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Erbrecht

Pflichtteil durchgesetzt – Erbe muss Wertgutachten auf eigene Kosten beibringen

LG Hagen, Beschluss vom 10.07.2025 – 4 O 413/24

Sachverhalt:

Ein Pflichtteilsberechtigter verlangt vom Erben die Vorlage zweier Sachverständigengutachten zum Nachlasswert, konkret zum Geschäftsanteil an einer GmbH i.L. sowie zu Schmuck der Erblasserin. Grundlage ist ein Teilversäumnis- und Teilurteil des LG Hagen, das den Erben zur Wertermittlung auf den Stichtag des Erbfalls verpflichtet. Der Erbe kam dieser Verpflichtung nicht ordnungsgemäß nach und reichte lediglich ein unzureichendes Dokument eines Juweliers ein. Das Landgericht bewertete dies nicht als ordnungsgemäßes Gutachten im Sinne des § 2314 Abs. 1 BGB. Der Pflichtteilsberechtigte beantragte daher erfolgreich die Verhängung eines Zwangsgeldes zur Erzwingung der Handlung.


Entscheidung:

Das Gericht stellte klar, dass es sich bei der Pflicht zur Wertermittlung um eine unvertretbare Handlung handelt, die nach § 888 ZPO zu vollstrecken ist. Begründet wurde dies mit der regelmäßig erforderlichen Mitwirkung des Erben, etwa durch die Bereitstellung von Informationen und Unterlagen an den Sachverständigen. Ein bloßes Angebot eines Juweliers genügt den Anforderungen an ein fachlich fundiertes, unparteiisches Gutachten nicht, insbesondere wenn Angaben zu Qualifikation, Bewertungsgrundlagen und Stichtagsbezug fehlen. Die Argumentation folgt der herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur sowie den Parallelen zur Wertermittlung im Rahmen notarieller Nachlassverzeichnisse. Da eine Erfüllung der Verpflichtung nicht vorliegt, war das Zwangsgeld gerechtfertigt.

Arbeitsrecht

Wo beginnt die Arbeit? – Einigungsstelle bei Parkplatzstreit nicht zuständig

LAG Köln, Beschluss vom 1.07.2025 – 9 TaBV 25/25

Sachverhalt:
Ein Logistikunternehmen am Flughafen Köln verlegt wegen Bauarbeiten die Mitarbeitendenparkplätze, was zu längeren Fußwegen und Nutzung eines Shuttles führt. Der Betriebsrat sieht darin eine arbeitgeberseitig veranlasste Verlängerung der Arbeitszeit. Er beantragte daher die Einsetzung einer Einigungsstelle zur Klärung, an welchem Ort die Arbeitszeit beginnt und endet. Das Arbeitsgericht Köln hatte dem Antrag zunächst stattgegeben. Die Arbeitgeberin legte erfolgreich Beschwerde ein – mit der Begründung, es handele sich um den privaten Arbeitsweg, für den kein Mitbestimmungsrecht bestehe.

 

Entscheidung:
Das Landesarbeitsgericht Köln entschied, dass die Einigungsstelle offensichtlich unzuständig sei. Die Frage nach dem Ort des Arbeitszeitbeginns sei eine rechtliche und keine mitbestimmungsfähige Regelungsfrage. Die Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG betreffe nur die Verteilung der tatsächlichen Arbeitszeit, nicht deren rechtliche Abgrenzung. Solche Rechtsfragen könnten nur einvernehmlich von einer Einigungsstelle behandelt werden. Die Entscheidung folgt der klaren Linie des Bundesarbeitsgerichts und grenzt die Mitbestimmungsmöglichkeiten des Betriebsrats deutlich ein.

Beamtenrecht

Dienst verweigert – Bezüge weg: Lehrerin scheitert mit Klage gegen Corona-Testpflicht

VG Düsseldorf, Urteil vom 11.07.2025 – 26 K 7338/21

Sachverhalt:

Eine Lehrerin in Nordrhein-Westfalen weigerte sich während der Corona-Pandemie, an den vorgeschriebenen Selbsttests teilzunehmen und Tests bei Schülern zu beaufsichtigen. Sie blieb ab dem 30. April 2021 dem Dienst fern und begründete dies mit einer Remonstration gegen die Testpflicht, die sie als verfassungswidrig und gesundheitsgefährdend einstufte. Die Bezirksregierung wies die Remonstration zurück und stellte das Fernbleiben als unentschuldigt fest – mit der Folge des Verlusts ihrer Bezüge. Gegen diese Feststellung klagte die Lehrerin und machte unter anderem Verstöße gegen Grundrechte, Datenschutz und das Strafrecht geltend. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf wies die Klage ab.

 

Entscheidung:

Das Gericht sah in der Weigerung der Klägerin einen schuldhaften Verstoß gegen ihre beamtenrechtliche Anwesenheitspflicht gemäß § 62 LBG NRW. Die Anordnungen zur Testpflicht in Schulen seien rechtmäßig gewesen und durch mehrere gerichtliche Entscheidungen gestützt. Ein Remonstrationsverfahren entbinde Beamtinnen nicht von der Pflicht zur Befolgung dienstlicher Anweisungen – es schütze lediglich vor persönlicher Verantwortung bei deren Ausführung. Die Klägerin sei bewusst und ohne medizinisches Attest dem Dienst ferngeblieben, was den Bezügeverlust rechtfertige. Eine offensichtliche Rechtswidrigkeit der Testpflicht oder eine Verletzung der Menschenwürde sei nicht ersichtlich.

Schulrecht

Kruzifix im Schulgang verletzt Grundrechte – Alternativunterricht bleibt zulässig

VGH München, Urteil vom 08.07.2025 – 7 BV 21.336

Sachverhalt:
Zwei ehemalige Schülerinnen eines bayerischen Gymnasiums klagten gegen die dauerhafte Anbringung eines Kruzifixes im Haupteingangsbereich ihrer Schule und gegen ihre verpflichtende Teilnahme an einem Alternativunterricht während freiwilliger Schulgottesdienste. Sie sahen sich durch das Kreuz in ihrer negativen Religionsfreiheit verletzt und empfanden den Alternativunterricht als diskriminierend. Bereits während ihrer Schulzeit hatten ihre Eltern die Entfernung der Kreuze beantragt, woraufhin zumindest jene in den Klassenräumen abgehängt wurden. Das Kreuz im Eingangsbereich hingegen blieb bestehen, was die Schülerinnen zu einer gerichtlichen Klärung veranlasste. Nach Beendigung der Schulzeit beantragten sie die gerichtliche Feststellung der Rechtswidrigkeit beider Maßnahmen.

Entscheidung:
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof entschied, dass das dauerhaft und zentral platzierte Kruzifix im Eingangsbereich des staatlichen Gymnasiums die negative Religionsfreiheit der Klägerinnen verletzt habe und daher rechtswidrig war. Es handele sich um ein klares christliches Glaubenssymbol, dessen hoheitliche Aufdrängung im schulischen Kontext ohne gesetzliche Grundlage gegen das Neutralitätsgebot des Staates verstoße. Die Klägerinnen seien dem Kreuz täglich zwangsläufig ausgesetzt gewesen, eine Ausweichmöglichkeit sei faktisch nicht gegeben und auch unzumutbar gewesen. Dagegen sei die Verpflichtung zur Teilnahme am Alternativunterricht rechtmäßig gewesen, da dieser auf einer gesetzlichen Grundlage beruhe und der Schulpflicht diene. Der Alternativunterricht stelle keine Diskriminierung oder religiöse Beeinflussung dar, sondern sichere eine Gleichbehandlung aller Schüler während der regulären Unterrichtszeit.

News diese Woche:

AfD-Einstufung als „Verdachtsfall“ rechtskräftig

Die AfD ist mit ihrer Beschwerde gegen die Einstufung als rechtsextremistischer „Verdachtsfall“ endgültig gescheitert – das Urteil des OVG Münster ist damit rechtskräftig. Das Gericht hatte bereits im Mai 2024 festgestellt, dass ausreichende Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen der Partei vorliegen, insbesondere gegenüber Menschen mit Migrationshintergrund. Die AfD wollte die Entscheidung vom Bundesverwaltungsgericht überprüfen lassen, scheiterte aber mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde. Die Begründung: Es habe sich juristisch nur um die Anwendung bestehender Vorschriften gehandelt, eine Revision sei nicht notwendig. Das parallele Verfahren zur Hochstufung der AfD als „gesichert rechtsextremistisch“ ist davon nicht betroffen und läuft weiter vor dem Verwaltungsgericht Köln.

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