Erfolgslose Verfassungsbeschwerde des Rundfunk Berlin-Brandenburg

Leitsätze zum Beschluss des Ersten Senats vom 23. Juli 2025
– 1 BvR 2578/24 – Rundfunk Berlin‑Brandenburg
1. Bei der Ausgestaltung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks hat der Gesetzgeber den Anforderungen zu genügen, die aus der Sicherung seiner Funktionsfähigkeit, der Programmautonomie und dem aus dem Erfordernis der Vielfaltsicherung resultierenden Gebot der Staatsferne folgen.
2. Bei der Organisation der Geschäftsleitung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ist dem Gesetzgeber von Verfassungs wegen kein bestimmtes Strukturmodell vorgegeben. Vielmehr kommt ihm Gestaltungsfreiheit zu, sofern die Funktionsfähigkeit des Rundfunks nicht gefährdet wird.
3. Die Festlegung einer begrenzten Mindestzahl an Standorten von regionalen Organisationseinheiten einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt (wie Regionalstudios und Regionalbüros) ist mit der Rundfunkfreiheit vereinbar. Sie dient der regionalen Vielfalt im Programm und wird hier dem Wesen der Mehrländerrundfunkanstalt gerecht.
4. Eine staatsvertragliche Mindestzeitvorgabe für die Auseinanderschaltung der Landesfernsehprogramme ist − jedenfalls bei einer Mehrländerrundfunkanstalt in föderaler Verantwortungsgemeinschaft − mit der Programmfreiheit vereinbar, wenn sie zeitlich eng begrenzt ist und weiten Raum zur autonomen Ausfüllung lässt.
Zum Beschluß
Das Bundesverfassungsgericht hat mit seinem Beschluss vom 23. Juli 2025 (1 BvR 2578/24) erneut bekräftigt: Die Rundfunkfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleistet die Existenz eines funktionsfähigen, unabhängigen öffentlich-rechtlichen Rundfunks – sie schreibt jedoch keine bestimmte Organisationsform fest.
1. Kern der Entscheidung: Keine Strukturbindung
Im zweiten Leitsatz betont das Gericht ausdrücklich, dass die innere Struktur der Rundfunkanstalten – ob monokratische Intendantenverfassung, kollegiales Direktorium oder Mischform – nicht verfassungsrechtlich vorgegeben ist. Entscheidend sei allein, dass die Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gewahrt bleibt und die Programmautonomie gesichert ist.
Damit hebt das BVerfG hervor, dass der Gesetzgeber einen weiten Gestaltungsspielraum besitzt, solange die staatsfreie und pluralistisch ausgerichtete Meinungsbildung gewährleistet ist.
2. Ständige Rechtsprechung: Gewährleistung des Funktionsauftrags, nicht der Institutionen
Die Linie ist nicht neu. Bereits in früheren Entscheidungen hat das Bundesverfassungsgericht klargestellt, dass nicht ARD, ZDF oder Deutschlandfunk selbst durch das Grundgesetz geschützt sind, sondern der Funktionsauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks insgesamt.
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Öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten wurden als vom Staat unabhängige Organisationen geschaffen, um die Rundfunkfreiheit zu gewährleisten.
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Die Rundfunkfreiheit verpflichtet den Staat, eine funktionsfähige Ordnung des Rundfunks sicherzustellen – nicht jedoch eine bestimmte institutionelle Ausprägung.
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Der Gesetzgeber hat Vorsorge für die strukturellen Voraussetzungen der Rundfunkfreiheit zu treffen, ohne auf ein bestimmtes Modell festgelegt zu sein.
3. Bedeutung für ARD, ZDF und Deutschlandfunk
Diese Rechtsprechung bedeutet im Kern: Die Existenz von ARD, ZDF oder Deutschlandfunk in ihrer heutigen Form ist keine verfassungsrechtliche Garantie. Verfassungsrechtlich gesichert ist allein, dass es unabhängige, staatsferne und funktionsfähige Einrichtungen geben muss, die Vielfalt und Meinungsfreiheit sichern.
Damit eröffnet das BVerfG dem Gesetzgeber Spielräume, die Organisationsstrukturen – etwa durch Zusammenlegungen, neue Gremien oder veränderte Leitungsmodelle – anzupassen, solange die Kernanforderungen der Rundfunkfreiheit gewahrt bleiben:
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Sicherung von Vielfalt,
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Unabhängigkeit von staatlicher Einflussnahme,
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Gewährleistung von Programmautonomie.
4. Einordnung und Ausblick
Der Beschluss macht deutlich, dass die Diskussion um Reformen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks – etwa über eine mögliche Verschlankung der Strukturen oder eine Neuordnung von ARD und ZDF – nicht am Grundgesetz scheitert, solange die Funktionsgarantie eingehalten wird.
Gerade angesichts der aktuellen Debatten um Effizienz, Kostenstruktur und gesellschaftliche Akzeptanz schafft das Urteil Klarheit: Der ÖRR ist verfassungsrechtlich geschützt – seine konkrete Organisationsform aber nicht in Stein gemeißelt.