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Bürgergeld, Sozialhilfe und Arbeitslosengeld I – Leistungen und Voraussetzungen (Stand 2025)

Arbeitsrecht – Erbrecht - Kommunalrecht

Bürgergeld, Sozialhilfe und Arbeitslosengeld I – Leistungen und Voraussetzungen (Stand 2025)

Geld

Das Bundesverfassungsgericht hat sich in mehreren Entscheidungen mit der verfassungsrechtlichen Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums und damit mittelbar mit den Mindestsätzen der Sozialhilfe befasst. Zentral ist:

Grundsatzentscheidung „Hartz IV-Regelsätze“ (BVerfG, Urteil vom 9. Februar 2010 – 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09)

  • Inhalt: Überprüfung der Regelleistungen nach dem SGB II (Arbeitslosengeld II) und SGB XII (Sozialhilfe).

  • Kern: Das Existenzminimum ist durch Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG garantiert.

  • Der Gesetzgeber hat bei der Bestimmung der Höhe einen Gestaltungsspielraum, muss aber transparent und realitätsgerecht ermitteln.

  • Ergebnis: Die damaligen Regelsätze wurden für verfassungswidrig erklärt, weil ihre Herleitung nicht nachvollziehbar war. Der Gesetzgeber wurde verpflichtet, ein neues, sachgerechtes Verfahren zu schaffen.

 Asylbewerberleistungsgesetz (BVerfG, Urteil vom 18. Juli 2012 – 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11)

  • Inhalt: Prüfung der stark abgesenkten Leistungen nach AsylbLG.

  • Kern: Auch Asylbewerber haben Anspruch auf ein menschenwürdiges Existenzminimum.

  • Abgesenkte Sätze wurden als evident unzureichend und verfassungswidrig eingestuft.

 Sanktionen im Bürgergeld/Hartz IV (BVerfG, Urteil vom 5. November 2019 – 1 BvL 7/16)

  • Inhalt: Kürzungen von Leistungen bei Pflichtverletzungen.

  • Kern: Das Grundrecht auf ein Existenzminimum darf nicht vollständig entzogen werden.

  • Ergebnis: Sanktionen von mehr als 30 % des Regelbedarfs sind unverhältnismäßig und verfassungswidrig.

Bürgergeld: Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II)

Wer hat Anspruch? Das Bürgergeld ist seit 1. Januar 2023 die neue Bezeichnung für die Grundsicherung nach SGB II und löste das bisherige Arbeitslosengeld II („Hartz IV“) ab[1][2]. Bürgergeld erhalten erwerbsfähige Personen ab 15 Jahren bis zur Regelaltersgrenze, die ihren Lebensunterhalt nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen decken können[3]. „Erwerbsfähig“ bedeutet, man kann mindestens 3 Stunden täglich arbeiten; bedürftig heißt, dass das verfügbare Einkommen unter dem staatlichen Existenzminimum liegt und kein ausreichendes Vermögen vorhanden ist[3][4]. Ist diese Voraussetzung erfüllt, erhalten auch die mit ihnen in Bedarfsgemeinschaft lebenden Partner und Kinder Bürgergeldleistungen[5]. Bürgergeld-Empfänger werden vom Jobcenter betreut und sollen neben finanzieller Hilfe auch Unterstützung bei Qualifizierung und Jobsuche bekommen[6][3].

Leistungshöhe: Die Leistungen des Bürgergelds setzen sich aus mehreren Bestandteilen zusammen:

  • Regelbedarf (Regelsatz): ein pauschaler monatlicher Betrag für Lebensunterhalt wie Nahrung, Kleidung, persönlichen Bedarf. Die Höhe richtet sich nach Haushaltszusammensetzung und Alter. Seit der Erhöhung zum 1. Januar 2024 gelten unverändert auch im Jahr 2025 folgende monatliche Regelsätze[2][7]:

Regelbedarfsstufe

Personenkreis

Regelsatz 2025[8][9]

Stufe 1

Alleinstehende und Alleinerziehende

563 €

Stufe 2

Pro Partner in Bedarfsgemeinschaft (Ehe/Paare)

506 €

Stufe 3

Erwachsene unter 25 im Haushalt der Eltern 

451 €

Stufe 4

Jugendliche von 14–17 Jahren

471 €

Stufe 5

Kinder von 6–13 Jahren

390 €

Stufe 6

Kinder bis 5 Jahre

357 €

 

Diese Regelsätze wurden Anfang 2024 inflationsbedingt um ca. 12 % angehoben (Alleinstehende zuvor 502 €) und bleiben 2025 erstmals unverändert[2]. Beispiel: Ein alleinstehender Bürgergeld-Bezieher erhält 563 € monatlich für den Lebensunterhalt[8]. Leben zwei Erwachsene als Paar zusammen, stehen ihnen zusammen 2 × 506 € = 1.012 € zu[8]. Die Bedarfssätze für Kinder sind gestaffelt nach Alter (siehe Tabelle).

  • Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU): Zusätzlich zum Regelbedarf übernimmt das Bürgergeld die angemessenen Miet- und Heizkosten für die Wohnung der Bedarfsgemeinschaft[12]. „Angemessen“ richtet sich nach lokalen Richtwerten (Mietobergrenzen je nach Wohnort, Haushaltsgröße und Mietspiegel). In den ersten 12 Monaten des Leistungsbezugs gilt eine Karenzzeit, in der tatsächliche Wohnkosten ungeprüft übernommen werden, selbst wenn die Miete über den lokalen Angemessenheitsgrenzen liegt[13]. Diese Regel soll verhindern, dass Betroffene gleich zu Beginn aus ihrer Wohnung ausziehen müssen. Nach Ablauf der Karenzzeit verlangt das Jobcenter ggf. einen Wohnungswechsel oder übernimmt nur noch die angemessene Miete. – Beispiel: Für eine Person in einer Großstadt wird etwa eine Bruttokaltmiete von ~€450–€600 als angemessen angesehen, für eine vierköpfige Familie je nach Ort etwa €750 (kleinere Stadt) bis €1.500 (teure Stadt)[14][15]. Die tatsächlichen Mietkosten werden in der Regel bis zu diesen Grenzen voll übernommen; darüber hinaus müssten Bürgergeld-Haushalte die Differenz selbst tragen oder sich eine günstigere Wohnung suchen.
  • Mehrbedarfe: In bestimmten Lebenslagen gewährt das Bürgergeld zusätzliche Mehrbedarfs-Zuschläge[16]. Beispiele sind Mehrbedarfe für Alleinerziehende, für werdende Mütter ab der 13. Woche (17 % des Regelsatzes), für Menschen mit Behinderung oder kostenaufwändiger Ernährung. Eine alleinerziehende Person erhält abhängig von Anzahl und Alter der Kinder einen Zuschlag (z.B. +36 % des Regelsatzes bei 1–2 Kindern unter 7 bzw. 14 Jahren)[17][18]. Diese Mehrbedarfe summieren sich mit dem Regelbedarf. – Beispiel: Eine alleinerziehende Mutter mit einem Kleinkind hat Anspruch auf 563 € + 202 € Alleinerziehenden-Zuschlag (36 % von 563) = 765 € eigene Bedarfssumme, plus für das Kind 357 € Regelbedarf, gesamt 1.122 € monatlich für Lebensunterhalt[17] (zuzüglich Wohnungskosten).
  • Einmalige oder Sonderbedarfe: Zusätzlich können einmalige Leistungen gewährt werden, etwa Erstausstattungen für Wohnung oder Bekleidung, Anschaffungen bei Schwangerschaft/Geburt[19][20], dezentrale Warmwasserversorgung usw.
  • Sozialversicherungsbeiträge: Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung werden für Bürgergeld-Beziehende übernommen[12], da diese in der gesetzlichen Krankenkasse versichert bleiben. Die Jobcenter zahlen für jeden erwerbsfähigen Erwachsenen einen Pauschalbeitrag (2025: rund 119 € KV + bis zu 44 € PV monatlich)[21]. In der Summe erhöht dies den „Bedarf“ der Leistungsberechtigten, ohne aber direkt als Geldleistung an sie zu gehen – es wird direkt an die Krankenkasse abgeführt.

Anrechnung von Einkommen: Eigene Einkommen (z.B. aus Nebenjob, Unterhalt) werden oberhalb von Freibeträgen auf das Bürgergeld angerechnet, ebenso Kindergeld für Kinder wird als Einkommen der Kinder berücksichtigt[22]. Beispiel: Das Kindergeld (seit 2025 einheitlich 255 € pro Kind[23]) wird vom Bedarf des jeweiligen Kindes abgezogen, sodass für ein Kind faktisch der Restbetrag vom Jobcenter kommt[22]. Eigenes Vermögen ist bis zu bestimmten Freibeträgen geschützt (Schonvermögen, z.B. 40.000 € für den Hauptbedarfsträger + 15.000 € für jedes weiteres Haushaltsmitglied im ersten Jahr Bürgergeld-Bezug[24]). Darüber hinausgehendes verwertbares Vermögen muss zunächst aufgebraucht werden.

Personen mit Migrationshintergrund: Das Bürgergeld unterscheidet nicht nach deutscher oder ausländischer Herkunftmaßgeblich ist der Aufenthaltsstatus und die Bedürftigkeit. Ausländerinnen und Ausländer mit dauerhafter Bleibeperspektive (z.B. anerkannte Geflüchtete, EU-Bürger nach Freizügigkeitsrecht, andere mit Aufenthaltstitel) erhalten bei Bedürftigkeit das gleiche Bürgergeld wie Deutsche[3]. Wer jedoch keinen dauerhaften Status hat (Asylbewerber im Verfahren, Geduldete), fällt meist unter das Asylbewerberleistungsgesetz, das niedrigere Grundleistungen vorsieht. Beispielsweise erhält eine Asylbewerber-Familie in Erstaufnahme-Unterkunft reduzierte Leistungssätze (Sachleistungen, geringeres „Taschengeld“). Wichtig: Die Leistungshöhe nach SGB II richtet sich ausschließlich nach Bedarf und Haushaltssituation, nicht nach Nationalität – eine Familie aus dem Ausland mit gleicher Kinderzahl und Wohnsituation hat dieselben Ansprüche wie eine einheimische Familie. Medienberichte, die hohe Summen bei ausländischen Familien hervorheben, beziehen sich meist auf große Familien und besondere Umstände (siehe Palmer-Fall unten), nicht auf generelle Privilegien.

Sozialhilfe: „Hilfe zum Lebensunterhalt“ und Grundsicherung im Alter/Erwerbsminderung (SGB XII)

Wer hat Anspruch? Die Sozialhilfe dient als letztes soziales Netz für Menschen, die ihren Lebensunterhalt nicht selbst bestreiten können und nicht erwerbsfähig sind[4][25]. Als nicht erwerbsfähig gelten Personen, die aus gesundheitlichen Gründen auf absehbare Zeit weniger als 3 Stunden täglich arbeiten können[4] (z.B. aufgrund schwerer Krankheit oder Behinderung), oder Personen im gesetzlichen Rentenalter. Sozialhilfe kann auch greifen, wenn zwar Erwerbsfähigkeit vorliegt, aber SGB II-Leistungen nicht infrage kommen – etwa weil der Bedarf nur kurzfristig besteht oder bestimmte Studierende ohne BAföG-Anspruch. Wichtigste Leistungsarten der Sozialhilfe sind:

  • Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung: für dauerhaft voll erwerbsgeminderte Personen ab 18 Jahren oder Rentner, die bedürftig sind[26].
  • Hilfe zum Lebensunterhalt: für zeitweise Erwerbsunfähige (voraussichtlich unter 6 Monate) oder Personen in schwierigen Lebenslagen, die kein Bürgergeld bekommen[27].

Die Voraussetzungen ähneln dem Bürgergeld: Keine ausreichenden eigenen Mittel, kein vorrangiger Anspruch (etwa auf Rente) und – anders als beim Bürgergeld – Erwerbsunfähigkeit bzw. Rentenalter[25][27]. Sozialhilfe wird vom Sozialamt der Kommunen verwaltet[28].

Leistungshöhe: Die Sozialhilfe deckt analog zum Bürgergeld das soziokulturelle Existenzminimum. Die Berechnung ist praktisch identisch aufgebaut:

  • Regelbedarfe: Die monatlichen Regelsätze in der Sozialhilfe entsprechen den oben genannten Regelbedarfsstufen 1–6[29][30]. Hintergrund: Jährlich werden per Verordnung die Regelsätze für alle Grundsicherungssysteme einheitlich fortgeschrieben[29]. Zum 1. Jan. 2024 stiegen diese um 49–61 € je nach Stufe[31]. Eine alleinstehende Sozialhilfebezieherin hat also ebenso 563 € Regelsatz zur Verfügung wie eine Bürgergeldempfängerin[32]. Die Beträge für Partner und Kinder sind ebenfalls deckungsgleich mit Bürgergeld (siehe Tabelle oben). Ausnahme: Für Personen, die in Einrichtungen voll stationär untergebracht sind (z.B. Pflegeheim), gilt der Regelsatz Stufe 3 (2024/25: 451 €)[10], da etwa Verpflegung oft gestellt wird.
  • Unterkunft und Heizung: Auch die angemessenen Wohnkosten werden von der Sozialhilfe übernommen[33]. Hier gibt es keine allgemeine Karenzzeit wie beim Bürgergeld, da viele Sozialhilfefälle dauerhaft sind; jedoch zahlen die Sozialämter von Beginn an nur die angemessene Miete. Liegt die Wohnung über den kommunalen Angemessenheitsgrenzen, wird in der Regel eine Kostensenkung bzw. Wohnungswechsel verlangt, ggf. nach einer Übergangsfrist. Für Sozialhilfeempfänger im Heim werden Unterkunftskosten durch Pauschalen geregelt (oft direkt zwischen Träger und Einrichtung abgerechnet).
  • Mehrbedarfe: Die gleichen Mehrbedarfsregelungen gelten im Sozialhilferecht. Auch hier gibt es Zuschläge für Alleinerziehende, Schwangere, kostenaufwendige Ernährung, dezentrale Warmwasserbereitung usw.[16]. Beispielsweise erhält ein allein erziehender Vater in Hilfe zum Lebensunterhalt mit zwei kleinen Kindern ebenfalls 36 % Aufschlag auf seinen Regelsatz wie im Bürgergeld.
  • Kranken- und Pflegeversicherung: Sozialhilfebezieher sind – sofern nicht bereits Rentner – i.d.R. in der gesetzlichen Krankenkasse pflichtversichert; die Sozialämter übernehmen die Beiträge ähnlich wie die Jobcenter. Rentner in Grundsicherung bleiben über die Krankenversicherung der Rentner abgesichert.
  • Anrechnung von Einkommen/Vermögen: Eigene Einkommen und Vermögen werden auch in der Sozialhilfe auf den Bedarf angerechnet. Die Freibeträge sind allerdings oft geringer als im Bürgergeld. Kleinere Barbeträge und ein Schonvermögen (etwa 5.000 € in der Grundsicherung im Alter) bleiben anrechnungsfrei. Unterhaltspflichtige Angehörige (Kinder der Leistungsbezieher) werden über einem Jahresbruttoeinkommen von 100.000 € zu Unterhaltsbeiträgen herangezogen (darunter greift der sogenannte Elternunterhalt nicht, um bürokratischen Aufwand zu vermeiden – eine seit 2020 geltende Regelung).

Zusammenfassend unterscheiden sich Bürgergeld und Sozialhilfe vor allem durch das Kriterium der Erwerbsfähigkeit und die Zuständigkeit (Jobcenter vs. Sozialamt). Die Höhe der Leistungen (Regelsätze, Wohnkostenübernahme) ist im Grundsatz gleich geregelt[29][31]. Sozialhilfebeziehende stehen allerdings nicht unter Vermittlungsdruck; sie erhalten keine Eingliederungsmaßnahmen und es gibt keine Sanktionen bei Pflichtverletzungen, da eine Arbeitsaufnahme meist nicht in Frage steht. Stattdessen wird bei Sozialhilfe stärker auf Mitwirkung bei z.B. Rentenanträgen geachtet (wer erwerbsunfähig ist, muss Erwerbsminderungsrente beantragen, bevor Sozialhilfe zahlt).

Hinweis: Personen mit Migrationshintergrund, die nicht erwerbsfähig sind (z.B. ältere Migranten ohne ausreichende Rente, schwerbehinderte Flüchtlinge), können Sozialhilfe/Grundsicherung erhalten, sofern sie rechtmäßig ihren Wohnsitz in Deutschland haben. Die Leistungen sind auch hier unabhängig von der Herkunft, sondern vom Bedarf bestimmt. Asylbewerber im laufenden Verfahren erhalten statt Sozialhilfe Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, die unter dem Niveau der SGB-Leistungen liegen.

Arbeitslosengeld I: Versicherungsleistung bei Arbeitslosigkeit

Wer hat Anspruch? Das Arbeitslosengeld I (ALG I) ist eine zeitlich befristete Versicherungsleistung der Bundesagentur für Arbeit. Anspruch darauf hat, wer freiwillig oder pflichtversichert in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt hat und innerhalb der letzten Zeit genug Beitragszeiten gesammelt hat. Konkret muss die sogenannte Anwartschaftszeit erfüllt sein: mindestens 12 Monate sozialversicherungspflichtige Beschäftigung in den letzten 30 Monaten vor Arbeitslosmeldung[34][35]. (Unter bestimmten Umständen gilt eine verkürzte Anwartschaft: z.B. für häufig befristet Beschäftigte genügen 6 Monate innerhalb 30 Monate[36].) Zusätzlich muss man sich arbeitslos gemeldet haben und der Vermittlung zur Verfügung stehen.

Höhe des ALG I: Die Berechnung richtet sich nach dem früheren Verdienst. ALG I beträgt etwa 60 % des letzten Nettoverdienstes, für Arbeitslose mit mindestens einem Kind 67 %[37]. Dabei wird zunächst das durchschnittliche Bruttoeinkommen der letzten 12 Monate ermittelt, dann ein pauschaliertes Netto („Leistungsentgelt“) berechnet (Abzug von Steuern und 20 % Sozialabgaben pauschal)[38][39]. Davon erhält man pro Tag 60 % bzw. 67 % als Leistung[37].

  • Beispiel 1: Arbeitnehmer ohne Kinder, zuletzt 2.500 € netto verdient – ALG I ≈ 1.500 € pro Monat (60 %). Mit einem Kind stiege der Satz auf ≈ 1.675 € (67 %).
  • Beispiel 2: Arbeitnehmer mit Kind, zuletzt 1.800 € netto verdient – ALG I ≈ 1.206 € (67 % vom Netto)[37]. Ohne Kind wären es ca. 1.080 €.

Es handelt sich um Individualansprüche: Das Einkommen des Ehepartners spielt für ALG I keine Rolle (anders als bei Bürgergeld/Sozialhilfe). Vermögen wird nicht geprüft. Allerdings sind die Beträge gedeckelt durch die Beitragsbemessungsgrenze (ein sehr hohes früheres Gehalt erhöht ALG I nur bis zu einer Grenze).

Während des Bezugs von ALG I werden die Sozialversicherungsbeiträge (Kranken-, Pflege-, Rentenversicherung) von der Agentur für Arbeit weitergezahlt[40]. Das ALG I unterliegt zudem der Steuerprogression (Progressionsvorbehalt), d.h. es ist zwar steuerfrei, aber beeinflusst den Steuersatz für eventuelle andere Einkommen im selben Jahr.

Bezugsdauer: Die Dauer von ALG I hängt von der Versicherungszeit und dem Alter ab. Wer z.B. mindestens 24 Monate versichert war, hat Anspruch auf 12 Monate ALG I (Regelfall für Unter-50-Jährige)[41]. Bei genau 12 Beitragsmonaten werden 6 Monate gezahlt[42]. Ab dem Alter von 50 Jahren verlängern sich die möglichen Bezugsdauern staffelweise:
– 50-Jährige mit 30 Monaten Beitragszeit: 15 Monate Anspruch,
– 55-Jährige mit 36 Monaten: 18 Monate,
– 58-Jährige mit 48 Monaten: 24 Monate höchstens[43].

Nach Ende des ALG I (oder wenn dieses nicht ausreicht), kann ein nahtloser Übergang ins Bürgergeld erfolgen, sofern Bedürftigkeit besteht. Wichtig: ALG I ist meist deutlich höher als Bürgergeld für den einzelnen – allerdings müssen davon sämtliche Kosten bestritten werden (inkl. Miete). Sollte das ALG I zusammen mit eventuellen Ersparnissen nicht ausreichen, können Betroffene zusätzlich Wohngeld oder Kinderzuschlag beantragen. Reicht auch das nicht, können ALG I-Bezieher als Aufstocker ergänzend Bürgergeld erhalten[44].

Vergleich der Leistungen – Fallbeispiele

Um die drei Leistungssysteme gegenüberzustellen, betrachten wir typische Haushaltskonstellationen mit ihren monatlichen Unterstützungssummen. Alle Beispiele beziehen sich auf 2025. (Unterstellte Beträge für Miete entsprechen üblichen angemessenen Kosten; Kindergeld wird als Einkommen der Kinder berücksichtigt.)

Beispiel 1: Alleinstehende Person

Eine alleinlebende Einzelperson (30 Jahre) in Mietwohnung, Kaltmiete 400 € + 100 € Heiz-/Nebenkosten = 500 € Warmmiete (angenommen angemessen).

  • Bürgergeld: Regelsatz 563 € für Alleinstehende[8] plus 500 € Unterkunftskosten = Bedarf 1.063 €. Da kein Einkommen vorliegt, übernimmt das Jobcenter den vollen Betrag von 1.063 €[45][46]. (Zusätzlich zahlt das Jobcenter ~€200 für Kranken-/Pflegeversicherung an die Kasse[21], was der Person aber nicht direkt ausgezahlt wird.)
  • Sozialhilfe: (Hilfe zum Lebensunterhalt) Bei gleicher Ausgangslage – z.B. die Person ist dauerhaft voll erwerbsgemindert – ergibt sich derselbe Regelbedarf von 563 € und Übernahme der angemessenen Miete 500 €. Das Sozialamt zahlt ebenfalls ~1.063 € im Monat. Unterschiede könnten sich ergeben, wenn etwa ein Mehrbedarf anfällt (z.B. bei Schwerbehinderung gibt es einen 17 %-Zuschlag im Sozialhilfe-Recht). Im Normalfall entspricht die Leistung der Sozialhilfe hier dem Bürgergeld[32][30].
  • Arbeitslosengeld I: Hier kommt es auf das frühere Einkommen an. Angenommen, die Person war beschäftigt mit durchschnittlichem Verdienst von 2.500 € brutto (ca. 1.600 € netto). Ohne Kinder beträgt ALG I ~60 % vom letzten Netto, also rund 960 € pro Monat[37]. Mit Kind(ern) würde es 67 % betragen. Dieses ALG I von 960 € muss für Lebensunterhalt und Miete aufkommen. In unserem Beispiel reicht es nicht für die vollen Kosten (Bedarf 1.063 €), daher müsste die Person Ersparnisse aufbrauchen oder zusätzlich Bürgergeld beantragen (~103 € Aufstockung). War das frühere Gehalt höher, fällt auch ALG I höher aus: z.B. bei 2.500 € netto Verdienst läge ALG I bei etwa 1.500 €[37], was deutlich über dem Bürgergeldniveau ist und alle Ausgaben decken würde. Zusammengefasst: ALG I kann – je nach Verdienst – unter, gleichauf oder über den bedarfsgeprüften Leistungen liegen. Es ist jedoch auf Dauer befristet (max. 12 Monate in diesem Fall)[41].

Beispiel 2: Paar mit zwei Kindern

Familie mit vier Personen: Eltern (verheiratet, beide 35 Jahre) und zwei Kinder (Tochter 5 Jahre, Sohn 14 Jahre). Angemessene Wohnkosten für 4 Personen seien 900 € warm. Keiner der Erwachsenen hat aktuell Einkommen (beide arbeitslos).

  • Bürgergeld: Die Bedarfsgemeinschaft umfasst 2 Erwachsene + 2 Kinder. Regelsätze: 2 × 506 € für das Elternpaar[8], dazu 390 € für das Kind (6–13 Jahre) und 471 € für das Teenager-Kind (14–17)[8][9]. Summe der Regelbedarfe = 1.873 €. Kein Alleinerziehendenzuschlag, da beide Eltern im Haushalt. Hinzu kommen 900 € Wohnungskosten. Gesamtbedarf = 2.773 €. Davon wird das Kindergeld für die zwei Kinder (2 × 255 € = 510 €) als Einkommen abgezogen[47][48]. Es bleibt ein auszuzahlender Bürgergeld-Anspruch von ca. 2.263 € monatlich. Dieses Geld erhält die Familie vom Jobcenter; zusätzlich bekommen sie die 510 € Kindergeld von der Familienkasse (Kindergeld wird nicht vom Jobcenter überwiesen). Die Krankenversicherung für beide Eltern (~€200 p.M.) wird vom Jobcenter übernommen. – Kontrolle: Das Ergebnis deckt den Regelsatzbedarf der Familie (1.873 € für Lebensunterhalt) plus die Miete (900 €). Die Kinder bekommen neben der Grundsicherung noch Leistungen für Bildung und Teilhabe (z.B. Zuschuss für Schulausflüge) ohne Anrechnung des Kindergeldes[49][50].
  • Sozialhilfe: Wären die Eltern z.B. beide erwerbsunfähig (etwa dauerkrank) und keiner somit SGB II-berechtigt, würde die vierköpfige Familie vom Sozialamt Hilfe zum Lebensunterhalt bzw. Grundsicherung erhalten. Die berechnete Bedarfshöhe wäre dieselbe: Regelsätze zusammen 1.873 €, Wohnbedarf 900 €, abzgl. Kindergeld 510 €, ergibt rund 2.263 € vom Sozialamt. In der Praxis werden Sozialhilfeleistungen oft als Einzelleistungen dargestellt, aber am Ende entspricht die Summe dem Bedarf. Auch hier würden die Kinder ihr Kindergeld behalten und für die Eltern zahlt das Amt die Krankenkassenbeiträge. Unterschiede könnten sich in bestimmten Details ergeben (Sozialämter prüfen z.B. bei behinderten Kindern andere Ansprüche zuerst), aber finanziell ist kein nennenswerter Unterschied zum Bürgergeld-Bezug festzustellen[29][30].
  • Arbeitslosengeld I: Nehmen wir an, einer der beiden Elternteile hatte zuvor eine sozialversicherungspflichtige Stelle. Zum Beispiel: Der Vater wurde arbeitslos, Verdienst vorher 3.000 € brutto (entspricht ca. 1.900 € netto, Steuerklasse III mit 2 Kindern). Mit mindestens einem Kind bekommt er 67 % des Netto als ALG I[37], also rund 1.270 € im Monat. Die Mutter hatte keine Erwerbsarbeit (Hausfrau) und hat daher keinen ALG I-Anspruch. Das Arbeitslosengeld I des Vaters (1.270 €) plus das Kindergeld für 2 Kinder (510 €) ergibt 1.780 € Einkommen für die Familie. Dies liegt spürbar unter dem errechneten Bedarf von ~2.773 €. Die Familie hätte also trotz ALG I noch Anspruch auf ergänzendes Bürgergeld in Höhe von etwa 993 € (Bedarf minus Einkommen). Alternativ könnten sie prüfen, Wohngeld und Kinderzuschlag zu beantragen – bei 1.270 € Erwerbseinkommen läge das vermutlich ebenfalls unter dem Bedarf. Fazit: Bei Familien kann es vorkommen, dass ein niedriges ALG I die Familie nicht voll finanziert, sodass ergänzende Leistungen nötig sind. Umgekehrt, hätte der Vater sehr gut verdient (sagen wir 5.000 € brutto ≈ 3.000 € netto), bekäme er ~2.000 € ALG I, was zusammen mit Kindergeld (510 €) 2.510 € ergibt – fast so viel wie der Bürgergeldanspruch. In einem solchen Fall könnte die Differenz von ~260 € möglicherweise durch Wohngeld/Kinderzuschlag gedeckt werden, ohne dass die Familie Bürgergeld beziehen muss. Diese Beispiele zeigen, dass Arbeitslosengeld I für kürzere Zeit eine höhere Absicherung bieten kann, aber je nach vorherigem Lohn und Haushaltsgröße ggf. nicht die volle Bedürftigkeit abdeckt.

Beispiel 3: Sonderfall – Großfamilie

Zum Verständnis extremer Beträge betrachten wir fiktiv eine Familie mit 7 Kindern (insg. 9 Personen) in teurer Großstadt-Wohnung. Angenommene Warmmiete: 2.500 € (z.B. 5 Zimmer in München). Die Eltern sind beide ohne Einkommen.

  • Bürgergeld/Sozialhilfe: Regelsätze: 2 Erwachsene (2×506 €) + Kinder: z.B. 2 Teenager à 471 €, 3 Schulkinder à 390 €, 2 Kleinkinder à 357 €. Summe Regelsätze ≈ 3.939 €. Unterkunft 2.500 € dazu => Bedarf ~6.439 €. Abzüglich Kindergeld (7×255 € = 1.785 €) ergibt sich ein Anspruch von rund 4.654 € im Monat vom Jobcenter/Sozialamt. Zusätzlich trägt der Staat Krankenversicherungskosten (über 400 €). Dieses Beispiel zeigt, dass in sehr großen Familien die Gesamtleistungen durchaus im Bereich > 5.000 € liegen können, vor allem bei hohen Wohnkosten. Allerdings ist dies ein Ausnahmefall – dazu unten bei der Palmer-Debatte mehr.
  • Arbeitslosengeld I: Bei neun Personen ist es unwahrscheinlich, dass ALG I allein den Bedarf deckt. Selbst wenn ein Elternteil zuvor 4.000 € netto verdient hätte (was sehr hoch ist), kämen als ALG I ~2.680 € (67 %) herein – gegenüber einem Bedarf von über 6.000 €. Große Familien ohne ausreichendes Einkommen werden in der Praxis fast immer (weitgehend) auf Grundsicherung angewiesen sein.

Zusammenfassung in Tabellenform: Die folgende Tabelle stellt Beispielrechnungen der drei Systeme gegenüber (monatliche Zahlbeträge). Dabei wird für ALG I jeweils ein früheres Gehalt angenommen, um eine Vergleichszahl zu erhalten:

Haushaltstyp

Bürgergeld <br/>(Bedarf – bei 0 € Einkommen)

Sozialhilfe <br/>(Bedarf – bei 0 € Einkommen)

ALG I <br/>(bei angenommenem früherem Verdienst)

Single <br/>(Miete 500 €)

563 € Regelsatz + 500 € KdU = 1.063 € Gesamtbedarf[45]. <br/>Auszahlung: 1.063 € (kein Einkommen).

≈1.063 € (identisch, Regelsatz gleich, Miete übernommen)[32][30].

960 € ALG I (60 % v. 1.600 € netto)[37]. <br/>(Beispiel: früher ~2.500 € brutto Verdienst.)

Paar + 2 Kinder <br/>(Miete 900 €; Kinder 5 & 14 J.)

1.873 € Regelsätze + 900 € KdU = 2.773 € Bedarf. <br/>./. 510 € Kindergeld = ~2.263 € ausgezahlt[51][47].

~2.263 € (ähnlich, Kindergeld wird auch hier angerechnet).

1.270 € ALG I (67 % v. 1.900 € netto)[37]. <br/>(Beispiel: Vater früher ~3.000 € brutto, mit 2 Kindern.)

Großfamilie <br/>(2 Erw. + 5 Kinder; Miete 2.000 €)

ca. 3.091 € Regelsätze + 2.000 € KdU = 5.091 € Bedarf[52]. <br/>./. 1.275 € Kindergeld = ~3.816 € ausgezahlt.

~3.800–3.900 € (vergleichbar, ggf. Rundungen unterschiedl.).

(Selbst hohes ALG I eines Elternteils würde Bedarf nicht decken; Aufstocken nötig.)

Hinweis: Die Zahlen der Beispiele sind gerundet. Beim Bürgergeld/Sozialhilfe sind es Bedarfshöhen bei fehlendem Einkommen. Tatsächlich erhalten Familien zusätzlich Kindergeld sowie ggf. weitere zweckgebundene Leistungen (z.B. Bildungspaket für Kinder). ALG I ist abhängig vom individuellen Verdienst und kann daher variieren. Im Schnitt lag 2024 der Gesamtbedarf einer Bürgergeld-Bedarfsgemeinschaft bei etwa 1.330 € pro Monat, wovon ~508 € auf Wohnkosten entfielen[53][54] – die meisten Fälle sind also weit von den Maximalbeträgen entfernt.

Boris Palmers Aussage (April 2025) zu einem 7.000‑€-Bürgergeld-Bescheid

Zum Abschluss betrachten wir eine öffentlich viel diskutierte Äußerung: Im April 2025 sorgte Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer mit einem Beispiel extremer Bürgergeld-Zahlungen für Schlagzeilen. Er behauptete in der ZDF-Talkshow Markus Lanz: „Ich habe einen Bescheid gesehen, dass eine Bürgergeldfamilie 6.000 Euro Bürgergeld im Monat bekommt.“[55]. Palmer bezog sich auf einen konkreten Fall und kritisierte damit „aus seiner Sicht zu hohe Sozialausgaben“[56]. Laut Palmer handelt es sich um eine Familie mit sieben Köpfen (Eltern und fünf Kindern) in Tübingen, die wegen einer „sauteuren Wohnung“ so hohe Leistungen erhalte[57][58]. Er machte insbesondere die neue Karenzzeit-Regelung beim Bürgergeld verantwortlich, wonach im ersten Jahr unbegrenzt die Wohnkosten übernommen würden: „Die Regelung, die für ein Jahr die Kosten der Unterkunft nicht nach oben deckelt, hat dazu geführt, dass […] monatliche Zahlungen entstanden sind, die jedes vernünftige Maß sprengen“, so Palmer[59]. Er forderte, die Miete von Anfang an zu deckeln auf eine angemessene Höhe je nach Haushaltsgröße und Mietniveau[13][60].

Der veröffentlichte Bürgergeld-Bescheid über 7.000 €

Auf Skepsis und Nachfragen hin legte Palmer zwei Tage später auf Facebook nach und veröffentlichte einen anonymisierten Jobcenter-Bescheid als Beleg[61]. Aus diesem Änderungsbescheid geht hervor, dass die betreffende Bedarfsgemeinschaft zwischen November 2022 und Oktober 2023 monatliche Leistungen zwischen 5.637 € und 7.471 € bewilligt bekam[62][63]. In einem Monat (Januar 2023) überschritten die Leistungen sogar 7.400 €[61]. Die persönlichen Daten (Namen, Ort) schwärzte Palmer vollständig[63], sodass zunächst unklar blieb, in welcher Stadt dies genau anfiel – es wurde aber allgemein angenommen, dass es ein Fall aus Tübingen sei (Palmer sprach ja in der Ich-Form als OB).

Der Bescheid war ein Änderungsbescheid – er hob einen früheren, niedrigeren Bescheid auf und setzte höhere Beträge fest[64]. Details zum Warum stehen nicht im Dokument. Die Leistungsart „nach dem Zweiten Sozialgesetzbuch“ deutet darauf hin, dass es sich um SGB II-Leistungen (also Arbeitslosengeld II/Bürgergeld) handelte[63]. Wichtig: Die hohen Summen wurden bereits ab Nov 2022 gezahlt, also noch vor Einführung des Bürgergeldes (2023). Der Bescheid umfasst den Übergang von Hartz IV zu Bürgergeld – ab Jan. 2023 stieg der Regelbedarf, was einen Teil der Erhöhung erklärt (Dec 2022 ~6.637 €, Jan 2023 ~7.471 € laut Bescheid)[65][66]. Laut Palmer betraf der Fall eine „ausländische Familie“ in Tübingen – was suggeriert, dass es sich vermutlich um Geflüchtete oder Migranten handelte, die in seiner Stadt untergebracht waren (dieser Aspekt wurde v.a. in sozialen Medien hervorgehoben, im Bescheid selbst steht nichts dazu).

Zusammensetzung der 7.000 €: Wie kommt ein so hoher Betrag zustande? Aus dem Kontext lässt sich Folgendes schließen:

  • Die Familie bestand aus 2 Erwachsenen + 5 Kindern (Palmer sprach von „sieben Köpfen“[67]). Nach gängigen Sätzen hätte diese Familie einen monatlichen Regelbedarf (Lebensunterhalt) von rund 3.091 € gehabt[52] – genau diesen Betrag nannte auch ein Focus-Artikel als rechnerisches Bürgergeld für eine solche Konstellation. (Diese 3.091 € ergeben sich aus: 2× 506 € + 2× 471 € [Teenager] + 2× 390 € [Schulkinder] + 357 € [Kleinkind][52].) Hinzu kämen Kranken-/Pflegeversicherungsbeiträge für die Eltern – ungefähr 2× €119 + 2× €44 = ~€326, wobei Kinder in der Familienversicherung der Eltern beitragsfrei mitversichert sind[21].
  • Der Rest bis 6.000+ € entfiel auf Wohn- und Heizkosten. Zieht man vom Höchstbetrag 7.471 € den Regelbedarf (~3.100 €) und geschätzte Sozialversicherungsbeiträge (~€300) ab, bleiben über 4.000 € für Unterkunft/Heizung. Selbst bei 5.637 € (dem niedrigsten Monatswert im Bescheid) wären nach dieser Rechnung ~2.200 € für Miete/Heizung geflossen. Tatsächlich sprach Palmer von einer „sauteuren Wohnung“, deren Vermieter „abzockt“[57][68]. Auch dass „die Bewohner beim Warmmachen nicht sparen“ wurde unterstellt[69][70] – eine pauschale Vermutung, dass hohe Energiekosten durch sorglosen Verbrauch entstanden. Allerdings fielen Ende 2022/Anfang 2023 tatsächlich außergewöhnlich hohe Heizkosten an (Energiekrise). Der Stern berichtete, dass neben der Kinderzahl auch die hohen Strom- und Gaspreise jener Zeit eine Rolle spielten[71].
  • Karenzzeit und Mietkosten: Palmer vermutete, die neue Karenzzeit habe diese unbegrenzte Mietzahlung verursacht[13]. Doch hier liegt eine Fehleinschätzung vor: Die Karenzzeit galt erst ab Jan 2023[71], der Bescheid zeigt aber bereits im Nov/Dez 2022 sehr hohe Beträge[65]. Die Bundesagentur für Arbeit (BA) bestätigte auf Nachfrage, dass die Karenzzeit hier nicht ursächlich sein konnte[72]. Denn schon vor 2023 wurden in dem Fall offenbar hohe Unterkunftskosten anerkannt. Normalerweise gelten Obergrenzen: In Tübingen wäre für 7 Personen etwa 1.519 € Kaltmiete als angemessen (Frankfurt ~1.641 €, München ~2.498 €)[14][15]. Selbst mit Heizkosten käme man in Tübingen vielleicht auf ~1.800 € Bedarf für Unterkunft. Die tatsächliche Wohnung der Familie muss also entweder deutlich teurer gewesen sein oder es handelte sich um eine besondere Unterkunft. Stern und Frankfurter Rundschau spekulierten, die Familie könne in einer kommunalen Sonderunterkunft untergebracht sein, wo pro Tag abgerechnet wird (z.B. ein Flüchtlingswohnheim oder Obdachlosenunterkunft)[71][73]. Solche Unterkünfte kosten die öffentliche Hand oft weit mehr als normale Mieten. Die BA erklärte, für extreme Zahlbeträge kämen einmalige besondere Kosten (z.B. Nachzahlungen, Umzugskosten) oder teure kommunale Unterkünfte in Betracht[74][75]. Tatsächlich sieht man im Bescheid einen Ausreißer: Januar 2023 ~7.471 € – ein BA-Sprecher hielt eine Nachzahlung für denkbar, die diesen Ausnahmemonat erklärt[66][76]. Eventuell wurden ausstehende Heizkostennachforderungen oder ein Umzugskostenzuschuss in dem Monat ausgezahlt.

Reaktionen: Palmers Aussagen lösten breite Resonanz aus. Viele Zuschauer und Kommentatoren zeigten sich ungläubig ob der „6.000 €“-Aussage[61]. Einige vermuteten Übertreibung oder forderten Belege – woraufhin Palmer den Bescheid postete, was seine Kernbehauptung (solche Beträge gibt es) bestätigte[61]. Gleichzeitig übte er Kritik an der Bundesregierung: Es handele sich um „staatliche Zechprellerei aus Berlin“, die Kommunen müssten ausbaden, was die Ampel an Wohltaten verteile (so Palmer sinngemäß im Lanz-Talk)[77][78]. Palmer betonte auf Facebook, es gehe „nicht darum, Bürgergeldempfänger zu diffamieren“ oder „nach unten zu treten“, sondern um Regeln, „die Ergebnisse produzieren, die nicht nachvollziehbar sind“[79][80]. Er sieht seinen Befund als Beleg, dass sozialstaatliche Ausgaben begrenzt werden müssen, speziell durch sofortige Mietobergrenzen[60]. Einige Kommunalpolitiker und Bürger pflichteten ihm bei, da die steigenden Sozialetats der Städte Thema der Sendung waren.

Kritik und Einordnung: Aus Medien und Politik gab es zugleich Widerspruch und Einordnung:

  • Faktische Richtigkeit: Palmer hatte Recht, dass es Einzelfälle mit extrem hohen Bedarfssummen gibt – doch sie sind äußerst selten. Laut BA gab es 2022–2024 bundesweit pro Monat nur ca. 0,09 % bis 0,16 % aller Bedarfsgemeinschaften mit Ansprüchen ≥ 6.000 €[81]. Diese Fälle sind also ein absolutes Randphänomen[82][75]. Durchschnittlich beziehen Haushalte ~1.330 € Bürgergeld im Monat[53]. Der von Palmer gezeigte Fall liegt im obersten Promille-Bereich und ist nicht repräsentativ. Sozialverbände warnten, mit solchen Extrembeispielen werde Stimmung gegen Millionen Bedürftige gemacht, die weit geringere Beträge erhalten.
  • Ursachenklärung: Die Bundesagentur stellte klar, dass Palmers Zuschreibung an die Bürgergeld-Karenzzeit falsch ist[72]. In dem konkreten Fall galten offenbar schon vorher Sonderregeln (möglicherweise Kostenübernahme für eine vom Kommunale angemietete Unterkunft). Ist dem so, würde Palmers Forderung ins Leere gehen, denn solche Unterbringungskosten entstehen gerade außerhalb des normalen Wohnungsmarktes – da „deckelt“ die Kommune die Kosten oft selbst nicht, sondern berechnet hohe Pauschalen. FR kommentierte, statt über vermeintliche Luxuswohnungen von Bürgergeld-Empfängern müsse man eher über die Preispolitik der Kommunen bei Notunterkünften diskutieren[75]. In Palmers Stadt Tübingen etwa betrieb die Stadt selbst Unterkünfte für Flüchtlinge; sollte die betroffene Familie dort gewohnt haben, hätte die Stadt dem Jobcenter diese hohen Mietkosten in Rechnung gestellt – ein möglicher Interessenkonflikt in Palmers Darstellung.
  • Kontext (Familiengröße): Palmer nannte zwar die Anzahl der Familienmitglieder (7), schwärzte aber im veröffentlichten Dokument alle Details dazu[83]. Der Leser erfuhr also nicht, wie sich die Summe auf Erwachsene und Kinder verteilt. Das ist relevant: Bei z.B. „7.000 € Bürgergeld“ denken manche an eine Einzelperson, dabei entfielen im Fall ~2.500 € allein auf fünf Kinder (inkl. Kindergeld) und >2.000 € auf Miete/Heizung[84]. Politiker der Linken und SPD merkten an, dass Palmer mit so einem Extrembeispiel Vorurteile bediene. Es sei ein Unterschied, ob 7.000 € an eine 15-köpfige Großfamilie gingen oder an ein Ehepaar – Palmer habe diesen Unterschied verschwimmen lassen[85][86].
  • Politische Implikationen: Die Debatte berührt das Spannungsfeld zwischen Sozialstaatlichkeit und Kostenverantwortung. Konservative Stimmen (auch CDU-Chef Friedrich Merz) nahmen Palmers Beispiel auf, um das Bürgergeld generell als „zu üppig“ zu brandmarken und strengere Leistungen zu fordern. Sozialverbände und progressive Politiker hielten dagegen, dass an einzelnen Ausreißern kein Systemwechsel festgemacht werden solle. Insbesondere weil hier eine Ausländerfamilie involviert war, bestand die Gefahr, dass der Fall populistisch gegen Migranten instrumentalisiert wird. Palmer selbst wies Rassismus-Vorwürfe zurück, betonte aber, man müsse solche Kosten offen ansprechen. Er sieht sich als Vertreter der Kommunen, die hohe Sozialausgaben schultern müssen – sein Hinweis zielte auch auf Berlin, mehr Kostendisziplin auszuüben. Letztlich einte jedoch viele die Frage: Wie kann es sein, dass eine Wohnung (oder Unterkunft) so viel kostet? Hieraus ergibt sich eine gesellschaftliche Diskussion über bezahlbaren Wohnraum und die Effizienz der Sozialausgaben.

Fazit: Boris Palmers 7.000-€-Beispiel ist insofern korrekt, als ein solcher Bescheid tatsächlich existierte und kein Zahlendreher war[87]. Allerdings waren die Umstände speziell: sehr viele Familienmitglieder, Energiekostenkrise, wahrscheinlich kommunale Unterbringung. Normale gesetzliche Regelungen (Mietobergrenzen) galten grundsätzlich auch hier – die Karenzzeit des Bürgergeldes hatte zeitlich nichts mit dem Großteil des Beobachtungszeitraums zu tun[72]. Die Aussage war daher in Teilen irreführend bzw. ohne Kontext verzerrend. Sie zeigt einen echten Einzelfall, der politisch ausgeschlachtet wurde: Palmer nutzte ihn, um seine Forderung nach strikteren Mietgrenzen zu untermauern, während Kritiker ihm vorwerfen, Stimmung gegen Bedürftige (insb. mit Migrationshintergrund) zu machen und Fakten zu verkürzen.

Zum besseren Verständnis sollte man festhalten:

  • Eine siebenköpfige Familie erhält keineswegs 7.000 € „Taschengeld“, sondern einen Großteil davon für Miete, Heizung und Versicherungen überwiesen[84]. Die Regelsatz-Leistung pro Person liegt auch in diesem Fall im üblichen Rahmen (für Erwachsene 563 €, für Kinder je nach Alter 357–471 €). Extremfälle entstehen, wenn die Unterkunftskosten exorbitant hoch sind oder Nachzahlungen anfallen – beides Faktoren, die außerhalb des direkten Einflusses der Leistungsbezieher liegen.
  • Die tatsächliche Durchschnittshöhe der Bürgergeldleistungen bleibt viel niedriger (gut 1.300 € pro Haushalt)[53]. Auch große Familien erhalten selten solche Summen; sie müssten sonst in sehr teuren Städten wohnen und/oder in teuren Unterkünften.
  • Palmers Vorstoß hat die Debatte um Bürgergeld weiter angefacht. Kurzfristig führten solche Aussagen zu viel medialer Aufmerksamkeit und wohl auch Unmut in Teilen der Bevölkerung („Wie kann das sein?!“). Langfristig werfen sie Fragen auf, ob z.B. die Karenzzeit überdacht wird oder ob Kommunen bei eigenen Unterkünften Kosten senken sollten. Außerdem rückte die Frage ins Licht, ob Arbeit sich immer lohnt, wenn staatliche Transferleistungen für große Familien so hoch ausfallen können. Hierzu sei angemerkt: Fälle wie dieser sind Ausnahmen; dennoch fordert z.B. die CDU immer wieder, Bürgergeld gedeckelt an der Durchschnittsentwicklung zu halten, um Arbeitsanreize nicht zu gefährden.

Abschließend ist festzustellen, dass Bürgergeld, Sozialhilfe und ALG I unterschiedliche Zielsetzungen haben – Hilfe in Notlagen vs. Versicherungsprinzip – und daher direkte Vergleiche mit Vorsicht zu genießen sind. 

Quellen: Offizielle Informationen der Bundesagentur für Arbeit und des BMAS, Gesetzestexte (SGB II, SGB XII), sowie Berichterstattung in seriösen Medien (Stern, Frankfurter Rundschau, Merkur, Focus) wurden herangezogen, um die genannten Beträge und Aussagen zu belegen und einzuordnen.

 

 

Eine Antwort

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