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Rentensystem in Deutschland und Dänemark im Vergleich

Arbeitsrecht – Erbrecht - Kommunalrecht

Rentensystem in Deutschland und Dänemark im Vergleich

Eine friedliche Familie

Eine Analyse aus Angaben der jüngeren Reformplänen bzw. Prognosen.


Systemstruktur: Aufbau der Alterssicherung

Dänemark

  1. Dreisäulenmodell
    Das dänische Rentensystem basiert auf drei Hauptsäulen:

    • Eine steuerfinanzierte Grundrente („Folkepension“) für alle, die Anspruchsvoraussetzungen erfüllen. (OECD)

    • Eine obligatorische betriebliche / arbeitsmarktorientierte Zusatzrente (z. B. ATP – Arbejdsmarkedstillaegspension)

    • Freiwillige private Vorsorgeprodukte (individuelle Rentenversicherungen, Pensionsfonds etc.) 

  2. Folkepension – Grundrente

    • Anspruch durch Wohnsitz bzw. Aufenthalt in Dänemark, nicht zwingend durch Beitragsleistung. 

    • Für eine volle Grundrente sind 40 Jahre Wohnsitz in Dänemark (ab Alter 15) bis zum Rentenalter erforderlich; bei kürzerer Dauer wird anteilig gekürzt. (OECD)

    • Komponente aus Grundbetrag (Basic amount) plus einem Rentenzuschlag (Supplement) 

    • Für Menschen mit schlechtem finanziellen Status gibt es ergänzende Leistungen (Housing allowance, Zuschüsse) 

  3. ATP / Arbeitsmarktpensionen

    • Die ATP ist ein gesetzliches Zusatzsystem, in das Arbeitnehmer Beiträge einzahlen. (atp.dk)

    • Die Auszahlung beginnt beim Erreichen des staatlichen Rentenalters, auch wenn man Dänemark verlassen hat. 

    • Der ATP-Fonds wird kapitalgedeckt geführt, d. h. nicht nur Umlage, sondern mit Kapitalanlagekomponenten verbunden. 

  4. Rechtliche Verknüpfung mit Lebenserwartung

    • Das gesetzliche Rentenalter ist in Dänemark an die Lebenserwartung gekoppelt. Steigt die Lebenserwartung, so wird das Rentenalter angepasst, um die durchschnittliche Rentbezugsdauer konstant zu halten. 

    • Nach Beschlüssen des dänischen Parlaments soll das Rentenalter bis 2040 stufenweise auf 70 Jahre steigen: 68 Jahre ab 2030, 69 Jahre ab 2035, 70 Jahre ab 2040. 

  5. Zusatzregelungen für Ausländer / Teilzeitaufenthalt

    • Für Ausländer gelten Mindestwohnzeiten: mindestens 10 Jahre Wohnsitz (davon 5 Jahre unmittelbar vor Rentenbeginn), um Anspruch zu haben. (European Commission)

    • Wenn weniger als 40 Jahre Wohnsitz in Dänemark, wird die Grundrente anteilig gewährt (z. B. 10/40 bei 10 Jahren Wohnsitz) 


Deutschland

  1. Dreisäulenmodell
    Auch das deutsche System ist als Drei-Säulenmodell konzipiert:

    • Gesetzliche Rentenversicherung (GRV) als Basissystem (Umlageverfahren) 

    • Betriebliche Altersvorsorge (bAV) – vom Arbeitgeber bereitgestellte Zusatzversorgung 

    • Private Altersvorsorge (z. B. Riester-Rente, private Rentenversicherungen) 

  2. Gesetzliche Rentenversicherung (GRV)

    • Pflichtversicherung für Arbeitnehmer (zumeist), mit Beitragszahlung aus Erwerbseinkommen in ein Umlageverfahren. 

    • Die Rentenversicherung zahlt Leistungen im Alter (Altersrente), bei Erwerbsminderung und an Hinterbliebene (Witwen-/Waisenrenten). (Deutsche Rentenversicherung)

    • Die Grundlagen der Berechnung liegen in Entgeltpunkten: Je nach Einkommen relativ zum Durchschnittseinkommen wird man in Entgeltpunkte umgerechnet, die dann mit Rentenwert multipliziert werden. 

    • Rechtsgrundlage ist das Sozialgesetzbuch VI (SGB VI). 

    • Die Deutsche Rentenversicherung besteht aus mehreren Körperschaften / Teilträgern, mit Selbstverwaltung. 

  3. Betriebliche und private Altersvorsorge

    • Arbeitnehmer können durch Entgeltumwandlung oder andere Instrumente über das Unternehmen zusätzlich vorsorgen. 

    • Staatlich geförderte private Produkte wie die Riester-Rente (mit Zulagen / steuerlicher Förderung) ergänzen die Basisversorgung. 

  4. Zuschüsse und Bundesmittel

    • Die gesetzliche Rentenversicherung erhält auch Bundeszuschüsse, z. B. zur Finanzierung von Kindererziehungszeiten, Förderzeiten usw. (BMAS.de)

    • Außerdem sind Anreize wie Gutschriften für Zeiten der Kindererziehung, Pflege etc. eingebaut. (Deutsche Rentenversicherung)

  5. Reformmechanismen / Anpassung

    • In Deutschland ist bisher keine automatische Kopplung des Rentenalters an Lebenserwartung gesetzlich verankert (z. B. keine automatische Erhöhung). 

    • Das Rentenalter wird derzeit schrittweise auf 67 Jahre angehoben (Regelaltersrente) bis zum Jahr 2031. 

    • Politisch wird über mögliche Reformen diskutiert (z. B. eine „Aktivrente“, Anhebung des Rentenalters oder Stabilisierung des Rentenniveaus), aber bislang ohne verbindliche automatische Mechanismen. 


Leistungsniveau und Ersatzquoten

Dänemark

  • Die dänische Grundrente (Folkepension) kann zusammen mit Zusatzrentenzahlungen einen erheblichen Anteil des letzten Nettoeinkommens ersetzen. 

  • In OECD-Analysen werden Ersatzquoten (Nettoalterseinkommen zu Erwerbseinkommen) von über 80 % für Dänemark genannt. 

  • Die Grundrente (Basic amount) liegt aktuell bei DKK 78.564 pro Jahr (ca. 6.547 pro Monat) laut OECD-Daten für Dänemark.

  • Ausgaben für öffentliche Renten in Dänemark betragen etwa 8,1 % des BIP (Stand OECD) (OECD)

Deutschland

  • In Deutschland ist das Standardrentenniveau ein Maßstab: das Verhältnis der Standardrente (bei 45 Beitragsjahren) zum Durchschnittseinkommen. 

  • Dieses Niveau sinkt im Zeitverlauf wegen verschiedener Reformmechanismen und demografischem Druck; Schätzungen prognostizieren einen Rückgang um rund 20 % bis 2030. 

  • Für Zeiten mit unterdurchschnittlichem Einkommen gibt es eine „Grundrente“ als Zuschlag, sofern mindestens 33 Jahre an rentenrechtlichen Zeiten vorhanden sind. (BMAS.de)

  • Viele Renten liegen relativ niedrig: Es ist bekannt, dass ein großer Teil der gesetzlichen Renten unter bestimmten Schwellen liegt. (→ Hinweis: dies ist eine empirische Beobachtung, nicht direkt aus Systemregel).

  • Die Finanzierungslage und das Verhältnis von Einzahlern zu Rentnern belasten das Leistungsspektrum.


Finanzierung und Nachhaltigkeit

Dänemark

  • Die Grundrente wird überwiegend über Steuermittel finanziert, nicht durch direkte Beiträge (also in gewisser Hinsicht als steuerfinanzierte soziale Leistung).

  • Die ATP-Zahlungen erfolgen durch Beiträge (Arbeitnehmer/Arbeitgeber), und der Fonds wird kapitalgedeckt geführt. 

  • Durch die Kopplung des Rentenalters an Lebenserwartung soll vermieden werden, dass die Ausgaben überproportional steigen. 

  • Kapitalgedeckte Komponenten (ATP, ggf. zusätzliche Privatversorgungen) helfen, das System zu diversifizieren und nicht allein auf Umlageverfahren zu setzen. 

Deutschland

  • Die gesetzliche Rentenversicherung wird im Umlageverfahren finanziert: die gegenwärtigen Beitragszahler finanzieren die Renten der aktuellen Rentner. (Finanztip)

  • Der demografische Wandel (Rückgang der Geburtenrate, höhere Lebenserwartung) führt zu einer steigenden Belastung des Umlagesystems, da weniger Einzahler für mehr Rentner aufkommen.

  • Bundeszuschüsse und Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt greifen unterstützend ein, um bestimmte beitragsfreie Zeiten (Kindererziehung, Pflege etc.) anzuerkennen. (BMAS.de)

  • Die freiwillige Vorsorge (bAV, private Vorsorge) ist kapitalgedeckt und trägt zur Entlastung des Umlagekerns bei, jedoch nicht flächendeckend. 

  • Im System sind Mechanismen wie Rentenanpassungsformel, Beitragsbemessungsgrenzen und Leistungsreformen eingebaut, um Nachhaltigkeit zu fördern, aber sie sind politisch umstritten.


Anreizwirkungen und Verhaltenswirkungen

Dänemark

  • Weil die Grundrente nicht an Beitragshöhe gekoppelt ist, besteht ein Gleichheitsprinzip: Der Grundanspruch besteht unabhängig vom Einkommen, sofern Wohnzeit erfüllt ist.

  • Die ATP- und Zusatzrentenmechanismen belohnen längere Erwerbszeiten und höhere Beiträge (durch kapitalgedeckte Komponenten) – damit gibt es einen Anreiz, im Erwerbsleben möglichst stabil einzuzahlen.

  • Die automatische Anpassung des Rentenalters an die Lebenserwartung schafft Anreize, Beschäftigungszeiten zu verlängern und Erwerbsbiographien zu optimieren.

  • Für Ausländer oder Personen mit weniger Jahren in Dänemark sinkt der Anspruch – das wirkt als Anreiz für längeren Verbleib bzw. Erwerbstätigkeit im Land.

Deutschland

  • Das Umlagesystem mit Entgeltpunkten incentiviert das Erzielen möglichst hoher beitragspflichtiger Einkommen über längere Zeiträume, um mehr Rentenpunkte zu sammeln.

  • Die bAV / private Vorsorge schafft Anreize, über das gesetzliche Maß hinaus privat zu sparen.

  • Reformdruck, Beschäftigungspolitik und Arbeitsmarkteinbindung spielen eine Rolle: Eine hohe Erwerbsquote, möglichst lange Erwerbszeiten und möglichst niedrige Arbeitslosigkeit helfen, das System zu stabilisieren – daher besteht ein indirekter Anreiz, möglichst lange im Erwerbsleben aktiv zu bleiben.

  • Kritik wird regelmäßig laut, dass Geringverdiener, Phasen mit Teilzeit, Erwerbslosigkeit oder prekäre Beschäftigung im System benachteiligt sind, da Beitragszeiten und Einkommen relativ gering sind.


Herausforderungen

Dänemark

  • Steigende Lebenserwartung und demografischer Wandel: Auch mit Anpassung des Rentenalters steigt der finanzielle Druck auf das System.

  • Kapitalmarktrisiken bei ATP und kapitalgedeckten Komponenten: Die Performance der Kapitalanlagen kann Risiken bergen (Zinsniveau, Marktschwankungen). 

  • Akzeptanz politischer Reformen: Eine radikale Erhöhung des Rentenalters (bis 70) könnte in Teilen der Bevölkerung auf Widerstand stoßen, insbesondere bei körperlich belastenden Berufen. 

  • Migration / internationale Mobilität: Grenzüberschreitende Erwerbstätigkeit kann die Anspruchszeiten komplex gestalten.

  • Ungleichheit in Zusatzvorsorge: Nicht alle Beschäftigten haben gleichartigen Zugang zu Zusatzrenten; gewisse Gruppen könnten benachteiligt sein.

Deutschland

  • Demografischer Druck: Die klassische Herausforderung – weniger Einzahler, mehr Rentner – belastet das Umlagesystem am stärksten.

  • Sinkendes Rentenniveau: Reformmechanismen führen zur Absenkung des Leistungsniveaus im Verhältnis zu Löhnen über die Zeit.

  • Ungleichheiten durch Erwerbsverläufe: Wer viele Phasen mit geringer Beschäftigung, Teilzeit oder Arbeitslosigkeit hat, erhält geringere Renten.

  • Finanzierungsengpässe: Die Lasten steigen, und die Akzeptanz einer starken Erhöhung von Beiträgen oder späterem Renteneintritt ist politisch begrenzt.

  • Fehlende automatische Anpassungsmechanismen: Ohne automatische Kopplung an Lebenserwartung droht Reformstau und politische Blockaden.

  • Abhängigkeit von Wirtschaftsentwicklung: Bei wirtschaftlicher Schwäche, Arbeitslosigkeit oder Rezession sinken Beitragseinnahmen und verschärfen die Probleme.


Wo stehen Dänemark und Deutschland?

Kriterium Vorteil Dänemark Vorteil Deutschland / Nachteile Dänemark  
Leistungsniveau / Ersatzquoten Hohe Ersatzquoten möglich, Grundrente als solide Basis Deutschland droht durch sinkendes Rentenniveau Leistungsverlust  
Langfristige Nachhaltigkeit Automatische Anpassung des Rentenalters an Lebenserwartung bringt Flexibilität Kapitalmarktrisiken, Akzeptanzprobleme in Dänemark  
Risikomix (Umlage + Kapitalgedecktes) Mischung bietet Stabilisierung und Diversifizierung Deutschland stark vom Umlagesystem abhängig  
Sozialer Ausgleich / Gerechtigkeit Anspruch nicht strikt an Beitragsleistung gekoppelt (Grundrente) In Deutschland ist die Rente stark an Beiträge gekoppelt – Benachteiligung bei unsteter Beschäftigung  
Politische Machbarkeit / Akzeptanz Dänemark setzt Reformen mit breiter Mehrheit um; Anhebung Rentenalter spaltet weniger stark In Deutschland sind größere Reformen oft politisch schwer durchsetzbar  

Das dänische Rentensystem kombiniert eine steuerfinanzierte Grundrente mit kapitalgedeckten Zusatzsystemen und einer dynamischen Anpassung des Rentenalters an die Lebenserwartung. Dadurch erreicht es vergleichsweise hohe Ersatzquoten und eine relativ solide finanzielle Basis, sofern die Kapitalmärkte stabil bleiben und Reformmechanismen wie die automatische Anpassung umgesetzt werden.

Das deutsche System bietet mit seiner gesetzlichen Rentenversicherung eine robuste Basis, leidet aber stärker unter dem demografischen Druck und dem Fehlen automatischer Anpassungsmechanismen. Die Belastung des Umlagesystems wächst, und ein sinkendes Rentenniveau stellt eine Gefahr für das Leistungsversprechen dar.

 

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