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Mehr Schutz vor K.O.-Tropfen: Bundesrat fordert gesetzgeberisches Handeln

Arbeitsrecht – Erbrecht - Schulrecht

Mehr Schutz vor K.O.-Tropfen: Bundesrat fordert gesetzgeberisches Handeln

Tabletten

Mit einer aktuellen Entschließung will der Bundesrat ein deutliches Signal im Kampf gegen die heimliche Verabreichung sogenannter K.O.-Tropfen setzen. Ziel ist es, sowohl präventive als auch strafrechtliche Instrumente zu schärfen, um der steigenden Zahl an Vorfällen effektiver begegnen zu können.

Hintergrund: Strafverfolgung an Grenzen gestoßen

Die Verabreichung von K.O.-Tropfen fällt in den Tatbestand der gefährlichen Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 StGB), oftmals in Tateinheit mit sexuellen Übergriffen (§§ 177 ff. StGB). Dennoch bleibt die Strafverfolgung häufig erfolglos – zum einen mangels Erinnerung der Betroffenen, zum anderen wegen kurzer Nachweisbarkeit vieler Substanzen. Dieses strafprozessuale Defizit soll nun adressiert werden.

Bundesrat fordert eine dreigleisige Strategie

In seiner Entschließung appelliert der Bundesrat an die Bundesregierung, drei zentrale Bereiche weiterzuentwickeln:

  • Prävention und Sensibilisierung: Zielgerichtete Informationskampagnen an typischen Tatorten (z.B. Clubs, Festivals, Universitäten). Adressatengruppe sind insbesondere junge Erwachsene, Veranstaltende und Sicherheitsdienste.

  • Forensische und medizinische Schulung: In medizinischen Einrichtungen – insbesondere Notaufnahmen – sollen klare Handlungsprotokolle zur Beweissicherung bei Verdacht auf K.O.-Tropfen etabliert werden. Dies betrifft etwa die frühzeitige Entnahme toxikologischer Proben und Dokumentation von Symptomen.

  • Regulierung der Substanzen: Der Bundesrat fordert die Prüfung, ob gängige K.O.-Mittel – etwa GHB (γ-Hydroxybuttersäure) oder Benzodiazepine – in die Anlage II oder III des BtMG aufgenommen werden sollten, um ihre Zugänglichkeit zu erschweren und strafrechtlich härter zu sanktionieren.

Rechtliche Einordnung

Aus juristischer Sicht zeigt sich hier ein klassisches Spannungsfeld: Einerseits besteht ein legitimes öffentliches Schutzinteresse, andererseits dürfen Maßnahmen nicht zu einer unverhältnismäßigen Einschränkung rechtstaatlicher Prinzipien führen. Die kriminalpolitische Forderung nach mehr Strafschärfe muss stets mit den Anforderungen an Bestimmtheit, Verhältnismäßigkeit und Rechtsklarheit vereinbar bleiben (Art. 103 Abs. 2 GG).

Zudem sind Änderungen im BtMG regelmäßig mit europarechtlichen Vorgaben abzustimmen, etwa im Rahmen der Verordnung (EG) Nr. 273/2004 über Drogenausgangsstoffe oder im Kontext der EMCDDA-Richtlinien.

Fazit

Der Bundesrat hat mit dieser Entschließung ein juristisch wie gesellschaftlich bedeutsames Thema aufgegriffen. Die hohe Dunkelziffer bei K.O.-Tropfen erfordert entschlossenes staatliches Handeln – sei es durch Aufklärung, forensische Verbesserungen oder normklare Strafrechtsverschärfungen.

In der anwaltlichen Beratung – insbesondere im Straf- und Opferschutzrecht – gewinnt dieses Thema weiter an Relevanz.


K.O.-Tropfen stellen eine ernsthafte Bedrohung für die körperliche Unversehrtheit und Selbstbestimmung dar. Die strafrechtliche Ahndung wird durch medizinische, forensische und kommunikative Hürden erschwert. Prävention, schnelle Beweissicherung und rechtliche Klarheit sind daher unerlässlich – sowohl im Interesse der Opfer als auch der Strafjustiz.

Was sind K.O.-Tropfen und wie wirken sie?

Definition und Begrifflichkeit

„K.O.-Tropfen“ ist ein umgangssprachlicher Sammelbegriff für eine Vielzahl von psychoaktiven Substanzen, die heimlich verabreicht werden, um die Wehr- und Handlungsfähigkeit einer Person herabzusetzen oder vollständig auszuschalten. Im juristischen Kontext handelt es sich regelmäßig um bewusstseinsverändernde Mittel, deren Einsatz Straftatbestände wie gefährliche Körperverletzung, sexuelle Nötigung oder Raub erfüllt.

Der Begriff „Tropfen“ ist irreführend, da die Substanzen in flüssiger, aber auch in Pulver- oder Tablettenform vorkommen können.


Typische Substanzen

Die am häufigsten eingesetzten Wirkstoffe sind:

  • GHB (γ-Hydroxybuttersäure) und sein Vorläufer GBL (γ-Butyrolacton)
    → GHB ist ein zentral dämpfendes Anästhetikum, das auch in der Medizin (z.B. Narkolepsie) verwendet wurde, heute aber weitgehend verboten ist.

  • Benzodiazepine (z.B. Diazepam, Flunitrazepam, Lorazepam)
    → Diese Stoffe sind verschreibungspflichtige Schlaf- und Beruhigungsmittel und unterliegen dem Betäubungsmittelgesetz (BtMG) bzw. dem Arzneimittelgesetz (AMG).

  • Ketamin, Scopolamin oder Alkohol in Kombination mit anderen Wirkstoffen kommen ebenfalls vor, sind aber seltener.


Wirkmechanismus

Die Substanzen wirken zentralnervös dämpfend. Bereits kleine Dosen führen zu:

  • Schläfrigkeit, Benommenheit, Verwirrtheit

  • Koordinations- und Sprachstörungen

  • Kontrollverlust über den eigenen Körper

  • Amnesie (Gedächtnislücken bis hin zu vollständigem Blackout)

  • In hohen Dosen: Bewusstlosigkeit, Atemdepression, Kreislaufversagen

Die Wirkung setzt meist innerhalb von 10–30 Minuten nach Einnahme ein und hält ein bis mehrere Stunden an. Der Missbrauch erfolgt häufig in Kombination mit Alkohol, was die Wirkung verstärkt und schwer kontrollierbar macht.


Erschwerte Nachweisbarkeit

Ein zentrales Problem in der Strafverfolgung ist die kurze Nachweisbarkeit. Beispielsweise:

  • GHB ist im Blut nur etwa 4–8 Stunden, im Urin bis zu 12 Stunden nachweisbar.

  • Benzodiazepine können länger nachgewiesen werden, erfordern aber ein spezifisches toxikologisches Screening.

Eine schnelle medizinische Untersuchung ist daher entscheidend für die Beweissicherung. Wird diese unterlassen, fehlt oft die objektive Grundlage für eine Strafverfolgung.


Strafrechtliche Relevanz

Die Verabreichung von K.O.-Tropfen kann u.a. folgende Delikte erfüllen:

  • § 224 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 StGB (gefährliche Körperverletzung durch Beibringung gesundheitsschädlicher Stoffe oder mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung)

  • § 177 StGB (sexueller Übergriff oder Missbrauch unter Ausnutzung einer widerstandsunfähigen Lage)

  • § 239 StGB (Freiheitsberaubung)

  • § 249 StGB (Raub), wenn die Substanzen zum Zweck der Wegnahme verabreicht werden

Je nach Sachverhalt kann zudem ein Versuch, eine unterlassene Hilfeleistung oder eine Garantenpflichtverletzung (§ 13 StGB) in Betracht kommen.


Ein nicht vollständiger Überblick über psychotrope Substanzen (wie es in der Entschließung des Bundesrates heißt), die das zentrale Nervensystem beeinflussen und dadurch Stimmungen, Wahrnehmungen, Kognition und Verhalten verändern. Sie lassen sich in verschiedene Wirkstoffklassen einteilen – teils medizinisch genutzt, teils illegal verwendet.


Überblick: Psychotrope Substanzen

🔹 1. Depressiva (dämpfende Substanzen)

Wirkung: Sedierung, Angstlösung, Muskelentspannung, Schlafinduktion

Substanzklasse Beispiele Medizinische Anwendung Missbrauchsgefahr
Benzodiazepine Diazepam, Lorazepam, Flunitrazepam Angststörungen, Schlafstörungen Hoch
Barbiturate Phenobarbital, Thiopental Epilepsie, Anästhesie (selten) Hoch
GHB / GBL γ-Hydroxybuttersäure / Butyrolacton (Narkolepsie; selten) Sehr hoch
Alkohol (Ethanol) Sehr hoch

🔹 2. Stimulanzien (anregende Substanzen)

Wirkung: Erhöhte Wachheit, Euphorie, gesteigerte Aktivität

Substanzklasse Beispiele Medizinische Anwendung Missbrauchsgefahr
Amphetamine Amphetamin, Methamphetamin ADHS, Narkolepsie Hoch
Methylphenidat Ritalin ADHS Mittel
Koffein Müdigkeit, Migräneprävention Gering
Kokain Lokalanästhetikum (selten) Sehr hoch
Nikotin Hoch

🔹 3. Halluzinogene (psychedelische Substanzen)

Wirkung: Wahrnehmungsveränderungen, Pseudohalluzinationen, Synästhesien

Substanzklasse Beispiele Medizinische Anwendung Missbrauchsgefahr
Tryptamine LSD, Psilocybin (Magic Mushrooms) Psychotherapie (Forschung) Mittel
Phenethylamine Meskalin, DOM Mittel
Cannabinoide THC (Cannabis) Schmerztherapie, Appetitanregung Hoch (je nach Kontext)
Ketamin Anästhesie, Off-label Depression Mittel bis hoch

🔹 4. Entaktogene / Empathogene

Wirkung: Emotionale Offenheit, Nähegefühl, Euphorie

Substanzklasse Beispiele Medizinische Anwendung Missbrauchsgefahr
MDMA „Ecstasy“ PTSD-Therapie (Forschung/USA) Hoch
MDA / MDEA Hoch

🔹 5. Dissoziativa

Wirkung: Trennung von Bewusstsein und Körper, veränderte Schmerz- und Raumwahrnehmung

Substanzklasse Beispiele Medizinische Anwendung Missbrauchsgefahr
Ketamin Narkose, Depression (off-label) Mittel bis hoch
DXM (Dextromethorphan) Hustenmittel Antitussivum Mittel
**PCP („Angel Dust“) ** Keine Sehr hoch

🔹 6. Antipsychotika (Neuroleptika)

Wirkung: Dämpfung psychotischer Symptome, Sedierung

Substanzklasse Beispiele Medizinische Anwendung Missbrauchsgefahr
Typische Neuroleptika Haloperidol, Chlorpromazin Schizophrenie, Manie Gering
Atypische Neuroleptika Olanzapin, Risperidon Schizophrenie, Bipolare Störung Gering

🔹 7. Antidepressiva

Wirkung: Stimmungsaufhellung, Antriebssteigerung

Substanzklasse Beispiele Medizinische Anwendung Missbrauchsgefahr
SSRI Citalopram, Fluoxetin Depression, Angststörungen Gering
Trizyklika Amitriptylin, Doxepin Depression, chronischer Schmerz Gering bis mittel
MAO-Hemmer Tranylcypromin Atypische Depression Gering

 

Hinweis zur Legalität

Viele psychotrope Substanzen unterliegen in Deutschland dem Betäubungsmittelgesetz (BtMG) oder dem Arzneimittelgesetz (AMG). Besitz, Handel oder Verabreichung ohne medizinische Indikation oder Erlaubnis ist strafbar (vgl. §§ 29 ff. BtMG, § 95 AMG). Auch die Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetzgebung (NpSG) spielt bei sog. „Legal Highs“ eine zunehmende Rolle.

Die Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetzgebung (NpSG) ist ein eigenständiges gesetzliches Regelwerk in Deutschland, das im Jahr 2016 in Kraft trat. Sie dient der Regulierung sogenannter „Legal Highs“, also neuer psychoaktiver Substanzen, die nicht unmittelbar unter das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) fallen, aber ähnliche Wirkungen wie Drogen entfalten – insbesondere durch chemische Modifikation bereits bekannter Wirkstoffe.

Neue psychoaktive Stoffe (engl. New Psychoactive Substances) sind chemische Substanzen, die bewusst so gestaltet werden, dass sie pharmakologisch wirken wie Betäubungsmittel, jedoch rechtlich (zunächst) nicht erfasst sind. Sie treten häufig auf als:

  • Cannabinoid-Derivate („synthetisches Cannabis“)

  • Stimulanzien-Derivate (ähnlich Amphetamin oder Kokain)

  • Halluzinogene-Derivate (z. B. LSD-Analoga)

  • Opioid-Derivate (z. B. Fentanyl-Analoga)

 


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