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Zoll‑Streit zwischen EU und USA

Arbeitsrecht – Erbrecht - Kommunalrecht

Zoll‑Streit zwischen EU und USA

europa

Eine Analyse:

1. Überblick über das Abkommen im Zollstreit

  • Die USA und die Europäische Union einigten sich darauf, für rund 70 % der EU‑Exportgüter in die USA einen durchschnittlichen Zollsatz von 15 % festzulegen – deutlich niedriger als die vorher angedrohten 30 %.

  • Bestimmte strategische Güter wie Flugzeugteile, spezielle Chemikalien, Pharma‑Generika und Halbleiterausrüstung werden zollfrei gestellt .

  • Stahl- und Aluminiumexporte aus der EU bleiben weiterhin mit Zöllen von bis zu 50 % belastet .

  • Im Gegenzug wird die EU ihre Importzölle auf US‑Fahrzeuge und Industrieprodukte auf etwa 2,5 % (statt bisher 10 %) reduzieren und in einigen Fällen ganz eliminieren.

  • Die EU verpflichtete sich zu Investitionen von ca. 600 Mrd. USD in den USA und zum Kauf von 750 Mrd. USD US‑Energieprodukten über drei Jahre.


2. Juristische Implikationen

a) WTO‑Kompatibilität

  • Die Vereinbarung steht im Spannungsfeld zu WTO‑Rechten: Während Zollerhöhungen zulässig sind, könnte die Verpflichtung der EU zu massiven Energie‑ und Investitionskäufen als staatlich unterlegte Marktmanipulation gewertet werden.

  • Rechtliche Präzedenzfälle, etwa WTO‑Schiedsverfahren im Stahlstreit, bleiben relevant – insbesondere wegen des festgehaltenen 50 %‑Zolls auf Stahl und Aluminium.

b) Binnenrechtskonformes Verfahren

  • Das Abkommen ist noch nicht vollständig ratifiziert – es bedarf der Zustimmung aller EU‑Mitgliedsstaaten sowie formeller Rechtsakte.

  • Frankreich fordert den Einsatz des EU‑Anti‑Coercion‑Instruments („Handels‑Bazooka“), falls die Maßnahme als Wirtschafts‑Zwang eingestuft wird.

c) Vertragsform & Durchsetzbarkeit

  • Die bislang bekannt gewordenen Zusagen sind nicht vollständig verbindlich und lassen viele Details offen – gerade hinsichtlich Exemptionslisten und Investitionspläne.

  • Vergleichbar mit früheren „Phase‑One–Deals“ mit China besteht das Risiko, dass Verpflichtungen nicht vollständig erfüllt werden können .


3. Ökonomische Auswirkungen

a) Europa

  • Der Deal verhindert kurzfristig Zölle von 30 % – jedoch bedeuten 15 % Zoll eine drastische Verschlechterung gegenüber dem historischen Niveau von 1‑2 %, insbesondere für Automobil-, Pharma- und Maschinenexporte.

  • Laut Kiel Policy Brief könnten EU‑Gesamt‑BIP‑Verluste bis 0,25–0,5 % betragen, während Deutschland ** 4–6 Mrd. € realer BIP‑Schaden** erleiden könnte.

  • Besonders vom höheren Zoll betroffen sind Automobilindustrie, Wein und Spirituosen, während Sektoren wie Halbleiter, Pharma und Luftfahrt weitgehend geschützt sind.

  • Europäische Unternehmer sehen den Deal als „»least‑bad outcome«“: unangenehm, aber besser als eine Eskalationsspirale.

b) USA

  • Die USA profitieren durch signifikante Einnahmen aus den 15 % Zöllen (~90 Mrd. USD jährlich) und finanzielle Impulse durch EU‑Investitionen und Energieeinkäufe.

  • Die US‑Wirtschaft könnte moderates Wachstum durch Reshoring und Industrieförderung erleben, jedoch werden Auswirkungen auf Inflation und Konsum nicht ausgeschlossen.

 


Vergleichanalyse des EU‑USA‑Abkommens (Ende Juli 2025) mit dem aktuellen USA‑Japan‑Abkommen (ebenfalls Juli 2025)

1. Struktur & Inhalt der Abkommen im Zollstreit

🇺🇸 USA–Japan (Juli 2025):

  • Die USA reduzierten die Exportzölle auf japanische Waren von geplanten 25 % auf 15 % – auch bei Autos und Autoteilen.

  • Stahl und Aluminium bleiben weiterhin mit 50 % zollbelegt, ähnlich wie im EU-Fall.

  • Japan verpflichtet sich zu einem Investitionsprogramm von 550 Mrd USD, z. B. in Schlüsselindustrien wie Halbleiter und Pharma, mit mechanistischen US-Steuerungsrechten über bis zu 90 % Profitverteilung.

  • Zusätzliche Absprachen umfassen Agrarzugänge (z. B. Reis unter WTO-Quoten) und US-Rüstungsaufträge.

🇪🇺 EU–USA (Juli 2025):

  • Einführung eines pauschalen 15 % Zolls auf ca. 70 % der EU‑Exportgüter, statt zuvor drohender 30 %.

  • Stahl- und Aluminium weiterhin mit 50 % Zoll belegt.

  • EU verpflichte sich zu Investitionen in Höhe von $600 Mrd sowie Kauf von $750 Mrd US‑Energieprodukten bis 2028.


2. Wirtschaftliche Auswirkungen & Verteilung

Japan–USA:

  • Die Umstellung auf 15 % Tarif gilt als historisch niedrig für ein Land mit Handelsüberschuss – dennoch bleibt sie eine wirtschaftliche Belastung für Japan.

  • Investment-Zusage ($550 Mrd) soll strategische US-Industrien stärken; Kritik daran, dass nur 1–2 % echte japanische Staatsmittel sind, der Rest über Kredite etc. läuft.

  • Japans Autoindustrie reagierte positiv, während US-Autobauer Verluste beklagten (z. B. GM) – der Deal wurde national als Verhandlungserfolg gefeiert.

EU–USA:

  • Prognosen deuten auf ein wirtschaftliches Minus für die EU von ca. 0,2–0,3 % BIP hin, insbesondere durch erhöhte Zölle auf Automobilindustrie, Wein, Pharma usw.

  • Der Deal wird als asymmetrisch bewertet: die EU senkt ihre Zölle, während sie gleichzeitig Zölle auf US-Waren reduziert – netto nachteilig für EU.


3. Verhandlungsposition & politischer Kontext

Japan:

  • Japan drohten 25–35 % Zölle als Druckmittel; im Wahlkontext nach Parlamentsverlusten musste Ishiba rasch reagieren.

  • Japan zeigte dennoch strategische Souveränität: klare Prioritätensetzung auf Export, minimaler Verzicht auf innenpolitisch sensible Agrargüter und Investitionen.

EU:

  • Agierte reaktiv unter politischem Druck – Deeskalation im Vordergrund.

  • Verpflichtete sich zu erheblichen Energie- und Investitionskäufen, ohne nennenswerte Gegenleistungen vom US‑Marktzugang.


4. Vergleichsmatrix: EU‑Deal vs. Japan‑Deal

Aspekt USA–Japan (Juli 2025) EU–USA (Juli 2025)
Zollsatz auf Exportgüter 15 % (statt 25 %) für Japan 15 % auf ca. 70 % der EU‑Exporte
Stahl-/Alu-Tarife weiterhin 50 % weiterhin 50 %
Investitions-/Käufepflichten Japan: $550 Mrd Programm (teilweise Kredite) EU: $600 Mrd Investitionen + $750 Mrd Energie-Käufe
Rechtliche Fixierung Interim Deal, Details fehlen Rahmenvereinbarung mit offenen Punkten
Politische Verhandlungslage Japan unter Druck, aber mit klarer Strategie EU unter Druck, asymmetrischer Deal
Wirtschaftliche Bilanz Belastung, aber moderate Monetarisierung möglich Kritisch für EU-Exportsektoren, klimapolitisch fraglich

5. Fazit: Sitzt Japan besser am Tisch?

Kurz gesagt: Ja.

  • Japan erhielt einen vergleichsweise starken Ergebnis‑Tarif (15 %), ohne übermäßige Zugeständnisse bei Agrar- oder Industriesektor.

  • Der Investitionsfonds wurde strategisch gestaltet, mit US‑Kontrolle und nicht als direkte Subvention Japans – Japan bewahrte etwas Handlungsspielraum.

  • Die EU hingegen musste substanzielle Verpflichtungen eingehen, ohne echten Marktzugang zu US‑Produkten, und trägt politisch das Risiko eines unausgewogenen Deals.

  • Beide Deals sind juristisch ähnlich unscharf (Detailfragen offen, noch nicht vollständig ratifiziert), doch politisch ist Japan besser positioniert und wirtschaftlich besser bedient worden.

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