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Zustandekommen von Strom- und Gaslieferungsverträgen bei Vermietung 

Arbeitsrecht – Erbrecht - Kommunalrecht

Zustandekommen von Strom- und Gaslieferungsverträgen bei Vermietung 

CO2 aus fossilen Energie

BGH-Beschlusses vom 15. April 2025 (Az. VIII ZR 300/23):

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass bei der Vermietung einzelner Zimmer einer Wohnung durch separate Mietverträge und dem Fehlen eines schriftlichen Energieversorgungsvertrags der konkludente Strom- und Gaslieferungsvertrag mit dem Vermieter (Eigentümer) und nicht mit den einzelnen Mietern zustande kommt. Maßgeblich ist, dass nur ein gemeinsamer Zähler für die gesamte Wohnung existiert und die Verbräuche der Mieter nicht individuell zugeordnet werden können. Das Angebot des Energieversorgers richtet sich daher an den Vermieter, der durch das von ihm gewählte Vermietungskonzept die Vertragsstruktur bestimmt hat.

Die Revision der beklagten Vermieterin gegen die Verurteilung zur Zahlung der Versorgungsentgelte wurde zurückgewiesen.


Hintergrund des Beschlusses:

Die in § 2 GasGVV und StromGVV normierten Regelungen zum Vertragsschluss im Rahmen der Grundversorgung bilden die gesetzliche Grundlage dafür, wie ein Grundversorgungsvertrag rechtlich zustande kommt und welche Mitwirkungspflichten die Beteiligten – insbesondere der Kunde – treffen. Beide Vorschriften sind inhaltlich nahezu identisch und regeln den Vertragsschluss im Kontext der allgemeinen Grundversorgung mit Energie (Gas bzw. Strom) gemäß den §§ 36 ff. EnWG.


I. § 2 Abs. 1 GasGVV / StromGVV – Regelmäßiger Abschluss in Textform

Die Norm sieht die Textform als Regelfall für den Abschluss eines Grundversorgungsvertrags vor. Das bedeutet:

  • Ein wirksamer Vertrag kann durch Angebot und Annahme in Textform zustande kommen (z.B. durch ein Formular, E-Mail oder Fax).

  • Damit wird der Grundsatz der Transparenz und Dokumentierbarkeit betont, was dem Schutz des Verbrauchers dient (§ 13 BGB).

Aber: Der Wortlaut („soll“) stellt klar, dass die Textform nicht zwingend ist. Auch andere Formen – insbesondere konkludentes Handeln – können einen Vertrag begründen.


II. § 2 Abs. 2 GasGVV / StromGVV – Vertragsschluss durch Energieentnahme (konkludenter Vertrag)

Diese Vorschrift regelt ausdrücklich den Fall, dass ein Vertrag allein durch die tatsächliche Entnahme von Energie zustande kommen kann, wenn folgende Voraussetzungen vorliegen:

  1. Gas/Strom wird entnommen:

    • Die tatsächliche Nutzung des Netzes zur Entnahme von Energie wird als konkludente Annahme eines bestehenden Angebots des Grundversorgers gewertet.

  2. Versorgungsnetz der allgemeinen Versorgung:

    • Die Entnahme muss aus dem Netz erfolgen, das vom jeweiligen Grundversorger im Sinne des § 36 EnWG betrieben wird.

  3. Keine ausdrückliche Vertragsform notwendig:

    • Der Vertrag kommt automatisch durch Nutzung zustande, auch wenn nie eine bewusste Vertragserklärung abgegeben wurde.

Diese Fiktion ist notwendig, um lückenlose Versorgungssicherheit und eine rechtliche Grundlage für die Zahlungspflicht des Nutzers zu schaffen.


III. Mitteilungspflicht des Kunden (§ 2 Abs. 2 S. 2 GVV)

Sowohl nach GasGVV als auch StromGVV ist der Kunde verpflichtet, dem Grundversorger die Entnahme unverzüglich in Textform mitzuteilen, sobald die Entnahme erfolgt ist.

  • Dies dient der Klarstellung der Vertragsparteien und der Rechnungslegung.

  • Die Pflicht liegt beim Kunden, unabhängig davon, ob er den Vertrag bewusst oder konkludent begründet hat.

Fehlt eine solche Mitteilung, bleibt der Vertrag dennoch wirksam – es handelt sich nicht um eine Wirksamkeitsvoraussetzung, sondern um eine bloße Obliegenheit, deren Verletzung ggf. nachteilige Folgen (z. B. bei der Beweislast) haben kann.


IV. Bedeutung im Kontext des BGH-Beschlusses (VIII ZR 300/23)

In dem vom BGH entschiedenen Fall ist die Anwendung dieser Vorschriften entscheidend:

  • Die konkludente Entnahme von Strom und Gas in der Wohnung begründete den Grundversorgungsvertrag.

  • Aufgrund des fehlenden Einzelzählers und der besonderen Mietstruktur richtete sich das Angebot an die Vermieterin, nicht an die einzelnen Mieter.

  • Die gesetzliche Regelung in § 2 Abs. 2 GVV führt also dazu, dass diejenige Person als Vertragspartner gilt, die objektiv als Nutzer der Entnahmeinrichtung erscheint – hier: die Vermieterin.


V. Systematische Stellung und Schutzzweck

  • Die Vorschrift steht im Dienst des Verbraucherschutzes und der Versorgungssicherheit, indem sie sicherstellt, dass jeder Entnehmer in der Grundversorgung rechtlich gebunden wird.

  • Zugleich soll die Regelung Rechtssicherheit für den Grundversorger schaffen, ohne dass dieser jeden Nutzer individuell identifizieren und vertraglich binden muss.



§ 2 GasGVV und StromGVV regeln in klarer Weise sowohl den intendierten Vertragsabschluss in Textform als auch die rechtlich wirksame Begründung eines Grundversorgungsvertrags durch tatsächliche Energieentnahme. Der Vertragspartner ist dabei nicht notwendig der tatsächliche Verbraucher, sondern derjenige, der nach der Verkehrsanschauung als Vertragspartner erscheinen muss – wie im Fall VIII ZR 300/23 die Vermieterin, da nur sie objektiv dem Versorgungsunternehmen gegenüber als einheitlicher Nutzer der Energie auftritt.

 

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