Überblick über Recht – Wirtschaft – Politik

Themenübersicht
Erbrecht
Pflichtteil eingefordert – Erbe verloren: Wann eine Strafklausel im Testament wirklich greift
OLG Zweibrücken, Beschluss vom 9.07.2025 – 8 W 56/24
Sachverhalt:
Zwei Geschwister waren im gemeinschaftlichen Testament ihrer Eltern als Schlusserben eingesetzt, wobei eine Pflichtteilsstrafklausel für den Fall der Geltendmachung des Pflichtteils „gegen den Willen“ des überlebenden Ehegatten vorgesehen war. Nach dem Tod des Vaters verlangte die Tochter anwaltlich Auskunft über den Nachlass und erhielt im Anschluss ihren Pflichtteil. Die Mutter als überlebende Ehefrau erkannte den Anspruch an und zahlte den Pflichtteil aus. Nach deren Tod beantragte der Sohn einen Alleinerbschein unter Berufung auf die Pflichtteilsstrafklausel. Die Tochter widersprach dem mit der Begründung, ein entgegenstehender Wille der Mutter sei nie geäußert worden.
Entscheidung:
Das Gericht stellte klar, dass eine konfrontative Geltendmachung des Pflichtteils ohne vorherige Abstimmung regelmäßig als „gegen den Willen“ des überlebenden Ehegatten gilt – selbst ohne ausdrückliche Ablehnung durch diesen. Ziel solcher Klauseln sei es, den überlebenden Ehegatten vor Belastungen durch Pflichtteilsansprüche zu schützen. Es komme daher nicht auf das Verhalten des Erben, sondern auf die Art des Vorgehens des Pflichtteilsberechtigten an. Die anwaltliche Durchsetzung ohne Einvernehmen spreche für ein konfliktträchtiges Verhalten, das die Strafklausel auslöst. Die Tochter wurde daher mit ihrem gesamten Stamm von der Erbfolge nach der Mutter ausgeschlossen.
Arbeitsrecht
EU-Gericht stärkt Rechte von Vertretungslehrkräften – Weiterbildungszuschuss darf nicht an Vertragsdauer gekoppelt werden
EuGH, Urteil vom 3.07.2025 – C 268/24
Sachverhalt:
Eine italienische Lehrkraft auf Zeitvertretungsbasis beantragte einen staatlichen Weiterbildungszuschuss in Form einer 500-Euro-Karte, der jedoch aufgrund ihrer nur kurzzeitigen Beschäftigung verweigert wurde. Der Zuschuss wird in Italien regulär an festangestellte und für das gesamte Schuljahr tätige Vertretungskräfte ausgegeben. Die Klägerin hatte im betreffenden Schuljahr zwar keine durchgängige Anstellung, aber mehrere Vertretungen an verschiedenen Schulen übernommen. Sie klagte vor dem italienischen Gericht und verwies auf die unionsrechtlichen Diskriminierungsverbote. Dieses legte dem EuGH die Frage vor, ob die Ungleichbehandlung mit EU-Recht vereinbar sei.
Entscheidung:
Der EuGH stellte klar, dass auch kurzzeitig befristet angestellte Lehrkräfte nicht schlechter behandelt werden dürfen als unbefristet Beschäftigte, wenn sie vergleichbare Aufgaben erfüllen. Die Arbeitsdauer allein sei kein sachlicher Grund für eine Benachteiligung bei arbeitsbezogenen Vorteilen wie dem Weiterbildungszuschuss. Kurzzeitvertretungen erfüllten die gleichen pädagogischen Aufgaben und hätten dieselben Fortbildungspflichten wie festangestellte Lehrkräfte. Der Ausschluss solcher Vertretungskräfte von der Zuschussgewährung sei daher diskriminierend und verstoße gegen die EU-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverhältnisse. Haushaltsgründe oder organisatorische Erwägungen reichten nicht aus, um die Ungleichbehandlung zu rechtfertigen.
Beamtenrecht
Keine Entfernung auf Verdacht – Gericht stoppt vorläufige Suspendierung eines Beamten trotz Disziplinarverfahren
OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 7.07.2025 – OVG 80 S 1/25
Sachverhalt:
Ein Beamter war durch ein erstinstanzliches Urteil wegen dienstlicher Verfehlungen lediglich in ein niedrigeres Amt zurückgestuft worden. Die Disziplinarbehörde beantragte dennoch seine vorläufige Dienstenthebung mit der Begründung, dass im Berufungsverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt werde. Grundlage für diesen Antrag war § 38 Disziplinargesetz, der eine solche Maßnahme nur erlaubt, wenn die disziplinarrechtliche Höchstmaßnahme mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. Das Verwaltungsgericht lehnte die Suspendierung ab, da die Voraussetzungen nicht vorlägen, und verwies auf das noch nicht rechtskräftige Rückstufungsurteil. Die Behörde legte Beschwerde ein und verwies auf eine umfassende Indizienlage, blieb damit aber erfolglos.
Entscheidung:
Das Oberverwaltungsgericht bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz und betonte, dass eine vorläufige Dienstenthebung nur zulässig ist, wenn mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis zu erwarten ist. Dies sei hier nicht der Fall, da bereits ein erstinstanzliches Urteil lediglich eine Rückstufung ausgesprochen habe. Die vorgetragenen Zweifel der Behörde an der Richtigkeit dieses Urteils genügten nicht, um die Maßnahme zu rechtfertigen. Vielmehr sei bei der rechtlichen Prüfung bereits ausreichend, wenn der Erfolg des Rechtsbehelfs ebenso wenig auszuschließen sei wie sein Misserfolg. Da gewichtige Gegenargumente zur Entfernung aus dem Dienst vorlägen, fehle es an der für eine Suspendierung erforderlichen Prognosesicherheit.
News diese Woche:
Malu Dreyer durfte zu Demo „gegen Rechts“ aufrufen
Die AfD scheiterte vor dem Bundesverfassungsgericht mit ihrer Verfassungsbeschwerde gegen Äußerungen der ehemaligen rheinland-pfälzischen Ministerpräsidentin Malu Dreyer, die sich kritisch zur AfD geäußert hatte. Dreyer hatte 2024 über offizielle Kanäle zu einer Demonstration gegen Rechts aufgerufen und der AfD vorgeworfen, unter dem Begriff „Remigration“ Deportationspläne zu verfolgen. Der Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz sah zwar eine Verletzung des Neutralitätsgebots, hielt Dreyers Aussagen aber für gerechtfertigt, da sie dem Schutz der freiheitlich-demokratischen Grundordnung dienten. Das Bundesverfassungsgericht erklärte die Verfassungsbeschwerde der AfD für unzulässig, da kein rügefähiges Bundesgrundrecht betroffen sei. Es stellte zudem klar, dass es in landesverfassungsrechtlichen Organstreitigkeiten keine übergeordnete Instanz gegenüber den Landesverfassungsgerichten ist.