Überblick über Recht – Wirtschaft – Politik

Themenübersicht
Erbrecht
Wellenlinie statt Unterschrift – Testament formnichtig
OLG München, Beschluss vom 05.05.2025 – 33 Wx 289 – 24 e
Sachverhalt:
Der verwitwete Erblasser hinterließ mehrere Kinder aus erster Ehe sowie ein außereheliches Kind. Mit seiner zweiten Ehefrau, der Beschwerdeführerin, verfasste er ein Schriftstück, das diese als gemeinschaftliches Testament mit ihr als Alleinerbin wertete. Die Ehefrau schrieb und unterschrieb den Text eigenhändig. Der Erblasser setzte am Ende lediglich eine wolkenähnliche Linie unter das Schriftstück. Das Nachlassgericht verweigerte daraufhin die Erteilung eines Alleinerbscheins, wogegen die Ehefrau Beschwerde einlegte.
Entscheidung:
Das Gericht hielt die Beschwerde für unbegründet, da keine wirksame Unterschrift des Erblassers vorliegt. Eine Unterschrift erfordert zumindest angedeutete Buchstaben oder einen charakteristischen Schriftzug mit Personenbezug. Die vom Erblasser verwendete Linie sei lediglich eine Zeichnung und erfülle diese Voraussetzungen nicht. Auch wenn die Urheberschaft unstrittig sei, könne auf das gesetzlich zwingende Unterschriftserfordernis nicht verzichtet werden. Damit ist das Testament formnichtig und es gilt die gesetzliche Erbfolge.
Arbeitsrecht
Gestohlener Aufenthaltstitel stoppt Rückflug – Kündigung unwirksam
ArbG Herne, Urteil vom 8.05.2025 – 4 Ca 208/25
Sachverhalt:
Der seit 2019 beschäftigte Logistikmitarbeiter versäumte nach einem bewilligten Heimaturlaub in Somalia seine Arbeitsaufnahme ab dem 28.10.2024, weil ihm unmittelbar vor dem Rückflug in Addis Abeba sein Aufenthaltstitel gestohlen wurde. Er zeigte den Diebstahl bei der Flughafenpolizei an, beantragte ein Ersatzvisum bei der deutschen Botschaft und bemühte sich mehrfach telefonisch und per E-Mail, die Arbeitgeberin zu informieren; zudem rief sein Mitbewohner dort an. Die Arbeitgeberin wertete das Fernbleiben als unentschuldigtes Fehlen, mahnte den Kläger zweimal ab und kündigte am 20.01.2025 ordentlich zum 31.03.2025. Am 04.02.2025 kehrte der Mitarbeiter nach Deutschland zurück, bot seine Arbeitskraft an und klagte fristgerecht gegen die Kündigung. Er begehrte Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung und seine Weiterbeschäftigung zu unveränderten Bedingungen.
Entscheidung:
Das Arbeitsgericht stellte fest, dass das Kündigungsschutzgesetz anwendbar ist und der Kläger rechtzeitig Klage erhoben hat. Die Kündigung sei sozial nicht gerechtfertigt, weil dem Kläger die Arbeitsleistung aufgrund des Dokumentenverlusts unverschuldet unmöglich war und ihm daher kein schuldhaftes Verhalten vorgeworfen werden könne. Die Arbeitgeberin habe weder gravierende betriebliche Störungen nachgewiesen noch die fehlende Wiederholungsgefahr widerlegt; zwei Abmahnungen während der Abwesenheit entfalten keine Warnfunktion. Eine Interessenabwägung falle zugunsten des seit mehr als fünf Jahren beanstandungsfrei beschäftigten Klägers aus, zumal er nachweislich versucht habe, Kontakt aufzunehmen. Folglich blieb die Kündigung unwirksam, die Arbeitgeberin muss den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens weiterbeschäftigen und trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Beamtenrecht
BVerwG stoppt BND-Beförderung: Pflicht-Assessment für Führungseignung unzulässig
BVerwG, Beschluss vom 20.05.2025 – 2 Vr 3.25
Sachverhalt:
Der Bundesnachrichtendienst schrieb drei Dienstposten „Sachgebietsleiter A 15“ aus und machte das Bestehen eines eigens eingeführten Führungskräfte-Assessmentcenters zur zwingenden Zulassungsvoraussetzung. Ein Oberregierungsrat A 14, der einen der Posten seit 2022 kommissarisch leitete und in seiner letzten Regelbeurteilung Spitzennoten, auch bei den Führungsmerkmalen, erhalten hatte, scheiterte in diesem Assessment und wurde deshalb vom weiteren Auswahlverfahren ausgeschlossen. Daraufhin erhob er Widerspruch und beantragte einstweiligen Rechtsschutz, weil die Vorgabe seine Chancen nach Art. 33 Abs. 2 GG unzulässig beschneide. Er rügte insbesondere, dass das Assessment seine dienstlichen Bestnoten ignoriere und ohne Rechtsgrundlage an die Stelle der Beurteilungen trete. Das Bundesverwaltungsgericht gab dem Eilantrag statt und untersagte dem BND vorläufig, die Stellen mit den ausgewählten Mitbewerbern zu besetzen.
Entscheidung:
Das Gericht stellte klar, dass zwingende Anforderungen in Stellenausschreibungen nur zulässig sind, wenn sie anhand objektiv überprüfbarer Kriterien feststellbar sind und keinem Wertungsspielraum des Dienstherrn unterliegen; Führungseignung gehöre nicht dazu. Die erfolgreiche Teilnahme an einem Assessmentcenter dürfe daher nicht als Vorauswahlkriterium verwendet werden, weil sie die prognostische Vergleichsbewertung der Bewerber ersetze statt sie zu ergänzen. § 33 BLV biete hierfür keine Grundlage, da die dienstlichen Beurteilungen bereits aussagekräftige Führungsbewertungen enthielten und ein ergänzendes Instrument nur zulässig wäre, wenn diese ersichtlich lückenhaft wären. Zudem sei das Assessment fehlerhaft organisiert: Die stimmberechtigte Mitwirkung einer externen Psychologin verletze das Zuständigkeitsprinzip, und die Delegation wahre nicht den notwendigen Zusammenhang mit den dienstlichen Beurteilungen. Da der Antragsteller bei rechtskonformer Auswahl ernsthafte Chancen auf einen der Dienstposten habe, durfte der BND die Positionen bis zu einer neuen Entscheidung nicht endgültig besetzen; die Kosten des Verfahrens trägt die Behörde.
Schulrecht
Kein Unterricht ohne Leitung? Verwaltungsgericht zwingt Land zu Neubescheidung für Schulleiter
VG Freiburg, Urteil vom 1.04.2025 – 3 K 3727/23
Sachverhalt:
Ein Gymnasialschulleiter in Baden-Württemberg beantragte, wegen umfangreicher Personalratsmandate vollständig von seiner Mindestunterrichtsverpflichtung von vier Wochenstunden befreit zu werden. Durch 14 Anrechnungsstunden für den Haupt- und neun Stunden für den Bezirkspersonalrat blieben ihm faktisch keine Stunden mehr für Leitungsaufgaben. Das Regierungspräsidium lehnte den Antrag ab und verwies darauf, der Kläger solle Aufgaben an sein Leitungsteam delegieren, Unterricht bleibe „elementar“. Nach erfolglosem Widerspruch erhob der Schulleiter Klage und erweiterte sie auf das Folgeschuljahr, weil sich seine Gesamtsituation weiter verschärft habe. Er machte geltend, die Ablehnung verhindere eine ordnungsgemäße Schulführung und verletze ihn in seinen Rechten aus Art. 3 GG sowie der beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht.
Entscheidung:
Das Gericht stellte klar, dass die Zustimmung zur Befreiung kein Verwaltungsakt, sondern eine innerorganisatorische Maßnahme ist, über die das Regierungspräsidium jedoch ermessensfehlerfrei entscheiden muss. Dem Dienstherrn stehe zwar ein weiter Organisationsspielraum zu, dieser sei aber überschritten, wenn einem Schulleiter nach allen Freistellungen überhaupt keine Leitungszeit mehr verbleibe. Ein solcher „Schulleiter nur auf dem Papier“ widerspreche dem gesetzlichen Leitbild des unterrichtenden und gleichzeitig leitenden Schulleiters (§§ 39, 41 SchG BW). Die blankette Ablehnung ohne Prüfung, ob und wie Leitungs- und Unterrichtsaufgaben noch erfüllt werden können, sei daher offensichtlich willkürlich. Das Schreiben des Regierungspräsidiums wurde aufgehoben; die Behörde muss unter Beachtung dieser Rechtsauffassung neu über den Befreiungsantrag entscheiden.
News diese Woche:
Darum wurde das „Compact“-Verbot aufgehoben
Das Bundesverwaltungsgericht hat das Verbot des rechtsextremen Magazins „Compact“ durch das Bundesinnenministerium für rechtswidrig erklärt, da die Voraussetzungen für ein Vereinsverbot nicht erfüllt seien. Zwar enthält das Magazin zahlreiche verfassungsfeindliche Aussagen, insbesondere zu Migration und Islam, jedoch fehlt diesen Äußerungen laut Gericht eine „prägende Wirkung“, die ein Verbot rechtfertigen würde. Die Anwendung des Vereinsrechts auf Medienunternehmen sei grundsätzlich möglich, dürfe jedoch die durch Art. 5 GG geschützte Meinungs- und Pressefreiheit nicht unterlaufen. In der Gesamtwürdigung blieben viele Aussagen – trotz ihrer Zuspitzung – noch im Rahmen zulässiger Kritik an staatlicher Politik. Das Urteil stellt somit kein Grundsatzverbot von Medien über das Vereinsrecht in Frage, markiert aber einen engen Maßstab für dessen Anwendung im Einzelfall.