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Das Zustrombegrenzungsgesetz – Geschichte, Inhalt und rechtliche Einordnung

Arbeitsrecht – Erbrecht - Schulrecht

Das Zustrombegrenzungsgesetz – Geschichte, Inhalt und rechtliche Einordnung

Flüchtlinge nach Europa

Am Freitag, den 31. Januar 2025, wird der Bundestag über das Zustrombegrenzungsgesetz abstimmen, einen Gesetzentwurf der CDU/CSU-Fraktion, der bereits im September 2024 (BT-Drucksache 20/12804) vorgelegt wurde. Ziel des Gesetzes ist die Begrenzung des illegalen Zustroms von Drittstaatsangehörigen nach Deutschland. Der Entwurf wurde als Reaktion auf die steigenden Migrationszahlen und die aus Sicht der Opposition unzureichende Migrationspolitik der Ampel-Koalition formuliert.

1. Historischer und rechtlicher Hintergrund

a) Streichung der „Begrenzung“ aus dem Aufenthaltsgesetz (2023)

Bis November 2023 war in § 1 Abs. 1 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) die „Steuerung und Begrenzung des Zuzugs von Ausländern“ als Ziel verankert. Dies legte eine restriktive Anwendung des Aufenthaltsrechts nahe. Die Ampel-Koalition entfernte jedoch die Begrenzung aus dem Gesetz, um eine „moderne und humane Einwanderungspolitik“ zu signalisieren (BT-Drucksache 20/7394).

Die CDU/CSU-Fraktion kritisierte diesen Schritt, da er aus ihrer Sicht das falsche Signal an potenzielle Migranten sendete und zur Wahrnehmung beitrug, Deutschland senke die Hürden für irreguläre Einwanderung weiter ab.

b) Migrationslage und Druck auf das Asylsystem

Laut dem Gesetzesentwurf wurde Deutschland 2023 mit einer der größten Migrationsbewegungen seiner Geschichte konfrontiert. Über 350.000 Asylanträge wurden gestellt, während insgesamt über 1,8 Millionen Flüchtlinge und Asylbewerber seit 2022 ins Land gekommen seien. Insbesondere die Integrationskapazitäten der Kommunen seien dadurch überlastet.

Gleichzeitig wurden im ersten Halbjahr 2024 nur 9.465 Abschiebungen durchgeführt, obwohl es 226.882 vollziehbar ausreisepflichtige Personen gab. Die CDU/CSU sieht daher eine unzureichende Umsetzung der bestehenden Ausreisepflichten.

2. Kerninhalte des Gesetzesentwurfs

a) Wiedereinführung des Begrenzungsprinzips im Aufenthaltsgesetz

Das Gesetz sieht vor, dass die Begrenzung des Zuzugs wieder als Ziel in § 1 Abs. 1 Satz 1 AufenthG aufgenommen wird. Damit wird die bis 2023 geltende Rechtslage wiederhergestellt.

b) Abschaffung des Familiennachzugs für subsidiär Schutzberechtigte

Der Entwurf sieht eine komplette Streichung des Familiennachzugs für subsidiär Schutzberechtigte (§ 36a AufenthG) vor.

Aktuell sind monatlich bis zu 1.000 Visa für den Familiennachzug vorgesehen (rund 11.630 Visa im Jahr 2023). Die CDU/CSU argumentiert, dass subsidiärer Schutz nur eine temporäre Schutzform sei und daher keinen Familiennachzug rechtfertige.

c) Erweiterung der Kompetenzen der Bundespolizei

Die Bundespolizei soll künftig selbstständig aufenthaltsbeendende Maßnahmen durchführen können, wenn sie unerlaubt aufhältige Personen im Bahnhofsbereich antrifft. Dazu gehören:

  • Abschiebungen und Zurückschiebungen für Personen ohne Duldung oder mit Duldung wegen fehlender Reisedokumente
  • Möglichkeit zur Beantragung von Haft oder Gewahrsam, um die Abschiebung zu sichern
  • Erforderlichkeit der Abstimmung mit der zuständigen Ausländerbehörde, es sei denn, dies ist außerhalb der Geschäftszeiten nicht möglich.

Diese Maßnahmen sollen verhindern, dass Personen trotz bestehender Abschiebungsanordnung auf freiem Fuß bleiben.

3. Rechtliche Einordnung und Kritik

a) Vereinbarkeit mit EU- und Völkerrecht

Laut der Begründung des Gesetzes sei der Entwurf mit dem Recht der Europäischen Union und der Genfer Flüchtlingskonvention vereinbar. Insbesondere die Streichung des Familiennachzugs betrifft keine Flüchtlinge im Sinne der Genfer Konvention, sondern nur subsidiär Schutzberechtigte, bei denen der Gesetzgeber keine Verpflichtung zum Familiennachzug hat.

b) Politische Debatte und Kritikpunkte

Kritik der Ampel-Koalition und migrationsfreundlicher Organisationen

  • Humanitäre Bedenken: Organisationen wie Pro Asyl kritisieren, dass die Abschaffung des Familiennachzugs zu „unmenschlichen Härten“ führt, insbesondere für Frauen und Kinder.
  • Praktische Probleme bei Abschiebungen: Die Abschiebepraxis scheitert oft an fehlenden Reisedokumenten oder mangelnder Kooperationsbereitschaft der Herkunftsstaaten. Selbst wenn die Bundespolizei neue Befugnisse erhält, bleibt fraglich, ob Abschiebungen dadurch effektiver werden.

c) Verfassungsrechtliche Fragen

Ein mögliches rechtliches Problem könnte sein, dass durch die neue Zuständigkeit der Bundespolizei die Kompetenzen der Länder geschwächt werden. Laut Grundgesetz (Art. 74 Abs. 1 Nr. 4 GG) hat der Bund die Gesetzgebungskompetenz für das Aufenthaltsrecht, jedoch sind die Länder für den Vollzug zuständig. Eine zu weitgehende Verlagerung auf die Bundespolizei könnte daher von Landesregierungen angefochten werden.

4. Fazit und Ausblick

Das Zustrombegrenzungsgesetz ist eine Reaktion der CDU/CSU auf die steigenden Migrationszahlen und die ihrer Ansicht nach unzureichende Begrenzung illegaler Einwanderung. Es knüpft an frühere Regelungen an, die bereits während der Flüchtlingskrise 2015/16 diskutiert wurden.

Ob das Gesetz tatsächlich die gewünschten Effekte erzielt, hängt von verschiedenen Faktoren ab:

  • Wird der Bundesrat das Gesetz blockieren?
  • Sind Verschärfungen mit EU-Recht kompatibel?
  • Können Abschiebungen tatsächlich erhöht werden?

Den vollständigen Gesetzestext finden Sie hier: Zustrombegrenzungsgesetz – BT-Drucksache 20/12804 (Link zum Originaldokument).

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