Kürzung der Dienstbezüge wegen Beteiligung am Ehebruch einer Kameradenehefrau

BVerwG 2 WD 14.24, Urteil vom 22. Januar 2025
Im Zentrum steht ein Hauptfeldwebel der Bundeswehr, der – noch während eine Ehe in „vorläufiger Trennung“ war – in der ehelichen Wohnung Geschlechtsverkehr mit der Ehefrau eines befreundeten Mannschaftssoldaten desselben Bataillons hatte . Wenige Wochen später beendete er die Affäre, während die Ehe des Kameraden endgültig zerbrach.
Das Truppendienstgericht Samsung verhängte ein Beförderungsverbot sowie eine Kürzung der Bezüge mit dem Vorwurf, die Kameradschaftspflicht verletzt zu haben. Die Bundeswehrdisziplinaranwaltschaft legte dagegen Berufung ein. Das BVerwG bestätigte das Disziplinarvergehen, hob das Beförderungsverbot jedoch und milderte die Bezügekürzung auf mehrere Monate .
Relevante Rechtsnormen
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§ 12 Soldatengesetz (SG):
Kameradschaft gilt als „Rechtspflicht“, wonach die Würde, Ehre und Rechte der Kamerad:innen zu wahren sind . -
§ 1353 BGB:
Ehelich Treuegattung: die Ehe ist auf Lebenszeit angelegt, mit gegenseitigem Anspruch auf ehelichen Beistand und Treue. -
§ 1352 Abs. 2, § 1565 Abs. 1 Satz 2 BGB:
Die Pflicht zur ehelichen Lebensgemeinschaft endet nicht bereits mit Auszug, sondern erst mit „dem Scheitern“ der Ehe.
Warum ist das bei Soldaten anders?
(a) Militärischer Gemeinschaftszusammenhalt:
In der Bundeswehr ist Kameradschaft essentiell – nicht nur moralisch, sondern rechtlich verankert (§ 12 SG). Sie begründet Pflicht zur gegenseitigen Achtung und Unterstützung. Ein Vertrauensbruch, speziell durch intime Beziehungen innerhalb der Bataillonsgemeinschaft, beeinträchtigt diese Grundlage.
(b) Einfluss auf den Dienstbetrieb:
Nach Auffassung des Gerichts kann ehelicher Seitensprung innerhalb derselben Truppe das alltägliche Zusammenleben belasten, Spannungen erzeugen und die Einsatzbereitschaft – etwa in Krisensituationen – gefährden.
(c) Abweichung vom zivilrechtlichen Verständnis:
Während zivilrechtlich Ehebruch in Deutschland straf- oder scheidungsrechtlich keine unmittelbaren Sanktionen mehr auslöst, ist er heutiges Thema im Soldatenrecht – gerade weil Kameradschaft und Einheitspflicht eine besondere Schutzpflicht für die intakte Verbindung zwischen Kameraden (Ehepartnern) begründen.
Urteilsbegründung: Schritt für Schritt
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Missachtung kameradschaftlicher Treupflichten:
Mit dem Geschlechtsverkehr verletzt der Hauptfeldwebel die Rechte des Kameraden auf eheliche Treue – der Respekt vor der Würde und den Rechten des Kameraden war nicht gewahrt. -
Eheliche Treue als Recht:
Das Gericht betont, die eheliche Treue sei gesetzlich verankert – auch wenn zivilrechtlich kein Rechtsanspruch durchsetzbar ist. Die Ehe bleibe intakt bis zu einem rechtlich relevanten Scheitern. -
Dienstliche Gefährdung:
Ehebruch innerhalb der Truppe erschüttert das Vertrauen, stört das Zusammenleben und gefährdet die Einsatzbereitschaft. Darum sei eine Disziplinarmaßnahme gerechtfertigt. -
Verhältnismäßigkeit & Milderung:
Das BVerwG hält an seiner bisherigen Rechtsprechung fest (§ 12 SG gebietet Sanktionen bis hin zum Beförderungsverbot bei räumlicher Nähe der Betroffenen). Im konkreten Fall milderte es jedoch, weil der Hauptfeldwebel in einem Verbotsirrtum handelte – er nahm fälschlich an, die Treuepflicht sei mit dem Auszug beendet. Zudem sprachen seine guten dienstlichen Leistungen für eine weniger schwere Sanktion.
Fazit
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Bundeswehr vs. ziviles Recht: Zwischen persönlichem Fehlverhalten und dienstlicher Pflicht bestehen klare Unterschiede – das Soldatenrecht schützt kameradschaftliche Integrität auch im Privaten.
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Kameradschaftspflicht als Disziplinarbasis: Eine intime Beziehung mit der Ehefrau eines Kameraden stellt eine Rechtsverfehlung dar, wenn sie das Einsatzzusammenleben potenziell beschädigt.
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Maßregelung mit Augenmaß: Obwohl Ehebruch an und für sich nicht strafbar ist, ist die verhängte befristete Kürzung der Bezüge (ohne Beförderungsverbot) im konkreten Fall angemessen – wegen Verbotsirrtum und guten Diensten.
Rechtliche und gesellschaftliche Bedeutung
Dieses Urteil sendet zwei deutliche Signale:
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Militärische Privatsphäre hat Grenzen: Wenn privates Fehlverhalten die militärische Kameradschaft gefährdet, ist diese ein legitimer Gegenstand disziplinarischer Prüfung.
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Rechtsstaatliche Verhältnismäßigkeit: Verbotsirrtum und bewährte Leistungen können die Härte der Sanktion mildern – trotz klarer Pflichtverletzung.
Ein wegweisendes Urteil – es verdeutlicht, dass für Soldaten besondere Normen gelten, die über das zivile Gefüge hinaus die Funktionsfähigkeit der Truppe wahren.