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Beteiligung an Überschüssen einer Rentenversicherung

Arbeitsrecht – Erbrecht - Schulrecht

Beteiligung an Überschüssen einer Rentenversicherung

Grüne Wirtschaft durch Marktwirtschaft

BGH – Urteil vom 18. September 2024 – IV ZR 436/22

Der Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass die von einem Versicherer in dem von ihm angebotenen Tarif einer Rentenversicherung praktizierte Beteiligung der Versicherungsnehmer an den Überschüssen zulässig ist und vom Versicherer in seinen Versicherungsbedingungen verwendete Klauseln zur Verrechnung von Abschluss- und Vertriebskosten wirksam sind.

Worum geht es:

In dem Rechtsstreit geht es um die Gestaltung und Abwicklung von Rentenversicherungsverträgen eines Versicherungsunternehmens. Der Kläger, ein qualifizierter Verein, kritisiert die Überschussbeteiligungspraxis des Versicherers. Er sieht darin Verstöße gegen die Mindestzuführungsverordnung (MindZV), den aufsichtsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz (§ 138 Abs. 2 VAG) und die Beteiligung der Versicherten am Überschuss (§ 153 Abs. 2 Satz 1 VVG). Konkret beanstandet der Kläger, dass Verträge mit höherem Rechnungszins eine geringere Überschussbeteiligung erhalten als Verträge mit niedrigerem Rechnungszins.

Zusätzlich streiten die Parteien über die Gültigkeit verschiedener Klauseln in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen, darunter die Verteilung der Abschluss- und Verwaltungskosten sowie Regelungen zum Stornoabzug bei Beitragsfreistellung und Kündigung. Das Landgericht gab der Klage teilweise statt und verurteilte den Versicherer zur Unterlassung bestimmter Klauseln, sah jedoch die Überschussbeteiligungspraxis als wirksam an. Das Berufungsgericht änderte das Urteil und untersagte weitere Klauseln, jedoch blieben beide Parteien teilweise erfolglos. Nun verfolgen beide Parteien ihre Anliegen im weiteren Rechtsmittelverfahren weiter.

Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat die Revision des Klägers weitgehend zurückgewiesen und der Revision des beklagten Versicherers teilweise stattgegeben. Der Gerichtshof entschied, dass die vom Kläger kritisierte Praxis der Überschussverteilung des Versicherers nicht gegen § 6 Abs. 1 Satz 1 der Mindestzuführungsverordnung (MindZV) verstößt. Insbesondere muss der Versicherer nicht die Kapitalerträge für die Bedienung der einzelnen Versicherungsverträge vorab abziehen. Die Praxis, verschiedenen Tarifgenerationen mit unterschiedlichem Garantiezins eine einheitliche Gesamtverzinsung zuzuweisen, ist sowohl mit § 138 Abs. 2 VAG als auch mit § 153 Abs. 2 Satz 1 VVG vereinbar. Eine “risikoadjustierte Gesamtverzinsung”, bei der Verträge mit einem höheren Garantiezins eine geringere Überschussbeteiligung erhalten, ist grundsätzlich zulässig.

Der Bundesgerichtshof befand zudem, dass die Klausel des Versicherers, welche die Verteilung der Abschluss- und Vertriebskosten über mindestens fünf Jahre vorsieht, rechtlich unbedenklich ist und § 307 BGB standhält. Sie weicht nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers von den gesetzlichen Regelungen ab, insbesondere nicht von § 169 Abs. 3 Satz 1 VVG.

Auch die Klauseln zum Stornoabzug bei Beitragsfreistellung und Kündigung sind wirksam. Sie erfüllen die Anforderungen des Transparenzgebots gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Es bestehen keine Transparenzbedenken, da die Klauseln für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer verständlich sind, insbesondere hinsichtlich der Darlegungs- und Beweislast zur Angemessenheit des Stornoabzugs.

Rechtliche Grundlagen:

§ 307 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. 2Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

§ 153 Versicherungsvertragsgesetz (VVG)

(1) Dem Versicherungsnehmer steht eine Beteiligung an dem Überschuss und an den Bewertungsreserven (Überschussbeteiligung) zu, es sei denn, die Überschussbeteiligung ist durch ausdrückliche Vereinbarung ausgeschlossen; …

(2) Der Versicherer hat die Beteiligung an dem Überschuss nach einem verursachungsorientierten Verfahren durchzuführen; andere vergleichbare angemessene Verteilungsgrundsätze können vereinbart werden.

§ 169 Versicherungsvertragsgesetz (VVG)

(3) Der Rückkaufswert ist das nach anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik mit den Rechnungsgrundlagen der Prämienkalkulation zum Schluss der laufenden Versicherungsperiode berechnete Deckungskapital der Versicherung, bei einer Kündigung des Versicherungsverhältnisses jedoch mindestens der Betrag des Deckungskapitals, das sich bei gleichmäßiger Verteilung der angesetzten Abschluss- und Vertriebskosten auf die ersten fünf Vertragsjahre ergibt; die aufsichtsrechtlichen Regelugen über Höchstzillmersätze bleiben unberührt.

(5) Der Versicherer ist zu einem Abzug von dem nach Absatz 3 oder 4 berechneten Betrag nur berechtigt, wenn er vereinbart, beziffert und angemessen ist. 2Die Vereinbarung eines Abzugs für noch nicht getilgte Abschluss- und Vertriebskosten ist unwirksam.

§ 138 Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG)

(2) Bei gleichen Voraussetzungen dürfen Prämien und Leistungen nur nach gleichen Grundsätzen bemessen werden.

§ 6 Mindestzuführungsverordnung (MindZV) in der ab dem 1. August 2017 geltenden Fassung

(1) Die Mindestzuführung zur Rückstellung für Beitragsrückerstattung in Abhängigkeit von den Kapitalerträgen für die überschussberechtigten Versicherungsverträge beträgt 90 Prozent der nach § 3 Absatz 1 anzurechnenden Kapitalerträge abzüglich der rechnungsmäßigen Zinsen ohne die anteilig auf die überschussberechtigten Versicherungsverträge entfallenden Zinsen auf die Pensionsrückstellungen …

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