Rundfunkfreiheit und Politik
Die Rundfunkkommission der Länder arbeitet derzeit an einer umfassenden Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland. Ein zentraler Punkt dieser Reform ist die Reduzierung der Anzahl der Hörfunk- und TV-Programme.
Die Reform sieht vor, dass weniger Spartenkanäle und Hörfunkprogramme angeboten werden sollen, um die Effizienz und Wirtschaftlichkeit zu steigern. Beispielsweise steht der ARD-Spartenkanal One zur Diskussion, ebenso wie andere Programme wie Tagesschau 24.
Ziel der Reform ist es, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk stärker auf sein spezifisches Profil zu fokussieren und die Zusammenarbeit mit Bildungs- und Kultureinrichtungen zu fördern. Eine Erhöhung des Rundfunkbeitrags zum 1. Januar 2025 wird derzeit ausgeschlossen, da man auf Effekte durch die Reform hofft.
Programme, die zur Zeit in der Diskussion stehen:
- ARD-Spartenkanal One: Dieser Kanal könnte eingestellt oder umstrukturiert werden.
- Tagesschau 24: Auch dieser Nachrichtenkanal steht auf der Liste der möglichen Änderungen.
- Weitere Spartenkanäle und Hörfunkprogramme: Es wird allgemein erwartet, dass mehrere spezialisierte Kanäle und Programme reduziert oder zusammengelegt werden, um Kosten zu sparen und die Effizienz zu steigern.
Die genaue Liste der betroffenen Programme wird noch ausgearbeitet und hängt von den weiteren Beratungen und Entscheidungen der Rundfunkkommission ab.
Die Rundfunkkommission der Länder ist ein zentrales Gremium in Deutschland, das die Medienpolitik und das Rundfunkrecht der Bundesländer koordiniert. Hier sind einige wichtige Punkte:
- Zusammensetzung: Die Mitglieder der Rundfunkkommission sind in der Regel die Ministerpräsidenten der Länder oder die für den Rundfunk zuständigen Minister oder Senatoren1.
- Aufgaben: Die Kommission entwickelt und passt das Rundfunkrecht an, koordiniert die Medienpolitik der Länder und arbeitet mit dem Bund sowie europäischen Institutionen zusammen1. Sie ist auch für die Festlegung des Rundfunkbeitrags zuständig.
- Funktion: Sie dient als Gesprächsforum und Beschlussinstanz, deren Ergebnisse den Landesregierungen und Landesparlamenten zur Abstimmung vorgelegt werden.
Damit stellt sich aber – unabhängig aller inhaltlichen Kritik, wie ARD und ZDF ihren öffentlich-rechlichen Auftrag ausfüllen die Frage, ob Politik in dieser Weise in die Programmhoheit und damit Rundfunkfreiheit = Unabhängigkeit der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten eingreifen darf?
Eingriffe der Ministerpräsidenten in die Anzahl von Programmen oder das Sportrechtebudget des öffentlich-rechtlichen Rundfunks stehen im Spannungsfeld der verfassungsrechtlich geschützten Rundfunkfreiheit gemäß Artikel 5 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz (GG). Diese Freiheit umfasst nicht nur die Freiheit der Programminhalte, sondern auch die Sicherstellung einer hinreichenden finanziellen und organisatorischen Ausstattung der Rundfunkanstalten, um ihren Funktionsauftrag zu erfüllen.
Laut der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk in besonderer Weise geschützt, da er eine wichtige Funktion bei der Sicherstellung der Meinungsvielfalt und der demokratischen Willensbildung erfüllt. Diese Aufgabe, die als dienende Freiheit des Rundfunks beschrieben wird, bedeutet, dass der Rundfunk durch gesetzgeberische Maßnahmen unterstützt, aber nicht inhaltlich beeinflusst werden darf. Dazu gehört auch eine angemessene finanzielle Ausstattung, um seiner Grundversorgungspflicht nachzukommen.
Eingriffe der Ministerpräsidenten, insbesondere in das Budget für Sportrechte, könnten diese Unabhängigkeit des Rundfunks gefährden, sofern sie die Handlungs- und Entscheidungsspielräume der Rundfunkanstalten einschränken. Sportübertragungen haben eine wichtige Rolle in der Grundversorgung des Rundfunks, und Einschränkungen in diesem Bereich könnten die Vielfalt des Programms beeinträchtigen.
Das BVerfG hat in früheren Entscheidungen klargestellt, dass die Rundfunkfreiheit umfassend auch die finanzielle Ausstattung und Programmvielfalt umfasst und gesetzliche Eingriffe, die dies beeinträchtigen, verfassungsrechtlich problematisch sein könnten.
Damit gilt:
Ministerpräsidenten dürfen nicht unmittelbar die Anzahl der Programme von ARD und ZDF festlegen, da dies einen unzulässigen Eingriff in die Rundfunkfreiheit gemäß Artikel 5 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes (GG) darstellen würde. Die Rundfunkfreiheit garantiert sowohl die inhaltliche als auch die organisatorische Unabhängigkeit der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Diese Unabhängigkeit ist zentral, um die Meinungsvielfalt zu gewährleisten und politische Einflussnahmen auf den Rundfunk zu verhindern.
Das Bundesverfassungsgericht hat wiederholt betont, dass die Rundfunkfreiheit als „dienende Freiheit“ ausgestaltet ist, was bedeutet, dass sie vor allem dem Zweck dient, die freie und ungehinderte Meinungsbildung in einer demokratischen Gesellschaft zu fördern. In diesem Kontext ist der Staat verpflichtet, eine ordnungsgemäße Rundfunkversorgung sicherzustellen, darf aber nicht die Programmgestaltung oder -vielfalt direkt beeinflussen.
Die rechtliche Struktur des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sieht vor, dass Entscheidungen über die Programmausgestaltung und die Anzahl der Programme von den Rundfunkanstalten selbst getroffen werden müssen, unter Berücksichtigung ihres Funktionsauftrags. Zwar unterliegen ARD und ZDF bestimmten rechtlichen und finanziellen Rahmenbedingungen, die im Rundfunkstaatsvertrag geregelt sind, und die Ministerpräsidenten der Länder spielen eine Rolle bei der Genehmigung der Rundfunkfinanzierung (etwa durch die Zustimmung zur Rundfunkbeitragsfestsetzung), doch diese Rolle darf die Programmfreiheit nicht beschneiden.
Ministerpräsidenten dürfen keine direkten Vorgaben zur Anzahl der Programme machen, da dies einen Verstoß gegen die verfassungsrechtlich garantierte Unabhängigkeit der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten darstellen würde.
Keine Festlegung des Sportetats:
Ministerpräsidenten dürfen die Höhe des Sportetats für den Kauf von Sportrechten bei ARD und ZDF nicht unmittelbar festlegen, da dies ebenfalls einen unzulässigen Eingriff in die Rundfunkfreiheit gemäß Artikel 5 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz (GG) darstellen würde. Die Rundfunkfreiheit schützt nicht nur die inhaltliche Unabhängigkeit der Programme, sondern auch die organisatorische und finanzielle Autonomie der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, insbesondere im Hinblick auf ihre Programmgestaltung und -auswahl.
Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Rechtsprechung betont, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk eine Bestands- und Entwicklungsgarantie genießt, die sicherstellt, dass die Anstalten sowohl finanziell als auch organisatorisch in der Lage sind, ihre Grundversorgungsaufgabe zu erfüllen. Diese Garantie umfasst auch die Entscheidung, welche Inhalte – einschließlich Sportübertragungen – für das Programm erworben werden.
Die Festlegung des Budgets für den Erwerb von Sportrechten obliegt den Rundfunkanstalten selbst und wird im Rahmen des Finanzbedarfsverfahrens von der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) überprüft. Die KEF schlägt auf Grundlage der Bedarfsanmeldungen der Anstalten eine Höhe des Rundfunkbeitrags vor, die von den Ministerpräsidenten der Länder letztlich bestätigt werden muss. Allerdings betrifft diese Entscheidung die allgemeine Finanzierung und nicht die Festlegung einzelner Budgetposten, wie etwa den Sportetat. Die Rundfunkanstalten haben hierbei Autonomie, solange sie die gesetzlichen Anforderungen und die Vorgaben des Rundfunkstaatsvertrags einhalten.
Ein direkter Einfluss der Ministerpräsidenten auf die Höhe des Sportetats würde die Staatsferne des Rundfunks verletzen und gegen die vom Bundesverfassungsgericht festgelegten Prinzipien verstoßen, die eine Einmischung des Staates in die Programm- und Finanzierungsentscheidungen verhindern sollen.
Keine Umsetzung der KEF-Empfehlung für die Beitragshöhe – geht das?
Die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) empfiehlt in ihrem 24. Bericht ab 2025 eine Anhebung des monatlichen Rundfunkbeitrags auf 18,94 €. Das entspricht einer Erhöhung um 58 Cent.
Die Ministerpräsidenten der Länder können die Empfehlung der KEF grundsätzlich nicht einfach ablehnen, ohne sich dabei an verfassungsrechtliche Vorgaben zu halten. Die Rolle der Ministerpräsidenten besteht darin, den von der KEF ermittelten Finanzbedarf im Rahmen eines politischen Entscheidungsprozesses zu überprüfen und anschließend den Rundfunkbeitrag über die Landesparlamente festzusetzen. Dabei sind sie jedoch durch das Grundgesetz, insbesondere Artikel 5 Abs. 1 Satz 2 GG, gebunden.
Hintergrund:
Die KEF hat die Aufgabe, den tatsächlichen Finanzbedarf der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten (ARD, ZDF und Deutschlandradio) objektiv zu ermitteln. Ihre Empfehlung beruht auf einer detaillierten Prüfung der Anmeldungen der Anstalten und ist entscheidend, um die finanzielle Ausstattung sicherzustellen, die für die Erfüllung des verfassungsrechtlichen Funktionsauftrags notwendig ist. Diese Empfehlung dient der Wahrung der Staatsferne des Rundfunks und der Unabhängigkeit der Programminhalte.
Verfassungsrechtliche Bindungen:
Das Bundesverfassungsgericht hat in früheren Urteilen mehrfach klargestellt, dass die Ministerpräsidenten und die Landesparlamente nicht willkürlich von den KEF-Empfehlungen abweichen dürfen. Insbesondere im Urteil von 2007 (das sogenannte Rundfunkgebührenurteil) wurde festgelegt, dass die Politik die KEF-Empfehlungen nur dann ablehnen darf, wenn schwerwiegende Gründe vorliegen, die etwa verfassungsrechtlicher oder haushaltspolitischer Art sein müssen. Der Staat darf nicht aus bloßen politischen Gründen die Beitragshöhe reduzieren, da dies als verfassungswidriger Eingriff in die Rundfunkfreiheit gewertet werden könnte.
Abwägungsrahmen:
Die Ministerpräsidenten können die Empfehlung der KEF daher nicht ohne weiteres ablehnen. Ein “Nein” muss gut begründet sein und darf die verfassungsrechtlichen Prinzipien der Rundfunkfreiheit und Staatsferne nicht verletzen. Weicht die Politik von der KEF-Empfehlung ab, muss dies auf sachlichen Gründen beruhen, die eine besondere Rechtfertigung erfordern, beispielsweise eine Überprüfung der Prognosen der KEF oder finanzielle Belastungen der Bürger. Diese Abweichung muss zudem vor dem Bundesverfassungsgericht Bestand haben, wenn die Anstalten eine Klage einreichen.