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Werbung: Unterspritzung mit Hyaluron ist unzulässig

Arbeitsrecht – Erbrecht - Kommunalrecht

Werbung: Unterspritzung mit Hyaluron ist unzulässig

Gesichtsbehandlung

Pressemitteilung BGH

BGH: Werbung mit Vorher-Nachher-Bildern bei Hyaluron-Behandlungen unzulässig

Mit Urteil vom 31. Juli 2025 (Az. I ZR 170/24) hat der Bundesgerichtshof (BGH) ein wichtiges Signal für den Verbraucherschutz im Bereich ästhetischer Medizin gesetzt: Die Werbung für Behandlungen mit Hyaluron oder Hyaluronidase zur Korrektur von Nase oder Kinn darf nicht mit Vorher-Nachher-Darstellungen erfolgen.

Hintergrund des Falls
Geklagt hatte eine Verbraucherzentrale gegen eine Anbieterin ästhetischer Gesichtsbehandlungen, die auf ihrer Webseite und über Instagram mit Vorher-Nachher-Fotos für Unterspritzungen im Gesichtsbereich warb. Die Klägerin sah darin einen Verstoß gegen das Heilmittelwerbegesetz (HWG), konkret gegen § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 HWG, und verlangte Unterlassung sowie Erstattung von Abmahnkosten.

Kern der Entscheidung
Der BGH bestätigte die vorinstanzliche Entscheidung des OLG Hamm und wies die Revision der Beklagten zurück. Nach Auffassung des Gerichts handelt es sich bei der Unterspritzung mit Hyaluron um einen operativen plastisch-chirurgischen Eingriff ohne medizinische Notwendigkeit im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c HWG. Entscheidend sei nicht die Schwere des Eingriffs, sondern dass mit einem Instrument (hier: einer Kanüle) Substanzen zur Veränderung der äußeren Gestalt eingebracht werden.

Daher greift das Werbeverbot nach § 11 HWG: Für solche Eingriffe darf nicht mit vergleichenden Darstellungen des Aussehens vor und nach der Behandlung geworben werden.

Schutzzweck der Regelung
Der Gesetzgeber will mit dieser Vorschrift insbesondere verhindern, dass durch suggestive oder emotional beeinflussende Werbung die Entscheidungsfreiheit der Verbraucherinnen und Verbraucher eingeschränkt wird. Es soll vermieden werden, dass sich Menschen aus rein ästhetischen Gründen unnötigen Gesundheitsrisiken aussetzen – insbesondere wenn kein medizinischer Bedarf besteht.

Abgrenzung zu anderen ästhetischen Maßnahmen
Der Einwand der Beklagten, eine Unterspritzung sei etwa mit Ohrlochstechen, Tätowieren oder Piercen vergleichbar, wurde vom BGH klar zurückgewiesen. Diese Maßnahmen beträfen lediglich die Hautoberfläche und fallen nicht unter den Begriff des operativen plastisch-chirurgischen Eingriffs im Sinne des HWG.

Fazit
Praxen, die ästhetische Behandlungen mit Hyaluron oder ähnlichen Substanzen anbieten, müssen ihre Werbestrategie dringend überdenken. Vorher-Nachher-Bilder in der Außenwerbung – etwa auf Webseiten oder in sozialen Medien – verstoßen klar gegen das Heilmittelwerbegesetz. Verbraucherschützer begrüßen die Entscheidung, weil sie eine klare Grenze zum Schutz vor übergriffiger, gesundheitsgefährdender Werbung zieht.


Wirkung und Einsatz von Hyaluron (Hyaluronsäure)


1. Was ist Hyaluron?

Hyaluronsäure (kurz: Hyaluron) ist ein körpereigener Mehrfachzucker (Polysaccharid), der insbesondere in der Haut, in Gelenken, im Bindegewebe und im Glaskörper des Auges vorkommt. Ihre Hauptfunktion liegt in der Bindung großer Mengen Wasser – ein Gramm Hyaluronsäure kann bis zu sechs Liter Wasser binden. Dadurch trägt sie wesentlich zur Feuchtigkeitsversorgung, Elastizität und Spannkraft von Geweben bei.


2. Medizinischer Einsatz

a) Orthopädie

  • Injektion in Gelenke (v.a. Kniegelenk) bei Arthrose (Gonarthrose), um die Gleitfähigkeit zu verbessern und Entzündungen zu lindern.

  • Wirkung: Verbesserung der Viskoelastizität der Gelenkflüssigkeit (Synovia), Schmerzlinderung, Verzögerung prothetischer Eingriffe.

  • Rechtsstatus: Medizinprodukt – keine garantierte Wirkung, aber anerkanntes Verfahren als symptomatische Therapie.

b) Augenheilkunde

  • Bestandteil künstlicher Tränen zur Befeuchtung der Augenoberfläche (bei Sicca-Syndrom).

  • Verwendung als viskoelastisches Material in Kataraktoperationen.

c) Wundheilung

  • Förderung der Regeneration bei chronischen Wunden durch feuchthaltende und entzündungshemmende Wirkung.


3. Kosmetischer und ästhetischer Einsatz

a) Dermal Filler

  • Injektionsbehandlungen zur Volumengabe oder Konturierung bestimmter Gesichtsregionen (z. B. Wangen, Lippen, Kinn, Nasenkorrektur ohne OP).

  • Wirkung: Sofortige Volumenzunahme, Verbesserung von Falten und Konturen.

  • Wirkdauer: Abhängig von Vernetzungsgrad und Injektionsort ca. 6 bis 18 Monate.

b) Topische Kosmetik

  • Bestandteil vieler Cremes, Seren und Masken.

  • Ziel: Verbesserung der Hautfeuchtigkeit und temporäre Glättung feiner Linien.

  • Begrenzung: Aufgrund der Molekülgröße meist keine Tiefenwirkung, primär oberflächlicher Effekt.


4. Risiken und Grenzen

  • Bei Injektionen: Schwellungen, Hämatome, Knötchenbildung, Infektionen, Gefäßkomplikationen (selten Embolien).

  • Allergien: Sehr selten, da Hyaluron körperidentisch ist.

  • Ethisch-rechtliche Problematik: Bei nicht medizinisch indizierten ästhetischen Eingriffen gelten besondere Aufklärungspflichten, Werbeverbote (§ 11 HWG), insbesondere wenn Risiken nicht hinreichend kommuniziert werden.

 

Hyaluron ist ein vielseitig einsetzbarer Wirkstoff mit hohem Nutzen in Medizin und Kosmetik. In der ästhetischen Medizin ist der Einsatz zwar weit verbreitet, aber nicht risikofrei. Seine Wirkung ist temporär, die Eingriffe sind minimal-invasiv, aber rechtlich und werberechtlich besonders reguliert. Der bewusste und sachkundige Umgang ist medizinisch, juristisch und ethisch geboten.

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