Warum gibt es in Deutschland immer weniger Adoptionen?

Im Jahr 2022 wurden in Deutschland insgesamt rund 207.000 junge Menschen außerhalb ihrer Herkunftsfamilien betreut, davon etwa 121.000 in Heimen und rund 86.000 in Pflegefamilien. Etwa 27 % dieser jungen Menschen waren jünger als 10 Jahre, was ungefähr 56.000 Kindern entspricht. Detailliertere Altersangaben, insbesondere für Kinder unter 6 Jahren, sind in den verfügbaren Statistiken nicht explizit ausgewiesen. Allerdings ist bekannt, dass jüngere Kinder bis zu einem Alter von 10 Jahren häufiger in Pflegefamilien untergebracht werden, während ab dem 11. Lebensjahr die Betreuung in Heimen überwiegt. destatis.de
Damit stellt sich die Frage, warum Kinder in Heimen oder Pflegefamilien aufwachsen müssen und nicht adoptiert werden?
Rückgang der Adoptionen in Deutschland
Im Jahr 2023 wurden in Deutschland insgesamt 3.601 Kinder adoptiert, was den niedrigsten Stand seit der Wiedervereinigung darstellt. Von diesen Adoptionen erfolgten 73 % durch Stiefmütter oder -väter, 24 % durch verschiedengeschlechtliche oder gleichgeschlechtliche Paare und 3 % durch sonstige verwandte oder nicht verwandte Einzelpersonen. destatis.de
Die Zahl der Adoptionen ist seit den 1970er Jahren, als sie über 10.000 lag, kontinuierlich gesunken. Im Jahr 1989 wurden etwa 7.100 Kinder adoptiert, während es 2022 nur noch 3.800 waren. zdf.de
Ein Grund für den Rückgang der Adoptionen ist die abnehmende Bereitschaft von Eltern, ihre Kinder zur Adoption freizugeben. Stattdessen entscheiden sich viele dafür, ihre Kinder in Pflegefamilien unterzubringen, um die rechtliche Bindung aufrechtzuerhalten. Zudem hat die fortschreitende Reproduktionsmedizin Paaren ermöglicht, ihren Kinderwunsch auf anderem Wege zu erfüllen.
Im Jahr 2023 standen 902 für eine Adoption vorgemerkte Kinder 4.007 Adoptionsbewerbungen gegenüber, was bedeutet, dass rechnerisch auf jedes vorgemerkte Kind etwa vier potenzielle Adoptivfamilien kamen. destatis.de
Die Mehrheit der adoptierten Kinder war zum Zeitpunkt der Adoption jünger als drei Jahre. Im Jahr 2023 wurden 573 Jungen und 543 Mädchen im Alter von einem bis unter drei Jahren adoptiert. de.statista.com
Die Zahl der Adoptionen in Deutschland ist somit seit Jahrzehnten rückläufig, wobei insbesondere die Fremdadoptionen durch nicht verwandte Personen abgenommen haben. Gleichzeitig ist der Anteil der Stiefkindadoptionen gestiegen, was auf veränderte familiäre Strukturen und gesellschaftliche Einstellungen hinweist.
Rechtlicher Rahmen für Adoptionen
In Deutschland können Eltern grundsätzlich nicht gegen ihren Willen gezwungen werden, ihr Kind zur Adoption freizugeben. Das Elternrecht ist durch Artikel 6 des Grundgesetzes (GG) besonders geschützt. Es gibt jedoch einige Ausnahmefälle, in denen das Sorgerecht dauerhaft entzogen und in sehr seltenen Fällen auch eine Adoption ohne Zustimmung der Eltern angeordnet werden kann.
1. Zwangsadoption in Deutschland?
Eine klassische „Zwangsadoption“ gibt es in Deutschland nicht, da die Zustimmung der Eltern zur Adoption grundsätzlich erforderlich ist (§ 1747 Abs. 1 BGB). Allerdings kann das Familiengericht unter bestimmten Umständen die elterliche Sorge entziehen und in Ausnahmefällen eine Adoption auch gegen den Willen der Eltern ermöglichen.
2. Fälle, in denen Eltern das Sorgerecht entzogen werden kann
Eltern können das Sorgerecht verlieren, wenn das Wohl des Kindes gefährdet ist und sie nicht bereit oder in der Lage sind, diese Gefahr abzuwenden. Dies geschieht gemäß § 1666 BGB, wenn das Familiengericht eine sogenannte Kindeswohlgefährdung feststellt. Typische Gründe für einen Sorgerechtsentzug sind:
- Schwere Vernachlässigung (z. B. keine ausreichende Versorgung mit Nahrung, Kleidung, Bildung oder medizinischer Betreuung)
- Misshandlung oder Missbrauch des Kindes
- Chronische Überforderung der Eltern (z. B. durch Suchtprobleme, psychische Erkrankungen oder völliges Desinteresse am Kind)
- Gefährdung durch das elterliche Umfeld (z. B. Gewalt in der Familie oder kriminelles Umfeld)
In diesen Fällen kann das Jugendamt das Kind in staatliche Obhut (Pflegefamilie oder Heim) nehmen und beim Familiengericht den vollständigen Sorgerechtsentzug beantragen.
3. Dauerhafte Unterbringung in Pflegefamilien und Heim – reicht das für eine Adoption?
Wenn ein Kind über längere Zeit in Pflegefamilien oder Heimen lebt und die Eltern dauerhaft kein Interesse zeigen oder nicht in der Lage sind, eine stabile Erziehung zu gewährleisten, kann das Familiengericht entscheiden, dass die Eltern keine Bindung mehr zum Kind haben und daher die Adoption auch gegen ihren Willen ausnahmsweise zulässig ist.
Das ist möglich nach § 1748 BGB, wenn:
- Die Eltern ihre Pflichten grob verletzen und kein Interesse am Kind zeigen.
- Sie über längere Zeit (in der Regel mehrere Jahre) keinerlei Beziehung zum Kind aufrechterhalten.
- Das Kind eine neue, stabile Bindung zu Pflegeeltern aufgebaut hat.
In diesen Fällen kann das Gericht die elterliche Zustimmung ersetzen, wenn das Kind dadurch eine bessere Zukunftsperspektive erhält.
4. Adoptionsfreigabe durch das Familiengericht
Das Familiengericht prüft bei einer Adoption gegen den Willen der Eltern sehr streng:
- Das Kind muss über Jahre in der Pflegefamilie leben, ohne dass die Eltern aktiv Kontakt halten.
- Eine Rückkehr zu den leiblichen Eltern muss unrealistisch oder schädlich für das Kind sein.
- Die Pflegeeltern müssen bereit sein, das Kind zu adoptieren.
Falls diese Voraussetzungen erfüllt sind, kann das Gericht die Adoption ohne Zustimmung der leiblichen Eltern anordnen. Solche Fälle sind jedoch extrem selten.
Eine Adoption gegen den Willen der Eltern ist in Deutschland nur in Ausnahmefällen möglich. Die alleinige Tatsache, dass Eltern ihr Kind über längere Zeit in Pflegefamilien oder Heimen unterbringen, reicht in der Regel nicht aus, um eine Adoption gegen ihren Willen durchzusetzen. Erst wenn die Eltern über lange Zeit kein Interesse mehr zeigen und das Kind eine feste Bindung an die Pflegefamilie aufgebaut hat, kann das Gericht eine Adoption ohne Zustimmung der Eltern genehmigen.
Adoption in anderen Ländern im Vergleich
In Deutschland steht das Kindeswohl im Zentrum aller Entscheidungen im Familienrecht. Das Elternrecht ist zwar durch Artikel 6 des Grundgesetzes (GG) geschützt, jedoch als sogenanntes dienendes Grundrecht ausgestaltet, das primär dem Wohl des Kindes dient. Bei einer Gefährdung des Kindeswohls kann der Staat daher in das Elternrecht eingreifen und Maßnahmen zum Schutz des Kindes ergreifen.
In anderen europäischen Ländern, insbesondere in Skandinavien, wird ebenfalls großer Wert auf den Schutz des Kindeswohls gelegt. In Norwegen beispielsweise kann der Staat Kinder aus ihren Familien nehmen, wenn das Kindeswohl ernsthaft gefährdet ist. Allerdings ist die zwangsweise Adoption gegen den Willen der Eltern ein äußerst seltener und umstrittener Schritt. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat in der Vergangenheit Norwegen für solche Praktiken kritisiert und betont, dass die zwangsweise Adoption einen irreversiblen und extremen Eingriff in das Recht auf Familienleben darstellt, der nur in Ausnahmefällen gerechtfertigt sein kann. ief.at
In Schweden ist die Zustimmung der sorgeberechtigten Elternteile für eine Adoption grundsätzlich erforderlich. Eine Ausnahme besteht, wenn der Elternteil seine Pflichten grob verletzt oder kein Interesse am Kind zeigt. haufe.de
Insgesamt zeigt sich, dass sowohl in Deutschland als auch in skandinavischen Ländern das Kindeswohl oberste Priorität hat. Eingriffe in das Elternrecht, wie etwa die zwangsweise Adoption, werden nur in Ausnahmefällen und unter strikter Beachtung rechtlicher Vorgaben vorgenommen, um das Wohl des Kindes zu gewährleisten.
Entgelte für die Pflege von Kindern
In Deutschland erhalten Pflegefamilien für die Aufnahme von Pflegekindern ein monatliches Pflegegeld, das vom zuständigen Jugendamt gezahlt wird. Dieses Pflegegeld setzt sich aus zwei Hauptkomponenten zusammen:
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Materielle Aufwendungen: Dieser Betrag deckt die Kosten für Ernährung, Unterkunft, Bekleidung, Schulbedarf und Taschengeld des Pflegekindes.
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Kosten der Pflege und Erziehung: Dies ist eine Anerkennung für den erzieherischen Einsatz der Pflegeeltern.
Die Höhe des Pflegegeldes variiert je nach Bundesland und Alter des Kindes. Beispielsweise gelten in Nordrhein-Westfalen seit dem 1. Januar 2024 folgende monatliche Sätze:
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Kinder bis zum vollendeten 6. Lebensjahr:
- Materielle Aufwendungen: 731 €
- Kosten der Pflege und Erziehung: 420 €
- Gesamtbetrag: 1.151 €
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Kinder vom 7. bis zum vollendeten 12. Lebensjahr:
- Materielle Aufwendungen: 864 €
- Kosten der Pflege und Erziehung: 420 €
- Gesamtbetrag: 1.284 €
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Jugendliche ab dem 13. Lebensjahr:
- Materielle Aufwendungen: 1.025 €
- Kosten der Pflege und Erziehung: 420 €
- Gesamtbetrag: 1.445 €
Es ist wichtig zu beachten, dass das Kindergeld in der Regel auf das Pflegegeld angerechnet wird. Bei Pflegekindern wird häufig die Hälfte des Kindergeldes vom Pflegegeld abgezogen. Seit dem 1. Januar 2023 beträgt das Kindergeld 250 € pro Monat, sodass ein Abzug von 125 € erfolgt. kreis-warendorf.de
Für Pflegeeinrichtungen wie Heime oder Wohngruppen werden die Entgelte individuell zwischen dem Träger der Einrichtung und den zuständigen Jugendämtern oder Landesjugendämtern vereinbart. Diese Entgelte berücksichtigen verschiedene Faktoren, darunter den Betreuungsaufwand, Personalkosten, Sachkosten und infrastrukturelle Gegebenheiten der Einrichtung. Daher können die Kosten je nach Einrichtung und Bundesland stark variieren. Konkrete Zahlen sind oft nicht öffentlich einsehbar, da sie von den spezifischen Vereinbarungen und dem Leistungsangebot der jeweiligen Einrichtung abhängen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die finanzielle Unterstützung für Pflegefamilien und die Vergütung von Pflegeeinrichtungen in Deutschland je nach Region und individuellen Vereinbarungen unterschiedlich ausfallen. Während Pflegefamilien ein festgelegtes Pflegegeld erhalten, werden die Entgelte für Pflegeeinrichtungen individuell festgelegt.