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§ 353d StGB – Veröffentlichung von amtlichen Dokumenten

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§ 353d StGB – Veröffentlichung von amtlichen Dokumenten

Rechtsgebiete

Der Journalist und Aktivist Arne Semsrott, Chefredakteur des Portals FragDenStaat, geriet in rechtliche Schwierigkeiten, weil er im Zusammenhang mit Ermittlungen gegen die Klimaschutzgruppe Letzte Generation Gerichtsdokumente veröffentlichte. Konkret handelte es sich um Beschlüsse des Amtsgerichts München, die er trotz eines bestehenden Veröffentlichungsverbots nach § 353d Nr. 3 StGB online stellte. Diese Norm verbietet die Veröffentlichung von Inhalten aus laufenden Strafverfahren, um den ordnungsgemäßen Ablauf des Verfahrens sowie die Rechte der Beteiligten zu schützen.

Semsrott räumte im Prozess ein, dass ihm bewusst war, dass die Veröffentlichung gesetzlich verboten war, er wollte jedoch eine Grundsatzentscheidung zur Pressefreiheit herbeiführen. Semsrott und seine Verteidigung argumentierten, dass das pauschale Verbot, Dokumente aus laufenden Verfahren zu veröffentlichen, nicht mehr zeitgemäß und unverhältnismäßig sei. Das Gericht entschied dennoch, ihn nach § 353d StGB schuldig zu sprechen. Allerdings fiel das Urteil milde aus: Er wurde zu einer Verwarnung mit Strafvorbehalt verurteilt, was bedeutet, dass er nur dann eine Geldstrafe von 1.000 Euro zahlen muss, wenn er innerhalb eines Jahres erneut straffällig wird.

Semsrott lehnte eine Einstellung des Verfahrens ab, um den Fall vor höhere Gerichte zu bringen, mit dem Ziel, eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu erwirken.

§ 353d StGB ist eine Norm des deutschen Strafgesetzbuches, die sich mit dem Verbot der Veröffentlichung von amtlichen Dokumenten und privaten Inhalten aus laufenden Strafverfahren befasst. Diese Vorschrift ist unter dem Titel „Verbotene Mitteilungen über Gerichtsverhandlungen“ bekannt und hat das Ziel, die Integrität von Strafverfahren zu wahren sowie die Rechte der Verfahrensbeteiligten zu schützen.

Wortlaut von § 353d StGB:

§ 353d StGB – Verbotene Mitteilungen über Gerichtsverhandlungen: Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer:

  1. entgegen einem gesetzlichen Verbot über eine Gerichtsverhandlung eine Wort- oder Schriftverhandlung oder die Verhandlungsergebnisse öffentlich mitteilt;
  2. aus einer amtlichen Schrift, die wegen ihres Inhalts eine Gerichtsverhandlung betrifft und nicht öffentlich gemacht worden ist, öffentlich etwas mitteilt oder;
  3. eine Urkunde oder eine andere in einem Strafverfahren angefallene Schrift, die noch nicht Gegenstand einer öffentlichen Verhandlung war, veröffentlicht.

Hintergrund und Schutzfunktion

§ 353d StGB dient primär dem Schutz der Funktion und Unparteilichkeit der Justiz. Durch die Vorschrift soll verhindert werden, dass laufende Gerichtsverfahren und strafrechtliche Ermittlungen durch unautorisiert veröffentlichte Informationen beeinflusst oder in ihrer ordnungsgemäßen Durchführung behindert werden. Konkret wird dabei der Schutz von Verfahrensgeheimnissen, das Recht auf ein faires Verfahren und der Schutz der Beteiligten (Angeklagte, Zeugen, Opfer) in den Vordergrund gestellt.

Die Norm schützt also nicht nur den Verfahrensablauf, sondern auch die Persönlichkeitsrechte der Verfahrensbeteiligten, insbesondere der Angeklagten, deren Privatsphäre durch frühzeitige oder unautorisiert veröffentlichte Informationen beeinträchtigt werden könnte. In Deutschland gilt der Grundsatz der Unschuldsvermutung – und die voreilige Verbreitung von Informationen könnte das Bild der Unparteilichkeit und die Objektivität des Verfahrens gefährden.

Sinn und Zweck der Regelung

Der § 353d StGB zielt darauf ab, Manipulationen der öffentlichen Meinung durch unkontrollierte oder verzerrte Informationen zu verhindern. Journalistische Berichterstattungen und Veröffentlichungen müssen sich daher an strenge gesetzliche Vorgaben halten, um die ordnungsgemäße Durchführung von Gerichtsverfahren nicht zu beeinträchtigen.

  • Schutz der Integrität des Verfahrens: Durch die Norm soll sichergestellt werden, dass Informationen nur dann veröffentlicht werden, wenn sie bereits öffentlich verhandelt worden sind.
  • Fairness für die Beteiligten: Die Norm verhindert eine Vorverurteilung von Angeklagten und schützt Zeugen und Opfer vor einer ungewollten öffentlichen Bloßstellung.
  • Aufrechterhaltung der Rechtsstaatlichkeit: Der Gesetzgeber will damit die öffentliche Wahrnehmung der Justiz als fair und unvoreingenommen sichern.

Die Vorschrift ist vor allem für Journalisten und Medienunternehmen relevant, die über laufende Gerichtsverfahren berichten wollen. Sie müssen sicherstellen, dass sie keine nicht-öffentlichen Informationen oder Dokumente verwenden. Andernfalls drohen strafrechtliche Konsequenzen.

Die Frage, ob z.B. ein Bürgermeister, der von seiner eigenen Stadtverwaltung angezeigt wurde, diese Strafanzeige zur Selbstverteidigung veröffentlichen darf, berührt mehrere rechtliche Aspekte, insbesondere den Schutz laufender Ermittlungen und das Persönlichkeitsrecht des Angezeigten.

1. Veröffentlichung der Strafanzeige als solches

Da die Strafanzeige selbst nur den Ausgangspunkt eines Ermittlungsverfahrens darstellt und keine Ermittlungsergebnisse oder Gerichtsakten enthält, ist sie grundsätzlich nicht automatisch von § 353d StGB erfasst. Diese Norm schützt die Vertraulichkeit von Inhalten, die Teil eines laufenden Verfahrens sind, also etwa Anklageschriften, gerichtliche Beschlüsse oder Ermittlungsakten, die noch nicht öffentlich verhandelt wurden.

Eine Strafanzeige setzt das Verfahren erst in Gang und ist in der Regel ein öffentlich zugängliches Dokument, sobald es bei der Polizei oder Staatsanwaltschaft eingegangen ist. Daher ist die Veröffentlichung der reinen Anzeige zur Selbstverteidigung möglich.

2. Relevanz des Persönlichkeitsrechts

Allerdings sind auch das Persönlichkeitsrecht desjenigen, der in der Anzeige genannt wird, sowie dessen Schutz vor Rufschädigung zu berücksichtigen. Sollte die Anzeige sensible oder belastende Informationen enthalten, könnte die Veröffentlichung seine Rechte verletzen. Besonders in politischen oder öffentlichen Ämtern, wie es bei einem Bürgermeister der Fall ist, müssen diese Aspekte abgewogen werden. Das Abwägen entfällt, wenn der Betroffene die Anzeige gegen ihn selbst veröffentlicht.

3. Selbstverteidigung als legitimes Interesse

In politischen Ämtern, insbesondere bei einem Bürgermeister, besteht ein legitimes öffentliches Interesse an der Offenlegung der Anzeige, wenn sie dazu genutzt wird, den Bürgermeister durch eine Abwahl zu schwächen oder zu diskreditieren. Der Bürgermeister kann argumentieren, dass er zur Transparenz verpflichtet ist und sich durch die Veröffentlichung der Anzeige gegen mögliche Rufschädigung oder Vorwürfe verteidigen muß.

 

Forderung nach Reform von § 353d StGB

Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) und andere Organisationen wie Reporter ohne Grenzen kritisieren § 353d StGB scharf. Sie argumentieren, dass die Norm in unverhältnismäßiger Weise die Pressefreiheit einschränkt, da sie das Veröffentlichungsverbot von amtlichen Dokumenten aus laufenden Strafverfahren vorsieht, ohne eine Abwägung mit dem öffentlichen Interesse vorzunehmen. Der DJV fordert eine Reform oder Abschaffung der Norm, da sie die sachliche Berichterstattung behindere und Journalisten kriminalisiere, selbst wenn sie verantwortungsvoll handeln und die Persönlichkeitsrechte schützen.

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