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BMJ will Zuständigkeiten bei Zivilprozessen neu regeln

Arbeitsrecht – Erbrecht - Kommunalrecht

BMJ will Zuständigkeiten bei Zivilprozessen neu regeln

Reichstag Berlin

Mit einem neuen Gesetzentwurf zur Änderung der Zuständigkeiten bei den Amts- und Landgerichten will das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJ) die Ziviljustiz moderner, effizienter und bürgernäher gestalten. Ziel ist es, die Amtsgerichte zu stärken, Spezialisierungen zu fördern und die Justiz insgesamt leistungsfähiger aufzustellen. Am 24. Juni 2025 wurde der Entwurf veröffentlicht und zur Stellungnahme an Länder und Verbände übermittelt.

Zentrale Inhalte des Gesetzentwurfs:

1. Anhebung der Streitwertgrenze für Amtsgerichte:
Die Zuständigkeit der Amtsgerichte bei zivilrechtlichen Streitigkeiten soll künftig bis zu einem Streitwert von 10.000 Euro (statt bisher 5.000 Euro) reichen. Begründet wird dies mit der allgemeinen Preisentwicklung – die letzte Anpassung liegt über 30 Jahre zurück. Ziel ist eine bessere Auslastung der Amtsgerichte und ein niederschwelliger Zugang zur Justiz, häufig ohne Anwaltszwang.

2. Spezialisierung durch streitwertunabhängige Zuständigkeiten:
Zukünftig sollen bestimmte Sachgebiete unabhängig vom Streitwert klar den Amts- oder Landgerichten zugewiesen werden:

  • Amtsgerichte:
    Zuständig für alle Streitigkeiten im Nachbarrecht, da hier die örtliche Nähe und die praktische Konfliktlösung besonders bedeutsam sind.

  • Landgerichte:
    Spezialisierte Zuständigkeit für:

    • Veröffentlichungsstreitigkeiten (z. B. Persönlichkeitsrechtsverletzungen durch Presse oder Internet),

    • Vergaberechtliche Streitigkeiten (z. B. Schadensersatz bei fehlerhafter Vergabe öffentlicher Aufträge),

    • Heilbehandlungsrecht (z. B. Arzthaftung).

Justizministerin Dr. Stefanie Hubig betonte: „Die Bürgernähe der Amtsgerichte ist ein Markenzeichen unserer Rechtsordnung. Mit dem Entwurf stellen wir sicher, dass sie auch künftig eine tragende Rolle spielen – angepasst an die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Realitäten.“

Nächste Schritte:

Bis zum 11. Juli 2025 können interessierte Verbände und Länder Stellungnahmen abgeben. Diese werden auf der Website des BMJ veröffentlicht.

Den vollständigen Gesetzentwurf finden Sie hier auf der Seite des Bundesjustizministeriums:
Gesetzentwurf zur Änderung der Zuständigkeiten bei den Amts- und Landgerichten (BMJ)


 


Zuständigkeitsverteilung bei den Zivilgerichten

Die bisherige Zuständigkeitsverteilung bei den Zivilgerichten in Deutschland richtet sich primär nach dem Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) und dem Zivilprozessrecht (ZPO), insbesondere nach dem Streitwert sowie bestimmten Sachgebieten.

I. Sachliche Zuständigkeit

1. Amtsgerichte (§ 23 GVG)

Die Amtsgerichte (AG) sind sachlich zuständig für:

  • Zivilrechtsstreitigkeiten mit einem Streitwert bis einschließlich 5.000 Euro, soweit keine ausschließliche Zuständigkeit des Landgerichts besteht.

  • Streitigkeiten ohne Rücksicht auf den Streitwert, z. B.:

    • Mietstreitigkeiten über Wohnraum (§ 23 Nr. 2a GVG),

    • Familiensachen (§§ 111 ff. FamFG, in Verbindung mit §§ 23b, 23c GVG),

    • Landwirtschaftssachen (§ 1 LwVG),

    • bestimmte nachbarrechtliche Streitigkeiten (sofern nicht schon durch Sonderzuweisung),

    • Vollstreckungssachen, Mahnverfahren, Hinterlegungssachen.

Besonderheit: Vor dem Amtsgericht besteht kein Anwaltszwang (§ 78 ZPO), d. h. Parteien können sich grundsätzlich selbst vertreten.

2. Landgerichte (§§ 71 ff. GVG)

Die Landgerichte (LG) sind sachlich zuständig für:

  • Zivilrechtsstreitigkeiten mit einem Streitwert über 5.000 Euro, soweit nicht das Amtsgericht sachlich zuständig ist.

  • Unabhängig vom Streitwert:

    • Streitigkeiten aus dem Urheberrecht, Kartellrecht, Berufshaftung von Rechtsanwälten, Ärzte- und Krankenhaushaftung, Wettbewerbsrecht, Kapitalmarktrecht, u. a.

    • Klagen gegen den Staat oder seine Organe, wenn sie sich nicht auf öffentlich-rechtliche Streitigkeiten beziehen.

Vor dem Landgericht besteht grundsätzlich Anwaltszwang (§ 78 Abs. 1 ZPO).


II. Instanzenzug

  • Amtsgericht → Berufung zum Landgericht

  • Landgericht (als Eingangsinstanz) → Berufung zum Oberlandesgericht (OLG)

  • Gegen Entscheidungen des OLG: Revision zum Bundesgerichtshof (BGH), sofern zugelassen


III. Bewertung und Herausforderungen

Die bisherige Regelung war seit Jahrzehnten nicht an die Preis- und Wertentwicklungen angepasst worden. Dies führte dazu, dass immer mehr alltägliche zivilrechtliche Streitigkeiten – trotz geringerer Komplexität – nicht mehr vor dem Amtsgericht, sondern vor dem Landgericht geführt wurden, mit Anwaltszwang und höheren Kostenrisiken. Dies widersprach zunehmend dem Grundgedanken der bürgernahen Rechtspflege.


Quelle:

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