Gewalt an Schulen

Dazu Bericht in den Kieler Nachrichten vom 1.11.2024
In Schleswig-Holstein haben die Zahlen zu Gewaltvorfällen an Schulen laut einer Auswertung des Bildungsministeriums signifikant zugenommen. Die Erfassung in einer zentralen Datenbank zeigt einen deutlichen Anstieg der gemeldeten Fälle, auch bei Vorfällen, die nicht zwangsläufig strafbar sind, wie Mobbing und psychische Gewalt. Die Fälle stiegen von 611 im Schuljahr 2022/23 auf 1136 im Schuljahr 2023/24, was einer Zunahme von 86 % entspricht. Besonders betroffen sind die Kreise Pinneberg mit 181 und Segeberg mit 158 Vorfällen.
In verschiedenen Städten und Kreisen zeigt sich folgende Aufteilung der Vorfälle:
- Kiel: 39 Fälle
- Neumünster: 11 Fälle
- Lübeck: 8 Fälle
- Plön: 74 Fälle
- Rendsburg-Eckernförde: 70 Fälle
Details nach Gewaltformen:
- Im Kreis Ostholstein gab es mit 120 Vorfällen die meisten Körperverletzungen sowie zusätzliche Vorfälle von psychischer Gewalt, Drohungen und Mobbing.
- Der Kreis Plön meldete 44 Körperverletzungen und mehrere Vorfälle psychischer Gewalt, Drohungen, und Sexualdelikte.
- Im Kreis Segeberg wurden 112 Körperverletzungen, 30 Fälle psychischer Gewalt und elf Mobbingvorfälle erfasst.
Verteilung nach Schulformen:
- Gemeinschaftsschulen: 565 Vorfälle
- Förderzentren: 291 Vorfälle
- Grundschulen: 245 Vorfälle
- Gymnasien: 18 Vorfälle
- Berufsschulen: 17 Vorfälle
Reaktionen und Forderungen: Politiker, Lehrerverbände und Elternvertreter äußern sich besorgt. Vertreter der SPD und der Grünen sehen eine Notwendigkeit zur verbesserten Prävention und Unterstützung. Sie fordern stärkere Prävention durch frühzeitige Sensibilisierung und feste Ansprechpartner an Schulen sowie eine vertiefte Einbindung von Gewaltprävention in die Lehrkräftebildung. Zudem weisen Bildungsministerin Karin Prien (CDU) und CDU-Vertreter auf den Einfluss sozialer Medien und die Rolle der Eltern hin und betonen die Wichtigkeit einer interdisziplinären Kooperation zur Prävention und Intervention.
Ursachen:
Die Untersuchungen und Kommentare zur Lage an Schulen in Schleswig-Holstein und anderen Regionen heben vor allem folgende Faktoren hervor:
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Einfluss sozialer Medien und digitale Gewalt: Soziale Medien werden oft als eine der zentralen Ursachen für die zunehmende Gewalt genannt. Plattformen wie TikTok, Instagram oder YouTube tragen durch die Verbreitung von Gewaltvideos und Mobbinginhalten zur Senkung der Hemmschwelle für aggressives Verhalten bei. Videos, die gewalttätiges Verhalten glorifizieren oder als „Trend“ erscheinen lassen, haben nachweislich Einfluss auf Jugendliche.
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Nachwirkungen der Corona-Pandemie: Die Pandemie hat das soziale Leben vieler Jugendlicher stark eingeschränkt und die psychischen Belastungen erhöht. Die Rückkehr in das Schulleben bringt für viele Schüler Schwierigkeiten in der sozialen Interaktion mit sich, was zu Konflikten und Spannungen führen kann. Einsamkeit, mangelnde soziale Kontakte und Unsicherheiten haben sich während der Pandemie verstärkt und können sich nun in Form von Aggressionen äußern.
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Gesellschaftliche Entwicklungen und Kriminalität: Das Bildungsministerium weist darauf hin, dass die zunehmende Gewalt an Schulen auch ein Spiegelbild gesamtgesellschaftlicher Entwicklungen ist. Anstieg allgemeiner Kriminalitätsraten und gesellschaftliche Polarisierungen schlagen sich auch im Schulumfeld nieder.
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Fehlende psychologische und soziale Unterstützung: Viele Schulen in Schleswig-Holstein und auch bundesweit verfügen nicht über ausreichend Sozialarbeitspersonal oder Schulpsychologen, um frühzeitig einzugreifen und präventive Arbeit zu leisten. Eltern- und Schülervertreter fordern verstärkte Unterstützung durch Sozialarbeiter an Schulen, um Konflikte frühzeitig zu erkennen und zu bearbeiten.
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Mangelhafte Gewaltprävention in der Lehrerausbildung: Ein weiterer kritischer Punkt ist, dass viele Lehrkräfte nicht ausreichend geschult sind, um mit Gewalt und Konflikten umzugehen. Vertreter der Lehrergewerkschaften fordern eine stärkere Integration von Gewaltpräventionsstrategien und Kriseninterventionen in die Lehrkräftebildung.
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Wachsende sozioökonomische Spannungen: Studien und Analysen zeigen, dass sozioökonomische Spannungen oft eine Ursache für erhöhtes Aggressionspotenzial bei Jugendlichen sind. Schulen in sozialen Brennpunkten oder Regionen mit strukturellen Nachteilen sind tendenziell häufiger von Gewaltvorfällen betroffen. Hier kommen oft zusätzliche Belastungen durch wirtschaftliche Unsicherheit in den Familien hinzu.
Diese Faktoren deuten auf ein komplexes Geflecht aus persönlichen, familiären, schulischen und gesellschaftlichen Einflüssen hin, das zu der derzeitigen Situation beiträgt.