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Justizreform in SH: Weniger Gerichte, Zusammenlegungen und Einsparung von 63 Mio Euro

Arbeitsrecht – Erbrecht - Schulrecht

Justizreform in SH: Weniger Gerichte, Zusammenlegungen und Einsparung von 63 Mio Euro

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Aufstand gegen die Justizministerin: Kritik an Schließung von Gerichten

Was hat Justizministerin Kerstin von der Decken konkret geplant:

Die vier Sozialgerichte in Itzehoe (Kreis Steinburg), Kiel, Lübeck und Schleswig (Kreis Schleswig-Flensburg) sowie die fünf Arbeitsgerichte in Elmshorn (Kreis Pinneberg), Flensburg, Kiel, Lübeck und Neumünster sollen an einem Standort zusammengefaßt werden. Kriterien für die Standortwahl sind eine möglichst zentrale Lage in Schleswig-Holstein, eine gute Erreichbarkeit, die erforderliche Größe und eine zeitnahe Nutzungsmöglichkeit.

Aus der Rede der Justizministerin am 27.9.2024 im schleswig-holsteinischen Landtag:

Die Zusammenlegung von Gerichtsstandorten – nicht willkürlich, sondern strukturell und fachlich angemessen – ist die richtige Entscheidung!

Die Landesregierung hat daher beschlossen, das Modell der Verwaltungsgerichtsbarkeit (ein Gericht 1. Instanz und ein Gericht 2. Instanz für ganz Schleswig-Holstein an einem Standort) auf die Arbeits- und die Sozialgerichtsbarkeit zu übertragen. Örtlich werden beide Gerichtsbarkeiten an einem zentralen, noch festzulegenden Standort konzentriert, der verkehrstechnisch gut erreichbar ist. Es soll ein Gebäude angemietet werden und damit ein neues Fachgerichtszentrum entstehen.

Das Gebäude soll so groß sein, dass es auch das geplante Justizzentrum mit mindestens einem großen Verhandlungssaal, insbesondere für große Strafverfahren aufnimmt. Das Finanzgericht soll nach Schleswig in die Räume des Sozialgerichts ziehen. Ich betone dabei noch einmal: Mir ist bewusst, dass wir mit der Fachgerichtsstrukturreform der Justiz viel zumuten.

Das Finanzgericht soll von Kiel nach Schleswig ziehen. Außerdem sollen die Amtsgerichte  auf ein Gericht pro Kreis reduziert werden. Derzeit gibt es in Schleswig-Holstein insgesamt 22 Amtsgerichte.

Aus der Rede der Justizministerin am 27.9.2024 im schleswig-holsteinischen Landtag:

Die Entscheidung über die Fachgerichtsstrukturreform war eine Haushaltsentscheidung. Die mit der Reform einhergehenden Einsparungen belaufen sich bis 2040 – nach Abzug der erforderlichen Investitionen – auf rund 63 Millionen Euro, nach derzeitiger Prognose.

Sowohl der Richterverband als auch die „Neue Richtervereinigung“ zeigten sich über die Pläne der Landesregierung empört. Sie kritisierten die fehlende Einbindung der Betroffenen in die Entscheidungsfindung und bezweifelten die Wirtschaftlichkeit der Reform. Christine Schmehl, Vorsitzende des Richterverbands, bezeichnete die Vorgehensweise der Regierung als „Gutsherrenart“ und als nicht zeitgemäß. Der Verband forderte einen transparenten Dialog und die Offenlegung des Investitionsbedarfs.

 

Die Zentralisierung der Gerichte in Schleswig-Holstein, die aus Kostengründen vorangetrieben wird, wirft erhebliche Fragen hinsichtlich der Unabhängigkeit der Justiz und der Effizienz der Rechtsprechung auf.

  1. Unabhängigkeit der Gerichte: Die Konzentration der Gerichte an einem zentralen Standort könnte potenziell die Wahrnehmung der Unabhängigkeit der Justiz beeinträchtigen. Die räumliche Distanz zu den Bürgern und die Zentralisierung könnten den Eindruck erwecken, dass wirtschaftliche Erwägungen über der gerechten und unabhängigen Rechtsprechung stehen. Dies kann das Vertrauen in die Neutralität und Objektivität der Justiz untergraben.

  2. Verfahrensdauer: Durch die Zentralisierung könnten auch längere Verfahrensdauern entstehen, insbesondere wenn es zu einer Überlastung des zentralen Standorts kommt. Der Verlust von dezentralen Standorten könnte zu einer Verzögerung der Bearbeitung von Fällen führen, da die Ressourcen möglicherweise nicht proportional zur erhöhten Arbeitslast am zentralen Standort angepasst werden.

  3. Kostenargument: Dass diese Maßnahme vorrangig aus finanziellen Gründen durchgeführt wird, lenkt die Aufmerksamkeit auf ein potenzielles Spannungsverhältnis zwischen Kosteneinsparungen und der Qualität der Justiz. Die Kostenoptimierung sollte nicht auf Kosten der Effektivität und der Erreichbarkeit der Justiz geschehen, da dies langfristig teurer werden könnte, wenn Bürger Vertrauen verlieren und Prozesse verlängert werden.

Alternative Ansätze zur Förderung der Unabhängigkeit und schnellen Rechtsprechung

  1. Dezentrale Standorte beibehalten und modernisieren:

    • Anstatt die Gerichte zu zentralisieren, könnten dezentrale Standorte erhalten und gezielt modernisiert werden. Dies würde die Bürgernähe und den regionalen Zugang zur Justiz bewahren.
    • Durch gezielte Investitionen in die technische Infrastruktur der Gerichte könnte die Effizienz gesteigert werden, ohne dass die Unabhängigkeit der Justiz beeinträchtigt wird.
  2. Digitale Transformation der Justiz:

    • Die Digitalisierung von Gerichtsverfahren könnte die Verfahrensdauer erheblich verkürzen, indem sie digitale Aktenführung, Videoverhandlungen und elektronische Kommunikation fördert.
    • Digitale Technologien könnten es den Gerichten ermöglichen, schneller und effizienter zu arbeiten, unabhängig vom Standort.
  3. Richterliche Unabhängigkeit durch klare Budgetierung:

    • Ein Budget, das spezifisch für die Aufrechterhaltung und Förderung der richterlichen Unabhängigkeit vorgesehen ist, könnte dafür sorgen, dass die Justiz auch finanziell unabhängig bleibt. Dies sollte in die Eigenverantwortung der Gerichtsbarkeit in SH gelegt, und nicht mit politischen Ziielvorgaben verknüpft werden können.
    • Eine klare und transparente Budgetierung könnte sicherstellen, dass finanzielle Entscheidungen nicht die Unabhängigkeit der Gerichte untergraben. An dieser Stelle ist auf die Rolle der KEF in Bezug auf in Wahrung der Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks als denkbares Vorbild zu verweisen.
  4. Stärkung der personellen Ressourcen:

    • Statt einer Zentralisierung könnten zusätzliche Richter und Mitarbeiter eingestellt werden, um die Verfahrensdauern zu verkürzen. Eine bessere Personalausstattung wäre eine direkte Antwort auf das Problem der langen Bearbeitungszeiten.
    • Die Arbeitsbelastung der Gerichte könnte durch eine stärkere Spezialisierung und Aufteilung von Fällen reduziert werden, sodass jeder Fall schneller bearbeitet wird.
  5. Beteiligung der betroffenen Akteure:

    • Ein intensiver Dialog mit Richtern, Anwälten und anderen beteiligten Akteuren sollte geführt werden, um Reformen so zu gestalten, dass sie den Bedürfnissen der Justiz entsprechen.
    • Beteiligung und Transparenz würden sicherstellen, dass Entscheidungen nicht nur aus wirtschaftlichen Gründen getroffen werden, sondern auch die Qualität und Integrität der Rechtsprechung fördern.

Die Aufrechterhaltung eines funktionierenden Rechtsstaates (auch im Empfinden der Bürger) und die Sicherung der Unabhängigkeit der Gerichte unter Wahrung von Effizienz und Geschwindigkeit der Rechtsprechung, darf kein Gegenstand politisch kurzfristiger Kostenüberlegungen sein.

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