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Spätere Änderung von Steuerbescheid beim Finanzamt nach § 175b AO möglich

Arbeitsrecht – Erbrecht - Kommunalrecht

Spätere Änderung von Steuerbescheid beim Finanzamt nach § 175b AO möglich

Rechtsprechung

10. Juli 2025 – Nummer 044/25 – Urteil vom 27.11.2024
X R 25/22

Automatisierte Datenübermittlung vor Bestandskraft – Vorrang der materiellen Richtigkeit bei Steuerbescheiden

Der Bundesfinanzhof hat mit seinem Urteil vom 27. November 2024 (X R 25/22) eine zentrale Weichenstellung im modernen Besteuerungsverfahren vorgenommen. Im Kern ging es um die Frage, ob ein bereits bestandskräftiger Einkommensteuerbescheid geändert werden darf, wenn die elektronischen Mitteilungen eines Dritten – hier des Rentenversicherungsträgers – erst nach Erlass des ursprünglichen Bescheids bei der Finanzbehörde eingehen.

Die Kläger hatten zutreffend Renteneinkünfte in ihrer Steuererklärung für 2017 angegeben. Das Finanzamt berücksichtigte diese Einkünfte im Erstbescheid dennoch nicht, da die elektronische Rentenbezugsmitteilung zu diesem Zeitpunkt noch nicht vorlag. Erst nachträglich wurde sie übermittelt – das Finanzamt änderte daraufhin den Steuerbescheid nach § 175b AO.

Der BFH bestätigte die Rechtmäßigkeit dieser Änderung. Entscheidend sei allein, dass die Daten nach § 93c AO nicht oder nicht zutreffend berücksichtigt wurden – unabhängig davon, wann sie dem Finanzamt übermittelt wurden und ob deren Inhalt bereits aus der Steuererklärung bekannt war.

Die Revision wurde zurückgewiesen. Der BFH stellte klar: § 175b AO ist Ausdruck eines Paradigmenwechsels zugunsten der materiellen Steuerwahrheit im digitalen Zeitalter. Die Vorschrift ermögliche – und verpflichte – die Finanzverwaltung zur Korrektur, auch wenn der ursprüngliche Bescheid formell bestandskräftig ist.

Für Steuerpflichtige bedeutet das: Die Bestandskraft eines Steuerbescheids schützt nicht mehr vor einer nachträglichen Änderung, wenn neue (auch identische) Daten von Dritten elektronisch gemeldet werden.


Abgabenordnung (AO)
§ 175b Änderung von Steuerbescheiden bei Datenübermittlung durch Dritte

(1) Ein Steuerbescheid ist aufzuheben oder zu ändern, soweit von der mitteilungspflichtigen Stelle an die Finanzbehörden übermittelte Daten im Sinne des § 93c bei der Steuerfestsetzung nicht oder nicht zutreffend berücksichtigt wurden.
(2) Gelten Daten, die von mitteilungspflichtigen Stellen nach Maßgabe des § 93c an die Finanzverwaltung übermittelt wurden, nach § 150 Absatz 7 Satz 2 als Angaben des Steuerpflichtigen, ist der Steuerbescheid aufzuheben oder zu ändern, soweit diese Daten zu Ungunsten des Steuerpflichtigen unrichtig sind.
(3) Ist eine Einwilligung des Steuerpflichtigen in die Übermittlung von Daten im Sinne des § 93c an die Finanzbehörden Voraussetzung für die steuerliche Berücksichtigung der Daten, so ist ein Steuerbescheid aufzuheben oder zu ändern, soweit die Einwilligung nicht vorliegt.
(4) Die Absätze 1 und 2 gelten nicht, wenn Daten nach § 93c Absatz 1 oder Absatz 3 nicht rechtserheblich sind.

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