Green Deal der EU – Was ist das und was bedeutet dies für Unternehmen?

European Statistical Monitor
Die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, hat eine umfassende Initiative zum Bürokratieabbau angekündigt, um die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft zu stärken. Kernpunkt dieser Initiative ist der sogenannte „Kompass für Wettbewerbsfähigkeit“, der eine Reduzierung der administrativen Belastungen für Unternehmen vorsieht. Konkret sollen die Meldepflichten für kleine und mittlere Unternehmen um 35 Prozent gesenkt werden, was Einsparungen von rund 37 Milliarden Euro ermöglichen soll. – orf.at
Diese Maßnahmen zielen darauf ab, Innovationen zu fördern und die europäische Wirtschaft gegenüber den USA und China wettbewerbsfähiger zu machen. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf Zukunftssektoren wie grüner Technologie, Künstlicher Intelligenz und Quantencomputing.
In Bezug auf den Europäischen Green Deal betonte von der Leyen, dass die Klimaziele der EU weiterhin uneingeschränkt gelten. Sie unterstrich jedoch die Notwendigkeit, flexibel und pragmatisch vorzugehen, um sicherzustellen, dass die Gesetzgebung effektiv ist und gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie nicht beeinträchtigt.
Diese Ankündigungen stehen im Kontext eines Berichts von Mario Draghi, der vor einem „qualvollen Niedergang“ Europas ohne dringende Reformen warnte. Die geplanten Vereinfachungen betreffen insbesondere die Nachhaltigkeitsberichterstattung und die Sorgfaltspflichten von Unternehmen, die bislang als kostspielig und komplex kritisiert wurden. theguardian.com
Der European Green Deal
Der European Green Deal ist die zentrale Strategie der Europäischen Union (EU), um bis 2050 Klimaneutralität zu erreichen. Er wurde am 11. Dezember 2019 von der Europäischen Kommission unter der damaligen Präsidentin Ursula von der Leyen vorgestellt. Dieses ehrgeizige Programm geht über reine Umweltpolitik hinaus: Es soll die Wirtschaft der EU transformieren, nachhaltiges Wachstum fördern und Europa zu einem globalen Vorreiter im Klimaschutz machen.
1. Die Ziele des European Green Deal
Der Green Deal ist eine umfassende Strategie, die darauf abzielt, die EU bis 2050 zu einer nachhaltigen, ressourcenschonenden und wettbewerbsfähigen Wirtschaft zu machen. Die Hauptziele sind:
- Klimaneutralität bis 2050: Netto-Null-Treibhausgasemissionen
- Wirtschaftswachstum entkoppeln von Ressourcenverbrauch
- Kein Mensch und keine Region sollen zurückgelassen werden (Just Transition)
- Schutz und Wiederherstellung der natürlichen Umwelt
- Förderung der Kreislaufwirtschaft und nachhaltiger Innovationen
- Energieeffizienz steigern und fossile Brennstoffe ersetzen
Die EU-Kommission betrachtet den Green Deal als neues Wirtschaftsmodell, das den Übergang zu einer ressourcenschonenden Gesellschaft mit sozialer Fairness und wirtschaftlicher Wettbewerbsfähigkeit kombiniert.
2. Die wichtigsten Maßnahmen des Green Deals
Um die Klimaneutralität zu erreichen, setzt der Green Deal auf ein breites Maßnahmenpaket, das nahezu alle Wirtschaftsbereiche umfasst:
2.1. Fit for 55: Der Fahrplan bis 2030
Ein zentrales Element ist das „Fit for 55“-Paket, das darauf abzielt, die CO₂-Emissionen bis 2030 um mindestens 55 % gegenüber 1990 zu senken. Dies geschieht durch:
- Verschärfung des Emissionshandels (EU ETS)
- Höhere CO₂-Bepreisung für Industrie und Verkehr
- Förderung erneuerbarer Energien und Energieeffizienz
- Strengere CO₂-Emissionsvorgaben für Autos und Lkw
- Klimazölle auf Importe aus Drittstaaten (Carbon Border Adjustment Mechanism, CBAM)
2.2. Ausbau erneuerbarer Energien
Ein großer Teil der Klimastrategie beruht auf der Umstellung auf 100 % erneuerbare Energien. Ziel ist es, den Anteil erneuerbarer Energien am Energiemix massiv auszubauen, insbesondere durch:
- Förderung von Wind- und Solarenergie
- Ausbau der Wasserstoffwirtschaft (Green Hydrogen)
- Förderung von Energiespeichern und smarter Netzinfrastruktur
2.3. Energieeffizienz und Gebäudesanierung
Gebäude sind für rund 40 % des Energieverbrauchs in der EU verantwortlich. Deshalb setzt der Green Deal auf eine „Renovierungswelle“, um Gebäude energieeffizienter zu machen. Dazu gehören:
- Verpflichtende Mindeststandards für Gebäude
- Förderung von Wärmepumpen, Solaranlagen und grünen Baustoffen
- Strengere Vorgaben für Neubauten (Passivhäuser, Nullenergiehäuser)
2.4. Nachhaltige Mobilität und CO₂-neutrale Autos
Der Green Deal setzt auf einen massiven Wandel im Verkehrssektor, um Emissionen zu reduzieren:
- Verbot von Verbrennungsmotoren ab 2035
- Förderung von Elektroautos und Ladeinfrastruktur
- Verlagerung des Güterverkehrs auf Schiene und Wasser
- Investitionen in den öffentlichen Nahverkehr
2.5. Kreislaufwirtschaft und nachhaltige Industrie
Ein weiterer Schwerpunkt ist die Förderung der Kreislaufwirtschaft, um Ressourcenverbrauch und Abfall zu reduzieren. Hierzu gehören:
- Strengere Recyclingvorgaben für Kunststoffe, Batterien und Elektronik
- Verbesserung der Reparierbarkeit von Produkten
- Reduktion von Einwegplastik und Verpackungsmüll
2.6. Biodiversität und nachhaltige Landwirtschaft
Die Strategie „Farm to Fork“ (vom Hof auf den Teller) soll die Landwirtschaft nachhaltiger machen:
- Reduktion von Pestiziden um 50 % bis 2030
- Förderung ökologischer Landwirtschaft (25 % Bio-Anteil bis 2030)
- Mehr Schutz für Wälder, Moore und natürliche Lebensräume
3. Wirtschaftliche und soziale Auswirkungen
3.1. Chancen für Unternehmen
Der Green Deal bietet Unternehmen enorme Chancen:
- Neue Märkte für grüne Technologien entstehen
- Innovationen werden gefördert (z. B. Wasserstoff, Batteriespeicher)
- Nachhaltige Unternehmen profitieren von Investitionsprogrammen
Der Green Deal wird durch den „Investitionsplan für ein nachhaltiges Europa“ finanziert, der bis 2030 rund 1 Billion Euro für grüne Projekte mobilisieren soll.
3.2. Herausforderungen für Industrie und Verbraucher
- Höhere CO₂-Preise verteuern Energie und Rohstoffe
- Industrien mit hohen Emissionen (z. B. Stahl, Chemie) stehen unter Druck
- Autobranche muss sich auf E-Mobilität umstellen
- Landwirte fürchten zusätzliche Auflagen und Kosten
Besonders betroffen sind Regionen mit fossilen Industrien. Deshalb unterstützt die EU den Wandel mit einem Just Transition Fund, um Arbeitsplätze und soziale Sicherheit zu gewährleisten.
4. Kritik und Herausforderungen
Obwohl der Green Deal ambitioniert ist, gibt es Kritik:
- Kosten und Bürokratie: Kritiker warnen vor einer Überregulierung der Wirtschaft
- Akzeptanz in der Bevölkerung: Höhere CO₂-Preise führen zu höheren Energiekosten
- Abhängigkeit von China: Europa benötigt für erneuerbare Energien große Mengen an seltenen Erden und Batteriematerialien
- Unklare Finanzierung: Die Umsetzung erfordert enorme Investitionen
Gleichzeitig stehen geopolitische Herausforderungen wie der Ukraine-Krieg im Fokus, der die Energieversorgung und Klimaziele beeinflusst.
5. Die Rolle Deutschlands im Green Deal
Deutschland spielt eine Schlüsselrolle im Green Deal, da es die größte Volkswirtschaft der EU ist. Besonders relevant sind:
- Energiewende: Deutschland setzt verstärkt auf Wind- und Solarenergie
- Automobilindustrie: Deutsche Hersteller investieren massiv in Elektromobilität
- Wasserstoffstrategie: Deutschland will Vorreiter in grünem Wasserstoff werden
Allerdings steht Deutschland auch vor Herausforderungen, z. B. durch den Kohleausstieg und den industriellen Umbau.
Berichtspflichten von Unternehmen durch den „Green Deal“
Der European Green Deal hat tiefgreifende Auswirkungen auf die Berichtspflichten von Unternehmen in der EU. Diese Anforderungen sind Teil einer umfassenderen Strategie zur Förderung von Transparenz und Nachhaltigkeit in der Wirtschaft. Die wichtigsten Berichtspflichten betreffen Nachhaltigkeitsberichterstattung, Klimarisiken und ESG-Kriterien (Environmental, Social, Governance).
1. Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD)
Die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) ist die neue EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung, die ab 2024 schrittweise eingeführt wird. Sie ersetzt die bisherige Non-Financial Reporting Directive (NFRD) und verschärft die Anforderungen erheblich.
1.1. Wer ist betroffen?
Die CSRD gilt für:
- Alle großen Unternehmen, die zwei von drei Kriterien erfüllen:
- > 250 Mitarbeiter
- > 40 Mio. € Umsatz
- > 20 Mio. € Bilanzsumme
- Kapitalmarktorientierte KMU (ab 2026, mit einer Übergangsfrist bis 2028)
- Nicht-EU-Unternehmen, wenn sie einen Umsatz von >150 Mio. € in der EU erzielen und mindestens eine Tochtergesellschaft oder Niederlassung in der EU haben
1.2. Welche Berichte müssen erstellt werden?
- Umwelt-, Sozial- und Governance-Faktoren (ESG) müssen detailliert offengelegt werden
- Klimarisiken und -chancen müssen in die Geschäftsstrategie integriert werden
- Doppelter Wesentlichkeitsansatz: Unternehmen müssen sowohl ihre Auswirkungen auf Umwelt und Gesellschaft als auch die finanziellen Risiken durch Klimawandel und Nachhaltigkeitsaspekte offenlegen
- Berichterstattung nach den European Sustainability Reporting Standards (ESRS)
1.3. Prüfpflichten
Die Nachhaltigkeitsberichte müssen künftig von unabhängigen Prüfern verifiziert werden, ähnlich wie Finanzberichte.
2. EU-Taxonomie-Verordnung
Die EU-Taxonomie ist ein Klassifizierungssystem, das festlegt, welche wirtschaftlichen Aktivitäten als nachhaltig gelten. Ziel ist es, Greenwashing zu verhindern und nachhaltige Investitionen zu fördern.
2.1. Wer ist betroffen?
- Große Unternehmen, die unter die CSRD fallen
- Banken und Finanzmarktteilnehmer
- Unternehmen, die Finanzprodukte anbieten (z. B. Fonds, Anleihen)
2.2. Welche Berichte müssen erstellt werden?
Unternehmen müssen berichten:
- Welcher Anteil ihres Umsatzes, ihrer Investitionen und ihrer Betriebsausgaben „taxonomiekonform“ ist
- Wie sie Umweltziele der EU (z. B. Klimaschutz, Kreislaufwirtschaft) erfüllen
- Ob sie nachhaltige Finanzierungen nutzen
Ab 2024 gelten Berichtspflichten für alle sechs Umweltziele der Taxonomie, darunter Klimaschutz, Anpassung an den Klimawandel, nachhaltige Nutzung von Wasserressourcen und Kreislaufwirtschaft.
3. Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR)
Die SFDR verpflichtet Finanzmarktteilnehmer und Finanzberater, ihre Nachhaltigkeitsrisiken und ESG-Strategien offenzulegen.
3.1. Wer ist betroffen?
- Banken
- Versicherungen
- Investmentfonds
- Vermögensverwalter
3.2. Welche Berichte müssen erstellt werden?
- ESG-Offenlegungspflichten für Finanzprodukte (z. B. Artikel 8- und 9-Fonds)
- Transparenz zu Nachhaltigkeitsrisiken in der Investitionsstrategie
- Vergütungssysteme müssen Nachhaltigkeitskriterien berücksichtigen
4. Klimabezogene Berichtspflichten (TCFD & CBAM)
4.1. TCFD: Bericht über klimabezogene Finanzrisiken
Die EU folgt den Empfehlungen der Task Force on Climate-related Financial Disclosures (TCFD), sodass Unternehmen:
- Physische Risiken (z. B. Extremwetter, Lieferkettenstörungen) und Übergangsrisiken (z. B. neue CO₂-Steuern) analysieren
- Klimaszenarien in Finanzprognosen einbeziehen
4.2. CBAM: Klimazoll-Berichterstattung für Importeure
Der Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM) ist eine CO₂-Grenzabgabe für Importprodukte. Ab 2023 müssen Unternehmen:
- CO₂-Emissionen von importierten Waren melden
- Ab 2026 CO₂-Zertifikate für Importe aus Drittländern kaufen
CBAM betrifft vor allem energieintensive Industrien wie Stahl, Zement, Aluminium und Düngemittel.
5. Lieferkettenberichtspflichten: CSDDD & LkSG
5.1. Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD)
Die EU-Lieferkettenrichtlinie (CSDDD) verpflichtet Unternehmen dazu, Umwelt- und Menschenrechtsrisiken in ihren globalen Lieferketten zu analysieren.
- Betroffen sind Unternehmen mit >500 Mitarbeitern und >150 Mio. € Umsatz
- Sorgfaltspflichten für Menschenrechte und Umweltauswirkungen entlang der Lieferkette
- Verpflichtende Risikoanalysen und Berichte
5.2. Deutsches Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG)
Das LkSG gilt seit 2023 für Unternehmen mit >1.000 Mitarbeitern und verlangt eine jährliche Risikoanalyse zu Menschenrechtsverletzungen und Umweltverstößen in der Lieferkette.
6. Enorme Transparenzpflichten für Unternehmen
Der European Green Deal hat eine neue Ära der Unternehmensberichterstattung eingeleitet. Große Unternehmen müssen nicht nur ihre Finanzzahlen, sondern auch ihre Nachhaltigkeitsstrategie, Klimarisiken und ESG-Faktoren offenlegen.
Die wichtigsten Berichtspflichten im Überblick:
Regulierung | Worum geht es? | Wer ist betroffen? | Ab wann? |
---|---|---|---|
CSRD | Nachhaltigkeitsberichte (ESG, Klimarisiken) | Große Unternehmen, börsennotierte KMU | 2024–2026 |
EU-Taxonomie | Nachhaltigkeitsklassifizierung wirtschaftlicher Aktivitäten | Große Unternehmen, Banken, Investoren | 2022–2024 |
SFDR | ESG-Offenlegungspflichten für Finanzprodukte | Banken, Fonds, Vermögensverwalter | Seit 2021 |
CBAM | CO₂-Grenzausgleichsmechanismus für Importe | Unternehmen, die Stahl, Zement, Aluminium importieren | Ab 2023 |
CSDDD | Sorgfaltspflichten für Menschenrechte & Umwelt | Große Unternehmen mit globaler Lieferkette | Ab 2025 |
LkSG | Berichtspflicht zu Menschenrechten in Lieferketten | Unternehmen >1.000 Mitarbeiter | Seit 2023 |
Die neuen Pflichten erfordern große Investitionen in Nachhaltigkeitsstrategien, Compliance und ESG-Datenmanagement.