Das COMPACT-Verbot ist rechtswidrig – Bundesverwaltungsgericht stärkt Meinungsfreiheit und setzt Maßstäbe für Vereinsverbote im Medienbereich

Pressemitteilung des BVerwG
Mit Urteil vom 24. Juni 2025 (BVerwG 6 A 4.24) hat das Bundesverwaltungsgericht das vom Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) ausgesprochene Verbot der COMPACT-Magazin GmbH und ihrer Teilorganisation, der CONSPECT FILM GmbH, aufgehoben. Die Entscheidung ist grundlegend, da sie einerseits die verfassungsrechtlichen Grenzen staatlicher Vereinsverbote deutlich markiert, andererseits die Schutzwirkung der Grundrechte – insbesondere der Meinungs-, Presse- und Vereinigungsfreiheit – im Spannungsverhältnis zum Verfassungsschutz präzisiert.
Hintergrund der Verbotsverfügung
Am 5. Juni 2024 hatte das BMI ein Verbot gegen die COMPACT-Magazin GmbH auf Grundlage von Art. 9 Abs. 2 Var. 2 GG i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 1 Var. 2 und § 17 Nr. 1 VereinsG erlassen. Die Begründung: Die Klägerin richte sich mit ihrer Tätigkeit gegen die verfassungsmäßige Ordnung der Bundesrepublik Deutschland. Maßgeblich seien Inhalte des COMPACT-Magazins, eine verfassungsfeindliche Grundhaltung sowie die enge ideologische Anbindung an das sogenannte „Remigrationskonzept“ des Identitären Vordenkers Martin Sellner.
Das BMI argumentierte, COMPACT sei nicht nur ein Medienunternehmen, sondern ein politisch agierender Zusammenschluss, der als Verein im Sinne des Vereinsgesetzes einzuordnen sei und eine verfassungsfeindliche Agenda verfolge.
Zentrale Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichts
Das Bundesverwaltungsgericht bestätigte zunächst grundsätzlich die Anwendbarkeit des Vereinsgesetzes auf eine GmbH, wenn diese faktisch als „Wirtschaftsvereinigung“ organisiert ist (§ 17 Nr. 1 VereinsG) und ein gemeinsamer politischer Zweck verfolgt wird. Auch ein Presse- oder Medienunternehmen ist nicht per se vom Anwendungsbereich des Vereinsrechts ausgeschlossen.
Allerdings sah das Gericht in der Gesamtwürdigung der Aktivitäten und Veröffentlichungen der COMPACT-Magazin GmbH keinen ausreichenden Anlass für ein Verbot gemäß Art. 9 Abs. 2 GG. Die Begründung ist in mehreren Schritten bemerkenswert:
1. Maßstab des Vereinsverbots: Kampf gegen die verfassungsmäßige Ordnung
Ein Vereinsverbot setzt voraus, dass sich die Vereinigung „aktiv kämpferisch“ gegen die verfassungsmäßige Ordnung richtet. Diese umfasst nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG insbesondere die Menschenwürde, das Demokratie- sowie das Rechtsstaatsprinzip.
Zwar kritisierte das Gericht deutlich die Nähe der Klägerin zu diskriminierenden Ideologien, etwa dem „Remigrationskonzept“ Sellners, das Staatsbürger mit Migrationshintergrund abwertet und somit gegen Art. 1 und 3 GG verstößt. Auch eine gewisse inhaltliche Anschlussfähigkeit zu völkischem Gedankengut wurde bejaht.
Gleichwohl erreichten diese Inhalte nicht die erforderliche Intensität, um die Klägerin als aktiv kämpferisch gegen die Verfassungsordnung gerichtet zu qualifizieren.
2. Meinungsfreiheit und Verhältnismäßigkeitsgrundsatz
Besonderes Gewicht legte das Gericht auf die Bedeutung der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) – auch für unbequeme, überspitzte und ideologisch aufgeladene Positionen. Es stellte klar: Nicht jede verfassungsfeindliche Meinung ist mit einem Vereinsverbot sanktionierbar. Maßgeblich ist die konkrete Umsetzung in realpolitisches Handeln mit aggressiv-kämpferischem Charakter.
Entscheidend war, dass COMPACT in seiner Gesamttätigkeit zwar migrationskritische, oft auch verschwörungstheoretische und geschichtsrevisionistische Positionen vertritt, dabei aber nicht die Schwelle zur verfassungsfeindlich prägenden Vereinigung überschreitet. Die Meinungsäußerungen seien – so das Gericht – teilweise scharf, aber durch Art. 5 GG geschützt.
Auch die organisierte Veranstaltungspolitik („blaue Welle“-Tour) reichte nach Ansicht des Gerichts nicht aus, um die Schwelle zum Vereinsverbot zu überschreiten.
3. Keine Instrumentalisierung des Vereinsrechts gegen Medien
Das Bundesverwaltungsgericht erteilte dem Versuch, das Vereinsrecht zur medialen Repression einzusetzen, eine klare Absage. Zwar sei das Vereinsrecht auch gegenüber Medienunternehmen anwendbar, jedoch dürfe der staatliche Zugriff nicht zur Umgehung des Zensurverbots (Art. 5 Abs. 1 Satz 3 GG) oder zur faktischen Einschränkung missliebiger Meinungsträger führen. Die Meinungs- und Pressefreiheit sei auch Feinden der freiheitlichen Ordnung zu garantieren – solange diese nicht in aktiv-staatsgefährdender Weise agieren.
4. Kein Präzedenzfall für pauschale Einschränkungen
Das Urteil macht deutlich: Auch wenn einzelne Mitglieder des „Elsässer-Kreises“ problematische politische Positionen vertreten, kann daraus nicht auf eine Gesamtprägung der Vereinigung geschlossen werden. Die Klage hatte daher Erfolg, da die vom BMI herangezogenen Belege kein durchgängiges, prägendes verfassungsfeindliches Gesamtbild ergaben.
Rechtsdogmatische Bedeutung des Urteils
Die Entscheidung ist ein wichtiger Prüfstein für den verfassungskonformen Umgang mit politisch extremen, aber legal agierenden Vereinigungen im vorpolitischen Raum. Das Gericht stellt klar:
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Vereinsverbote sind kein Gesinnungs- oder Weltanschauungsverbot.
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Die Schwelle für Eingriffe gegen Medien- oder Veranstaltungsunternehmen ist hoch.
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Verhältnismäßigkeit bleibt das zentrale Leitprinzip staatlichen Handelns – auch gegenüber verfassungsrechtlich fragwürdigen Akteuren.
Schlußfolgerung
Das Urteil stärkt die Kommunikationsgrundrechte in einer Zeit zunehmender Polarisierung und staatlicher Repressionstendenzen gegen extreme politische Akteure. Es betont das Vertrauen des Grundgesetzes in den öffentlichen Diskurs und warnt zugleich vor einer missbräuchlichen Ausweitung des Vereinsverbots als politisches Instrument.
Die COMPACT-Magazin GmbH bleibt rechtlich erlaubt – auch wenn ihre Inhalte gesellschaftlich umstritten bleiben. Der Rechtsstaat zeigt mit diesem Urteil: Er schützt nicht nur den Mainstream, sondern auch die Freiheit derer, die ihn kritisch – teils scharf – hinterfragen.