24111 Kiel, Rendsburger Landstraße 436
+49 431 12807082
kanzlei@grafkerssenbrock.com

Unzulässige Verfassungsbeschwerde gegen Durchsuchung in Rechtsanwaltskanzlei

Arbeitsrecht – Erbrecht - Kommunalrecht

Unzulässige Verfassungsbeschwerde gegen Durchsuchung in Rechtsanwaltskanzlei

Bundesverfassungsgericht

BUNDESVERFASSUNGSGERICHT – 1 BvR 398/24 – Beschluss vom 21. Juli 2025

 


Verfassungsbeschwerde unzulässig, aber klare Hinweise zur Verhältnismäßigkeit

BVerfG, Beschluss v. 21.07.2025 – 1 BvR 398/24

Am 10. September 2025 hat das Bundesverfassungsgericht (2. Kammer des Ersten Senats) eine Verfassungsbeschwerde gegen die Durchsuchung einer Rechtsanwaltskanzlei als unzulässig verworfen. Gleichwohl enthält die Entscheidung deutliche Hinweise auf die strengen verfassungsrechtlichen Anforderungen bei Durchsuchungen in Kanzleiräumen.

Sachverhalt

Ausgangspunkt war ein zivilrechtlicher Honorarstreit zwischen einem Rechtsanwalt und seiner früheren Mandantin. Diese erhob Strafanzeige wegen versuchten Prozessbetrugs. Nachdem zunächst eine Einstellung des Ermittlungsverfahrens erfolgte, legte die Anzeigende Beschwerde ein und präsentierte eine belastende E-Mail einer ehemaligen Bürokraft. Auf deren widersprüchliche Aussagen hin nahm die Staatsanwaltschaft das Verfahren wieder auf.
Das Amtsgericht ordnete eine Durchsuchung der Kanzleiräume an, bei der u.a. ein Computer sichergestellt wurde. Das Landgericht bestätigte den Beschluss. Der Anwalt erhob Verfassungsbeschwerde und rügte eine Verletzung von Art. 13 Abs. 1 GG (Unverletzlichkeit der Wohnung) sowie Art. 103 Abs. 1 GG (rechtliches Gehör).

Entscheidung des BVerfG

Die Verfassungsbeschwerde scheiterte an der Zulässigkeit: Der Beschwerdeführer hatte nicht substantiiert dargelegt, dass er den Rechtsweg ausgeschöpft und insbesondere eine Gehörsrüge erhoben hatte.

Das Gericht weist jedoch ausdrücklich auf Folgendes hin:

  • Tatverdacht: Der Vorwurf des versuchten Prozessbetrugs sei keine Straftat von erheblicher Bedeutung. Angesichts widersprüchlicher Aussagen sei der Verdachtsgrad schwach.

  • Auffindevermutung: Gering, da der Beschwerdeführer von den Ermittlungen wusste und Akteneinsicht beantragte.

  • Besondere Eingriffsintensität: Durchsuchungen von Kanzleien greifen regelmäßig in eine Vielzahl mandatsfremder, hoch sensibler Daten ein. Sie erfassen auch Dritte, die keinerlei Bezug zum Tatvorwurf haben.

  • Weite Durchsuchungsanordnung: Die hier gewählte Formulierung war zu umfassend; eine Abwendungsbefugnis wurde ausgeschlossen. Damit drohte ein unkontrollierter Zugriff auch auf verfahrensunerhebliche Unterlagen.

Bewertung

Obwohl die Beschwerde im konkreten Fall unzulässig war, macht das Bundesverfassungsgericht unmissverständlich deutlich: Durchsuchungen in Anwaltskanzleien unterliegen besonders strengen Maßstäben der Verhältnismäßigkeit. Die Kombination aus schwachem Tatverdacht, geringer Auffindevermutung und massiver Eingriffsintensität spricht regelmäßig gegen die Zulässigkeit einer solchen Maßnahme.

Die Entscheidung reiht sich in die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung ein, die die Rolle von Rechtsanwälten als Träger des Mandatsgeheimnisses und als Teil der Rechtspflege besonders schützt. Ermittlungsbehörden und Fachgerichte sind gehalten, Durchsuchungen nur bei dringendem Tatverdacht und sorgfältig eingegrenzten Suchzielen zu genehmigen.

Auch wenn der konkrete Rechtsanwalt mit seiner Verfassungsbeschwerde scheiterte, sendet das Bundesverfassungsgericht ein klares Signal: Die Unverletzlichkeit von Kanzleiräumen ist ein hohes Gut. Ermittlungsbehörden müssen sich an enge Grenzen halten – insbesondere wenn lediglich ein schwacher Tatverdacht im Raum steht


 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Translate »