Klagebegründung gegen den Rundfunkbeitrag vor dem VG Schleswig – Unabhängigkeit, Funktionsauftrag und verfassungsrechtliche Maßstäbe

Eine vielleicht etwas andere Begründung für die Verweigerung des Rundfunkbeitrags….
Eine aktuelle Klagebegründung vor dem Verwaltungsgericht Schleswig richtet sich sehr grundsätzlich gegen die Ausgestaltung und Praxis des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (ÖRR) in Deutschland. Sie setzt bei den tragenden Maßstäben der Rundfunkfreiheit an, wie sie das Bundesverfassungsgericht seit Jahrzehnten in ständiger Rechtsprechung entwickelt hat: Unabhängigkeit, Staatsferne und die Erfüllung des Funktionsauftrags zur freien individuellen und öffentlichen Meinungsbildung.
Die Legitimation des Rundfunkbeitrags knüpft nicht an individuelle Nutzung, sondern ausschließlich an die funktionsgerechte Finanzierung des ÖRR. Dieser Beitrag wird von allen Bürgerinnen und Bürgern erhoben, weil er den Rundfunkanstalten die Unabhängigkeit von staatlichen und privaten Einflussnahmen sichern soll. Doch diese Finanzierung ist nur solange verfassungsrechtlich gerechtfertigt, wie die Rundfunkanstalten ihren Funktionsauftrag tatsächlich erfüllen.
Genau hier setzt die Klagebegründung an: Sie macht geltend, dass ARD, ZDF und Deutschlandradio diesen Auftrag in ihrer gegenwärtigen Praxis und Struktur nicht mehr gewährleisten und die Beitragspflicht daher ihre verfassungsrechtliche Legitimation verliert.
Die aufgegriffenen Punkte in der Klagebegründung:
Politische Einflussnahme und Verlust der Unabhängigkeit
Zentrale Voraussetzung der Rundfunkfreiheit ist die Staatsferne. Das Bundesverfassungsgericht hat wiederholt betont, dass politische Einflussnahme ausgeschlossen sein muss, damit der Rundfunk seine Rolle als „Medium und Faktor des Prozesses freier individueller und öffentlicher Meinungsbildung“ wahrnehmen kann (BVerfGE 57, 295 [321]).
Die Realität zeigt jedoch eine starke politische Präsenz in den Aufsichtsgremien an entscheidender Stelle.
Die Zusammensetzung der Gremien, insbesondere beim ZDF, offenbart eine deutliche Dominanz politischer Vertreter. Beispielhaft ist die Funktion der ehemaligen rheinland-pfälzischen Ministerpräsidentin Malu Dreyer als Vorsitzende des ZDF-Verwaltungsrates und Vorsitzende der Rundfunkkommission der Länder.
Dies widerspricht dem verfassungsrechtlichen Gebot der Staatsferne. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist die institutionelle Unabhängigkeit unabdingbare Voraussetzung dafür, dass die Rundfunkanstalten ihrer Aufgabe als „Medium und Faktor des Prozesses freier individueller und öffentlicher Meinungsbildung“ gerecht werden können.
Für den Kläger bedeutet dies konkret: Er wird durch die Beitragspflicht gezwungen, eine Rundfunkordnung zu finanzieren, die verfassungsrechtlich unzureichend ausgestaltet ist. Eine Finanzierungspflicht kann aber nur bestehen, wenn der Rundfunk seine verfassungsmäßige Rolle als unabhängiger Mittler zwischen Staat und Gesellschaft tatsächlich erfüllt.
Die Verweigerung der Beitragszahlung durch den Kläger ist daher Ausdruck einer konsequenten Wahrnehmung seiner Grundrechte. Er wendet sich nicht gegen den Rundfunk als solchen, sondern gegen dessen gegenwärtige, politisch geprägte Struktur, die den Funktionsauftrag verfehlt. Damit fehlt der Beitragspflicht gegenüber dem Kläger die verfassungsrechtliche Legitimation – wie die nachfolgenden Punkte zeigen:
Blockade der Beitragserhöhung und Verletzung der Bestands- und Entwicklungsgarantie
Das BVerfG hat mit dem Urteil vom 20. Juli 2021 hervorgehoben, dass eine Bedarfsgerechtigkeit der Finanzierung zwingend ist. Politische Blockaden einzelner Bundesländer bei der Umsetzung der KEF-Empfehlungen stellen daher eine verfassungswidrige Einflussnahme dar.
Die Bestands- und Entwicklungsgarantie schützt nicht den unveränderten Fortbestand von Strukturen, sondern allein die Möglichkeit, den Funktionsauftrag zu erfüllen. Politische Eingriffe in die Finanzierung gefährden diese Garantie und schwächen den Auftrag nachhaltig.
Einschränkung der Programmautonomie durch den Medienstaatsvertrag
Die Bestands- und Entwicklungsgarantie umfasst auch die Programmautonomie der Rundfunkanstalten. Vorgaben des Medienstaatsvertrages, welche Programme in welcher Form angeboten werden dürfen, beschneiden jedoch die Gestaltungsfreiheit der Anstalten und widersprechen damit dem Schutzbereich der Rundfunkfreiheit.
Fremdsteuerung durch den Drei-Stufen-Test
Neue Telemedienangebote müssen sich einem Drei-Stufen-Test unterziehen. Dieser wird regelmäßig auf Grundlage externer Gutachten entwickelt, während die Gremien häufig nicht über die notwendige Sachkompetenz verfügen. Hohe Kosten und mangelnde Unabhängigkeit machen deutlich, dass dieses Instrument nicht geeignet ist, die Unabhängigkeit des ÖRR zu sichern, sondern sie faktisch schwächt. Gleichzeitig geht der Drei-Stufen-Test und auch die damit verbundene Beschänkung der ÖRR völlig an der technischen Realtität und dem Nutzerverhalten vorbei.
Europäisches Wettbewerbsrecht – Freiheitsrecht unter ökonomischem Vorbehalt
Die Einordnung des ÖRR unter das europäische Wettbewerbsrecht bedeutet eine problematische Unterwerfung. Der Rundfunk ist ein Freiheitsrecht, kein Wirtschaftsgut. Eine Finanzierung darf nicht nach den Maßstäben der Marktkonkurrenz bemessen werden, sondern allein nach den verfassungsrechtlichen Vorgaben des Funktionsauftrags.
Strukturelle Probleme der Finanzierung – Pensionsrückstellungen
Ein erheblicher Teil der Beitragseinnahmen fließt in stetig steigende Pensionsrückstellungen. Diese wachsen deutlich schneller als der Rundfunkbeitrag selbst. Damit wird ein immer größerer Anteil der Mittel zweckentfremdet – zulasten des Programmauftrags, der eigentlich durch die Beiträge finanziert werden soll.
Objektivitätspflicht in Nachrichtensendungen
Das BVerfG fordert ein „objektives Bild der Wirklichkeit“. Nachrichtenformate der ÖRR zeigen jedoch zunehmend Haltung: Gendern, Wertungen („gesichert rechtsextrem“) oder eine politisch einseitige Priorisierung der Themen. Damit wird die verfassungsrechtlich geschützte Neutralitätspflicht verletzt.
Das Buch von Julia Ruhs ist ein ganze eigener Beleg dieser Wahrnehmung in der Gesellschaft und damit beim Beitragszahler.
Unterhaltung mit politischer Schlagseite – Beispiel „ZDF Magazin Royale“
Formate wie das ZDF Magazin Royale überschreiten die Grenzen des Grundversorgungsauftrags. Hier tritt Unterhaltung in Verbindung mit parteipolitischer Zuspitzung auf – Inhalte, die dem ÖRR nicht zukommen, sondern privaten Anbietern überlassen bleiben sollten.
Abhängigkeit von Drittplattformen – TikTok und Instagram
Die Präsenz auf TikTok und Instagram macht die Rundfunkanstalten von den Algorithmen und Geschäftsmodellen fremder Plattformbetreiber abhängig. Damit wird ihre Unabhängigkeit eingeschränkt und die Inhalte orientieren sich an Logiken, die mit dem Funktionsauftrag nicht vereinbar sind.
Aufgabe der Ansprache junger Zielgruppen – Einstellung der funk-App
Die Einstellung der funk-App bedeutet, dass die direkte Ansprache der 14–29-Jährigen aufgegeben wurde. Die Versorgung dieser Zielgruppe wird damit privaten Plattformen überlassen – ein klarer Bruch des Auftrags, die gesamte Gesellschaft mit unabhängiger Grundversorgung zu erreichen.
Agenda-Setting in Nachrichten
Die Gewichtung der ersten Nachrichten bestimmt maßgeblich das öffentliche Bild. Eine einseitige Auswahl führt zu einer verfassungsrechtlich unzulässigen Meinungslenkung.
Kommerzialisierung von Beitragsinhalten
Beitragsfinanzierte Inhalte wie Tatort oder beliebte Serien sind nicht mehr frei in den Mediatheken, sondern kostenpflichtig auf Drittplattformen abrufbar. Damit werden Bürger gezwungen, für bereits finanzierte Inhalte ein weiteres Mal zu zahlen.
Framing Manual – Sprachlenkung mit Beitragsmitteln
Das von der ARD beauftragte Framing Manual zielte auf eine strategische Umdeutung des Diskurses („Demokratieabgabe“, „Profitmedien“). Hier wird deutlich, dass Beitragsmittel nicht für neutrale Programmgestaltung, sondern für gezielte PR in eigener Sache eingesetzt wurden.
Aus dem Framinig Manual:
……., nutzen Sie innerhalb Ihrer faktischen Erklärungen und Darlegungen immer wieder Schlagwörter, die Ihre Hörer oder Leser daran erinnern, welches die moralische Prämisse des Themas ist, über das Sie gerade reden.
Beispielhafte linguistische Umsetzungen des moralischen Framings in kurzen Sätzen und Slogans:
- Kontrollierte Demokratie statt jeder wie er will.
- Das Recht auf freie Information überlebt sich nicht.
- Das Gute sehen.
- Gutes sehen statt Brot und Spiele fürs Volk.
- Exzellenz statt Umsatz. Exzellenz statt Profitfixierung.
- Demokratie statt Umsatz.
- Die ARD ist der verlängerte Arm der Bürgers.
- Fernsehen ohne Profitzensur.
- Wir nehmen jeden ernst – auch Deine Oma.
- Wir nehmen jeden ernst – auch Deinen Stammtisch.
- Wir nehmen jeden ernst – auch Dein Kind.
- Gemeinsam. Fernsehen.
- Demokratie statt Profit.
- Demokratie statt ideologischer Monopolisierung.
- Demokratie statt rechenschaftsfreier Echokammern.
- usw.
Strukturfragen – Bestands- und Entwicklungsgarantie schützt nicht die Institution
Das BVerfG hat betont: Die Garantie schützt nicht ARD oder ZDF als Institution, sondern die Funktion des Rundfunks in der Demokratie. Damit ist klargestellt: Wenn die gegenwärtigen Anstalten den Auftrag nicht erfüllen, ist der Gesetzgeber verpflichtet, alternative Strukturen zu schaffen.
Ersetzbarkeit des ÖRR bei Nichterfüllung
Die Rundfunkfreiheit verlangt die Erfüllung des Funktionsauftrags, nicht den Erhalt bestehender Organisationen. Versagen diese, ist der Gesetzgeber gehalten, eine neue Ordnung zu schaffen, die den Auftrag erfüllt.
Dazu aktuell der Bschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 23.7.2025:
Leitsätze zum Beschluss des Ersten Senats vom 23. Juli 2025
– 1 BvR 2578/24 –
Rundfunk Berlin‑Brandenburg1. Bei der Ausgestaltung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks hat der Gesetzgeber den Anforderungen zu genügen, die aus der Sicherung seiner Funktionsfähigkeit, der Programmautonomie und dem aus dem Erfordernis der Vielfaltsicherung resultierenden Gebot der Staatsferne folgen.
2. Bei der Organisation der Geschäftsleitung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ist dem Gesetzgeber von Verfassungs wegen kein bestimmtes Strukturmodell vorgegeben. Vielmehr kommt ihm Gestaltungsfreiheit zu, sofern die Funktionsfähigkeit des Rundfunks nicht gefährdet wird.
3. Die Festlegung einer begrenzten Mindestzahl an Standorten von regionalen Organisationseinheiten einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt (wie Regionalstudios und Regionalbüros) ist mit der Rundfunkfreiheit vereinbar. Sie dient der regionalen Vielfalt im Programm und wird hier dem Wesen der Mehrländerrundfunkanstalt gerecht.
4. Eine staatsvertragliche Mindestzeitvorgabe für die Auseinanderschaltung der Landesfernsehprogramme ist − jedenfalls bei einer Mehrländerrundfunkanstalt in föderaler Verantwortungsgemeinschaft − mit der Programmfreiheit vereinbar, wenn sie zeitlich eng begrenzt ist und weiten Raum zur autonomen Ausfüllung lässt.
Gesamtergebnis – Nichterfüllung des Funktionsauftrags
Die Gesamtschau aller Defizite zeigt:
-
Verlust der Unabhängigkeit,
-
finanzielle Fehlsteuerungen,
-
programmatische und inhaltliche Defizite,
-
strukturelle Untauglichkeit der bestehenden Organisation.
Damit erfüllen die Rundfunkanstalten ihren Funktionsauftrag nicht mehr. Der Rundfunkbeitrag, dessen Rechtfertigung ausschließlich in der Finanzierung einer funktionstüchtigen, unabhängigen Grundversorgung liegt, ist in dieser Form nicht mehr gerechtfertigt.
Ziel der Klage:
Die Klage vor dem VG Schleswig richtet sich daher nicht gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk als Institution an sich, sondern gegen seine gegenwärtige Struktur und Praxis, die mit den Anforderungen der Verfassung nicht mehr vereinbar ist. Die Beitragspflicht kann nicht aufrechterhalten werden, wenn die Anstalten ihren Auftrag verfehlen.