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Kiel - Ostsee Newsletter

Erbrecht

Einsicht in Nachlassakte trotz Erbschein: Kanzlei darf Gutachten zur Testierfähigkeit prüfen

BayOblG, Beschluss vom 07.05.2025 – 101 VA 12/25

Sachverhalt:

Eine Anwaltskanzlei beantragte Einsicht in ein psychiatrisches Gutachten innerhalb einer Nachlassakte, nachdem sie vom Alleinerben wegen angeblich verspäteter Testamentsübermittlung auf Schadensersatz verklagt wurde. Der Erbschein war zuvor auf Grundlage eines eigenhändigen Testaments erteilt worden; eine Schwester des Erblassers hatte jedoch im Verfahren Zweifel an dessen Testierfähigkeit geäußert. Das Amtsgericht ließ ein psychiatrisches Gutachten zur Testierfähigkeit erstellen und erkannte die Gültigkeit des Testaments an. Der Rechtspfleger gewährte zwar Einsicht in Teile der Akte, verweigerte aber die Herausgabe des Gutachtens, da der Erbschein als Beleg für das Erbrecht genüge. Die Kanzlei machte geltend, nur durch vollständige Akteneinsicht könne sie sich gegen die Schadensersatzklage angemessen verteidigen.


Entscheidung:

Das Bayerische Oberste Landesgericht gab dem Antrag teilweise statt und hob die ablehnende Entscheidung auf. Es stellte klar, dass ein berechtigtes Interesse an Akteneinsicht nicht auf ein bereits bestehendes Recht gestützt werden muss und auch mittelbare Betroffenheit genügt. Im konkreten Fall sei es für die Antragstellerin nachvollziehbar von Bedeutung, die konkrete Begründung der Testierfähigkeit zu kennen, um sich im Schadensersatzprozess verteidigen zu können. Der Erbschein begründe keine materielle Rechtskraft, die eine Einsicht entbehrlich mache. Das Nachlassgericht wurde daher verpflichtet, über den Antrag auf Akteneinsicht unter Beachtung dieser Maßgaben erneut zu entscheiden.

Arbeitsrecht

Kündigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers: Integrationsamt darf zustimmen – trotz Herzleiden

VG Schleswig, Urteil vom 19.05.2025 – 15 A 67/22

Sachverhalt:
Ein 1962 geborener Medienberater mit anerkannter Schwerbehinderung war seit 2016 bei einem kleinen Verlag angestellt. Die Arbeitgeberin warf ihm vor, seine Akquisetätigkeit massiv vernachlässigt zu haben und beantragte beim Integrationsamt die Zustimmung zur Kündigung. Der Arbeitnehmer bestritt die Vorwürfe, verwies auf seine Herzmedikation und machte geltend, dass die Minderleistung auf seine Behinderung zurückzuführen sei. Die Arbeitgeberin stützte sich auf Telefonprotokolle, die eine geringe Zahl von Kundenkontakten belegten, sowie Vergleichszahlen von Kollegen. Nach zwei ordentlichen Kündigungsversuchen und widersprüchlichen Angaben des Arbeitnehmers erklärte das Integrationsamt die Zustimmung zur Kündigung.

 

Entscheidung:
Das Verwaltungsgericht wies die Klage des Arbeitnehmers ab und bestätigte die Zustimmungsbescheide des Integrationsamts. Es sei nicht Aufgabe des Integrationsamts, die arbeitsrechtliche Wirksamkeit der Kündigung zu prüfen, sondern nur die behindertenspezifischen Umstände zu bewerten. Ein Zusammenhang zwischen der Kündigung und der Schwerbehinderung habe nicht eindeutig bestanden; der Kläger habe seine Minderleistung nicht ausreichend konkret auf seine Erkrankung zurückgeführt. Die Auswertung der Telefonverbindungsdaten sei zulässig gewesen, da sie auf dienstlichen Geräten erfolgte und der Zweck – Überprüfung der Arbeitsleistung – gerechtfertigt war. Auch ohne vorherige Abmahnung sei keine offensichtliche Unwirksamkeit der Kündigung zu erkennen; die Entscheidung des Integrationsamts war daher rechtmäßig.

Beamtenrecht

Kein Anspruch auf Beförderung – Verwaltungsgericht lehnt Eilantrag einer freigestellten Personalrätin ab

OVG Münster, Beschluss vom 20.05.2025 – 1 B 230/25

Sachverhalt:

Die Antragstellerin, eine freigestellte Personalrätin, bewarb sich auf eine ausgeschriebene Planstelle nach Besoldungsgruppe A 13g+Z. Ihre Bewerbung wurde nicht berücksichtigt, da sie ein angeblich zwingendes Anforderungsmerkmal – drei Jahre Erfahrung in Grundsatzangelegenheiten – nicht erfüllte. Sie wandte sich daraufhin im Eilverfahren an das Verwaltungsgericht, um die vorläufige Besetzung der Stelle mit einem Mitbewerber zu verhindern. Dieser Mitbewerber war in der aktuellen dienstlichen Beurteilung mit der Spitzennote „120“ bewertet worden, während die Antragstellerin auf Grundlage einer fiktiven Nachzeichnung lediglich die Note „110“ erhielt. Die Antragstellerin rügte u. a. die Vergleichsgruppenbildung sowie die Methodik der fiktiven Beurteilung als benachteiligend und fehlerhaft.

Entscheidung:

Das Verwaltungsgericht wies den Antrag ab und stellte fest, dass die Antragstellerin keine realistische Aussicht auf Auswahl gegenüber dem Mitbewerber habe. Zwar sei das formale Ausschlusskriterium rechtswidrig gewesen, doch bestehe ein uneinholbarer Leistungsvorsprung zugunsten des Beigeladenen. Die Kritik an der fiktiven Nachzeichnung wurde zurückgewiesen: Diese dürfe nur anlassbezogen erstellt werden, nicht regelmäßig oder unabhängig von Auswahlverfahren. Zudem sei es rechtlich zulässig, den Notendurchschnitt einer ausreichend großen Vergleichsgruppe als Grundlage zu nehmen. Auch die neue Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Nichtberücksichtigung von Zeiten vor einer Beförderung in Beurteilungen greife hier nicht, da selbst eine Neubeurteilung des Beigeladenen mit hoher Wahrscheinlichkeit wieder zur Spitzennote führen würde.

Schulrecht

Keine Mitwirkungspflicht für private Schulträger bei Schulneugründungen – VGH verneint Antragsbefugnis

VG Berlin, Beschluss vom 05.05.2025 – VG 41 L 315/25

Sachverhalt:
Mehrere Träger privater Ersatzschulen beantragten vorläufigen Rechtsschutz gegen die staatliche Genehmigung eines neuen öffentlichen Berufskollegs durch das baden-württembergische Kultusministerium. Sie sahen ihre Interessen als Träger bestehender, gleichartiger Bildungsgänge verletzt und wollten dem neuen Bildungsgang den Schulbetrieb untersagen lassen. Dabei stützten sie sich auf ihre Beteiligung im Verfahren der regionalen Schulentwicklung nach dem Schulgesetz Baden-Württemberg. Das Verwaltungsgericht Karlsruhe hatte den Antrag zunächst wegen falscher Antragsart abgelehnt. Im Beschwerdeverfahren wurde der Antrag entsprechend ausgelegt, jedoch vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg als unzulässig zurückgewiesen.

 

Entscheidung:
Der Verwaltungsgerichtshof entschied, dass private Schulträger kein subjektiv-öffentliches Recht auf Beteiligung am Verfahren der regionalen Schulentwicklung haben. Die Vorschriften des Schulgesetzes räumten ihnen kein eigenständig durchsetzbares Verfahrensrecht ein. Auch aus Art. 7 Abs. 4 GG lasse sich keine materielle Rechtsposition ableiten, die im Rahmen der Schulentwicklungsplanung schützenswert wäre. Die Beteiligung diene allein dem öffentlichen Interesse an einer sachlich fundierten Entscheidungsfindung, nicht dem Schutz individueller Rechte. Ein wirtschaftliches Interesse am Erhalt oder Schutz bestehender Marktanteile sei rechtlich unbeachtlich – selbst bei drohender Abwanderung von Schülern zu einer neuen öffentlichen Schule.

News diese Woche:

„Kameradenehebruch“ als Dienstvergehen – Wehrrecht am Scheideweg

Das Bundesverwaltungsgericht hat bestätigt, dass der Ehebruch eines Soldaten mit der Ehefrau eines Kameraden disziplinarrechtlich geahndet werden kann, da dies gegen die Kameradschaftspflicht gemäß § 12 Soldatengesetz verstößt. Diese Pflicht gilt als zentrale Grundlage des militärischen Zusammenhalts und beinhaltet das Gebot, die Rechte der Kameraden zu achten. Kritiker sehen darin jedoch einen überkommenen militärrechtlichen Anachronismus, der Grundrechte wie das allgemeine Persönlichkeitsrecht und die sexuelle Selbstbestimmung unangemessen beschneidet. Auch wird die Wirksamkeit der Disziplinarmaßnahme in Frage gestellt – eine jahrelang nachlaufende Sanktion könne kaum Spannungen vermeiden oder die Einsatzbereitschaft der Truppe sichern. Zudem bestehe der Verdacht einer patriarchalischen Schlagseite, da bislang fast ausschließlich heterosexuelle Männer betroffen seien und die Selbstbestimmung der betroffenen Ehefrau faktisch ignoriert werde.

Neues von der Verfassungswiese – Satire

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