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Abschuss ausländischer Drohnen: Polen vs. Deutschland – Rechtliche Analyse

Arbeitsrecht – Erbrecht - Kommunalrecht

Abschuss ausländischer Drohnen: Polen vs. Deutschland – Rechtliche Analyse

Drohnen

Vorfall in Polen (10./11. September 2025) – Sachverhalt und Drohnentypen

In der Nacht vom 10. auf den 11. September 2025 kam es zu einem beispiellosen Zwischenfall an der polnisch-ukrainischen Grenze. Während eines massiven russischen Drohnen- und Raketenangriffs auf Ziele in der Westukraine drangen mehrere russische Drohnen in den polnischen Luftraum ein[1][2]. Polnische Streitkräfte – in Koordination mit der NATO-Luftverteidigung – schossen einen Teil dieser Drohnen ab, nachdem sie polnisches Territorium verletzt hatten[3][4]. Offizielle Stellen in Warschau sprechen von einem “Akt der Aggression”, der eine reale Bedrohung für die Sicherheit der Bevölkerung darstellte[5][2]. Ministerpräsident Donald Tusk berief umgehend den nationalen Sicherheitsrat ein und stand in ständigem Kontakt mit dem NATO-Generalsekretär[6]. Vier Flughäfen – darunter Warschau – wurden vorübergehend gesperrt[7][8], während polnische F-16 und alliierte Kampfjets (u.a. niederländische F-35) den Luftraum sicherten[9].

Glaubwürdige Quellen: Sowohl internationale Medien (u.a. Reuters und The Guardian) als auch offizielle polnische Stellen bestätigten den Vorfall. Das polnische Verteidigungsministerium sprach von einem “beispiellosen Verletzen des polnischen Luftraums durch Objekte vom Typ Drohne”, das mitten in Russlands Angriff auf die Ukraine erfolgte[5]. Die Operationale Kommandantur der polnischen Streitkräfte gab auf der Plattform X (Twitter) bekannt, dass auf “Befehl des Operativen Kommandeurs Verteidigungsmaßnahmen sofort aktiviert” wurden und dass “gegen die Objekte Waffen eingesetzt” wurden[10]. Diese Informationen wurden von Nachrichtenagenturen wie Reuters übereinstimmend wiedergegeben[1].

Typ der Drohnen: Aus den Berichten geht hervor, dass es sich um militärisch eingesetzte Drohnen handelte, die im Rahmen des russischen Angriffs gestartet wurden. Die Drohnen stammten offenbar “aus Russland” und waren Teil des koordinierten Luftangriffs; in einer veröffentlichten Karte waren Dutzende Drohnen-Flugrouten verzeichnet, von denen “mehrere (gelb markiert) die Grenze zu Polen überschritten”[11]. Es handelte sich nicht um zivile Hobbydrohnen, sondern um unbemannte Luftfahrzeuge, wie sie Russland im Krieg einsetzt – vermutlich Aufklärungsdrohnen oder sogenannte Kamikaze-Drohnen (loitering munitions). Offizielle Stellen nannten die Objekte “Drony, które mogły stanowić zagrożenie” – Drohnen, die eine Gefahr darstellen konnten[12]. Konkrete Typen (etwa Shahed-136 o.ä.) wurden in den ersten Meldungen nicht genannt, doch der Kontext (nächtlicher Massenangriff auf ukrainische Städte) spricht für militärische bzw. paramilitärische Drohnen mit potenzieller Sprengladung oder Spionageausrüstung. Somit waren die betroffenen Drohnen weder rein zivil noch eindeutig markierte bemannte Militärflugzeuge, sondern fielen in die Kategorie “unbemannte militärische Luftfahrzeuge”, im weiteren Sinne auch als hybride Bedrohung einzuordnen (unbemannte Systeme, eingesetzt im Rahmen eines hybriden Angriffsmusters).

Fazit: Es liegen belastbare und übereinstimmende Berichte über den Vorfall vor. Polen hat nach eigenen Angaben in einer Verteidigungsoperation mehrere russische Militärdrohnen abgeschossen, die ohne Erlaubnis in den polnischen Hoheitsluftraum eingedrungen waren[1][13]. Zivile Drohnen waren an dem Vorfall nicht beteiligt.

Völkerrechtliche Bewertung: Drohnenabschuss zur Selbstverteidigung und Luftraumsicherung

Der Abschuss ausländischer Drohnen durch einen Staat berührt grundsätzliche Normen des Völkerrechts – insbesondere Staatensouveränität, das Gewaltverbot sowie das Selbstverteidigungsrecht. Im polnischen Fall stellen sich diese Fragen besonders deutlich, da ein NATO-Staat erstmals direkt russische Luftfahrzeuge neutralisiert hat.

Souveränität und Luftraumverletzung: Jeder Staat besitzt uneingeschränkte Souveränität über seinen Luftraum (Art. 1 Chicagoer Abkommen 1944). Das Eindringen eines fremden unbemannten Luftfahrzeugs in den nationalen Luftraum ohne Zustimmung ist daher per se ein Verstoß gegen das Völkerrecht. General Mieczysław Bieniek – ehem. NATO-General und Berater des polnischen Verteidigungsministers – sprach im Radio von einem “offenen Bruch des Völkerrechts”, da Russland ohne Kriegserklärung den Luftraum eines NATO-Staates verletzt habe[14]. Polen selbst wertete die mehrfachen Drohnen-Eindringlinge als Akt der Aggression[5][2]. Der Begriff Aggression ist völkerrechtlich hochrangig; gem. UN-Definition (UNGA-Resolution 3314) umfasst er die gewaltsame Verletzung der Souveränität eines anderen Staates. Auch wenn die Drohnen vordergründig Ziele in der Ukraine angreifen sollten, bedeutete ihr Eintritt nach Polen eine territoriale Verletzung Polens durch russische Militärmittel – damit lag ein völkerrechtswidriger Eingriff in die polnische Souveränität vor.

Selbstverteidigung (Art. 51 UN-Charta): Unmittelbar damit verknüpft ist das Recht Polens auf Selbstverteidigung. Gemäß Art. 51 UN-Charta darf ein Staat individuelle oder kollektive Selbstverteidigung ausüben, wenn er Opfer eines bewaffneten Angriffs wird. Die rechtliche Einstufung unbewaffneter oder “verirrter” Drohnen als bewaffneter Angriff ist nicht trivial. Im polnischen Szenario kann jedoch argumentiert werden, dass eine Handvoll unbemannter Flugobjekte im Rahmen eines großangelegten russischen Angriffs durchaus als Teil eines bewaffneten Angriffs oder zumindest als unmittelbar bevorstehender bewaffneter Angriff gewertet werden konnten. Polen musste davon ausgehen, dass diese Drohnen entweder mit Sprengstoff beladen waren oder Aufklärung für Angriffe leisten – beides hätte Menschenleben oder Infrastruktur in Polen gefährden können. Die NATO-Partner interpretierten den Vorfall ebenfalls sehr ernst: Ein US-Kongressabgeordneter bezeichnete die Drohnenverletzung gar als “act of war” gegen Polen[15]. Folglich durfte Polen – im Rahmen der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit – militärische Abwehrmaßnahmen ergreifen, um die Drohnen unschädlich zu machen. Der Abschuss mehrerer unbemannter, mutmaßlich gefährlicher Objekte über dünn besiedeltem Gebiet erfüllt diese Kriterien der verhältnismäßigen Selbstverteidigung, zumal keine anderen Mittel (z.B. elektronisches Abdrängen) offenbar zuverlässig zur Verfügung standen.

Wichtig ist, dass Polen den Einsatz bewaffneter Gewalt auf das eigene Territorium beschränkte. Die Drohnen wurden erst über Polen abgefangen, nicht etwa präventiv über Russland oder Belarus. Dadurch verletzte Polen selbst keine fremde Territorialhoheit – eine Eskalation wurde vermieden. Hätte Polen die Drohnen “über russischem Staatsgebiet” abgeschossen (worüber es gerüchteweise Unklarheiten gab), wäre dies völkerrechtlich problematischer gewesen, da Polen dann seinerseits das Gewaltverbot (Art. 2(4) UN-Charta) tangiert hätte. Alle verfügbaren zuverlässigen Informationen deuten jedoch darauf hin, dass der Einsatz polnischer Abwehrwaffen ausschließlich über eigenem Gebiet erfolgte[6][16]. Somit kann man von einer legitimen Ausübung des Selbstverteidigungsrechts auf polnischem Hoheitsgebiet sprechen.

Luftraumsicherung und NATO-Beistand: Unabhängig von der Frage des bewaffneten Angriffs war Polen berechtigt, seine Lufthoheit zu sichern. Das Gewaltverbot (Art. 2(4) UN-Charta) untersagt zwar grundsätzlich militärische Gewalt zwischen Staaten, doch defensive Maßnahmen auf eigenem Territorium zur Entfernung eingedrungener unbemannter Objekte gelten völkerrechtlich nicht als rechtswidrige Gewaltanwendung, sondern als Sicherung der territorialen Integrität. Diese Auffassung wird dadurch untermauert, dass kein Staat ein Recht hat, mit Militärgeräten in den Luftraum eines anderen einzudringen – reagiert der verletzte Staat mit Abdrängen oder Abschuss, wahrt er letztlich die Ordnung des souveränen Luftraums. Entsprechende Abfang- und Eingriffsrechte sind in der Staatspraxis anerkannt (z.B. Abfangregeln der zivilen Luftfahrt, scrambled Jets bei Luftraumverletzung).

Polen war sich der politischen Brisanz bewusst und hat daher enge NATO-Konsultationen durchgeführt. Nach Angaben polnischer Stellen wurde NATO gemäß Artikel 4 des Nordatlantikvertrags konsultiert (Dringlichkeitsberatungen) und die Allianz leistete im Rahmen von Artikel 3 (gegenseitige Unterstützung bei Kapazitäten) Hilfe[17]. So halfen niederländische F-35-Jets der NATO Integrated Air and Missile Defence mit, den polnischen Luftraum zu überwachen[9]. Eine förmliche Ausrufung des Bündnisfalls (Artikel 5 NATO) erfolgte nicht, wohl um eine weitere Eskalation zu vermeiden – stattdessen wurde der Vorfall de facto kollektiv gemanagt, aber rechtlich blieb es bei einer individuellen Verteidigungsmaßnahme Polens. Die NATO wie auch Verbündete (z.B. die USA) signalisierten Unterstützung für Polens Vorgehen und bekräftigten das Recht Polens, sich gegen solche Verletzungen zu verteidigen[18].

Ergebnis: Völkerrechtlich konnte Polen den Abschuss der russischen Drohnen auf zwei Ebenen rechtfertigen: Erstens als Akt der Selbstverteidigung gegen eine Aggression Russlands (Art. 51 UN-Charta)[5], und zweitens als polizeiliche Sicherung der eigenen Souveränität gegen ein unbemanntes Eindringling-Luftfahrzeug. Beide Rechtfertigungen greifen hier ineinander. Da Polen in Übereinstimmung mit diesen Prinzipien handelte, lässt sich festhalten, dass keine Verletzung des Völkerrechts durch Polen vorliegt – im Gegenteil, Russland hat durch die Drohnenverletzung internationales Recht gebrochen[14].

Rechtsgrundlage für Polens Handeln (Völkerrecht und polnisches Recht)

Völkerrechtliche Grundlage: Wie oben dargestellt, stützte sich Polen auf sein angeborenes Selbstverteidigungsrecht. Offizielle Äußerungen bezeichnen das Eindringen der Drohnen explizit als “Akt der Aggression”[5] – eine Wortwahl, die impliziert, dass Polen die Voraussetzungen für Selbstverteidigung als gegeben ansah. Auch ohne formale Kriegserklärung Russlands befand sich Polen in der Situation, akute Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung treffen zu müssen. Der Abschuss der Drohnen war dabei das äußerste, aber wirksame Mittel, um die unmittelbare Gefahr zu neutralisieren. Internationale Reaktionen deuten darauf hin, dass diese Sichtweise geteilt wurde. So erklärte z.B. US-Außenminister Antony Blinken: “We stand by Poland’s right to defend itself”, was gerade im Kontext der Möglichkeit eines Drohnenabschusses gesagt wurde[18]. Die rechtliche Deckung im Völkerrecht bildet also primär Art. 51 UN-Charta (Selbstverteidigung), flankiert vom allgemeinen Prinzip der Wahrung der territorialen Integrität.

Zudem könnte man Polens Vorgehen auch als sofortige Abwehr eines fortgesetzten völkerrechtswidrigen Delikts sehen: Die Verletzung des Luftraums war ein andauernder Verstoß Russlands, den Polen durch ein Gegenmittel (Abschuss der Drohnen) beendete. In der Rechtstheorie ließe sich dies als “Gegenmaßnahme” klassifizieren – allerdings ist dabei umstritten, inwieweit bewaffnete Gegenmaßnahmen zulässig sind. Da hier jedoch die Selbstverteidigung greift, erübrigt sich diese Abgrenzung im Grunde.

Polnisches Verfassungs- und Sicherheitsrecht: Auf nationaler Ebene verfügte Polen über die notwendigen gesetzlichen Befugnisse, um rasch zu reagieren. Die polnische Verfassung nennt als eine Kernaufgabe der Streitkräfte, die Unabhängigkeit und territoriale Unversehrtheit des Staates zu wahren (ähnlich wie Art. 87a GG in Deutschland). So bestimmt z.B. Art. 26 Abs. 1 der polnischen Verfassung, dass die polnischen Streitkräfte der Verteidigung Polens und der Abwehr von Angriffen dienen. Eine formale Kriegserklärung oder der Ausnahmezustand waren für die gezielte Abwehr kleiner Luftfahrzeuge nicht erforderlich – es handelte sich um einen einzelnen Verteidigungsakt im Frieden, gedeckt durch die generelle Befugnis der Exekutive, die Sicherheit des Staates zu gewährleisten. Präsident Karol Nawrocki (der Oberbefehlshaber der Streitkräfte) und Premier Tusk wurden umgehend informiert und stimmten dem Vorgehen zu[19], was die verfassungsrechtliche Legitimierung des Militäreinsatzes sicherstellt.

Polen hat spezifische Luftsicherungs- und Verteidigungsprozeduren, die hier griffen. In der Kette der Entscheidungsfindung ist der Dowódca Operacyjny Rodzajów Sił Zbrojnych – der Operative Oberbefehlshaber der Streitkräfte – für solche Fälle zuständig. Laut polnischen Quellen ist dieser Kommandeur gesetzlich ermächtigt, “Maßnahmen bei Verletzung der Staatsgrenze durch fremde militärische Luftfahrzeuge” anzuordnen[10]. Genau dies geschah: Der Operative Kommandeur beobachtete mit seinem Stab das Radarlagebild, identifizierte die unkoordinierten Objekte und gab den Feuerbefehl zur Neutralisierung jener Drohnen, die als Bedrohung eingestuft wurden[12]. Eine sofortige Verteidigungshandlung wie diese ist im polnischen Recht durch untergesetzliche Normen und Einsatzregeln abgedeckt. Die rechtliche Grundlage dürfte insbesondere das polnische Luftschutz- und Staatgrenzengesetz in Verbindung mit militärischen Einsatzregeln (ROE) sein. Ein polnischer Fachbeitrag hält fest, dass das polnische Recht “explizit die Bedingungen der Zulässigkeit und den Entscheidungsprozess für den Einsatz von Waffengewalt bei Verletzung der Staatsgrenze durch fremde militärische Luftfahrzeuge” regelt[16][14]. Demnach ist der Abschussbefehl in solchen Fällen klar procedurisiert – nach dem Prinzip Warnung, Identifizierung, Abstufung der Gewaltmittel. General Bieniek beschrieb im Interview den Ablauf: Zuerst Erfassung des Objekts, Überprüfung der Flugrichtung und Tiefe der Grenzverletzung, dann Entscheidung, ob es bewaffnet sein könnte, und schließlich die Wahl des Abfangmittels. Die Endentscheidung liege beim “Operator des Wirkungsmittels” (z.B. dem Piloten des Abfangjets oder der Flugabwehrraketen-Besatzung), der auch berücksichtigen muss, wo Trümmer niedergehen könnten[20]. Diese Schilderung zeigt, dass Sorgfalt und Verhältnismäßigkeit integraler Bestandteil der polnischen Einsatzregeln sind.

Kurzum konnte Polen also auf eine klare gesetzliche Handhabe zurückgreifen: Völkerrechtlich gestützt durch Selbstverteidigung und nationalrechtlich durch bestehende Befugnisse der Streitkräfte zur Luftraumverteidigung im Frieden. Eine separate Mandatierung durch Parlament oder ähnliches war nicht nötig, da kein Auslandseinsatz vorlag, sondern Heimatschutz. Vielmehr fällt dieser Vorfall in den originären Verteidigungsauftrag der polnischen Armee und wurde durch die Exekutive in Übereinstimmung mit geltendem Recht bewältigt.

Rechtslage in Deutschland beim Abschuss ausländischer Drohnen

Die Ereignisse in Polen werfen die Frage auf, wie Deutschland in einem vergleichbaren Szenario rechtlich aufgestellt wäre. Angenommen, fremde Drohnen – ob zivil, militärisch oder im Rahmen hybrider Bedrohungen – verletzen den deutschen Luftraum: Welche Gesetze und Zuständigkeiten greifen, und dürfte Deutschland diese Objekte abschießen? Die deutsche Rechtslage ist komplex und unterscheidet sich teils deutlich von der polnischen, insbesondere aufgrund verfassungsrechtlicher Schranken beim Einsatz der Bundeswehr im Inland.

Zivile, militärische und “hybride” Drohnen: Begriffsabgrenzung

  • Zivile Drohnen: Darunter fallen privat oder kommerziell betriebene unbemannte Luftfahrtsysteme, etwa Foto-Drohnen, Forschungsdrohnen oder auch kleinere Fluggeräte, die möglicherweise illegal in Sperrzonen fliegen. Solche Drohnen sind meist ungefährlich im militärischen Sinn, können aber eine Gefahr für den zivilen Luftverkehr oder die öffentliche Sicherheit darstellen (z.B. wenn eine Drohne in die Anflugschneise eines Flughafens gerät). Ihre Betreiber sind Zivilpersonen oder Unternehmen, nicht staatliche Stellen.
  • Militärische Drohnen: Das sind unbemannte Fluggeräte, die von einem Staat oder dessen Streitkräften eingesetzt werden. Sie können Aufklärungszwecken dienen oder bewaffnet sein (z.B. Kampfdrohnen, wie im Ukraine-Krieg eingesetzt). Sollte eine ausländische militärische Drohne unerlaubt in den deutschen Luftraum eindringen, hätte dies eine hohe sicherheitspolitische Brisanz, da hier staatliches Handeln (des fremden Staates) vorläge – im Grunde ein Miniatur-Zwischenfall wie in Polen.
  • Hybride Drohnen: Diese Kategorie ist unscharf, bezieht sich aber auf Szenarien zwischen rein zivil und offen militärisch. Gemeint sind Drohnen, die in hybrider Kriegsführung eingesetzt werden – etwa Spionage- oder Sabotagedrohnen, die von staatlichen oder halbstaatlichen Akteuren gesteuert werden, aber nicht offen als militärisches Gerät erkennbar sind. Ein Beispiel wären z.B. kommerziell erhältliche Drohnen, die von einem fremden Geheimdienst genutzt werden, um kritische Infrastruktur auszuspähen, oder Drohnen von Proxy-Akteuren (Söldnern, Terrorgruppen), die im Auftrag eines Staates handeln. Solche hybriden Bedrohungen werden seit 2022 auch in Deutschland vermehrt beobachtet: Über 530 Drohnensichtungen wurden allein in den ersten drei Monaten 2025 am deutschen Himmel registriert, teils über Bundeswehr-Liegenschaften, Häfen und Bahnstrecken[21]. Westliche Geheimdienste vermuten, dass russische Akteure regelmäßig Aufklärungsdrohnen über Ostdeutschland einsetzen, um Waffentransporte in die Ukraine auszukundschaften[22]. Diese Drohnen fliegen oft nachts und verschwinden wieder, ohne einen offenen Angriff – typisches hybrides Szenario.

Deutschland müsste im Ernstfall abhängig von der Einstufung der Drohne (zivil, militärisch, hybrid) unterschiedliche Rechtsgrundlagen und Zuständigkeiten anwenden. Im Folgenden wird die gestaffelte Rechtslage dargestellt.

Rechtsrahmen: Luftsicherheitsgesetz, Grundgesetz und Spezialgesetze

Luftsicherheitsgesetz (LuftSiG): Die zentrale Regelung für Maßnahmen gegen Luftfahrzeuge im deutschen Luftraum ist das Luftsicherheitsgesetz. Es wurde 2005 nach 9/11 erlassen und regelt u.a. Eingriffsbefugnisse bei Gefahren aus der Luft. §13 LuftSiG erlaubt es den zuständigen Behörden (Luftsicherheitsbehörden) zunächst, unbefugte Luftfahrzeuge zu identifizieren, warnen und notfalls durch Polizei oder Bundeswehr zur Landung zu zwingen. §14 LuftSiG regelt den Einsatz der Streitkräfte zur Hilfe, allerdings historisch bedingt mit Einschränkungen. Der berüchtigte §14 Abs.3 LuftSiG a.F. sah einst den Abschuss entführter Zivilluftzeuge als letztes Mittel vor – diese Regelung wurde jedoch 2006 vom Bundesverfassungsgericht für nichtig erklärt (Verstoß gegen das Grundrecht auf Leben und Menschenwürde), soweit unschuldige Zivilisten an Bord wären[23]. Seitdem dürfen die Streitkräfte gemäß aktueller Gesetzeslage kein Passagierflugzeug abschießen, selbst wenn es als Waffe missbraucht wird. Für unbemannte Drohnen gab es in der ursprünglichen Fassung des LuftSiG gar keine ausdrückliche Erwähnung. Das heißt, das Gesetz erlaubte zwar z.B. Warnschüsse und Abdrängmanöver gegen bemannte Luftfahrzeuge, aber den Einsatz von Waffengewalt gegen unbemannte Luftfahrzeuge bisher nicht ausdrücklich[24]. Diese Lücke wurde erkannt: Im Januar 2025 beschloss die Bundesregierung eine Änderung des LuftSiG, um genau diese Befugnis zu ergänzen[25][26]. Künftig sollte §14 Abs.1 LuftSiG folgendermaßen erweitert werden (neuer Text kursiv): „…dürfen die Streitkräfte im Luftraum Luftfahrzeuge abdrängen, zur Landung zwingen, den Einsatz von Waffengewalt androhen oder Warnschüsse abgeben oder Waffengewalt gegen unbemannte Luftfahrzeuge anwenden.“[27][28]. Die Voraussetzung dafür: ein “besonders schwerer Unglücksfall” (also eine Katastrophenlage) steht unmittelbar bevor, die Polizei ist überfordert und es droht der Einsatz der Drohne gegen Menschenleben oder kritische Anlagen[29]. Stand September 2025 ist diese Gesetzesänderung jedoch noch nicht in Kraft – sie wurde in der vorigen Legislatur nicht mehr verabschiedet[30]. Damit ergibt sich: Derzeit (ohne neue Regelung) darf die Bundeswehr im Inland Drohnen offiziell nicht abschießen, es sei denn, es wird eine der unten genannten Ausnahmesituationen ausgerufen. Zulässig sind bis dato nur geringere Mittel (z.B. Elektromagnetische Störmaßnahmen durch die Bundespolizei, siehe unten). Die Bundesregierung arbeitet allerdings an neuen Gesetzen: Parallel zur LuftSiG-Reform soll die Bundespolizei erweiterte Drohnen-Abwehrbefugnisse erhalten (z.B. Einsatz von Jammern, EMP oder Netzen gegen Drohnen)[31]. Diese Reform des Bundespolizeigesetzes ist ebenfalls im Gange (Stand 09/2025)[32].

Grundgesetzliche Vorgaben (Einsatz der Bundeswehr im Innern): Über all dem steht das Grundgesetz, das den Einsatz militärischer Mittel im Inland nur unter engen Voraussetzungen erlaubt. Nach Art. 87a Abs. 2 GG sind Einsätze der Streitkräfte innerhalb Deutschlands grundsätzlich verboten, sofern nicht ausdrücklich im GG zugelassen. Die entsprechenden Ausnahmen sind:

  • Art. 35 GG (Not- und Unglücksfälle): Bei Naturkatastrophen oder besonders schweren Unglücksfällen dürfen die Streitkräfte zur Amtshilfe im Inland eingesetzt werden (Abs. 2 Satz 2). Das würde etwa für einen 9/11-artigen Flugzeuganschlag als “Unglücksfall” gelten. Allerdings hat das BVerfG in seinem Urteil von 2006 klargestellt, dass selbst dann “der Einsatz spezifisch militärischer Waffen” unzulässig ist, sofern es um polizeiliche Hilfe geht[33]. Die Bundeswehr dürfte in solchen Amtshilfe-Einsätzen also nur polizeiliche Mittel anwenden (keine Raketen auf Passagierjets – diese restriktive Sicht stand hinter der damaligen Entscheidung). Der Abschuss einer Drohne könnte aber möglicherweise als polizeiliches Mittel durchgehen, wenn z.B. auch die Polizei grundsätzlich berechtigt wäre zu schießen (so argumentieren einige, dass Waffengewalt nicht notwendigerweise militärische Waffengewalt sein muss)[34].
  • Art. 87a Abs. 3 GG (Spannungs- oder Verteidigungsfall): Im Verteidigungsfall (also wenn das Bundesgebiet von außen angegriffen wird und das Parlament diesen Zustand feststellt) oder im Spannungsfall (einer vorgelagerten Krisenstufe) dürfen Streitkräfte auch im Inland eingesetzt werden, zur Verteidigung und zum Schutz ziviler Objekte sowie zur Unterstützung der Polizei[35]. Diese Klausel war als Lehre des Kalten Krieges gedacht – im Kriegsfall soll die Bundeswehr natürlich überall handeln dürfen, auch zuhause. De facto würde ein erklärter Verteidigungsfall sämtliche Beschränkungen gegenstandslos machen: Dann dürfte die Bundeswehr auch eigenständig den Luftraum verteidigen. Aber: Der Verteidigungsfall ist ein extrem hoher Schwellenwert – er wird durch Bundestag/Bundesrat ausgerufen (Art. 115a GG). Ein vereinzelter Drohnenvorfall würde wohl nicht sofort den Verteidigungsfall auslösen, solange kein großflächiger Angriff stattfindet. Allerdings könnte man argumentieren: Sollten z.B. russische Drohnen in Deutschland einschlagen oder militärisch eingesetzt werden, wäre dies bereits ein “bewaffneter Angriff” i.S.d. Art. 115a GG und man könnte den Verteidigungsfall feststellen. Ohne formale Feststellung dürfte die Bundeswehr in akuter Nothilfe dennoch reagieren – hierzu später mehr.
  • Art. 87a Abs. 4 GG (Innere Notlage): Außerdem erlaubt das Grundgesetz den Einsatz der Streitkräfte zur Abwehr eines drohenden Angriffs auf den Bestand der Bundesrepublik oder die FDGO, wenn die Polizei und andere Sicherheitsbehörden überfordert sind[36]. Diese Extremklausel zielt auf Situationen wie einen großangelegten Terrorangriff oder Aufstand im Innern. Hier könnte man ein hybrides Szenario mit Drohnenschwärmen als Sabotage eventuell einordnen, falls die Gefahr als existenziell angesehen wird.

Unterm Strich folgt daraus: In Friedenszeiten ohne Ausnahmezustand darf die Bundeswehr in Deutschland nur in einem sehr engen rechtlichen Korridor tätig werden – und Kampfeinsätze im Inland (wie das Abschießen von Objekten) sind eigentlich nur im Verteidigungs- oder Spannungsfall oder in der oben genannten außergewöhnlichen inneren Notlage vorgesehen[35]. Ansonsten ist die Gefahrenabwehr grundsätzlich Sache der Polizei.

Spezialgesetze und Verordnungen: Neben dem LuftSiG gibt es z.B. die allgemeinen Polizeigesetze der Länder, das Luftverkehrsgesetz, sowie Verordnungen zur Nutzung von Drohnen. Zivile Drohnen unterliegen EU-weit harmonisierten Regeln (EU-Drohnenverordnung), aber diese betreffen Registrierung, Flughöhen usw. – im Kontext Abschuss spielen sie weniger Rolle außer, dass illegale Drohnenflüge definiert sind. Wichtiger sind Regelungen wie die LuftVO (Luftverkehrs-Ordnung), die Sperrgebiete regelt (z.B. rund um Flughäfen oder Einsatzorte). Eine Verletzung solcher Vorschriften durch eine Drohne berechtigt an sich noch nicht zum Abschuss, wohl aber zu Maßnahmen der Gefahrenabwehr (Feststellen des Piloten, Unterbindung des Fluges). Das Sicherheitsrecht sieht hier gestufte Verfahren vor.

Zuständigkeiten: Wer dürfte in Deutschland handeln?

Die Zuständigkeit hängt stark von der Situation und der Einordnung ab:

  • Bundeswehr (Luftwaffe/Air Defence): Die Luftwaffe überwacht im Verbund mit NATO das deutsche Luftraumradar und führt Alarmrotten (QRA) bereit, um unbekannte Flugobjekte abzufangen. Bei einem ausländischen Militärflugobjekt (z.B. ein Kampfjet oder auch eine größere Drohne) würde zunächst genau wie sonst ein Alarmstart von Abfangjägern erfolgen. Diese fliegen das Objekt an, versuchen es zu identifizieren und – falls es den Luftraum verletzt – es herauszudrängen oder zur Umkehr zu bewegen. Schusswaffeneinsatz der Bundeswehr-Jets gegen ein Luftziel über Deutschland wäre jedoch ohne politischen Befehl nicht denkbar. Normalerweise müsste – je nach Eskalationsstufe – die militärische Führung und letztlich die politische Leitung (Verteidigungsministerium/Innenministerium, ggf. Kanzleramt) entscheiden, ob ein Luftziel bekämpft wird. Rein praktisch hätte natürlich die Bundeswehr das technische Können, eine Drohne abzuschießen (z.B. mit Bordkanone eines Eurofighters oder Flugabwehrraketen). Aber die rechtliche Schranke ist: Solange kein Verteidigungsfall festgestellt ist, handelt die Luftwaffe hier im Rahmen polizeilicher Gefahrenabwehr/Amtshilfe. Und wie oben dargestellt, dürfte sie das derzeit streng genommen nicht, da §14 LuftSiG den Abschuss unbemannter Objekte (noch) nicht vorsieht[24]. In einer akuten Gefahrenlage würden die Verantwortlichen vermutlich dennoch handeln, um Schaden abzuwenden, und die Rechtsgrundlage im Nachhinein klären (Notstand/Rechtfertigender Notstand nach StGB, übergesetzlicher Notstand, o.ä.). Aber formal ist die Bundeswehr in Friedenszeiten nicht die primär zuständige Behörde für Drohnenabwehr im Inland – außer es liegt ein Verteidigungsfall vor oder die Polizei ruft Amtshilfe in einer Katastrophensituation.
  • Polizeibehörden (Bund und Länder): Für zivile und hybride Bedrohungen ist in Deutschland grundsätzlich die Polizei zuständig. Das ergibt sich aus der Aufteilung: Allgemeine Gefahrenabwehr = Ländersache, einige spezielle Bereiche = Bund. Illegale Drohnenflüge über z.B. Kasernen, Bahnanlagen, Regierungsgebäuden könnten verschiedene Behörden auf den Plan rufen: die jeweilige Landespolizei (für die allgemeine Sicherheit vor Ort), die Bundespolizei (falls z.B. Luftraumsicherung an Flughäfen oder Bahnanlagen des Bundes betroffen sind) oder sogar der Bundesgrenzschutz (in seinem heutigen Pendant Bundespolizei – früher war Grenzschutz zuständig für Luftraumsicherung, daher die Nennung im GG Art. 87a Abs.4). Ein aktuelles Behördenverständnis ist, dass “die Zuständigkeit für Drohnenabwehr grundsätzlich bei den zivilen Sicherheitsbehörden liegen muss”[37]. Die Bundeswehr könne allenfalls ausnahmsweise eingebunden werden, so Innenpolitiker Sebastian Fiedler (SPD)[37]. Dies entspricht dem Prinzip der Polizeihoheit im Innern. Praktisch bedeutet das: Bei einer kleinen bis mittleren Drohne unbekannter Herkunft würden zunächst Polizeikräfte versuchen, diese unschädlich zu machen – etwa mittels spezieller Anti-Drohnen-Technik, die inzwischen bei Spezialeinheiten vorhanden ist (Störgewehre, Netzdrohnen etc.). Beispiel: 2023 wurde publik, dass die Bundeswehr auf einem ihrer Flughäfen (Schwesing/Husum) sechsmal Drohnenbesuch hatte; man versuchte sie mit Störsendern abzuwehren – vergeblich[38]. Die Ermittlungen hat dann das Landeskriminalamt übernommen[39]. Das zeigt: Obwohl die Drohnen offenbar Spionagezwecken dienten und evtl. von einem staatlichen Gegner geschickt waren, musste zunächst die Polizei einschreiten, nicht die Soldaten. Die Soldaten durften auf ihrem Kasernengelände zwar Alarm auslösen, aber aktiv abschießen nicht. Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums stellte klar: “Die Bundeswehr ist nur für ihr eigenes Gelände zuständig. Ansonsten sind das Bundesinnenministerium und die zivilen Betreiber der Infrastruktur für die Gefahrenabwehr verantwortlich.”[40]. Das heißt, verlässt eine Drohne den engen Kasernenbereich und fliegt über z.B. eine Stadt, liegt der Ball bei der Polizei.
  • Nachrichtendienste: Behörden wie der BND (Auslandsgeheimdienst) oder das BfV (Verfassungsschutz) sowie der Militärische Abschirmdienst MAD spielen eine Rolle bei der Aufklärung solcher Vorfälle – sie können Hinweise auf Urheber und Absichten liefern. So wurden Berichte über russische Spionagedrohnen z.B. durch westliche Geheimdienste an die Presse gespielt[22]. Die Dienste dürfen jedoch keine Exekutivmaßnahmen wie Abschüsse durchführen. Sie liefern Informationen an Polizei/Bundeswehr und Regierung. Die Bewältigung eines konkreten Drohnenvorfalls obliegt dann aber den oben genannten Exekutivorganen (Polizei oder, im Verteidigungsfall, der Bundeswehr).

Fazit Zuständigkeit: In Friedenszeiten ist also die Polizei (Bund/Land) primär zuständig für den Umgang mit zivilen oder verdeckt feindlichen Drohnen. Die Bundeswehr hält zwar Fähigkeiten bereit (Radar, Jets, FlaRak), darf aber rechtlich gesehen nur auf Anforderung und unter strengen Bedingungen tätig werden. Im Verteidigungsfall hingegen würde die Bundeswehr die Führung übernehmen, unterstützt durch Bündnispartner im NATO-Rahmen.

Eine aktuelle Entwicklung ist der Ruf nach klareren Zuständigkeiten: Sicherheitsexperten (z.B. Konstantin von Notz, MdB) fordern eine “umfassende Regelung, die die Zuständigkeiten für die Drohnenabwehr sowohl im militärischen als auch im zivilen Bereich klar strukturiert”[41]. Bislang fehlt eine solche Gesamtregelung, was in der Praxis zu Abstimmungsproblemen führen kann.

Voraussetzungen für einen Abschuss im deutschen Luftraum

Wann dürfte Deutschland also im Konkreten eine fremde Drohne abschießen? Man muss drei Fallgruppen unterscheiden:

  1. Zivile Drohne (privat/kommerziell) – kein staatlicher Angreifer: Hier gelten die normalen Polizeiregeln der Verhältnismäßigkeit. Ein Abschuss (durch Schusswaffengebrauch der Polizei) käme nur in Betracht, wenn die Drohne eine gegenwärtige Gefahr für wichtige Rechtsgüter darstellt – z.B. wenn sie unmittelbar ein Passagierflugzeug gefährdet oder in eine Menschenmenge zu stürzen droht. Anderenfalls würden mildere Mittel eingesetzt: Stören der Funkverbindung, Übernahme der Steuerung (Hack/Jammer) oder Einfangen. Tatsächlich hat die Bundespolizei bereits technische Ausstattung getestet, um z.B. an Flughäfen “Renegade”-Drohnen unschädlich zu machen (Netzgewehre, Drohnenabwehrsysteme). Der finale Abschuss mit Feuerwaffe wäre Ultima Ratio, zu verantworten durch die Polizeiführer vor Ort nach den jeweiligen Polizeigesetzen der Länder bzw. der Bundespolizei. Ein Beispiel: Würde eine große zivil registrierte Drohne verbotenerweise ins Flughafengelände fliegen, könnte die Bundespolizei gem. §12(1) i.V.m. §15 Bundespolizeigesetz tätig werden; zunächst durch technische Abwehr, und wenn diese versagt und Lebensgefahr besteht, notfalls auch durch Schusswaffengebrauch (§ 8 UZwG – unmittelbarer Zwang – in letzter Konsequenz tödliche Gewalt gegen Sachen ist unter strengen Bedingungen zulässig). Verfassungsrechtlich unproblematisch ist das, solange keine Unbeteiligten gefährdet werden – die BVerfG-Entscheidung von 2006 verbot nur den Abschuss bemannter Zivilflugzeuge mit Unschuldigen an Bord[23], nicht aber eines unbemannten Geräts. Die Menschenwürde kollidiert hier nicht, da keine Passagiere vorhanden sind.

Allerdings dürfte die Polizei nicht eigenmächtig mit Boden-Luft-Raketen schießen, da solche militärischen Waffen ihr nicht zur Verfügung stehen. Ein Polizeischütze könnte aber z.B. mit einem Gewehr auf eine kleine Drohne feuern, sofern das sicher durchzuführen ist – in urbanem Gebiet wäre dies wegen Querschlägern und Absturzgefahr der Drohne wiederum kritisch. Hier zeigt sich: Praktisch ist das elektronische Neutralisieren meist die bessere Lösung bei zivilen Drohnen.

  1. Eindeutig feindliche Militärdrohne (staatlicher Akteur) – Verteidigungsfallähnliche Lage: Sollte eine ausländische Militärdrohne in deutschen Luftraum eindringen, insbesondere in bewaffneter Absicht (z.B. ein Szenario analog Polen, oder auch ein Marschflugkörper-ähnlicher Drohnenangriff), würde Deutschland dies als Angriff auf die Bundesrepublik werten. In dem Moment dürfen und müssen die Streitkräfte aktiv werden, um Schaden von der Bevölkerung abzuwenden (Schutzauftrag aus Art. 87a Abs. 1 GG). Völkerrechtlich stünde auch Deutschland dann unter dem Schutz des Selbstverteidigungsrechts (Art. 51 UN-Charta), analog zu Polen. Verfassungsrechtlich würde faktisch der Verteidigungsfall eintreten – zumindest müsste unverzüglich die Feststellung nach Art. 115a GG geprüft werden. Doch auch ohne formalen Parlamentsbeschluss in den ersten Stunden könnte die Exekutive das Notwendige tun, da kein Verfassungsorgan dem Volk verwehren dürfte, sich gegen einen Angriff zu verteidigen. Praktisch wäre vermutlich bereits die integrierte NATO-Luftverteidigung aktiv: Radarführungszentralen (etwa in Kalkar/Uedem) würden den Kontakt verfolgen, Alarmrotten der Bundeswehr oder Alliierten (z.B. im Ostseegebiet) aufsteigen lassen. Wenn die Drohne als feindlich und gefährlich identifiziert ist, wird man sie abzuschießen versuchen. Die Rechtsgrundlage dafür wäre in erster Linie Artikel 87a Abs. 1 GG i.V.m. Art. 115a GG – die Landesverteidigung. Auch das LuftSiG sieht in §13 Abs.1 vor, dass für die Abwehr von Angriffen auf den Luftverkehr die Streitkräfte eingesetzt werden können; allerdings war diese Norm eher auf entführte Zivilflugzeuge gemünzt. Ein staatlicher Drohnenangriff wäre ein Kriegsakt, der alle vorhandenen militärischen Abwehrrechte auslöst.

Wichtig ist: Falls keine Unbeteiligten an Bord sind (bei einer Drohne per se nicht), bestehen nicht die verfassungsrechtlichen Bedenken wie 2006 bei bemannten Linienflugzeugen. Das Haupthemmnis ist eher prozedural: Deutschland müsste sehr schnell erkennen, dass es sich um einen militärischen feindlichen Akt handelt, um die Kompetenz zur Bundeswehr übergehen zu lassen. Aber bereits Gen. Bieniek kommentierte zum Polen-Vorfall, NATO befinde sich nun “im Modus von Artikel 4”[17] – d.h. Beratung über Bedrohung, aber (noch) nicht Artikel 5 Bündnisfall. Analog würde Deutschland wohl zunächst auf Artikel 4 setzen (Konsultation), um nicht überzureagieren. Dennoch: Bei unmittelbarer Gefahr für Menschenleben (etwa eine Drohne im Anflug auf ein Kraftwerk) wäre der Abschuss unverzüglich gerechtfertigt – hier stünde notfalls der rechtfertigende Notstand (§34 StGB) als Auffanggrundlage bereit, falls man keine spezielle Norm parat hat.

Zusammengefasst: Gegen eine militärische Drohne als Angriffswaffe wäre Deutschland wehrfähig, rein rechtlich spätestens ab Feststellung des Verteidigungsfalls. Vor dieser Feststellung bewegt man sich im Übergangsbereich – die Bundeswehr dürfte eigentlich nicht ohne weiteres schießen, würde es im Ernstfall aber wohl trotzdem tun und auf das übergeordnete Selbstverteidigungsrecht pochen. (Dies entspricht in etwa dem polnischen Vorgehen: Polen hat auch keinen Kriegszustand erklärt, aber dennoch Verteidigungsmaßnahmen ergriffen.)

  1. “Hybride” Drohne (Spionage/Sabotage) – Grauzone zwischen Polizei und Militär: Dieser Fall ist der kniffligste. Hier handelt es sich um Drohnen, die möglicherweise von einem feindlichen Staat oder dessen Strohmännern eingesetzt werden, aber ohne offenen Angriff – z.B. zur Aufklärung oder kleinen Sabotageakten, etwa das Beobachten von Kasernen, Überfliegen von Manövergebieten, evtl. Abwerfen kleiner Gegenstände. Solche Vorfälle gab es in Deutschland bereits mehrfach (siehe oben: Drohnen über Bundeswehrlager, über dem Luftwaffenstützpunkt Husum etc., mutmaßlich russische Spionage[38][42]). Juristisch werden diese Drohnen zunächst wie unbekannte Zivildrohnen behandelt, da kein Kampfhandlungen-Ausmaß erreicht ist. Zuständig ist daher primär die Polizei. Diese sichtet, meldet und versucht zu identifizieren. Oft ist unklar, wer dahintersteckt – wenn kein Hoheitsabzeichen oder keine Herkunft feststellbar ist, kann man nicht sofort von einem “bewaffneten Angriff” sprechen. Die Schwelle für den Verteidigungsfall wäre also nicht erreicht, solange es “nur” Spionage ist.

Allerdings kann Spionage mit Drohnen auch eine Vorbereitungshandlung für Sabotage oder Schlimmeres sein. Innenministerin Nancy Faeser betonte, dass regelmäßig auch “Spionage oder Sabotage” als Hintergrund solcher “unkooperativen Drohnen” vermutet wird[43]. Die Gefahr ist real: Kritische Infrastruktur kann ausgespäht oder gar direkt angegriffen werden (z.B. eine mit Sprengstoff präparierte Drohne gegen ein Atomkraftwerk). Hier stoßen die zivilen Behörden an Grenzen, weil technisch anspruchsvolle Abwehr nötig ist und oft unklar bleibt, ob man es noch mit Polizeirecht oder schon mit Verteidigungsfallvorbereitung zu tun hat. In der Praxis würde man vermutlich versuchen, die Drohne abzufangen (elektronisch) oder – falls das nicht gelingt – auch physisch zu neutralisieren. Wenn die Polizei das mangels Technik nicht schafft, müsste sie die Bundeswehr um Amtshilfe bitten. Genau hierfür war die geplante LuftSiG-Änderung gedacht: Die Bundeswehr sollte “verdächtige Drohnen abschießen dürfen, sofern die Landespolizei technisch nicht in der Lage ist und Unterstützung anfordert”[25]. Dieser Fall einer polizeilichen Amtshilfe mit militärischen Mitteln setzt nach geltendem Recht einen “besonders schweren Unglücksfall” voraus (Art. 35 Abs. 2 GG). Ob Spionagedrohnen alleine diese Qualität erfüllen, ist zweifelhaft (da sie nicht unmittelbar Zerstörung anrichten)[33]. Im engen Wortsinn wären Drohnen allenfalls dann ein “Unglücksfall”, wenn sie z.B. drohen, mit Sprengstoff in ein Menschenziel zu stürzen – dann ist es eher schon wieder ein Terrorakt. Die Verfassungsrechtler Johannsen/Maltzahn kommentieren dazu, die derzeitige Gesetzeslage nehme den Sicherheitsbehörden oft das Heft des Handelns aus der Hand, weil unklare Kompetenzverteilungen bestehen – es bestehe “ein verworrenes Dickicht von Zuständigkeiten” und fehlenden Eingriffsbefugnissen[44][45]. Kurzum: Im hybriden Bereich ist die deutsche Rechtslage noch lückenhaft. Ohne gesetzliche Klarstellung dürfen Soldaten in Friedenszeiten Spionagedrohnen nur mit polizeilichen Methoden bekämpfen (also z.B. stören, vertreiben – aber eben nicht abschießen mit einer Patriot-Rakete), solange nicht eine der Ausnahmebestimmungen greift[33]. Die aktuelle Regierungskoalition hatte versucht, diese Lücke zu schließen, scheiterte aber bisher politisch[30][46]. Nun setzt man verstärkt auf den Ausbau der Bundespolizei-Kompetenzen und auf verbessertes technische Equipment, um ohne unmittelbaren Militäreinsatz auszukommen[47].

Zusammengefasst:

  • Zivile/kleine Drohne: Abschuss nur als letztes Mittel durch Polizei, rechtlich über Polizeigesetze gedeckt (Notwehr/Gefahrenabwehr). Bundeswehr nicht involviert.
  • Militärische Drohne (feindlich): Bei akuter Gefahr Abschuss durch Bundeswehr im Rahmen der Verteidigung (Art. 87a, Verteidigungsfall). Ohne förmliche Kriegserklärung müsste man sich auf Selbstverteidigungsrecht und Notstandsargumente stützen. Hier wäre Deutschland allerdings – ebenso wie Polen – völkerrechtlich eindeutig berechtigt, die Drohne zu neutralisieren.
  • Hybride Drohne (Spionage/Sabotage): Primär Polizeizuständigkeit. Abschuss derzeit nur möglich, wenn man es entweder als Unglücksfall qualifiziert (und Amtshilfe anfordert) oder wenn die Drohne selbst eine konkrete Gefahr (z.B. Sprengladung) darstellt. Ansonsten darf die Bundeswehr nicht selbstständig feuern. Die rechtlichen Hürden für einen Abschuss in Friedenszeiten sind also hoch, was bedeutet, dass Deutschland hier auf Zwischenlösungen wie Jamming, Observierung und nachträgliche Aufklärung setzt.

Eine tabellarische Gegenüberstellung der rechtlichen Rahmenbedingungen in Polen und Deutschland illustriert die Unterschiede:

Aspekt

Polen (Sept. 2025)

Deutschland (Sept. 2025)

Primäre Zuständigkeit

Streitkräfte (Luftwaffe) dürfen Luftraum verteidigen; Operativer Befehlshaber entscheidet. Polizei spielt unterstützende Rolle (z.B. Suchem nach Trümmern).

Polizei/Sicherheitsbehörden zuständig für Gefahrenabwehr. Bundeswehr nur auf Anforderung/Amtshilfe oder bei Verteidigungsfall – sonst verfassungsrechtlich beschränkt.

Rechtsgrundlage national

Verfassung: Verteidigungsauftrag der Armee; einfaches Recht regelt Abfang-/Abschussverfahren bei Luftraumverletzung (Befugnisse des Operativen Kommandos). Keine besondere Kriegserklärung nötig.

Grundgesetz: strikte Trennung innerer/äußerer Sicherheit; Militär im Innern nur bei Verteidigungs-/Spannungsfall oder Katastrophe (Art. 35, 87a GG). Luftsicherheitsgesetz regelt derzeit keinen Drohnenabschuss (Gesetzeslücke, Reform geplant). Polizeirecht greift für Standardlagen.

Völkerrechtliche Rechtfertigung

Berufung auf Selbstverteidigung (UN-Charta Art. 51) wegen Aggression. Souveränitätswahrung im eigenen Luftraum – kein Verstoß Polens ersichtlich.

Ebenfalls Selbstverteidigung, falls Drohne Angriff darstellt. NATO-Bündnisfall möglich, aber Abschuss im eigenen Luftraum grundsätzlich von Souveränität gedeckt. Deutschland müsste aber im Friedensmodus zunächst Zurückhaltung üben, um Eskalation zu vermeiden (politische Abwägung).

Drohnenkategorien

Unbemannt = keine Unterscheidung bzgl. Eingriffsrecht – maßgeblich ist, ob Bedrohung vorliegt. Militärische/feindliche Drohnen werden wie feindliche Flugzeuge behandelt (Abschuss bei Bedarf). Zivile Eindringlinge ggf. durch Polizei (aber in so einem Szenario kaum relevant, da Vorfall militärisch geprägt).

Zivil: Polizei darf handeln, Abschuss nur ultima ratio bei Gefahr. Militärisch: Wenn als Angriff erkannt, Bundeswehr im Verteidigungsauftrag (ggf. schnelles politisches Einvernehmen herstellen). Hybrid: Schwierige Einordnung – tendenziell zunächst Polizei, Bundeswehr darf Beobachtung unterstützen, direkte Kampfeinwirkung aber nur nach komplexer Zustimmungslage.

Notwendige politische Entscheidung

Operativer Militärbefehlshaber konnte eigenständig handeln im Rahmen der ihm erteilten Befugnisse; nachträgliche Absprache mit Präsident/Regierung erfolgte unmittelbar. Keine längere Genehmigungsschleife nötig.

Hohe politische Hürde: Ein Abschussbefehl würde i.d.R. durch die Bundesregierung (Bundesverteidigungsminister oder Kanzler nach Konsultation) erteilt, außer es besteht bereits ein Verteidigungsfall. Gefahr von Zeitverzug; im Eilfall könnten militärische Piloten/Kommandeure im Rahmen von Notwehr handeln, müssten dies aber später legitimieren.

(Quellen: Polen – offizieller Bericht des poln. Verteidigungsministeriums[5][12], Newsweek Polska[48]; Deutschland – JuWiss-Analyse[35], LTO[24], Euronews[37][30].)

Verteidigungs- oder Spannungsfall nach dem Grundgesetz

Ein zentraler Unterschied liegt in der Rolle des Verteidigungs- bzw. Spannungsfalls.

  • Polen kennt vergleichbare verfassungsrechtliche Zustände (Kriegszustand, Ausnahmezustand), hat diese aber im Drohnenvorfall nicht bemüht. Die polnischen Streitkräfte konnten im Rahmen ihrer alltäglichen Verteidigungsbereitschaft agieren. Der Vorfall wurde nicht als Anlass genommen, formal den Kriegszustand auszurufen (was in Polen vom Präsidenten mit Zustimmung des Parlaments käme). Man betrachtete es als begrenzten Zwischenfall, der mit den normalen militärischen Alarmprozeduren handhabbar war.
  • Deutschland hingegen müsste – sobald klar wäre, dass es sich um einen bewaffneten Angriff eines Staates handelt – den Verteidigungsfall erwägen. Das Grundgesetz sieht vor, dass Bundestag und Bundesrat diesen feststellen, wenn das Bundesgebiet mit Waffengewalt angegriffen wird (Art. 115a GG). Im Kalten Krieg war z.B. ein einzelner feindlicher Jet, der Bomben wirft, theoretisch schon ein Verteidigungsfall. In der Praxis heutzutage würde man möglicherweise zunächst abwarten und die Lage sondieren, bevor man die große verfassungsrechtliche Klammer zieht. Der Spannungsfall (Art. 80a, Art. 87a Abs. 3 GG) könnte als Vorstufe ausgerufen werden, wenn eine Zuspitzung droht – etwa wenn mehrere Luftraumverletzungen geschehen und man eine Eskalation befürchtet. Im Spannungsfall gelten gelockerte Regeln für den Bundeswehreinsatz (z.B. erweitertes Objektschutzrecht im Innern). Artikel 87a Abs. 3 GG erlaubt im Verteidigungs- und Spannungsfall den Streitkräften, zum Schutz ziviler Objekte und zur Polizeihilfe eingesetzt zu werden[35]. Das heißt, wenn etwa eine hybride Drohnenkampagne gegen deutsche Infrastruktur erkennbar wird (z.B. Sabotageakte kurz vor einem möglichen Konflikt), könnte die Regierung den Spannungsfall deklarieren, um präventiv die Bundeswehr im Inland wirken zu lassen. Allerdings ist dies politisch ein sehr großer Schritt, der öffentlich wahrgenommen würde – die Hemmschwelle ist hoch.

Im Vergleich zu Polen: Dort konnte man unterhalb solcher formaler Stufen agieren. In Deutschland ist man – aufgrund der historischen Trennung von Polizei und Militär – gebundener an diese Verfahrensschritte, will man die Bundeswehr vollumfänglich einsetzen. Der Verteidigungsfall würde Deutschland selbstverständlich handlungsfähig machen, jedoch ist die Frage, ob man im hier diskutierten Drohnenszenario ihn ziehen würde. Vermutlich würde man es zunächst nicht tun (wie Polen es auch nicht tat), sondern versuchen, auf Grundlage einfachgesetzlicher Polizeihilfe und Notwehr zu operieren. Die Bundeswehr könnte nach Art. 35 GG (Amtshilfe bei Unglücksfällen) herangezogen werden. Aber wie die JuWiss-Analyse darlegt, stößt man hier schnell an verfassungsrechtliche Grenzen, weil Art. 35 GG eben keinen Einsatz “spezifisch militärischer Waffen” hergibt[33]. Genau deshalb argumentieren manche Politiker, man bräuchte u.U. eine Grundgesetzänderung, um die Drohnenabwehr effektiv zu regeln[50]. Die Opposition (CDU/CSU) hatte etwa gefordert, parallel zur LuftSiG-Änderung auch Art. 35 GG anzupassen, was aber in der Ampel-Regierung keine Mehrheit fand[51].

Behördenzuständigkeit in Deutschland im Detail

Je nach Situation wären in Deutschland verschiedene Behörden involviert:

  • Bundeswehr/Luftwaffe: Technisch in der Lage, Drohnen vom Himmel zu holen (Jets, FlaRak Patriot oder IRIS-T SLM, ggf. auch Laser in Zukunft). Zuständig im Rahmen der Landesverteidigung. In Friedenszeiten aber formal nur “zur Hilfe” und dann mit Polizei-Mitteln erlaubt[52]. Das bedeutet zum Beispiel: Würde ein Bundeswehr-Flugabwehrsystem in Amtshilfe agieren, dürfte es streng genommen keine tödliche Munition einsetzen, die nicht auch der Polizei zur Verfügung stünde. Dieses theoretische Konstrukt ist natürlich realitätsfremd, denn die Polizei hat keine Flugabwehrraketen. Hier klafft eine Fähigkeits- vs. Befugnislücke: Die Bundeswehr hat die Fähigkeit, aber (derzeit) nicht die allgemeine Befugnis; die Polizei hat die Befugnis zu schießen, aber nicht die Fähigkeit, hochfliegende oder schnelle Drohnen effektiv abzuschießen. Deshalb verlangt z.B. die Union mehr Mut zu einer Grundgesetzänderung, da ohne diese “kein Sicherheitsgewinn” durch die LuftSiG-Novelle zu erwarten sei[51][53].
  • Bundespolizei/BKA: Die Bundespolizei ist bei Gefahren an Bord von Flugzeugen und in Bahnanlagen zuständig, und sie soll laut Entwurf “modernste technische Mittel” gegen Drohnen bekommen (EMP, Funkstörer etc.)[31]. Das BKA könnte bei Spionage/Sabotagefällen ermitteln (z.B. nach § 89 StGB – Sabotage), hat aber keine eigene “Drohnen-Abschuss-Kompetenz”. Die Landespolizeien haben SEKs oder technische Einheiten, die kleinere Drohnen bekämpfen können (z.B. bei Veranstaltungen). In Krisenfällen würde ein Krisenstab aus Innenministerium und Verteidigungsministerium die Koordination übernehmen, um ggf. Amtshilfe der Bundeswehr anzufordern.
  • Geheimdienste (BND, MAD, Verfassungsschutz): liefern frühzeitige Warnungen – etwa wenn vermehrt Drohnen über sensiblen Orten auftauchen. Der MAD hat bereits Vorfälle aufgeklärt (z.B. Drohne über britischem Marine-Schiff in Hamburg 2023[54]). Maßnahmen setzen sie aber an Polizei/Bundeswehr ab.

Deutsche Behörden würden also im Idealfall eng verzahnt zusammenarbeiten, aber juristisch gesehen müsste im falschen Moment möglicherweise die Frage geklärt werden: Handelt es sich schon um einen bewaffneten Angriff (=> Bundeswehr-Führung) oder noch um polizeiliche Gefahrenabwehr (=> Polizei-Führung)? Diese Einordnung könnte Zeit kosten und zu Zögern führen – ein Risiko, das diskutiert wird.

Vergleich der rechtlichen Handlungsspielräume und Handlungsfähigkeit im Ernstfall

Polen und Deutschland weisen somit teils unterschiedliche rechtliche Schwellen auf, was den Abschuss ausländischer Drohnen betrifft.

  • In Polen ist die Handlungsfähigkeit im Ernstfall offenbar sehr hoch: Als die Bedrohung eintrat, konnten die Streitkräfte unverzüglich reagieren, ohne erst formale Schritte abwarten zu müssen. Die polnischen Regeln scheinen dem Militär im Heimatland relativ direkt die Kompetenz zur Luftraumverteidigung zu geben. Auch die Integration mit NATO funktionierte ad hoc reibungslos[9]. Polen hat politisch den Vorfall als Aggression gebrandmarkt, aber bewusst auf eine Eskalation (NATO-Bündnisfall) verzichtet – dennoch war man faktisch in der Lage, die Souveränität durchzusetzen.
  • In Deutschland besteht auf dem Papier ein engeres Korsett. Der Grundgesetz-Vorbehalt und die fehlende explizite einfachgesetzliche Ermächtigung (Stand 2025) bedeuten, dass im Vorfeld eines vergleichbaren Vorfalls viel Unklarheit herrscht, wer was darf. Wie die Euronews-Reportage titelte: “Bundeswehr darf [russische Spionage-Drohnen] nicht abschießen”[55] – zumindest (noch) nicht, solange nicht besondere Umstände vorliegen. Das heißt, präventiv ist Deutschland aktuell weniger robust aufgestellt. Konstantin von Notz kritisierte im September 2025: “Die Bundesregierung ist noch immer nicht in der Lage, den extremen Bedrohungen, die von hybriden Angriffen […] ausgehen, angemessen zu begegnen.”[56][57]. Diese harsche Aussage spielt genau auf das Dilemma an: Man hat regelrecht Angst, handlungsunfähig zu wirken, wenn plötzlich – analog zum polnischen Fall – mehrere Drohnen deutschen Luftraum verletzen. Würde Deutschland sofort handeln können?

Handlungsfähigkeit Deutschlands bei vergleichbarem Vorfall:

  • Wenn eindeutig feindliche Absicht und Gefahr (z.B. Drohnen schlagen in Grenznähe ein): Deutschland würde sicherlich – wie Polen – die Alarmrotte starten und auch bereit sein, die Objekte abzuschießen. In dem Moment würde man sich auf Notwehr/Selbstverteidigung berufen, notfalls auch ohne fertige Gesetzesgrundlage. Dass das völkerrechtlich gedeckt wäre, steht außer Frage. Innenpolitisch würde es anschließend wohl eine Debatte geben, ob das ohne GG-Änderung zulässig war – aber im Akutfall ginge Schutz von Leben vor. Kurzum: In einem akuten, klaren Bedrohungsszenario wäre Deutschland handlungsfähig, weil die politischen und militärischen Verantwortlichen im Zweifel zuerst handeln und die Juristen später fragen lassen.
  • Wenn unklarer, hybrider Vorfall (z.B. mehrere Drohnen dringen ein, aber richten (noch) keinen Schaden an, fliegen vielleicht wieder raus): Hier könnte Deutschland derzeit zögerlicher reagieren als Polen. Das zeigt sich schon daran, dass Rumänien und andere NATO-Anrainer lange zögerten, russische Drohnen abzuschießen, solange sie keine Schäden verursachten – man wollte Eskalation vermeiden und war unsicher, wie zu verfahren. Polen hat diese Zurückhaltung nun fallengelassen, was einen Präzedenzfall schafft. Deutschland hingegen wäre Stand 2025 möglicherweise noch in der “Rumänien-Rolle”: also Drohnen beobachten, Bevölkerung warnen, Wrackteile sammeln – aber keinen Abschussbefehl geben, solange kein Einschlag droht. Hauptgründe: rechtliche Unklarheit und politische Vorsicht. Tatsächlich wurden im Herbst 2023 und 2024 vermehrt Drohnen in Polen/Rumänien gesichtet, ohne dass man sie immer abschoss – man wollte kein Feuergefecht mit Russland provozieren und es als “Unfall” abtun. Deutschland würde vermutlich ähnlich abwägend handeln.
  • Institutionelle Vorbereitung: Polen hatte offenbar bereits klare Notfallprozeduren, wie der Nachteinsatz gezeigt hat (Befehlshaber handelte binnen Minuten, Bürger wurden gewarnt, Minister trafen sich frühmorgens)[1][58]. In Deutschland gibt es zwar auch Krisenstäbe, aber die Entscheidungswege sind länger. Jede Beteiligung der Bundeswehr im Innern bedarf eigentlich eines Regierungsbeschlusses. Ausnahmen: “Gefahr im Verzug” – dann könnte z.B. ein Jagdflieger im unmittelbaren Selbstverteidigungswillen schießen. Aber das würde der Pilot wohl nur tun, wenn es eindeutig um Leben oder Tod geht (z.B. Drohne steuert auf Großstadt zu). Bei weniger klarer Lage würde er auf Anweisung warten. Und diese Anweisung müsste rechtlich sauber sein – womöglich zaudert dann jemand, weil §14 LuftSiG (noch) nicht angepasst ist.

Bewertung: Gegenüber Polen hat Deutschland also enger gesetzte Leitplanken, was potenziell zu Verzögerungen führen kann. Allerdings ist Deutschland sich dieser Lücke bewusst und arbeitet daran (Gesetzesinitiativen, Aufrüstung der Bundespolizei)[31][59]. Politisch wäre ein Vorfall wie in Polen wohl ein Weckruf, endgültig die Befugnislage zu klären.

Wäre Deutschland derzeit handlungsfähig?Bei einem klaren Angriff ja, aber bei einem “Zwischenfall” unklarer Natur nur eingeschränkt. Es bestünde die Gefahr, dass ohne klare Rechtsgrundlage niemand unmittelbar die Verantwortung übernehmen will, was zu Handlungsverzögerungen führen könnte. In der Konsequenz fordern Fachleute, man müsse “den rechtlichen Handlungsbedarf dringend decken”, sei es durch Anpassung des Polizeirechts oder gar eine Verfassungsänderung[60][61].

Andererseits: Als NATO-Staat würde Deutschland im Schulterschluss mit Polen und anderen handeln. Sollte also – hypothetisch – eine russische Drohne den deutschen Luftraum verletzen, könnte Deutschland auch auf kollektive Strukturen zurückgreifen. Ähnlich wie Polen holländische Jets zur Hilfe hatte, könnte Deutschland sich auf NATO-Luftverteidigung stützen. Das ändert zwar nichts an der innerstaatlichen Rechtsfrage (ein niederländischer Jet über Deutschland bräuchte auch eine Abschussfreigabe der deutschen Behörden), würde aber die Last der Entscheidung etwas teilen.

Abschließend lässt sich sagen: Polen verfügt in solchen Lagen über größere operative Flexibilität im rechtlichen Rahmen, während Deutschland aufgrund verfassungsrechtlicher und historischer Gründe noch handlungshemmende Auflagen kennt. Deutschland könnte einen vergleichbaren Vorfall bewältigen, müsste dafür aber wahrscheinlich improvisieren oder sehr schnell politische Beschlüsse fassen. Bis die geplanten Gesetzesänderungen umgesetzt sind, bleibt eine gewisse Unsicherheit, ob Deutschland im Sekundenbruchteil ebenso resolut reagieren würde wie Polen es tat.

Die Ereignisse vom 10./11. September 2025 in Polen haben diese Defizite deutlich vor Augen geführt. Es ist zu erwarten, dass sie auch in Deutschland als Anstoß dienen, die rechtlichen Grundlagen zu modernisieren, damit im Ernstfall keine Zweifel mehr bestehen, wer befugt ist, die sprichwörtliche Drohne vom Himmel zu holen.

Quellen: Offizielle Stellungnahme des polnischen Verteidigungsministeriums[5][12]; Reuters und Guardian zur Einordnung des Vorfalls[1][4]; juristische Fachkommentare zum deutschen Recht (LTO[24], JuWiss[35]) sowie internationale Berichterstattung (Euronews[37][30], TOK FM[14], Newsweek PL[48]) für die Bewertung.

 

 

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