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Erbrecht

Nachlasspfleger erhält keine Vergütung für Mitarbeitereinsatz – nur eigene Arbeitszeit zählt

OLG Brandenburg, Beschluss vom 24.09.2025 – 3 W 149/24

Sachverhalt:

Ein berufsmäßiger Nachlasspfleger wurde mit der Verwaltung und Sicherung eines Nachlasses beauftragt. Bei der Nachlasssicherung setzte er eine Mitarbeiterin ein, die ihn bei der Schlüsselabholung und Wohnungsräumung unterstützte. Für diese Tätigkeit verlangte der Pfleger zusätzlich 2,75 Stundenvergütung zu seinem Stundensatz. Das Nachlassgericht und das OLG Dresden lehnten diesen Antrag ab, da nur die eigene Arbeitszeit des Pflegers vergütungsfähig sei. Der Pfleger legte Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof ein und verfolgte seinen Vergütungsanspruch weiter.


Entscheidung:

Der BGH bestätigte, dass ein Nachlasspfleger keine Vergütung nach seinem Stundensatz für Tätigkeiten von Mitarbeitern beanspruchen kann. Nach § 1888 Abs. 2 BGB ist allein die persönliche Arbeitszeit und Qualifikation des Pflegers maßgeblich, nicht die seiner Hilfskräfte. Anders als bei der Zwangsverwaltung (§ 19 ZwVwV) fehlt im Gesetz eine ausdrückliche Regelung, die Mitarbeiterstunden vergütungsfähig macht. Der Nachlasspfleger kann für delegierte Aufgaben lediglich Aufwendungsersatz beanspruchen, sofern er entsprechende Kosten nachweist. Der Zweck der Regelung, eine an den Fachkenntnissen des Pflegers orientierte Vergütung sicherzustellen, gebietet keine abweichende Auslegung.

Arbeitsrecht

Kündigungsschutz nur für Inlandsbetriebe – Homeoffice im Ausland bleibt ungeschützt

LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 2.09.2025 – 4 SLa 200/24

Sachverhalt:
Ein langjähriger technischer Kundenberater war nach der Verlagerung seiner Abteilung ins Ausland der letzte Mitarbeiter seines Unternehmens in Deutschland. Nach einer Umstrukturierung schloss er 2020 einen neuen Arbeitsvertrag mit einer spanischen Gesellschaft derselben Unternehmensgruppe, der deutschem Recht unterlag und seine Tätigkeit im deutschen Homeoffice fortführte. Vier Jahre später kündigte die spanische Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis ordentlich. Der Kläger berief sich auf den allgemeinen Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz (KSchG) und argumentierte, die in Spanien tätigen Kollegen müssten bei der Berechnung der Beschäftigtenzahl berücksichtigt werden. Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht wiesen die Klage ab.

Entscheidung:
Das LAG entschied, dass der allgemeine Kündigungsschutz nach § 23 Abs. 1 KSchG nur für Betriebe im Inland gilt. Maßgeblich seien ausschließlich Beschäftigte, die in einer organisatorischen Einheit in Deutschland tätig sind. Da der Kläger der einzige inländische Arbeitnehmer der spanischen Gesellschaft war, war der Schwellenwert von mehr als zehn Beschäftigten nicht erreicht. Auch eine verfassungskonforme Auslegung des KSchG ändere daran nichts, da der Gesetzgeber den Betriebsbegriff bewusst territorial auf Deutschland beschränkt habe. Eine Ungleichbehandlung gegenüber den in Spanien beschäftigten Kollegen sei daher verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

Beamtenrecht

Kein Anspruch auf Mehrarbeitsvergütung – OVG Bremen stoppt Nachzahlung für pensionierte Beamtin

OVG Bremen, Urteil vom 3.09.2025 – 2 LC 361/24

Sachverhalt:

Eine ehemalige Oberschulrätin der Freien Hansestadt Bremen verlangte nach Eintritt in den Ruhestand die Auszahlung von über 900 zusätzlichen Mehrarbeitsstunden. Sie hatte über Jahre hinweg ihre Arbeitszeit sowohl für die Bremer Bildungsbehörde als auch für das Bundesverwaltungsamt erfasst, wobei das elektronische Zeiterfassungssystem maximal 999 Stunden anzeigte. Die Klägerin argumentierte, sie habe weit mehr Stunden geleistet und die Freie Hansestadt Bremen müsse diese vollständig vergüten. Das Verwaltungsgericht Bremen hatte ihr zunächst einen Anspruch auf Auszahlung von 15.129,68 Euro zugesprochen. Gegen diese Entscheidung legte die Beklagte erfolgreich Berufung ein.

Entscheidung:

Das Oberverwaltungsgericht hob das Urteil auf: Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Mehrarbeitsvergütung, da die Voraussetzungen der Mehrarbeitsvergütungsverordnung (BMVergV) nicht erfüllt seien. Sie habe keine „dienstlich angeordnete oder genehmigte Mehrarbeit“ im Sinne der Vorschriften geleistet, sondern regelmäßig überobligatorisch gearbeitet. Ihre Tätigkeiten im In- und Ausland seien Teil der üblichen Verwaltungsarbeit und keine unaufschiebbaren Sondereinsätze, die eine Vergütung rechtfertigen könnten. Auch ein Anspruch aus Treu und Glauben oder Fürsorgepflicht bestehe nicht, da keine unzumutbare Belastung vorliege und die Klägerin ihre Ansprüche zudem zu spät geltend gemacht habe. Eine nachträgliche pauschale Genehmigung der Mehrarbeit sei unzulässig.

Kommunalrecht

Windräder im Wald: Bürgerbegehren in Bruchsal darf über Windpark-Projekt mitentscheiden

VG Karlsruhe, Beschluss vom 15.09.2025 – 14 K 7766/25

Sachverhalt:
Die Stadt Bruchsal plante, gemeinsam mit privaten Eigentümern einen Windpark im sogenannten „Potenzialgebiet Süd“ zu errichten und schloss hierfür einen Poolingvertrag, der auch den Abschluss von Gestattungsverträgen mit Projektentwicklern vorsah. Eine Bürgerinitiative unter dem Motto „Kein Windrad im Wald“ sammelte daraufhin rund 3.000 gültige Unterschriften für ein Bürgerbegehren gegen diese Pläne. Der Gemeinderat hatte zuvor einen Antrag abgelehnt, im Poolingvertrag ein Kündigungsrecht für den Fall eines erfolgreichen Bürgerentscheids vorzusehen. Die Bürgerinitiative beantragte daraufhin vor Gericht die vorläufige Feststellung der Zulässigkeit des Bürgerbegehrens und ein Verbot weiterer bindender Vertragsabschlüsse. Die Stadt Bruchsal hielt das Bürgerbegehren für unzulässig, da bereits rechtliche Verpflichtungen aus dem Poolingvertrag bestünden und die Frist für ein kassatorisches Bürgerbegehren abgelaufen sei.

Entscheidung:
Das Verwaltungsgericht stellte fest, dass das Bürgerbegehren zulässig ist, da es innerhalb der Frist eingereicht wurde und eine Angelegenheit betrifft, die dem Wirkungskreis der Gemeinde zugeordnet ist. Der frühere Gemeinderatsbeschluss von 2024 habe keine Sperrwirkung entfaltet, weil sich das Projekt seither entscheidend weiterentwickelt habe und nun erstmals konkrete rechtliche Verpflichtungen eingegangen wurden. Zwar sei die Stadt Bruchsal durch den Poolingvertrag grundsätzlich gebunden, sie könne sich aber im Falle eines erfolgreichen Bürgerentscheids durch außerordentliche Kündigung gemäß § 725 Abs. 2 BGB rechtmäßig aus dem Vertrag lösen. Ein Bürgerbegehren dürfe daher nicht allein deshalb als unzulässig gelten, weil die Gemeinde bereits vertragliche Bindungen eingegangen ist. Mit dem Beschluss wurde vorläufig festgestellt, dass das Bürgerbegehren zulässig ist – weitere Anträge der Bürgerinitiative blieben jedoch erfolglos.

News diese Woche:

BVerfG: Altersgrenze für Anwaltsnotare ist verfassungswidrig

Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass die gesetzliche Altersgrenze von 70 Jahren für Anwaltsnotare verfassungswidrig ist. Die Regelung greife unverhältnismäßig in die Berufsfreiheit ein, da es in vielen Regionen ohnehin zu wenige Bewerber gebe und der Zweck der Generationengerechtigkeit nicht mehr erfüllt werde. Geklagt hatte ein 70-jähriger Anwaltsnotar aus Nordrhein-Westfalen, der trotz Ruhestandszwangs weiterarbeiten wollte und vor dem Bundesgerichtshof zuvor gescheitert war. Das Urteil betrifft ausschließlich Anwaltsnotare, nicht jedoch sogenannte Nur-Notare, die ausschließlich als Notare tätig sind. Der Gesetzgeber muss nun bis zum 30. Juni 2026 eine neue, verfassungsgemäße Regelung schaffen – der Kläger selbst profitiert jedoch nicht unmittelbar von der Entscheidung.

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