Überblick über Recht – Wirtschaft – Politik

Themenübersicht
Erbrecht
Zwangsversteigerung „stecken geblieben“ – OLG Karlsruhe zur Grundbucheintragung von GbR nach MoPeG
OLG Karlsruhe Beschluss vom 9.09.2025 – 14 W 70/25
Sachverhalt:
Nach dem Tod der Eltern erbten vier Kinder gemeinsam ein Grundstück, das zur Aufhebung der Erbengemeinschaft zwangsversteigert wurde. Ersteherin war eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), deren Gesellschafter drei der vier Erben waren. Das Vollstreckungsgericht beantragte erst im März 2024 beim Grundbuchamt die Löschung der Zwangsversteigerungsvermerke und die Eintragung der GbR als Eigentümerin. Das Grundbuchamt verweigerte die Eintragung mit Hinweis auf die seit 01.01.2024 geltende Neuregelung durch das MoPeG, wonach eine GbR nur bei vorheriger Registereintragung berücksichtigt wird. Hiergegen legte das Vollstreckungsgericht Beschwerde ein und argumentierte, der Eigentumsübergang sei schon 2023 vollzogen gewesen.
Entscheidung:
Das OLG Karlsruhe bestätigte die Auffassung des Grundbuchamts und wies die Beschwerde zurück. Nach § 47 Abs. 2 GBO n.F. könne eine GbR nur dann im Grundbuch eingetragen werden, wenn sie zuvor im Gesellschaftsregister eingetragen sei – unabhängig davon, ob der Rechtserwerb rechtsgeschäftlich oder kraft Gesetzes, wie hier durch Zuschlag, erfolgt. Maßgeblich für die Übergangsregelung sei allein der Eingang des förmlichen Ersuchens beim Grundbuchamt, der im März 2024 und damit nach Inkrafttreten des MoPeG erfolgte. Dass der Zuschlag bereits 2023 erteilt und formlos mitgeteilt worden war, ändere daran nichts. Zwar führe dies dazu, dass das Zwangsversteigerungsverfahren nicht vollständig abgeschlossen werden könne und das Grundbuch unrichtig bleibe, dies sei jedoch eine hinzunehmende Folge der Neuregelung.
Arbeitsrecht
Urlaubsanspruch trotz Krankheit: OVG verpflichtet Zollverwaltung zur Abgeltung
OVG Münster, Urteil vom 12.09.2025 – 1 A 710/22
Sachverhalt:
Ein Zollbeamter wurde Anfang 2021 wegen dauerhafter Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt. Für die Jahre 2019, 2020 und anteilig 2021 erkannte die Generalzolldirektion ihm eine Urlaubsabgeltung zu, verweigerte diese jedoch für 20 Urlaubstage aus dem Jahr 2018. Der Kläger argumentierte, der Dienstherr hätte ihn rechtzeitig auf den drohenden Verfall des Urlaubs hinweisen müssen. Da er bis März 2018 noch Dienst verrichtet hatte, hätte er den Urlaub im Falle eines rechtzeitigen Hinweises nehmen können. Nachdem das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen hatte, legte der Kläger erfolgreich Berufung ein.
Entscheidung:
Das Oberverwaltungsgericht stellte klar, dass auch Beamte einen Anspruch auf finanzielle Abgeltung des unionsrechtlich garantierten Mindesturlaubs haben. Nach der Rechtsprechung des EuGH verfällt Urlaub nur dann, wenn der Arbeitgeber den Beschäftigten zuvor transparent auf den drohenden Verfall hingewiesen und ihn zur rechtzeitigen Inanspruchnahme aufgefordert hat. Diesen Hinweis habe die Zollverwaltung 2018 nicht rechtzeitig und nicht individuell erteilt. Da der Kläger im Januar und Februar 2018 noch dienstfähig war, hätte er bei ordnungsgemäßer Belehrung seinen Urlaub antreten können. Der nicht gewährte Urlaub ist daher finanziell abzugelten, einschließlich Prozesszinsen.
Beamtenrecht
Chat-Posting im Polizeidienst: OVG Sachsen-Anhalt kippt Entlassung eines Probebeamten
OVG Magdeburg, Urteil vom 04.09.2025 – 1 21/25
Sachverhalt:
Ein Polizeimeister auf Probe war wegen seiner Beteiligung an einem WhatsApp-Klassenchat aus dem Beamtenverhältnis entlassen worden. Dort hatte er ein menschenverachtendes Bild einer schwerbehinderten Frau mit der Aufschrift „Bumsklumpen“ eingestellt. Die Behörde wertete dies als schweres Dienstvergehen und als Zeichen fehlender charakterlicher Eignung. Sie stützte die Entlassung auf Pflichtverstöße gegen Wohlverhalten und Verfassungstreue. Nachdem das Verwaltungsgericht die Entlassung bestätigte, legte der Beamte erfolgreich Berufung ein.
Entscheidung:
Das OVG hob die Entlassungsverfügung auf, da die Voraussetzungen für eine Entlassung nach § 23 Abs. 3 BeamtStG nicht vorlagen. Zwar habe der Kläger mit dem Posting die Wohlverhaltenspflicht verletzt, jedoch sei es ein einmaliges, jugendlich-unreifes Fehlverhalten, das bei einem Lebenszeitbeamten allenfalls eine Geldbuße, nicht aber eine Kürzung der Dienstbezüge gerechtfertigt hätte. Eine Verletzung der Verfassungstreuepflicht konnte das Gericht nicht feststellen, da der Beitrag eher als geschmackloser „schwarzer Humor“ denn als Ausdruck einer verfassungsfeindlichen Gesinnung zu werten sei. Zudem habe es während der Probezeit keine weiteren Vorfälle gegeben, sodass eine Nichtbewährung nicht angenommen werden könne. Die Entlassung war daher rechtswidrig und der Kläger musste wieder in sein Probebeamtenverhältnis eingesetzt werden.
Kommunalrecht
VG München: Bürgerbegehren gegen Bebauung scheitert an Koppelungsverbot und unklarer Fragestellung
VG München, Urteil vom 16.09.2025 – M K 24.3773
Sachverhalt:
In Taufkirchen reichten Bürgervertreterinnen zwei Bürgerbegehren gegen geplante Baugebiete („HB 1“ und „D. straße“) ein. Beide Begehren wurden gemeinsam auf einem DIN-A3-Blatt und mit einem gemeinsamen Informationsflyer präsentiert. Das Bürgerbegehren „Grünlandfläche an der D. straße erhalten“ zielte darauf ab, die Bebauung zu stoppen und die Fläche als Grünland zu bewahren. Kurz nach Einreichung beschloss der Gemeinderat jedoch den Bebauungsplan für die D. straße. Die Gemeinde wies die Bürgerbegehren zurück, woraufhin die Initiatorinnen Klage erhoben.
Entscheidung:
Das Verwaltungsgericht lehnte die Klage ab, da das Bürgerbegehren die Zulässigkeitsvoraussetzungen nicht erfüllte. Durch die gemeinsame Präsentation beider Begehren seien Bürger in ihrer freien Entscheidung beeinträchtigt worden – ein Verstoß gegen das Koppelungsverbot. Zudem enthielt das beigefügte Informationsblatt teilweise unzutreffende und irreführende Angaben, etwa zur Zahl geplanter Wohnungen und zur Umweltwirkung. Auch die Fragestellung war zu unbestimmt, da nach Erlass des Bebauungsplans keine eindeutige gemeindliche Entscheidung mehr möglich war. Damit bestand weder ein Anspruch auf Zulassung noch ein Fortsetzungsinteresse – die Klage wurde insgesamt abgewiesen.
News diese Woche:
Daten aus Anom-Chats dürfen verwertet werden
Das FBI verteilte manipulierte Kryptohandys mit der Software „Anom“ an Kriminelle, um deren Kommunikation mitzulesen; auf dieser Basis wurden auch in Deutschland zahlreiche Ermittlungsverfahren geführt. Deutsche Gerichte, bis hin zum Bundesgerichtshof und jüngst das Bundesverfassungsgericht, haben entschieden, dass die so gewonnenen Daten als Beweismittel verwertet werden dürfen. Begründet wird dies damit, dass kein Verstoß gegen rechtsstaatliche Mindeststandards erkennbar sei und die Umstände der Datenerhebung im Ausland nicht von deutschen Strafgerichten zu prüfen seien. Neue Recherchen der FAZ legen jedoch nahe, dass eine litauische Richterin, die den entscheidenden Beschluss erlassen hatte, von Polizei und FBI über die Hintergründe des Projekts getäuscht worden sein könnte. Dadurch entsteht neue Unsicherheit über die Rechtsstaatlichkeit der Datenerhebung und die Frage, ob Strafverfahren erneut aufgerollt werden müssen – auch eine Beschwerde vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte erscheint möglich.