Die in § 2 GasGVV und StromGVV normierten Regelungen zum Vertragsschluss im Rahmen der Grundversorgung bilden die gesetzliche Grundlage dafür, wie ein Grundversorgungsvertrag rechtlich zustande kommt und welche Mitwirkungspflichten die Beteiligten – insbesondere der Kunde – treffen. Beide Vorschriften sind inhaltlich nahezu identisch und regeln den Vertragsschluss im Kontext der allgemeinen Grundversorgung mit Energie (Gas bzw. Strom) gemäß den §§ 36 ff. EnWG.
I. § 2 Abs. 1 GasGVV / StromGVV – Regelmäßiger Abschluss in Textform
Die Norm sieht die Textform als Regelfall für den Abschluss eines Grundversorgungsvertrags vor. Das bedeutet:
-
Ein wirksamer Vertrag kann durch Angebot und Annahme in Textform zustande kommen (z.B. durch ein Formular, E-Mail oder Fax).
-
Damit wird der Grundsatz der Transparenz und Dokumentierbarkeit betont, was dem Schutz des Verbrauchers dient (§ 13 BGB).
Aber: Der Wortlaut („soll“) stellt klar, dass die Textform nicht zwingend ist. Auch andere Formen – insbesondere konkludentes Handeln – können einen Vertrag begründen.
II. § 2 Abs. 2 GasGVV / StromGVV – Vertragsschluss durch Energieentnahme (konkludenter Vertrag)
Diese Vorschrift regelt ausdrücklich den Fall, dass ein Vertrag allein durch die tatsächliche Entnahme von Energie zustande kommen kann, wenn folgende Voraussetzungen vorliegen:
-
Gas/Strom wird entnommen:
-
Versorgungsnetz der allgemeinen Versorgung:
-
Keine ausdrückliche Vertragsform notwendig:
Diese Fiktion ist notwendig, um lückenlose Versorgungssicherheit und eine rechtliche Grundlage für die Zahlungspflicht des Nutzers zu schaffen.
III. Mitteilungspflicht des Kunden (§ 2 Abs. 2 S. 2 GVV)
Sowohl nach GasGVV als auch StromGVV ist der Kunde verpflichtet, dem Grundversorger die Entnahme unverzüglich in Textform mitzuteilen, sobald die Entnahme erfolgt ist.
-
Dies dient der Klarstellung der Vertragsparteien und der Rechnungslegung.
-
Die Pflicht liegt beim Kunden, unabhängig davon, ob er den Vertrag bewusst oder konkludent begründet hat.
Fehlt eine solche Mitteilung, bleibt der Vertrag dennoch wirksam – es handelt sich nicht um eine Wirksamkeitsvoraussetzung, sondern um eine bloße Obliegenheit, deren Verletzung ggf. nachteilige Folgen (z. B. bei der Beweislast) haben kann.
IV. Bedeutung im Kontext des BGH-Beschlusses (VIII ZR 300/23)
In dem vom BGH entschiedenen Fall ist die Anwendung dieser Vorschriften entscheidend:
-
Die konkludente Entnahme von Strom und Gas in der Wohnung begründete den Grundversorgungsvertrag.
-
Aufgrund des fehlenden Einzelzählers und der besonderen Mietstruktur richtete sich das Angebot an die Vermieterin, nicht an die einzelnen Mieter.
-
Die gesetzliche Regelung in § 2 Abs. 2 GVV führt also dazu, dass diejenige Person als Vertragspartner gilt, die objektiv als Nutzer der Entnahmeinrichtung erscheint – hier: die Vermieterin.
V. Systematische Stellung und Schutzzweck
-
Die Vorschrift steht im Dienst des Verbraucherschutzes und der Versorgungssicherheit, indem sie sicherstellt, dass jeder Entnehmer in der Grundversorgung rechtlich gebunden wird.
-
Zugleich soll die Regelung Rechtssicherheit für den Grundversorger schaffen, ohne dass dieser jeden Nutzer individuell identifizieren und vertraglich binden muss.
§ 2 GasGVV und StromGVV regeln in klarer Weise sowohl den intendierten Vertragsabschluss in Textform als auch die rechtlich wirksame Begründung eines Grundversorgungsvertrags durch tatsächliche Energieentnahme. Der Vertragspartner ist dabei nicht notwendig der tatsächliche Verbraucher, sondern derjenige, der nach der Verkehrsanschauung als Vertragspartner erscheinen muss – wie im Fall VIII ZR 300/23 die Vermieterin, da nur sie objektiv dem Versorgungsunternehmen gegenüber als einheitlicher Nutzer der Energie auftritt.