Umgangsausschluss eines vietnamesischen Vaters

KG Berlin Senat für Familiensachen |
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Entscheidungsdatum: | 12.12.2024 |
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Rechtskraft: | ja |
Aktenzeichen: | 17 UF 135/23 |
Der Beschluss betrifft den vietnamesischen rechtlichen Vater eines 2015 geborenen Kindes, dessen Umgang mit dem Kind vom Familiengericht für vier Jahre ausgeschlossen wurde (§ 1684 Abs. 4 S. 2 BGB). Der Umgangsausschluss wurde aufgrund der besonderen Umstände, einschließlich der rechtlichen Vaterschaft, die im Jahr 2016 anerkannt wurde, verhängt. Laut Angaben der Mutter geschah dies jedoch gegen Geldzahlung im Rahmen eines Scheinvaterarrangements zur aufenthaltsrechtlichen Absicherung.
Zentrale Erwägungen des Gerichts:
Kindeswohlgefährdung: Die Sachverständige stellte fest, dass jeder Umgang – auch begleiteter – mit dem Kind (X) das seelische Wohl erheblich gefährden würde. Das Kind leidet an einem partiellen Fetalen Alkoholsyndrom, Depressionen, Entwicklungsverzögerungen und instabilen familiären Beziehungen. Es bestehen keine Erinnerungen an den rechtlichen Vater.
„Leere Hülle“ der rechtlichen Vaterschaft: Der rechtliche Vater war weder sozial noch biologisch als Vater präsent. Die Vaterschaftsanerkennung diente vermutlich allein aufenthaltsrechtlichen Zwecken. Es bestehen erhebliche Zweifel an der biologischen Vaterschaft.
Keine tragfähige Beziehung: Der Vater zeigte weder konstantes Interesse am Kind noch ausreichende Mitwirkung im Verfahren. Kontakte waren sporadisch und zweckorientiert. Der Kindeswille war neutral bis ablehnend.
Verhältnismäßigkeit des Ausschlusses: Ein Umgang, selbst begleitet, würde die bestehende psychische Belastung des Kindes verschärfen. Der Umgangsausschluss in diesem Fall ist somit gerechtfertigt, da der Vater weder Einsicht noch Bereitschaft zur Integration in die psychosozialen Anforderungen zeigte.
Kein Verstoß gegen das Elternrecht: Der Ausschluss wurde im Rahmen einer verfassungsgemäßen Abwägung getroffen, das Kindeswohl überwiegt das Umgangsinteresse des rechtlichen Vaters eindeutig.
Definition und Vergleich – rechtlicher Vater vs. biologischer Vater im Familienrecht
1. Rechtlicher Vater (§ 1592 BGB)
Der rechtliche Vater ist derjenige Mann, der nach deutschem Recht als Vater des Kindes gilt – unabhängig von der biologischen Abstammung.
Ein Mann ist rechtlicher Vater, wenn:
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er mit der Mutter verheiratet ist (§ 1592 Nr. 1 BGB),
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er die Vaterschaft anerkannt hat (§ 1592 Nr. 2 BGB), oder
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seine Vaterschaft gerichtlich festgestellt wurde (§ 1592 Nr. 3 BGB).
➡️ Rechtsfolgen:
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Elterliche Sorge (ggf. gemeinsam mit der Mutter)
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Umgangsrecht und -pflicht (§ 1684 BGB)
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Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind
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Staatsangehörigkeitsrechtliche Auswirkungen
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Erbrechtliche Stellung
2. Biologischer (leiblicher) Vater
Der biologische Vater ist der genetische Erzeuger des Kindes. Er ist jedoch nicht automatisch auch rechtlicher Vater.
➡️ Rechte nur bei rechtlicher Vaterschaft oder Anerkennung:
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Hat keine rechtlichen Befugnisse gegenüber dem Kind, wenn keine rechtliche Vaterschaft besteht.
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Er kann:
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die Vaterschaft anerkennen, wenn kein anderer Mann rechtlicher Vater ist (§ 1594 BGB), oder
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unter engen Voraussetzungen die Vaterschaft eines Dritten anfechten (§ 1600 BGB), um selbst rechtlicher Vater zu werden.
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➡️ Ist er nicht rechtlicher Vater, hat er kein Umgangsrecht, es sei denn, er kann eine sozial-familiäre Beziehung nachweisen (vgl. BVerfG und § 1686a BGB).
3. Rechte im Vergleich
Merkmal | Rechtlicher Vater | Biologischer Vater (ohne Rechtsstatus) |
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Elterliche Sorge | Ja (ggf. mit Mutter oder allein) | Nein |
Umgangsrecht | Ja (§ 1684 BGB), nur bei Kindeswohlgefährdung ausschließbar | Nein, außer bei sozialer Beziehung (§ 1686a BGB) |
Unterhaltspflicht | Ja | Nein |
Erbrecht Kind → Vater | Ja | Nein |
Anfechtungsrecht | Nur in engen Grenzen | Ja, wenn er der wahre Vater ist (§ 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB) |
Staatsangehörigkeit | Kann Kind erwerben lassen | Keine Auswirkung |
4. Rechtspolitische Bewertung
Das deutsche Recht schützt primär die rechtliche Elternschaft als Grundlage von Rechten und Pflichten. Der biologische Vater wird nur dann berücksichtigt, wenn er entweder seine Vaterschaft anerkennt oder eine rechtliche Beziehung zum Kind aufgebaut hat („soziale Vaterschaft“). Dies dient der Rechtssicherheit und dem Schutz bestehender Familienstrukturen – teils auch auf Kosten biologischer Wahrheit.