Jean-Philippe Kindler – Ein WDR-Moderator überschreitet jede Grenze – Dieter Nuhr im Fadenkreuz?
Aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG ergeben sich die Medienfreiheiten.
Sie sind aber keine Blankovollmacht zur politischen Enthemmung, sondern eine Verpflichtung zur öffentlichen Verantwortung -auch wenn es sich um Satire handelt.
Ein beitragsfinanziertes Medium wie WDR/ARD darf keine Plattform bieten für Personen, die
– sei es ironisch, sei es rhetorisch – mit Gewalt, Entmenschlichung oder offener Feindbildproduktion spielen.
Mehrere Online-Beiträge verweisen auf ein Reel/Video, das im Instagram-Account @henning.rosenbusch geteilt wurde und in dem Ausschnitte einer Bühnenaufnahme von Jean-Philippe Kindler zu sehen ist.
Quelle: henning.rosenbusch auf Instagram:



Tätigkeiten von Jean-Philippe Kindler für ARD/WDR und die Bundeszentrale für politische Bildung
1.1 Professioneller Hintergrund, Rollen und Auftrag
Jean-Philippe Kindler (* 1996) ist ein deutscher Satiriker, Moderator, Autor und Podcaster, der sich überwiegend politisch positioniert. (Wikipedia)
Laut seiner Biografie und einschlägigen Quellen arbeitet er regelmäßig für den WDR / ARD in Form von moderierten Beiträgen, Glossen, Talkformaten oder Podcast-Produktionen. (Wikipedia)
Beispielhafte Tätigkeiten:
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Für WDR 5 schreibt und moderiert Kindler die Satire-Glosse „Schrägstrich“. (Wikipedia)
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Er betreibt seit Juni 2021 eine eigene Radioshow im Rahmen des WDR mit dem Titel „Kindler – der Talk“. (Wikipedia)
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Im April 2022 erschien eine Talkfolge unter dem Namen CLINCH mit Kindler im WDR-Fernsehen. (Wikipedia)
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Er verfasst satirische Glossen für den WDR. (werkhaus-krefeld.de)
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Er ist als Moderator, Autor und Redner öffentlich aktiv, veranstaltet Poetry-Slams, Lesungen, Workshops etc. (Wikipedia)
Was die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) angeht:
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In seinem Autorenprofil / Rednerprofil wird angegeben, dass Kindler Vorträge und Workshops u. a. bei der bpb durchführt. (Argon Verlag)
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Seine Website nennt ihn als politischen Kabarettisten und Autor, der auch in bildungspolitischen Kontexten auftritt, was zur Einbindung in bpb-Programme passen würde. (jeanphilippekindler.de)
Aus dieser Quellenlage ergibt sich: Kindler wirkt in pluraler Weise als öffentlicher Meinungsakteur, über die üblichen satirischen Bühnen hinaus, mit einem institutionellen Bezug insbesondere zum WDR (als öffentlich-rechtlichem Sender) und zunehmend auch im Bereich politischer Bildung (z. B. bpb).
Darstellung der relevanten Textstellen (aus den Screenshots oben) und Kontext
2.1 Wortlaut der Textstellen
Folgende Auswahl von Kernaussagen sind im Reel zu hören:
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„wie sähe das aus, wenn die deutsche Linke jemanden ersch*ßen würde?“
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„ihr seid mit eurem Atzen unterwegs“
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„ihr chillt auf ’nem Flachdach“
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„er hat das Gew*hr schon in der Hand so“
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„er hat Charlie Kirk schon im …“
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(Bruchstück: „ist“)
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„er hat Dieter Nuhr schon im Fadenkreuz“
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„der Bruder ist für alles bereit“
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„du liegst so daneben und bist so“
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„wär das nicht toxisch männlich, wenn wir den jetzt abkn*llen“
Teil eines Bühnenauftritts / Comedy-Sets, der in einem Video-Clip festgehalten wurde.
2.2 Abgleich mit bisherigen Veröffentlichungen
Bereits in mehreren öffentlich zugänglichen Artikeln wurden sinngleiche oder fast wörtlich übereinstimmende Passagen zitiert:
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Der Vorwurf, Kindler habe formuliert: „wie sähe das aus, wenn die deutsche Linke jemanden erschießen würde?“ taucht (mit leichtem Zensur-Anteil) in Onlineberichten als zentrales Zitat auf.
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Die Formulierung „er hat Dieter Nuhr schon im Fadenkreuz“ wird in Berichten als wörtliches Zitat wiedergegeben.
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Auch die Wendung „toxisch männlich, wenn wir den jetzt abknallen“ findet sich in mehreren Quellen als ikonisches Zitat der Kontroverse.
Diese Passagen sind tatsächlich im Clip enthalten — sie stützen damit die Richtigkeit der bislang zitierten Textauszüge aus Sekundärquellen.
Strafrechtliche Bewertung der Aussagen
Bei der strafrechtlichen Bewertung sind mehrere Aspekte zu prüfen: Beleidigung, Aufforderung zu Straftaten / öffentliche Gewaltaufrufe, Störung des öffentlichen Friedens oder Bedrohung oder je nach Ausgestaltung Volksverhetzung. Ich untersuche hier die möglichen Tatbestände im deutschen Recht.
3.1 Beleidigung (§ 185 StGB)
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Beleidigungen setzen eine herabsetzende, ehrverletzende Äußerung voraus.
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Einige der im Text gezeigten Formulierungen könnten (je nach Betonung, Zielrichtung, Zusammenhang) als beleidigend gegenüber angesprochenen Gruppen oder Personen verstanden werden.
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Allerdings sind die konkreten Passagen (z. B. „ihr chillt …“, „du liegst so daneben“) moderat im Vergleich zu typischen Schmähreden — der Schwerpunkt liegt weniger auf beleidigender Herabsetzung als auf Gewaltmetaphern.
3.2 Aufforderung zu Straftaten / öffentlicher Aufruf zu Gewalt (§ 111 StGB)
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§ 111 StGB schützt den öffentlichen Frieden und verbietet öffentliche Aufforderungen zu schweren Straftaten (z. B. Tötungsdelikte) oder die Billigung solcher Gewalt.
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Wenn – und das wäre entscheidend – die Äußerungen als ernstzunehmender Aufruf („erschießen“, „abknallen“) verstanden werden können, könnte eine Strafbarkeit in Betracht gezogen werden.
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Allerdings müsste geprüft werden, ob sie im Kontext als metaphorische, satirische Überzeichnung zu verstehen sind oder als ernstgemeinte Aufforderung. Gerichte differenzieren zwischen Satire / künstlerischer Freiheit und strafbarer Gewaltaufruf.
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Der Zusatz „wenn wir den jetzt abknallen“ ist stark provozierend. Kommt er in einem satirischen Kontext, könnte man argumentieren, es sei ironisch gemeint. Doch der Grad der Überspitzung und der konkrete Zielbezug (namentlich Dieter Nuhr) erhöht das Risiko, dass es als ernsthafter Gewaltaufruf gewertet wird.
3.3 Bedrohung (§ 241 StGB) / Nötigung & Anstiftung
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Eine Bedrohung setzt voraus, jemandem mit einem rechtswidrigen Übel in Aussicht zu stellen.
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Wenn die Aussagen so verstanden werden, dass Nuhr oder allgemein „jemand“ konkret bedroht wird, könnte § 241 einschlägig sein.
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Anstiftung zu einer Straftat (§ 26 ff.) käme in Betracht, wenn andere durch diesen Aufruf motiviert würden. Allerdings müsste hinzutreten, dass die Äußerung auf Nachahmung abzielt, was in satirischem Rahmen schwer zu belegen ist.
3.4 Störung des öffentlichen Friedens / Verunglimpfung (z. B. § 130, § 90 StGB)
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§ 130 (Volksverhetzung) greift nur, wenn bestimmte Gruppen ausdrücklich betroffen sind und entsprechende Tatbestandsmerkmale erfüllt sind (z. B. religiöse, fremdenfeindliche Motive) – hier nicht offensichtlich gegeben.
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§ 90 StGB (Verunglimpfung des Staates) dürfte nicht einschlägig sein.
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Allerdings ist § 140 StGB (Billigung, Verherrlichung oder Rechtfertigung von Straftaten) ein möglicher Ansatz: wer öffentlich Straftaten billigt oder verherrlicht, kann sich strafbar machen. Ob der Clip das tut oder nur überspitzt zuspitzt, wäre streitig.
3.5 Grenzen der Meinungsfreiheit / Kunstfreiheit
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Der Rundfunk, Satire und künstlerische Äußerungen genießen einen hohen Schutz durch Meinungsfreiheit (Art. 5 GG), besonders wenn sie gesellschaftliche Kritik oder Überzeichnung beinhalten.
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Gerichtliche Einschätzungen müssen daher unterscheiden zwischen zulässiger Satire und unzulässigen Gewaltaufrufen.
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Entscheidend ist, wie ein „verständiger Dritter“ den Ausspruch im Gesamtkontext bewertet: als blosse polemische Zuspitzung oder als ernsthaften Aufruf zu Gewalt.
3.6 Zwischenfazit zur Strafbarkeit
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Einige der Textstellen liegen in einer Grauzone: Die Gewaltmetaphorik („erschießen“, „abknallen“) und konkreter Zielbezug sind problematisch und könnten – je nach Einordnung — den Tatbestand einer Aufforderung zu Straftaten berühren.
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Wenn eine staatsanwaltschaftliche oder zivilrechtliche Prüfung erfolgt, würde sie stark auf Kontext (Tonfall, Publikum, Bühnencharakter, Distanzierungen etc.) abstellen müssen.
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Ohne den vollständigen Tonfall und Kontext (Audio, Vorreden, Pausen etc.) lässt sich keine abschließende strafrechtliche Einschätzung treffen — aber die Aussagen sind in jedem Fall mindestens grenzwertig und potenziell angreifbar.
Systematischer Verstoß gegen den öffentlich-rechtlichen Funktionsauftrag
4.1 Grundsätzlicher Maßstab des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland steht unter einem verfassungsrechtlich normierten Funktionsauftrag.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. u. a. BVerfGE 12, 205 – „Deutschland-Fernsehen“; BVerfGE 57, 295 – „3. Rundfunkentscheidung“; BVerfGE 119, 181 – „Rundfunkbeitrag“) hat der beitragsfinanzierte Rundfunk
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sachlich, unparteilich und staatsfern zu informieren,
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ausgewogene, pluralistische Meinungsbildung sicherzustellen,
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und nicht den politischen oder ideologischen Präferenzen einzelner Gruppen oder Akteure zu dienen.
Dieser Auftrag wird durch den Rundfunkbeitrag finanziert (§ 40 RStV bzw. § 26 Abs. 1 MStV) und damit zwangsweise von der Allgemeinheit getragen.
Er begründet eine öffentliche Treuhandpflicht: jede redaktionelle oder personale Auswahl muss dem Zweck dienen, „die Gesamtheit der Bevölkerung objektiv und staatsfern zu informieren und zu unterhalten“ – nicht, private politische Agitation zu fördern.
4.2 Der Bruch dieses Auftrags durch Jean-Philippe Kindler
Jean-Philippe Kindler steht durch seine WDR-Tätigkeiten (Glossen, Talkformate, Radiobeiträge) in unmittelbarem institutionellen Zusammenhang mit einem beitragsfinanzierten System.
Eine Person, die gleichzeitig
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in öffentlich-rechtlichen Programmen als Moderator oder Autor tätig ist,
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in Workshops und politischen Bildungsformaten (bpb) auftritt,
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und sich dann öffentlich mit Gewalt- oder Erschießungsphantasien gegen reale Personen äußert,
stellt für die Institution eine strukturelle und rechtliche Belastung dar.
Selbst wenn der konkrete Auftritt – formal betrachtet – „privat“ erfolgt, kann diese Abgrenzung den verfassungsrechtlichen Funktionsauftrag nicht suspendieren:
Wer aus Mitteln des Rundfunkbeitrags bezahlt wird, steht in einem besonderen Treueverhältnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung und zur Unparteilichkeit öffentlicher Kommunikation.
Diese Treuepflicht endet nicht an der Studiotür.
Denn die Glaubwürdigkeit des Rundfunksystems hängt davon ab, dass seine Mitarbeiter und Repräsentanten auch außerhalb des Senders nicht das Gegenteil dessen praktizieren, was der Auftrag gebietet.
4.3 Der institutionelle Schaden
Die öffentlich-rechtlichen Sender berufen sich regelmäßig auf ihre redaktionelle Unabhängigkeit.
Doch diese Unabhängigkeit schützt nicht vor Verlust der Legitimation.
Wenn der Bürger gezwungen ist, über den Rundfunkbeitrag Personen mitzufinanzieren, die anschließend Gewalt- oder Erschießungsfantasien gegen Andersdenkende vortragen, dann ist die Grenze zur Selbstaufhebung des Funktionsauftrags überschritten.
Denn:
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Der Rundfunkbeitrag wird nicht für Agitation, sondern für sachgerechte, staatsferne und demokratisch integrative Kommunikation erhoben.
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Wird dieser Beitrag verwendet, um Figuren zu fördern, die in öffentlichen Bühnenformaten oder Social Media gezielt politische Gegner diffamieren oder Gewalt metaphorisch normalisieren, wird der Auftrag konterkariert.
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Dies verletzt die Treuhandlogik des Beitragsrechts: Bürger dürfen nicht zur Finanzierung von Inhalten gezwungen werden, die den demokratischen Diskurs vergiften, den der Rundfunk eigentlich schützen soll.
In dieser Hinsicht ist die Berufung auf „Privatmeinung“ juristisch unhaltbar.
Denn im Unterschied zu einem beliebigen Satiriker finanziert sich Kindlers Reputation, Reichweite und Wirkungskraft gerade aus seiner öffentlich-rechtlichen Anbindung.
Seine Tätigkeiten für den WDR und die bpb verleihen ihm ein öffentliches Gewicht, das durch Beitragsmittel gestützt wird – und das wiederum Verpflichtungen mit sich bringt.
4.4 Verfassungs- und medienrechtliche Folgerung
Aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG ergibt sich die Freiheit des Rundfunks.
Diese Freiheit gilt aber nur im Rahmen des gesetzlichen Funktionsauftrags.
Sie ist keine Blankovollmacht zur politischen Enthemmung, sondern eine Verpflichtung zur öffentlichen Verantwortung.
Das Bundesverfassungsgericht hat in der 7. Rundfunkentscheidung (BVerfGE 83, 238 ff.) ausdrücklich klargestellt:
„Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat die Aufgabe, durch die Breite seiner Angebote und die Ausgewogenheit seiner Inhalte die Voraussetzungen für freie individuelle und öffentliche Meinungsbildung zu schaffen.“
Wenn dieser Auftrag durch institutionell geförderte Agitation, moralische Überheblichkeit oder Gewaltandacht unterlaufen wird, liegt ein struktureller Verstoß gegen die verfassungsrechtlich begründete Existenz des öffentlich-rechtlichen Systems selbst vor.
4.5 Konsequenz
Die Causa Kindler ist kein Einzelfall satirischer Entgleisung, sondern ein Symptom institutioneller Selbstverfehlung.
Sie offenbart ein Defizit an innerer Kontrolle, redaktioneller Distanz und personalpolitischem Verantwortungsbewusstsein im WDR/ARD-System.
Ein beitragsfinanziertes Medium darf keine Plattform bieten für Personen, die
– sei es ironisch, sei es rhetorisch – mit Gewalt, Entmenschlichung oder offener Feindbildproduktion spielen.
Es ist irrelevant, ob die Äußerung auf einer privaten Bühne oder in einem eigenen Instagram-Kanal erfolgt.
Denn die Person bleibt durch den öffentlichen Auftrag und die finanzielle Herkunft ihres Wirkens untrennbar mit dem Rundfunk verbunden.
Wer von der Allgemeinheit bezahlt wird, trägt eine besondere Pflicht zur Wahrung des demokratischen Kommunikationsraums.
Wer diesen Raum mit Bildern des „Fadenkreuzes“ und „Abknallens“ vergiftet, ist im öffentlich-rechtlichen Rundfunk untragbar.
