaft vereinbar: Schweigen der Intendanz und verzögerte Kontrolle des Rundfunkrats.

  • Formell vereinbar, aber problematisch: Interne Mitarbeiterproteste (solange keine faktische Zensur) sowie satirische Angriffe von Jan Böhmermann.

Der NDR ist seiner Pflicht zur objektiven und unparteiischen Programmgestaltung (§ 5 NDR-StV) nur eingeschränkt nachgekommen. Insbesondere die Äußerung Reschkes stellt einen klaren Verstoß dar, während das Verhalten von Intendanz und Rundfunkrat die Glaubwürdigkeit des öffentlich-rechtlichen Auftrags nachhaltig beschädigt.

 

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