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Digitalisierung beim Grundstückskauf

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BMJV veröffentlicht neuen Gesetzentwurf

Digitalisierung beim Grundstückskauf: Ein Paradigmenwechsel im notariellen Vollzug – und das Ende des notariellen Kaufvertrags?

Am 9. Juli 2025 veröffentlichte das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) den Entwurf eines Gesetzes zur Digitalisierung des Vollzugs von Immobilienverträgen, gerichtlicher Genehmigungen notarieller Rechtsgeschäfte und steuerlicher Anzeigen der Notare. Ziel ist eine umfassende Digitalisierung des gesamten Vollzugsvorgangs rund um den notariellen Grundstückskauf – ein Schritt, der sowohl rechtspolitisch als auch rechtspraktisch einen tiefgreifenden Wandel markiert.


1. Hintergrund und rechtspolitische Zielrichtung

Im geltenden Recht ist der Grundstückskaufvertrag gemäß § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB formbedürftig. Er bedarf zu seiner Wirksamkeit der notariellen Beurkundung. Doch mit der Beurkundung beginnt erst die zweite Phase des „notariellen Vollzugs“ – ein administrativer Ablauf, der derzeit noch überwiegend analog erfolgt. Hierzu zählen:

  • die Einholung erforderlicher Genehmigungen nach dem BauGB oder GrdstVG,

  • die Anzeige von Rechtsgeschäften bei der Finanzverwaltung (§ 18 GrEStG),

  • die Beantragung und Eintragung im Grundbuch (§ 13 GBO),

  • sowie ggf. gerichtliche Genehmigungen für betreute oder beschränkt geschäftsfähige Beteiligte.

Diese Vielzahl an „Verwaltungshandlungen“ wird bislang postalisch, teilweise sogar in Papierform, zwischen Notaren, Behörden und Gerichten abgewickelt – ein Umstand, der Effizienz, Transparenz und Rechtssicherheit spürbar beeinträchtigt.


2. Kerninhalte des Gesetzentwurfs

Der neue Gesetzentwurf sieht nun vor, alle relevanten Kommunikationsprozesse rund um den Grundstückskaufvertrag vollständig zu digitalisieren. Konkret bedeutet dies:

a) Elektronischer Vollzug

  • Alle Anzeigen, Anträge und Genehmigungen, die sich aus dem Baugesetzbuch (BauGB), dem Grundstückverkehrsgesetz (GrdstVG) oder der Grundstückverkehrsordnung (GrdstVfV) ergeben, müssen künftig elektronisch erfolgen.

  • Gleiches gilt für den Austausch zwischen Notaren und Gerichten im Rahmen gerichtlicher Genehmigungen sowie für steuerliche Anzeigepflichten gegenüber der Finanzverwaltung.

b) Kommunikationsplattformen

  • Für die Kommunikation mit Gerichten und Behörden: EGVP (Elektronisches Gerichts- und Verwaltungspostfach) – eine bereits etablierte Infrastruktur für verschlüsselte elektronische Kommunikation.

  • Für den Austausch mit der Finanzverwaltung: ELSTER, das bereits zentrale Plattform im Steuerwesen ist.

Hierdurch soll eine strukturierte und medienbruchfreie Datenübertragung gewährleistet werden – mit dem Ziel, Bearbeitungszeiten zu reduzieren, Fehlerquellen zu minimieren und die Sicherheit zu erhöhen.

c) Zeitplan und Implementierung

  • Die elektronische Kommunikation mit Gerichten wird unmittelbar mit Inkrafttreten des Gesetzes verpflichtend.

  • Die elektronische Kommunikation mit Finanzbehörden beginnt mit der Veräußerungsanzeige zum selben Zeitpunkt.

  • Die Unbedenklichkeitsbescheinigung soll spätestens ab 1. Januar 2028 digital abgewickelt werden.

  • Die Länder erhalten die Kompetenz, durch Rechtsverordnung festzulegen, ab wann die elektronische Kommunikation mit ihren Behörden verpflichtend wird – spätestens jedoch bis zum 1. Januar 2027.


3. Rechtssystematische Einordnung

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wird keine Änderung der materiellen Formvorschriften angestrebt – § 311b BGB und § 29 GBO bleiben unberührt. Die notarielle Beurkundung selbst erfolgt weiterhin in Präsenz, sofern nicht durch das Gesetz über die Durchführung digitaler Online-Beurkundungen (Online-BeurkG) eine Ausnahme vorgesehen ist (z. B. bei GmbH-Gründungen oder künftig ggf. bestimmten Immobilienverträgen im Privatbereich).

Der Gesetzentwurf zielt vielmehr auf die Verwaltungsebene nach der Beurkundung und greift in das Organisationsrecht der öffentlichen Hand, insbesondere der Länder und Kommunen, ein. Dies erfordert eine präzise technische und rechtliche Umsetzung in der Praxis – insbesondere was die Datenformate, die Verfügbarkeit des EGVP und die Kompatibilität mit bestehenden Fachverfahren in den Behörden betrifft.


4. Praktische Auswirkungen für Notare, Gerichte und Bürger

Für Notare bedeutet der Gesetzentwurf einen Paradigmenwechsel in ihrer Büroorganisation. Die papiergebundene Vollzugstätigkeit wird weitgehend ersetzt durch digitale Prozesse – mit allen Chancen und Risiken. Insbesondere kleinere Kanzleien müssen ihre technische Infrastruktur anpassen und Personal entsprechend schulen.

Für Verbraucher und Immobilienkäufer dürfte die neue Regelung eine spürbare Beschleunigung mit sich bringen. Die bisher oft wochenlangen Wartezeiten zwischen Beurkundung, steuerlicher Freigabe und Grundbucheintragung könnten drastisch reduziert werden – vorausgesetzt, die Behörden erfüllen ihrerseits die digitalen Voraussetzungen.

Für Gerichte und Behörden stellt der Gesetzentwurf eine zusätzliche Belastung im Rahmen der Digitalisierungsanforderungen dar. Der Erfolg des Projekts hängt maßgeblich davon ab, ob diese Akteure rechtzeitig interoperable Schnittstellen bereitstellen können.


5. Stellungnahmen und Ausblick

Der Entwurf wurde den Ländern und Verbänden zugeleitet. Eine Stellungnahmefrist wurde bis zum 15. August 2025 gesetzt. Es ist davon auszugehen, dass insbesondere Notarkammern, Grundbuchämter, Länderjustizverwaltungen sowie die Bundessteuerberaterkammer dezidiert Stellung nehmen werden – mit Blick auf Datenschutz, Datenformate und technische Realisierbarkeit.


6. Fazit und Perspektive: Das Ende des notariellen Kaufvertrags?

Der vorliegende Gesetzentwurf betrifft nicht die notarielle Beurkundung selbst, sondern ausschließlich den Vollzugsprozess im Anschluss. Dennoch stellt sich die Frage: Wenn zukünftig nicht nur der Vollzug, sondern auch die Beurkundung – wie schon teilweise über das Online-BeurkG angedacht – digitalisiert wird, braucht es dann noch den klassischen notariellen Kaufvertrag in Präsenz?

Die Antwort darauf ist ambivalent:

  • Für rechtssichernde, belehrende und moderierende Funktionen des Notars – insbesondere bei komplexen Vertragsgestaltungen – wird das persönliche Gespräch auch künftig kaum verzichtbar sein.

  • Für standardisierte Transaktionen (z. B. Erwerb von Eigentumswohnungen durch Verbraucher oder institutionelle Käufer) könnten jedoch vollständig digitale Workflows, eingebettet in sichere IT-Infrastrukturen, künftig eine attraktive Alternative sein.

Ob dieser Entwurf also den Anfang vom Ende des klassischen notariellen Kaufvertrags markiert – oder lediglich einen notwendigen Modernisierungsschritt im Sinne einer besseren Behördenkommunikation – hängt entscheidend davon ab, wie der Gesetzgeber den nächsten Schritt in der digitalen Rechtswelt denkt.

 

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