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Überblick über Recht – Wirtschaft – Politik

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Erbrecht

Beim Nachlassverzeichnis gilt die Nachforschungspflicht nicht unbegrenzt 

BGH Beschluss. 7. März 2024 – I ZB 40/23 

 

Sachverhalt: 

Zwei Enkelinnen beanspruchen ihren Pflichtteil vom Nachlass ihrer Großmutter, die 2010 verstorben ist. Die Mutter der Enkelinnen ist bereits vorher verstorben. Die Schuldnerin, eine weitere Tochter der Großmutter, wurde als Alleinerbin eingesetzt und hat den Enkelinnen eine Immobilie in Österreich vererbt. Die Enkelinnen haben die Schuldnerin auf Auskunft und Zahlung verklagt, da sie glauben, Anspruch auf ihren Pflichtteil zu haben. Das Amtsgericht hat einen Teil der Klage abgewiesen, aber die Schuldnerin zur Auskunft über den Nachlass verurteilt. Die Schuldnerin hat Auskunft über den Nachlass erteilt, aber die Enkelinnen halten diese für unzureichend und haben Zwangsvollstreckung betrieben. Obwohl das Amtsgericht die Zwangsvollstreckung abgewiesen hat, haben die Enkelinnen weiterhin versucht, Zwangsmittel gegen die Schuldnerin durchzusetzen. Das Beschwerdegericht hat die sofortige Beschwerde der Enkelinnen als unbegründet abgewiesen und festgestellt, dass die Schuldnerin ihren Auskunftspflichten nachgekommen sei. 
 
Entscheidung: 
 

Zusammenfassend hat das Beschwerdegericht festgestellt, dass der angefochtene Beschluss den Anforderungen des Verfahrensrechts genügt und dass die Schuldnerin die titulierte Verpflichtung zur Auskunftserteilung ordnungsgemäß erfüllt hat, weshalb der Zwangsgeldantrag der Gläubigerinnen unbegründet ist. 

Die Schuldnerin hat ihrer Auskunftspflicht dadurch genügt, dass sie ein notarielles Nachlassverzeichnis vorgelegt hat. Gemäß § 2314 Abs. 1 Satz 1 BGB ist der Erbe verpflichtet, auf Verlangen über den Bestand des Nachlasses Auskunft zu erteilen. Nach § 2314 Abs. 1 Satz 2 BGB kann der Pflichtteilsberechtigte verlangen, dass er bei der Aufnahme des Nachlassverzeichnisses zugezogen wird, und nach § 2314 Abs. 1 Satz 3 BGB kann er verlangen, dass das Verzeichnis durch einen Notar aufgenommen wird. 

Ein notarielles Nachlassverzeichnis bietet eine größere Gewähr für Vollständigkeit und Richtigkeit als ein privates Verzeichnis des Erben. Der Notar muss den Bestand des Nachlasses selbst ermitteln und durch Bestätigung des Verzeichnisses als von ihm aufgenommen verantworten. Er ist nicht nur darauf beschränkt, die Angaben des Auskunftspflichtigen wiederzugeben, sondern muss auch eigene Nachforschungen anstellen, um das Verzeichnis vollständig zu gestalten. 

Im vorliegenden Fall hat die Schuldnerin ein notarielles Nachlassverzeichnis vorgelegt, das den Anforderungen entspricht. Der Notar hat offensichtlich die erforderlichen Nachforschungen angestellt, um den Bestand des Nachlasses umfassend festzuhalten. Da das Verzeichnis ordnungsgemäß aufgenommen wurde und keine Anhaltspunkte für Unvollständigkeit vorliegen, hat die Schuldnerin ihrer Auskunftspflicht gemäß § 2314 BGB vollständig genügt. 

Arbeitsrecht 

Rückgruppierung auch unter Vertrauensschutzgesichtspunkten u.U. zulässig. 

BAG, 13. Dezember 2023 – 4 AZR 322/22 

 

Rückgruppierung im Tarifrecht trotz begrenztem Vertrauensschutz möglich 

 

Sachverhalt: 
Die Klägerin und die Beklagte streiten darüber, wie die Klägerin gemäß Tarifvertrag eingestuft werden soll. Die Klägerin arbeitet seit Februar 2016 als Ergotherapeutin in Kliniken der Neurologie und Akutgeriatrie. Zunächst hatte sie einen befristeten Vertrag in Entgeltgruppe E 8. Später wurde sie unbefristet in Entgeltgruppe 9b eingestuft, dann jedoch rückwirkend in Entgeltgruppe 9a herabgestuft. Die Klägerin argumentiert, dass sie weiterhin in Entgeltgruppe 9b eingestuft werden sollte, da sie überwiegend mit Patienten mit Demenz arbeitet, auch wenn diese nicht immer zum Zeitpunkt der Behandlung diagnostiziert sind. Die Beklagte hält die Herabstufung für gerechtfertigt, da die Klägerin nicht mindestens die Hälfte ihrer Arbeitszeit mit Patienten mit gesicherter Demenzdiagnose arbeitet. Das Arbeitsgericht wies die Klage ab, aber das Landesarbeitsgericht gab der Klage statt. Die Beklagte legte Revision ein. 

Entscheidung: 
Das Berufungsgericht hat die Revision der Beklagten begründet und das Berufungsurteil aufgehoben, da es an den erforderlichen Feststellungen für die Klage mangelte. Die Klage wurde als allgemein übliche Eingruppierungsfeststellungsklage nach § 256 Abs. 1 ZPO zugelassen, da ein Feststellungsinteresse bestand. Es wurde festgestellt, dass die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Klägerin sei ab dem 1. Juli 2019 weiterhin nach Entgeltgruppe 9b Stufe 3 TVöD/VKA zu vergüten, nicht frei von Rechtsfehlern war. 

Es wurde zwischen zwei Fallgestaltungen unterschieden, die den Vertrauensschutz in die Richtigkeit der Eingruppierung betreffen: einer “begrenzten Vertrauensschutz” und einem “gesteigerten Vertrauensschutz”. Im vorliegenden Fall wurde entschieden, dass die Arbeitnehmerin nicht darauf vertrauen konnte, dass die Arbeitgeberin die Eingruppierung bereits überprüft hatte. Die Zuordnung der Klägerin zur höheren Entgeltgruppe 9b TVöD/VKA basierte auf einem neuen Tätigkeitsmerkmal der Entgeltordnung und nicht auf einer Überprüfung und anschließenden Korrektur einer als fehlerhaft erachteten vormaligen Eingruppierung. 

Es konnte keine treuwidrige Handlung seitens der Beklagten festgestellt werden, die eine korrigierende Rückgruppierung unzulässig gemacht hätte. Auch die mögliche Verletzung eines Mitbestimmungsrechts bei der Eingruppierung wurde als für den Vergütungsanspruch unerheblich angesehen. 

Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts wurde aufgehoben und die Sache zur erneuten Prüfung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen, da es noch an Feststellungen zu den konkreten Aufgaben der Klägerin und der Arbeitsorganisation fehlte, um abschließend über ihren Vergütungsanspruch entscheiden zu können. Außerdem wurde festgestellt, dass eine Ergotherapie bei Patientinnen oder Patienten mit Demenz voraussetzt, dass die Demenz im Zeitpunkt der Behandlung ärztlich diagnostiziert ist. 

Beamtenrecht

Anordnung einer Untersuchung zur Feststellung von Dienstfähigkeit nicht immer zulässig 

 

VG Düsseldorf, Beschluss vom 27.02.2024 – 26 L 3246/23 

 

Sachverhalt: 

In dieser Entscheidung ging es darum, ob einer Antragsgegnerin im Rahmen eines einstweiligen Anordnungsverfahrens untersagt werden sollte, den Antragsteller aufgrund einer Untersuchungsanordnung zur Überprüfung der allgemeinen Dienstunfähigkeit amtsärztlich untersuchen zu lassen. Der Antrag hatte Erfolg. Das Gericht erklärte den Antrag für zulässig und begründet. 

Entscheidung: 

Das Gericht stellte fest, dass die Voraussetzungen für eine einstweilige Anordnung gemäß § 123 VwGO vorlagen, da sowohl ein Anordnungsgrund als auch ein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht wurden. Der Anordnungsgrund wurde durch die annullierte Untersuchungseinladung des Gesundheitsamts und die drohende Durchführung der Untersuchung nach Abschluss des Eilverfahrens glaubhaft gemacht. Der Anordnungsanspruch ergab sich daraus, dass die Untersuchungsanordnung rechtliche Bedenken aufwies. Insbesondere wurde in Frage gestellt, ob die Anordnung angesichts der vorliegenden Informationen über die Erkrankung des Antragstellers und das Fehlen weiterer gesundheitlicher Probleme rechtswidrig war. Es wurde argumentiert, dass die Untersuchungsanordnung zu breit gefasst war und nicht hinreichend auf die spezifische Situation des Antragstellers einging. 

Das Gericht betonte, dass die Anforderungen an die Untersuchungsanordnung im vorliegenden Fall nicht erfüllt waren. Insbesondere wurde kritisiert, dass der Dienstherr nicht genügend Informationen über die Erkrankung des Antragstellers hatte, um den Umfang der ärztlichen Untersuchung angemessen festzulegen. Obwohl der Dienstherr über belastbare Informationen zur Erkrankung des Antragstellers verfügte, hätte er den Umfang der Untersuchung einschränken müssen, was nicht erfolgte. 

Die Entscheidung wurde zugunsten des Antragstellers getroffen, und die Antragsgegnerin wurde daran gehindert, die amtsärztliche Untersuchung durchzuführen, bis im Hauptverfahren eine endgültige Entscheidung getroffen wurde. 

Schulrecht

OVG bestätigt Pflicht zur Vorlage eines Masernimmunitätsnachweises für schulpflichtige Kinder  

 

OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 1. März 2024 – OVG 1 S 94/23 

 

Hinweis: Die folgende Darstellung entstammt der Pressemitteilung, da der Beschluss aufgrund von Wartungsarbeiten der Datenbankbetreiber in Berlin Brandenburg nicht abrufbar war.  

Sachverhalt: 

Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat in mehreren Eilverfahren die Beschwerden von Eltern schulpflichtiger Kinder gegen Entscheidungen des Verwaltungsgerichts Berlin zurückgewiesen, wonach Gesundheitsämter für den Schulbesuch den Nachweis einer Impfung oder Immunität gegen Masern fordern dürfen, sofern keine Kontraindikation besteht. Für den Fall, dass der Nachweis nicht vorgelegt wird, kann auch ein Zwangsgeld angedroht werden. 

Entscheidung:  

Das Gericht hat ausgeführt, die Bestimmungen des Infektionsschutzgesetzes zur Nachweispflicht seien angesichts der hochansteckenden Viruskrankheit mit möglicherweise schwerwiegenden Komplikationen nicht offenkundig verfassungswidrig. Zwar greife die Nachweispflicht in das Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 des Grundgesetzes ein. Die Regelung sei aber verhältnismäßig, weil sie – wie das Bundesverfassungsgericht bereits zur Nachweispflicht bei noch nicht schulpflichtigen Kindern entschieden habe (Beschluss v. 21.7.2022 – 1 BvR 469/20 u.a. -) einen legitimen Zweck verfolge und nicht außer Verhältnis zur Schwere des Eingriffs stehe. Der Gesetzgeber des Masernschutzgesetzes sei von einer grundsätzlich bestehenden „Impfpflicht“ bzw. „verpflichtenden Impfung“ ausgegangen. Er habe lediglich von deren Durchsetzung im Wege des unmittelbaren Zwangs abgesehen. Andere Zwangsmittel wie Zwangsgeld und Geldbuße seien hingegen vorgesehen, um eine tatsächliche Erhöhung der Impfquote in Schulen und sonstigen Gemeinschaftseinrichtungen – und damit letztlich in der gesamten Bevölkerung – zu erreichen. 

News:

Gericht muss über Mehrklassenbildung am HHG entscheiden  

Mettmann_Schulrecht (Pressemitteilung der Kreisstadt Mettmann, NRW) 

 

Das Bundesverwaltungsgericht wird am Donnerstag über Klagen von Umweltverbänden gegen die Anbindungsleitung des Rügener Flüssigerdgas-Terminals entscheiden. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) und der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) fordern die Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses vom August 2023. Das Verfahren betrifft auch die Gasversorgungslage Deutschlands und die Frage der Rechtmäßigkeit des LNG-Beschleunigungsgesetzes. Kritiker argumentieren, dass das Terminal überflüssig sei und der Umwelt schade, während der Bund es zur Sicherung der Energieversorgung verteidigt. Obwohl die Leitung bereits fertiggestellt ist und Probebetrieb stattfindet, ist noch nicht das letzte Wort im Zusammenhang mit dem Terminal gesprochen, da weitere Klagen gegen den Regelbetrieb anstehen. 

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