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Keine „Damen und Herren“ mehr in Tagesschau

Arbeitsrecht – Erbrecht - Schulrecht

Keine „Damen und Herren“ mehr in Tagesschau

Nachrichten modern

ARD und ZDF folgen dem Mainstream – aber ist dies ihre Aufgabe?

Demnächst?: Hey Leute – hier sind die Infos für heute!

Der Artikel „Abschied von Damen und Herren“ in den Kieler Nachrichten behandelt den Wandel in der Sprachgestaltung von Nachrichtensendungen im deutschen Fernsehen, insbesondere die Entscheidung der Tagesschau, auf die traditionelle Begrüßung „Guten Abend, meine Damen und Herren“ zu verzichten. Stattdessen wird auf genderneutrale Formulierungen zurückgegriffen. Laut Aussagen des Senders basiert diese Entscheidung auf qualitativen Zuschauerbefragungen, die den Wunsch nach authentischer und zugänglicher Ansprache hervorgehoben haben. Dieser Trend zur Modernisierung und Genderneutralität ist auch bei anderen großen Sendern wie dem ZDF, ProSieben oder RTL zu beobachten, wobei unterschiedliche Ansätze verfolgt werden. Einige Formate gendern explizit, andere verzichten darauf oder nutzen alternative Begrüßungsformen, wie etwa generische Maskulina oder gänzlich geschlechtsneutrale Formulierungen.

Der Artikel beleuchtet die Vielfalt der Ansätze, von gesprochenem Genderdoppelpunkt bis hin zu diskreten Veränderungen bei einzelnen Begriffen. Es wird hervorgehoben, dass keine verbindlichen Vorgaben zur Sprachgestaltung existieren und Redaktionen wie Moderatorinnen und Moderatoren selbst entscheiden. Besonders das Ziel der diskriminierungsfreien Kommunikation wird als treibender Faktor genannt, begleitet von vorsichtigen und schrittweisen Anpassungen, die gesellschaftliche Veränderungen reflektieren.

Akzeptanz gendersensibler Sprache

Repräsentative Umfragen zeigen, dass eine deutliche Mehrheit der deutschen Bevölkerung gendersensible Sprachformen ablehnt:

  • Civey-Umfrage für t-online (2023): 80 % der Befragten lehnten geschlechtergerechte Sprachformulierungen ab, während nur 15,3 % sie befürworteten.

Stellungnahme des Rates für deutsche Rechtschreibung

Der Rat für deutsche Rechtschreibung hat mehrfach betont, dass die Verwendung von Sonderzeichen zur Kennzeichnung geschlechtergerechter Sprache, wie dem Gendersternchen, nicht Teil des amtlichen Regelwerks ist:

  • März 2021: Der Rat empfahl, Asterisk, Unterstrich, Doppelpunkt oder andere verkürzte Formen nicht in das amtliche Regelwerk aufzunehmen, da sie die Verständlichkeit und Lernbarkeit der deutschen Sprache beeinträchtigen könnten.

  • Dezember 2023: Der Rat bekräftigte, dass geschlechtergerechte Sprache eine gesellschaftliche Aufgabe sei, die nicht durch orthografische Regeln gelöst werden könne.

Diese Position unterstreicht, dass der Rat die Einführung solcher Sonderzeichen in die offizielle Rechtschreibung nicht unterstützt.

Bundesländer mit Verboten gendersensibler Sprache

Einige Bundesländer haben Maßnahmen ergriffen, um die Verwendung gendersensibler Sprache in bestimmten Bereichen zu regulieren:

  • Sachsen: Seit dem Schuljahr 2023/2024 werden in Schularbeiten Punktabzüge für die Verwendung von Gendersternchen und ähnlichen Zeichen vergeben.

  • Bayern: Im März 2024 wurde die Verwendung gendersensibler Sprache in Schulen, Universitäten und anderen öffentlichen Einrichtungen untersagt.

  • Hessen: Im April 2024 folgte ein Verbot der Verwendung gendersensibler Sprache in der Verwaltung.


Der öffentlich-rechtliche Auftrag von ARD und ZDF

Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ARD und ZDF haben gemäß Artikel 5 Abs. 1 Satz 2 GG sowie dem Medienstaatsvertrag den Auftrag, zur freien individuellen und öffentlichen Meinungsbildung beizutragen, die Gesellschaft umfassend zu informieren und ein vielfältiges Programm anzubieten, das Bildung, Kultur und Unterhaltung fördert. Dieser Auftrag ist geprägt durch die Verpflichtung zu Objektivität, Meinungsvielfalt und gesellschaftlichem Ausgleich. Er umfasst insbesondere:

  1. Information und Bildung: Bereitstellung von sachlichen, fundierten und ausgewogenen Inhalten zu aktuellen Themen, um die Grundlage für eine informierte Gesellschaft zu schaffen.
  2. Förderung der Meinungsvielfalt: Präsentation unterschiedlicher Perspektiven, um eine ausgewogene Meinungsbildung zu ermöglichen und gesellschaftliche Debatten zu fördern.
  3. Kultureller Auftrag: Erhalt und Förderung von Kultur, Sprache und Identität, die zur Integration und Verständigung in einer pluralistischen Gesellschaft beitragen.
  4. Unabhängigkeit: Schutz vor staatlicher und wirtschaftlicher Einflussnahme, um eine freie Berichterstattung und Programmautonomie zu gewährleisten.

Bedeutung präziser Sprache für die eindeutige Verständigung

Sprache ist das zentrale Medium menschlicher Verständigung und ein wesentliches Element für die demokratische Kommunikation. Präzise Sprache spielt eine entscheidende Rolle für die Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Auftrags aus mehreren Gründen:

1. Eindeutigkeit und Verständlichkeit

  • Eine präzise Sprache reduziert Missverständnisse und gewährleistet, dass Botschaften klar und für alle Bevölkerungsgruppen verständlich vermittelt werden.
  • Gerade im Bereich der Nachrichtenberichterstattung ist es entscheidend, dass Inhalte sachlich korrekt und unmissverständlich formuliert sind, um Desinformation zu vermeiden.

2. Barrierefreiheit

  • Präzise und einfache Sprache ermöglicht es, Menschen mit unterschiedlichen sprachlichen Kompetenzen, darunter Kinder, ältere Menschen oder Personen mit geringeren Bildungschancen, zu erreichen. Dies ist zentral für den Anspruch auf eine breite gesellschaftliche Teilhabe.

3. Förderung des gesellschaftlichen Diskurses

  • Sprache prägt die Art und Weise, wie Menschen Themen wahrnehmen und diskutieren. Eine klare und neutrale Sprache fördert sachliche und konstruktive Debatten.
  • Unklare oder übermäßig komplizierte Sprache kann polarisieren und den Dialog zwischen unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen erschweren.

Ob gendersensible Sprache als neutral angesehen werden kann oder Minderheiten übermäßig betont, hängt von der Perspektive und dem Kontext ab.


Gendersensible Sprache als neutral:

  1. Inklusion und Sichtbarkeit:

    • Gendersensible Sprache soll alle Geschlechter gleichberechtigt ansprechen und sichtbar machen, insbesondere Frauen, nicht-binäre und trans Personen. Dadurch wird versucht, Neutralität herzustellen, indem keine Gruppe ausgeschlossen wird.
    • Beispiele wie „Lehrkräfte“ oder „Studierende“ vermeiden geschlechtsspezifische Assoziationen und sollen eine möglichst breite Ansprache gewährleisten.
  2. Gleichheit im Sprachgebrauch:

    • Sprache, die alle Geschlechter einschließt, reflektiert eine diversere Gesellschaft und schafft ein Bewusstsein dafür, dass traditionelle Sprachmuster oft männlich geprägt sind. Dies wird als Schritt hin zu größerer Gerechtigkeit betrachtet.
  3. Normativer Ausgleich:

    • Gendersensible Sprache versucht, historische Ungleichheiten im Sprachgebrauch auszugleichen, um langfristig eine sprachliche Gleichbehandlung zu etablieren.

Kritik: Minderheiten werden übermäßig betont

  1. Disproportionale Aufmerksamkeit:

    • Kritiker argumentieren, dass gendersensible Sprache eine kleine Minderheit – wie nicht-binäre Personen – in den Mittelpunkt stellt, während die Mehrheit der Sprecherinnen und Sprecher keine gendersensiblen Formulierungen nutzt oder ablehnt.
    • Das Gendern durch Sternchen, Doppelpunkt oder Unterstrich wird oft als übertriebene Betonung spezifischer Gruppen wahrgenommen, die nicht die gesamte Gesellschaft repräsentieren.
  2. Unnatürlicher Sprachgebrauch:

    • Gendersensible Sprache kann als künstlich oder gezwungen empfunden werden, da sie nicht dem natürlichen Sprachgebrauch vieler Menschen entspricht. Dies kann zu einer Ablehnung der Sprachform führen und die Verständigung erschweren.
  3. Gefühl der Belehrung:

    • Die Einführung gendersensibler Sprache durch Institutionen wie Behörden oder Medien wird teilweise als bevormundend wahrgenommen, was die Akzeptanz in der breiten Bevölkerung verringert und die sprachliche Trennung verstärkt.

Gendersensible Sprache kann in ihrer Absicht neutral wirken, da sie alle Geschlechter einschließen will. In der Umsetzung jedoch kann sie Minderheiten betonen, wenn deren Sichtbarmachung als Hauptziel wahrgenommen wird, während die Mehrheit dies nicht als notwendig empfindet. Die Wirkung hängt stark davon ab, wie und in welchem Kontext gendersensible Sprache angewandt wird. Um möglichst neutral zu sein, sollte gendersensible Sprache verständlich, zugänglich und konsensfähig gestaltet werden, ohne eine übermäßige Betonung einzelner Gruppen zu riskieren.

Wissenschaftliche Befunde

  • Lesbarkeitsstudien: Untersuchungen zeigen, dass gendersensible Formen wie der Genderstern die Lesbarkeit beeinträchtigen können, insbesondere bei ungeübten Lesern.
  • Kognitive Belastung: Die zusätzliche Aufmerksamkeit, die gendersensible Sprache erfordert, kann zu einer erhöhten kognitiven Belastung führen, die den Fokus von der inhaltlichen Aussage ablenkt.

Die Frage der Legitimität gendersensibler Sprache bei ARD und ZDF

1. Programmautonomie und Rundfunkfreiheit

ARD und ZDF besitzen durch Artikel 5 Abs. 1 Satz 2 GG sowie den Medienstaatsvertrag weitreichende Programmautonomie. Diese erlaubt es den Rundfunkanstalten, ihre Inhalte frei zu gestalten, ohne staatliche Einflussnahme oder den direkten Mehrheitswillen der Beitragszahler berücksichtigen zu müssen. Die Programmautonomie umfasst auch sprachliche Entscheidungen, sofern diese nicht gegen geltendes Recht oder die Grundsätze der Rundfunkfreiheit verstoßen​​​.

2. Pflichten gegenüber der Gesellschaft

Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten haben jedoch die Aufgabe, eine möglichst breite Akzeptanz zu gewährleisten und zur Meinungsvielfalt beizutragen. Hierbei müssen sie verschiedene gesellschaftliche Gruppen repräsentieren, ohne eine Polarisierung oder den Eindruck einer gezielten Einflussnahme zu verstärken.

  • Mehrheit der Beitragszahler: Die Tatsache, dass eine deutliche Mehrheit gendersensible Sprache ablehnt, ist für ARD und ZDF ein gewichtiger Faktor, da sie zur Akzeptanz und Legitimität des Rundfunkbeitrags beiträgt.
  • Minderheitenschutz: Gleichzeitig ist es die Aufgabe der Anstalten, Minderheiten sichtbar zu machen und in die öffentliche Kommunikation einzubeziehen, was auch gendersensible Sprache rechtfertigen könnte.

3. Verhältnis von Neutralität und Akzeptanz

Das Gendern könnte von einer großen Mehrheit als politische Positionierung wahrgenommen werden, was der Neutralitätspflicht der öffentlich-rechtlichen Sender widersprechen könnte. Die Rundfunkanstalten dürfen keine Erziehungsfunktion übernehmen, die über die gesellschaftlich akzeptierte Vermittlung von Information und Bildung hinausgeht​​.

  • Neutralität und Verständlichkeit:

    • Die Sender müssen sicherstellen, dass gendersensible Sprache nicht die Neutralität gefährdet oder von einer Mehrheit der Zuschauer als einseitig empfunden wird.
    • Verständlichkeit und Barrierefreiheit sollten bei allen Programminhalten gewährleistet sein.
  • Akzeptanz in der Gesellschaft:

    • Gendersensible Sprache sollte nicht als dominanter Standard auftreten, da dies bei einem großen Teil der Beitragszahler auf Ablehnung stößt.
    • Alternativen wie genderneutrale Begriffe („Lehrkräfte“ statt „Lehrer*innen“) könnten eine Brücke zwischen Verständlichkeit und Inklusion schlagen.
  • Transparenz und Sensibilität:

    • Entscheidungen zur Sprachgestaltung sollten transparent kommuniziert werden, um den Eindruck einer ideologischen Überformung zu vermeiden.
    • Regelmäßige Evaluationen der Zuschauerakzeptanz könnten helfen, die Sprachpolitik an gesellschaftliche Entwicklungen anzupassen.

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